Sechste Szene

[150] LACERTA kommt huschend aus der Tapetentür, ebenfalls im Mantel. Die Rose in der Hand. Psst psst psst ... ihr habt wohl schon wieder einen Krach ... ich weiß schon ... doch um die heilige Lisiska ... hahahaha ... um das süße[150] Mäuschen ... schön wie ein Vogel aus schlohweißem Flaum ... dumm wie ein Stock mit echt goldenem Knopfe ... hahahaha ... wie die bloß die Augen verstohlen zu Boden senkt ... wenn sie so wandelt ... selber heilig ... und rechts noch die Nonne mit großem Blick ... tief in sich gekehrt ... und jede von nackten Englein träumend ... ja ... wie ich gerade am ganz zeitigen Morgen im Hemde total verschlafen durch die Vorhangsspalte in den Park hinaussehe, ob es Tag ist ... da laufen die Beiden schon feierlich hin zum Pfaffen ... hahahaha ... nee, Kinder ... habt ihr nicht eine Prise Pfeffer ... oder ein schlechtes Bonbon ... ich muß mich stärken ... weg mit der Dummduseligkeit von Liliengerüchen ... Liddi ... da rieche ich doch weiß Gott lieber deinen betulichen Arm an ... Liddi wehrt sich. ich tu dir ja nichts ... ich will ja nur dein Fleischliches riechen ... bist du albern ... nein ... so eine Lebenserstarrung sieht göttlich aus ... ich wäre vor Anbetung beinah zum Fenster hinausgeflogen ... um niederzuknieen ... und der strenge Meister Lionel Mander hätte sollen sein Wunder sehen, wie die ungezähmte Lacerta im Hemdlein vor den ungesalzenen, gottselig versunkenen Weibern demutsvoll knixte ... nee, wahrhaftig ...


Quelle:
Carl Hauptmann: Die goldnen Straßen. Leipzig 1918, S. 150-151.
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