184. Schluß

§. 184.


Schluß

[323] an Nebenpersonen dieser Geschichte denken? Wer kann es, wenn man eine Gruppe so herrlicher Menschen vor sich hat, die ich nicht lassen kann und werde, bis ich alles verlasse! – Es hat sich in der ganzen Rosenthal'schen Gegend ein Geist verbreitet, der den unordinirten Ordensmännern keine Schande macht. Die Familie, und vorzüglich der jüngste Kastenherr, die zweite Edition des wohlseligen Ritters, lebt mit dem Rosenthal'schen Hause in guter Harmonie. – Die Nachbarschaft gewinnt unendlich durch das[323] liebenswürdige Rosenthal'sche Haus, und die, welche man darin aufgenommen hat. – Fräulein B. und C. sind jetzt, da ich dieß schreibe, entweder wirklich schon Bräute, oder werden es in kurzem. – Gastvetter und Engländer sind die Freiwerber gewesen. – Ihre Liebhaber sind ein paar treffliche Cavaliere in fürstlichen Kriegsdiensten, denen ihre Vorgesetzten, und – was noch mehr ist – ihre Kameraden das Zeugniß des Verdienstes geben! – Und Fräulein A? Ist die Gemahlin – – des Cavalier Mündels, dem der Gastvetter und – auch seine Tochter verziehen hat, welche bei seinem Namen keine Ohnmacht weiter anwandelt. Es gibt eine Art Vorwürfe, die ärger als eine öffentliche Buße ist. Warum Cavalier Mündel ein Feind von Gärten, besonders von Blumen in Töpfen ist, darf nicht weit gesucht werden. Man vermied in seiner Gegenwart die Wörter Blumen und Bäume, wie zur Zeit des wohlseligen Ritter S die Mißbräuche des Wortes Kreuz. – Amalie, der er seine Sünde bekannte, verzieh ihm, nur er selbst kann sich nicht verzeihen. Er wird nach wie vor Vetter genannt, nur er untersteht sich nicht, diesen Namen zu erwiedern und ist in einer ähnlichen Verlegenheit mit der Rosenthal'schen Familie, wie der Reitknecht mit Protagoras.

Michael ist von seinem Herrn zum Pächter eines ansehnlichen Theils seiner Güter angenommen, nicht mehr sein Begleiter, sondern sein Freund. Wer, außer dem Demokraten Heraldicus junior, kann ihn minder schätzen, weil er Begleiter war? Ich stehe dafür, in kurzem wird auch Heraldicus Michael völlig für Protagoras erkennen. – Nichts ist Michael angenehmer, als dem ersten Beförderer seines Glücks, seinem Gamaliel, so viel von Ordensangelegenheiten zu entdecken, als möglich ist. – Kann man sagen, daß Protagoras zur Schwärmerei Anlage hatte? Nahm er nicht die Sachen nackt und entkleidet von aller Kunst und jedem Feigenblatte? – Und doch befindet er sich, wenn nicht zu den Füßen,[324] so doch an der Hand Gamaliels, und nur noch jüngst sprachen beide von herzerhöhender Musik, durch welches Medium sie, wenn Gott will, noch Geister zu sehen hoffen. Die köstlichen Perlen, die Pastor seinem Schooßjünger verkauft, sind Elektricität und magnetische Kraft. Schade um Michaels gefunden Kopf und natürliche Anlagen! Es ist doch dem besten Kopfe nicht zu trauen, daß er nicht umschlage, wenn er ohne alle Schule ist! – Zuweilen zieht er sein Grabeskleid auf eigene Hand an, und würde dem Pastor öfter diese Freude machen, wenn seine Gattin minder darüber spottete. – Anstatt den Pastor zu unterrichten, erweiset der Pastor ihm diesen Dienst, der ihn mehr als seinen Eidam liebt. Michaels Frau, die Pastorin und ihre Tochter Käthe sind enge Freundinnen. Michaels Aeußeres ist sehr abgeschliffen. – Er geht mit abgeschnittenen Haaren; – Heraldicus junior muß, Käthchens wegen, sich täglich frisiren.

