[Kennst du die Tränen]

[226] Kennst du die Tränen,

Die nie versiegen,

Das wunde Sehnen,

Wie Fieberglut?


Mit unterirdisch

Geheimer Welle

Rinnt dieses Kummers

Wühlende Quelle,

Und jäh zutage

Bricht ihre Flut.


Heut unter lachend

Azurnem Himmel,

In des Toledo

Glanz und Getümmel

Plötzlich zum Herzen

Stürmt mir das Blut:


So viel üppiges

Leben ergossen,

Und du, mein Knabe,

Hast nichts genossen.

So lebenswürdig,

So schön und gut!


Wehe den Tränen,

Die nie versiegen,

Dem wunden Sehnen,

Das nimmer ruht!


Neapel


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke, 3 Reihen in 15 Bänden, Reihe 1, Band 5, Stuttgart 1924, S. 226-227.
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