11.

[98] Partei, Partei – ich habe sie genommen,

Als grausam die Partei entrechtet war,

Für die mein Glaube glühend schon erglommen

In Tagen der Verfolgung und Gefahr.

Mit meines Liedes Macht bin ich gekommen

Zum Kampfe für der Unterdrückten Schar

Und freue mich der Funken, die gezündet

Im Herzen derer, die die Not verbündet.


Partei, Partei – wer leugnet seine Seele?

Ja, meine ganze Seele gab ich hin:

Der Ton drang ohne Falsch mir aus der Kehle,

Pater peccavi kommt mir nicht in Sinn.

Nichts ist, was ich verschleire und verhehle,

Die Muse ward zur Proletarierin,

Und rot an ihr war nicht nur die Kokarde,

Mit Haut und Haaren ward ich Freiheitsbarde.
[98]

Partei, Partei – ich geh nun ganz alleine,

Kein Überläufer mit Verräterlist.

Ein Wicht, wer mir nachwirft Verleumdersteine

Und mich mit seiner Bosheit Maße mißt!

Ich bin mir selbst Partei und hab die reine,

Rotgoldne Flagge Poesie gehißt

Mit Silberstern – kein falsches Gut zu paschen,

Nicht rechts noch links, doch gottlob nicht verwaschen ...


Wie dort der Weih, der überm See die Kreise

Bald nah der Flut, bald hoch in Lüften zieht

Und seinen Schwingen immer neue Gleise

Fortbahnend jetzt in blaue Fernen flieht

Und jetzt in unberechenbarer Weise

Weitbogig auftaucht, plötzlich niedersieht

Und abwärts pfeilt nach Wasser oder Beute –

Fühl' ich mich frei vom Standpunkt kleiner Leute.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 1: Buch des Lebens, München 1921, S. 98-99.
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