Der Reitknecht ist nicht verstoßen. Sein edler Herr wollte ihn versorgen; allein der Engländer ließ es sich nicht nehmen. Seitdem er sich mit einigen im Orden verband, Schlösser insgeheim aufzumachen, gab er die Vetterschaft mit Michaeln von selbst auf. Er würde es sich nicht weiter unterstehen, Michaels Vetter zu seyn, wenn dieser es auch erlaubte; – und doch wett' ich Hundert gegen Eins: nichts als die Begierde, in Ordenskenntnissen sich dem Protagoras zu nähern, habe ihn zu dieser unrechten Thüre des Schafstalls gebracht. – Er ist zu entschuldigen, nicht zu rechtfertigen.

Die Schauspielerinnen sind durch die Freigebigkeit des Engländers verheirathet; doch leben beide so glücklich nicht, als sie könnten, wenn sie wollten.

Noch die Schlußfrage, die sich hören läßt: wie ich zu diesen Kreuz- und Quernachrichten gekommen? Das jetzige Rosenthal'sche Conseil einigte sich über die Data, die mir gegeben sind. Von dem kleinsten Theil habe ich Gebrauch gemacht. Bei[325] Ordenssachen hätte ich hier und da weniger Vorhänge gewünscht. Gastvetter, Johannes und der Engländer waren dafür, daß wenig oder gar nichts verhängt werden dürfte; der Ritter blieb anderer Meinung: er glaubte, verpflichtet zu sehn, Geheimnisse zu verschweigen, wenn sie gleich, ohne es zu seyn, bloß so heißen; doch verhängte er nichts, worüber er kein Gelübde geleistet hatte. Ohne diese Peinlichkeit des Ritters, wäre der Engländer gewiß der Freigebigste gewesen. Er schien ein Feind aller Vorhänge zu seyn. – Dem neugierigen Pastor gehörte die erste Idee, dieses Buch zu schreiben, das er bis jetzt bloß stückweise gelesen hat. – Ob ihm seine erste Idee gereuen wird?

Sophie, Mutter, und Tochter, wollte nicht minder die ritterlichen Kreuz- und Querzüge von A bis Z wissen, in so weit es nämlich sie zu wissen erlaubt war. Abgerechnet, daß bei den Vorhandlungen auch mancher Ordensbruder sich untergeschoben hat, ist das Geld des Ritters nicht besser angewendet, als wenn er sich auf galanten Reisen um Gesundheit der Seele und des Leibes gebracht hätte? – Wer irrt nicht von A bis Z, und von Z bis A? Ob als Ritter oder Richtritter, thut nichts zur Sache. Die irrende Ritterschaft unseres A B C war nicht ohne Segen; und Heraldicus junior behauptet, wenn seine Gattin ihm nämlich so weit Spielraum läßt: irrende Ritterschaft sey eigentlich die wahre; und wo nicht drei-, sieben-, neun- und zehnmal, so doch weit besser als die nicht irrende. Ein grober Irrthum! In Rosenthal haben diese Kreuz- und Querzüge im Manuskript manche frohe Stunde gemacht. Wie es die Leserwelt damit halten wird, muß die Zeit lehren. – Der alten Baronin hat man einige Stellen verhängt. – Heraldicus junior weiß bis jetzt nicht, daß sie gedruckt sind. – Der Ritter A B C hieß vom Tage der Verlobung an Baron; seine Ritterschaft unter der Weste ist von A bis Z abgelegt.

Sollte wohl jemand glauben, ich hätte zu viel von Ordensgeheimnissen[326] entdeckt? Zu viel? Da man in unsern Tagen Gesichte und Geister zu zeigen so unbedenklich ausbietet, wie ehemals Elephanten, Riesen und Zwerge? – – Und wenn man seinem Nächsten siebenzigmal siebenmal täglich vergeben soll, warum will man mir die hundert vierundachtzig Paragraphen nicht zu gut halten, die wahrlich nicht böse gemeint sind?

Eldorado ist, so wie das Himmelreich, nicht in Büchern, sondern in uns; in uns ist Eldorado! – Es sey oben oder unten, oder auf Erden; ohne uns selbst ist kein Eldorado![327]

Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 323-328.
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Kreuz- und Querzüge des Ritters A bis Z
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