Zweiter Band.

(Breslau, Frühling 1823 bis Ende 1836).

[139] Den 21. März, also mit Frühlingsanfang reiste ich ab. Nach zwei Tagen und drei Nächten kamen wir in Breslau an. Ich war sehr ermattet, an allen Gliedern wie gelähmt.

Breslau hatte etwas Fremdes für mich, es machte auf mich gar nicht den Eindruck einer deutschen Stadt. In den zwar geraden, aber schmalen Straßen, zwischen hohen, finsteren Häusern bewegte sich langsam eine wühlige Volksmenge, darunter Kerle in schmierigen Schafpelzen, in alten Schlafröcken, Bettler in zerlumpten Kleidern, nur hin und wieder Mädchen in sauberem nettem Anzuge. Die öffentlichen Plätze sind viel zu klein, als daß sie sonderlichen Eindruck machen könnten; der schönste ist von unansehnlichen Häusern umgeben. Der Raum um den Ring war an der Ost- und Südseite mit grundfesten Bauden besetzt und so verunstaltet. Die Kirchen, zwar keine Kunstwerke, aber doch von bedeutendem Umfange, traten nicht recht zum Vorschein, sie waren meist durch schlechte Anbaue entstellt. Von den großen öffentlichen Gebäuden gewährte mir nur die Universität von der Oderbrücke gesehen einen großartigen Anblick.

Mein erster Besuch galt dem Professor der Rechte, Dr. Förster, zweitem Custos der königlichen und Universitäts-Bibliothek. Ich sollte vorläufig sein Stellvertreter und später sein Nachfolger werden. Wir sprachen erst über gleichgültige Dinge und kamen dann auf die Bibliothek zu sprechen. ›Wie man mir in Berlin sagte, soll sie ja noch sehr in Unordnung sein –‹, so etwas äußerte ich ganz harmlos, gar nicht als meine Ansicht. Diese Worte, die freilich wahr, aber gar nicht böse gemeint waren, galten für eine Kriegserklärung. Förster sagte sie brühwarm seinem vertrautesten Freunde Unterholzner[139] sofort wieder und dieser empört darüber kam sofort um seinen Abschied ein. Der Krieg gegen mich war begonnen und dauerte von diesem Augenblicke an bei der Bibliothek fort, nur durch längere und kürzere Waffenstillstände unterbrochen.

Ich besuchte dann den Bibliothecar Professor Unterholzner. An ihn war ich durch das Ministerialrescript verwiesen worden. Er empfing mich recht freundlich. Nach kurzer Unterhaltung beschied er mich zum anderen Tage auf die Bibliothek. Ich war sehr überrascht, ein so stattliches Gebäude zu finden, das zwar früher zu einem anderen Zwecke gebaut1, zu einer Bibliothek wie geschaffen war: viele, nicht zu große, nicht zu hohe Zimmer, mit breiten Wandflächen, mit den gehörigen Durchgängen, und nach allen Seiten hin hell. Im zweiten und dritten Stocke lange Corridore, an beiden Seiten mit Büchergestellen. Unterholzner kam und führte mich durch die einzelnen Säle und machte mich flüchtig mit der Aufstellung bekannt. Dann zeigte er mir die verschiedenen Kataloge im Arbeitszimmer, sprach kurz über ihre Einrichtung und wies mir in einem abgelegenen Zimmer eine Arbeit zu: das Ordnen und Verzeichnen der Ordensgeschichte (Historia Sodalitiorum), und – überließ mich meinem Schicksale.

Seit Gründung der Bibliothek im Jahre 1811 waren sehr viele Beamte, Gehülfen und Freiwillige dabei thätig gewesen, anfangs sogar zwei Oberbibliothecare, und doch war noch kein Alles umfassender alphabetischer Katalog vorhanden. Der jetzige bestand aus vier besonderen, und jeder derselben war nach anderen Grundsätzen angelegt. Real- oder wie wir sie nannten Stand-Kataloge waren nicht von allen Fächern vorhanden und die vorhandenen zum Theil sehr schlecht. Bei der Leidenschaft Unterholzner's Alles neu und besser zu ordnen, stand auch mir eine Fülle von Arbeiten in Sicht.

