Sum, ergo cogito

[94] Der Deutsche reflectiert über Alles, sieht Alles aus der Vogelperspective und ist darum nie in der Mitte der Sache. Der Deutsche hat Alles und ist Nichts.

Börne, Ges. W. 1, 16.


Mel. Als ich noch im Flügelkleide.


Laßt uns unsern Geist versenken

In des Wissens tiefes Meer!

Laßt uns denken, immer denken!

Ei, das ziert den Deutschen sehr.

Und wenn man uns fragt: wie geht's?

Sagen wir: wir denken stets.[95]


Alles denkt bei uns zu Lande,

Das ist deutsche Sitt' und Brauch;

Ja, man denkt in jedem Stande,

Schuster, Schneider denken auch.

Und wenn sie auch nichts gemacht,

Sagen sie: wir ha'n gedacht.


Denken muß der Deutsche immer,

Wo er sitzt und geht und steht,

Und er läßt das Denken nimmer,

Wenn's auch noch so schlecht ihm geht;

Und sein Trost, sein Glück und Heil

Ist: ich denke mir mein Theil.


»Du Gedankenland auf Erden,

Wenn dein Denken wird zur That,

Ei, was kann aus dir noch werden!

Kommt's nur etwa nicht zu spat,

Daß man fragt: was machtet ihr?

Und ihr sagt: stets dachten wir.«

Quelle:
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Deutsche Lieder aus der Schweiz, Hildesheim/New York 1975, S. 94-96.
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