21.

[116] Das schlimmste Tier in dem hochedlen Bunde

Heißt Mammonitis, wulstig aufgebläht,

Die Wucherin mit dem gemeinsten Pfunde,

Die einzig nach dem ewigen »Mehr«-Wert späht.

Sie betet mit dem Geldschrankschlüsselbunde

Vor einem Altar, dran ein Gauner kräht,

Verkappt in ehrlichen Verdienstes Robe:

»Dem Mammon Heil, den heiligen Mammon lobe!«


Was adlig atmet, herzrein sich gestaltet,

Was geisteskühn zum Sonnenlichte drängt,

Was liebend sich in freier Luft entfaltet

Und freudeschwellend seine Knospen sprengt,

Worin der Genius der Wahrheit waltet,

Der niemals niederm Stoffe sich vermengt,

Das wird verleugnet nur und preisgeboten

Von Geldessklaven und Besitzdespoten.


Was frommt's, Besitz und Geldeswert verdammen?

Der Mensch hat Selbstsucht, wünscht sein eigen Teil.

Weil wir von Tieren, nicht von Engeln stammen,

Hält Beutelust selbst Bruderliebe feil.

Raff denn, wer mag, sein Häuflein hier zusammen,

Liegt in Gemeinschaft auch das höhere Heil –

Vor Übermenschlichem bleibt Adam stutzig,

Doch Geldgesinnung nenn' ich schlechthin schmutzig.
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Sie ist's, die eisig Mensch vom Menschen scheidet

Und dünkelhaft sich spreizt in eklem Wahn,

Die sich am Bild der Armut heimlich weidet

Und tief geringschätzt, die gering sich nahn.

Dem Volk hat sie der Arbeit Lohn verleidet

Und Haß gesät, wo Väter Liebe sahn:

Hochmütig hütet sie die saubern Hände

Vor der Besudlung durch die »untern Stände«.


Brutal setzt sie den Fuß auf jener Nacken,

Die sich im Schweiß des Angesichtes mühn,

Im Überfluß geneigt, noch abzuzwacken

Vom sauren Lohn, des Saaten spärlich blühn.

Sie läßt für sich wohl hämmern, weben, hacken,

Den Acker bauen und das Eisen glühn,

Doch gilt's, zu sorgen für die »niedern Klassen«,

Glaubt sie sich bestenfalls – herabzulassen.


Trumpf ist der Geldsackstolz im Spiel der Tage,

Darin ich lebe. Kümmerliche Schau!

Der Wert des Menschen selbst scheint eine Sage

Trotz Unfallsicherung und Kirchenbau.

Schätzung der Schaffenden mit gleicher Wage,

Darin das Zünglein Recht zeigt haargenau,

Muß ich trotz Brosämlein vom Herrschaftskuchen

Mit der Diogeneslaterne suchen ...

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 1: Buch des Lebens, München 1921, S. 116-118.
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