Alles schien sich für mich gut zu gestalten. Zu Anfange Julis schrieb ich meinem Bruder: ›Mein Eifer für die Bibliothek ward bald ruchtbar, und wo man nichts von mir wußte, hatte man doch schon von einem unermüdlichen Bücherwurm gehört, dessen einsames, anspruchloses Leben eher Mitleiden, Theilnahme und Aufmunterung verdiene als irgend eine kränkende Behandlung .... Unterholzner ist mir gewogen[140] und immer und überall so freundschaftlich, daß ich das Verhältniß der Untergebenheit nie drückend gefühlt habe. Wir arbeiten oft gemeinschaftlich, berathen das Beste der Bibliothek und sind in unseren Ansichten und Wünschen einstimmig.‹ Durch Unterholzner's Vermittelung erhielt ich endlich auch die mir bisher verweigerten Bibliotheksschlüssel. Ich konnte nun die lange Tageszeit freier benutzen, ich blieb länger auf der Bibliothek, suchte nach und nach alle einzelnen Fächer kennen zu lernen und machte bei der Gelegenheit hübsche Entdeckungen. Unter den Handschriftbruchstücken, womit meist die alten Bücherdeckel inwendig beklebt waren, entdeckte ich manches wichtige, so unter anderen Bruchstücke aus den verloren gegangenen Stücken von Maerlant's Spieghel historiael.2

Mein geselliger und wissenschaftlicher Verkehr war bisher gering. Von der Hagen und Büsching, mit denen ich früher schon in Briefwechsel stand, hatte ich persönlich kennen gelernt. Beiden gebührt das Verdienst, in der traurigsten Zeit Deutschlands auf das Altdeutsche aufmerksam gemacht zu haben. Büsching war ein langweiliger, philisterhafter Gesellschafter und trockener Professor, der durchaus nicht litt an Überfluß geistiger Fähigkeiten und Kenntnisse. Seine Angst, daß ich ihm einmal Mitbewerb (Concurrenz) machen könnte, ließ ihn immer unmittheilender und kälter gegen mich werden, und wie ich das merkte, suchte ich seinen Umgang nicht weiter. Von der Hagen dagegen konnte, so ledern er auch in seinen Schriften war, doch im Verkehre recht lebendig, mitunter sogar geistreich sein. Ich war gerne bei ihm. Er gab damals Gottfrieds von Straßburg Werke heraus in zweitem Druck, der erste war zu seinem doppelten Vortheil abgebrannt: er bezog die dem Drucker eigentlich gebührenden Entschädigungskosten und konnte zugleich sein Buch jetzt in besserer Gestalt veröffentlichen. Ich überließ ihm dazu meine Bruchstücke von Eilhart; sie wurden dem 2. Th. S. 313–321 angehängt.

Von Henriette hatte ich seit Jahr und Tag nichts erfahren. Ich wollte und konnte ihr nicht schreiben. Was sollte ich mir Hoffnungen erwecken, die nie in Erfüllung gehen sollten? Sie wußte nicht was aus mir geworden war. Sie hatte mich nicht vergessen und suchte ihr Andenken zu erneuen durch sehr liebe werthvolle Geschenke,[141] die bei meinem Bruder in Berlin abgegeben waren. Ich erhielt sie erst Anfang Julis, ihr Brief war vom 8. Mai: ›Nehmen Sie beigelegte Kleinigkeiten als Erinnerungen von der Freundin aus dem stillen Thale an; unendliche Freude habe ich bei den kleinen Handarbeiten empfunden, sie liegen schon so lange Zeit da, mir fehlte bisher der Muth sie Ihnen zu schicken. Lassen Sie mich hoffen, daß Sie meine kleinen Sachen nicht verschmähn. Ihre Lieder machten mir so unendlich viele Freude, daß es mich schmerzt, Ihnen nichts Bessers geben zu können – so mag denn der Reichere die Gaben der Ärmeren, die nichts anders zu schaffen weiß, gütig annehmen – – Ich scheide mit wehmüthigem Herzen, und wende dabei noch einmal einen Blick zur Vergangenheit.‹ – Ich war sehr überrascht, und wehmüthig gestimmt; auch mein Blick wendete sich zur Vergangenheit, und doch fühlte ich mich frei von aller Schuld, daß dieser Vergangenheit keine ihr entsprechende Zukunft folgte.

