Achte Szene


[298] Jacob erscheint mit dem vorhin abgegangenen Bedienten in der Tür.


JACOB zum Bedienten. Auf Eure Verantwortung! Was? Bin ich dazu gemacht, mit Königen zu verkehren? Ich möchte hier im Schloß vor jedem Schrank und Tisch drei Kratzfüße machen, so blank und vornehm sehen sie aus; ich hätte den Spiegel, in den ich, als wir vorbeigingen, aus Versehen hinein guckte, um Verzeihung bitten mögen, meines ungewaschenen Bildes wegen; ich würde einen Stuhl, wie den da, eher selbst auf den Rücken nehmen, als mich auf ihn niedersetzen, so viel Respekt flößt er mir ein, und nun soll ich am hellen Morgen so unverschämt sein, und unrasiert und ungekämmt, wie ich bin, vor die Königlichen Majestäten hintreten? Er bleibt stehen. So weit gutwillig. Wenn ich weiter soll, müßt Ihr Gewalt brauchen, damit ein jeder sieht, daß ich nicht von selbst komme.[298]

DIE PRINZESSIN. Wer ist der Mensch?

DER KÖNIG winkt Jacob. Kommt heran! Zur Prinzessin. Es ist der Mann, in dessen Händen sich bis jetzt der Diamant befand. Zu Jacob. Nun? Zur Prinzessin. Ich ließ ihn rufen, weil meine Tochter über ihn lachen soll!

DIE PRINZESSIN wiederholt langsam des Königs Worte. Das ist der Mann!

JACOB zum Bedienten, auf den Fußteppich zeigend. Nehmt den Teppich auf, daß ich ihn nicht beschmutze, wenn ich gehorche. Doch ich sehe, das könnt Ihr gar nicht, ohne Euer gesticktes Kleid zu verderben. Ihr seid mir ein schöner Bedienter! Wäre ich Euer Herr, ich würde mich hüten, Euch etwas zu befehlen. Wenn Ihr einen Dienst verrichtet, so ists um den Rock geschehen.

DIE PRINZESSIN nickt. Das ist der Mann!

DER GRAF für sich. Sie kommt zu sich. An der Realität dieses Bauern muß wohl jede fixe Idee sich zerstoßen!

JACOB für sich. Jetzt fällt mirs ein, wozu ich gerufen bin. Ich soll mich bedanken. Nun, das kann die Majestät für die halbe Million doch auch wohl verlangen. Für welch einen Esel wird sie mich halten, daß ich so lange zögre. Wüßt ich nur, wer König ist, daß ich mich nicht an den Verkehrten wende und mich lächerlich mache. Hier ist der König nicht so leicht herauszufinden, wie im Kartenspiel. Doch, der wirds wohl sein, der mich vorhin rief. Er nähert sich eilig und ungeschickt dem König. Ich bedanke mich, Majestät! Zwar hab ich das Geld noch nicht, aber ich bedanke mich, als ob ichs schon hätte, und ich bin erbötig, alle Tage zu kommen und mich zu bedanken. Wenn ich mich zuerst weigerte, so wars nur, weil ich noch nicht begriff, was ich hier sollte.

DER KÖNIG. Nicht wahr, Prinzessin, er hat wenig von einem Geist?

DIE PRINZESSIN. O, mein Vater!

JACOB der inzwischen einen Taler aus der Tasche gezogen hat und abwechselnd den König und den Taler betrachtet hat. Die Wette hätt ich verloren!

DER KÖNIG. Was für eine Wetter, Freund?

JACOB. Ich saß einmal, als ich noch unverheiratet war, in einem[299] Krug und zog einen Taler hervor. Den legte ich vor mich auf den Tisch und sagte zum Wirt: dies Bild Seiner Majestät kann nicht richtig sein, denn die Krone fehlt. Der Wirt stritt dagegen und behauptete, ein König trüge die Krone niemals selbst, sondern ließe sie sich immer durch den stärksten Soldaten vortragen, denn sie sei viel zu schwer. Ich stritt wieder gegen den Wirt, der Wirt wollte sich auch nicht geben und meinte, wenn das Bild falsch sei, so müsse auch der Taler falsch sein und dann sei ich selbst falsch, weil ich falsches Geld ausgäbe. Zuletzt wetteten wir, hätten wir das nicht getan, so würden wir uns noch geprügelt haben. Nun sehe ich, der Mann hats besser gewußt, als ich, denn von einer Krone werd ich hier wirklich nichts gewahr.

DER KÖNIG. Jetzt geh und laß dir dein Geld auszahlen.

JACOB. Eine Gnade möcht ich mir aber doch noch ausbitten, nämlich die, mir soviel von dem Gelde abzuziehen, als nötig ist, um den allerschönsten Ring für die Prinzessin Tochter zu kaufen. Ohne Umstände! Sie hat ihn wohl verdient, und sie sollte ihn bekommen, wenn sie auch gar nicht so sparsame, dünne Finger hätte, wie sie hat, sondern derbe Arbeitsklauen, wie die meinigen. Sie ist es ja doch ganz gewiß, die dem Soldaten den Diamant gab, wahrscheinlich hat der Mensch sich nicht einmal bedankt, denn vom Reden war er kein Freund, da will ichs denn durch den Ring in seinem Namen tun. Im Abgehen. Bitte, meine Person nicht übel zu nehmen! Ab.

DER KÖNIG. Prinz, reichen Sie Ihrer Braut den Arm, die Königin ist krank, wir können sie nicht zu schnell wieder gesund machen. Alle schicken sich zum Abgehen an.


Finis


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 298-300.
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