Ich hatte in meinen bisherigen freien Stunden im April und Mai den ersten Theil meiner Horae belgicae vollendet. Ich machte nun eine saubere Abschrift und fügte eine Zueignung an die Universität zu Leiden hinzu und schickte mein Werk an dieselbe ein. Darauf hin hatte schon den 14. Juni die Universität zu Leiden mich zum Doctor ernannt, ich erhielt das Diplom, auf Pergament geschrieben und mit dem großen Universitäts-Siegel versehen, erst den 25. Juli. Diese glänzende Ehrenbezeigung freute mich und alle meine Freunde gar sehr. – Anfang Septembers bekam ich ein rheumatisches Fieber, erst heftige Hals-, dann Brustschmerzen. Vierzehen Tage lag ich im Bette, ich litt viel, die Nächte waren mir ganz schrecklich. Es war kein Wunder: der lange Aufenthalt auf der Bibliothek, Tag für Tag sieben bis acht Stunden, war mir nachtheilig geworden; dies ewige Einathmen der feuchtkalten Luft und Einschlucken des hundertjährigen moderigen Bücherstaubes hätte auch einer kräftigeren Natur als der meinigen schaden müssen. Ich war so matt geworden, so erschöpft, daß ich bei meinem ersten Spaziergange unterwegs zusammensank und langsam geführt nach Hause geleitet werden mußte.

Als ich mich einigermaßen wieder wohl fühlte, setzte ich meine Bibliotheks-Arbeiten mit Lust wieder fort, aber ich hatte eine wunderbare Sehnsucht in die Welt hinaus. Ich bat um Urlaub zu einer Reise und er wurde mir unter den jetzigen Umständen leicht gewährt.[142] Ich reiste nach Berlin. Der Aufenthalt daselbst that mir sehr wohl: ich wurde im Meusebach'schen Hause und im Verkehre mit alten Freunden und Bekannten wieder recht heiter und frisch. Dem Minister machte ich meine Aufwartung so wie auch einigen geheimen Räthen.

Nach meiner Rückkehr zu Anfange Novembers gab es wieder in der Bibliothek Arbeit vollauf. Unterholzner, immer leidenschaftlich und unaufhaltsam im Auflösen, Ordnen, Neugestalten, hatte mir ein heizbares Zimmer neben den Arbeitszimmern einrichten lassen. Darin wurde nun nach unserm gemeinschaftlichen Plane die Litteraturgeschichte umgearbeitet und verzeichnet. Dann wurde ein neues Fach gegründet: Biographia; bis jetzt standen die Lebensbeschreibungen zerstreut in allen Fächern.

Gegen den Schluß des Jahres trieb ich stark das Althochdeutsche. Ich arbeitete fleißig an einer Übersicht der althochdeutschen Glossen und ordnete alphabetisch die sogenannten Trierer Glossen. Dann vollendete ich eine buchstäblich getreue Abschrift der Heidelberger Handschrift des Otfrid (Codex palatinus 42), welche mir die Universität besorgt hatte.

An Dichten war wenig zu denken, ich mußte trachten, trachten, daß ich durch wissenschaftliche Schriften die bereits eingenommene amtliche Stellung behauptete und eine bessere zu erhalten würdig erachtet würde.

Auch im neuen Jahre war der Briefwechsel mit Meusebach in lebhaftem Gange. Schon den Tag nach meiner Abreise von Berlin hatte M. damit begonnen. In Breslau fand ich Gelegenheit, für Meusebach's Bibliothek mancherlei zu erwerben. Ich hatte ihm zu seinem Geburtstage und zu Weihnachten hübsche Sachen geschickt, dann und wann Einiges gekauft und Tausche für ihn vermittelt. Er war sehr erfreut darüber und erkannte meinen Eifer dankbar an. Doch konnte er auch sehr ausgebracht sein, wenn er glaubte, daß ich seine Wünsche nicht gehörig berücksichtigt und seine Aufträge schlecht ausgeführt hätte.

Mein geselliger Verkehr beschränkte sich nur auf wenige Familien. Den Oberlandesgerichts-Rath Carl von Winterfeld hatte ich schon im vorigen Jahre kennen gelernt. Er beschäftigte sich mit der Musik der Italiener und Deutschen im 16. und 17. Jahrhundert.[143] Den Anfängen unsers evangelischen Kirchengesanges spürte er eifrig nach. Da er nicht gerne die Bibliothek besuchte, so besorgte ich ihm was ich für seine Forschungen finden konnte. Dadurch blieben wir in fortwährender Beziehung, und nach und nach gestaltete sich ein recht freundschaftliches Verhältniß.

Da ich nun einmal in Schlesien war und aller Wahrscheinlichkeit nach länger bleiben mußte, so wollte ich es auch genauer kennen lernen. Ich beschäftigte mich zunächst mit der schlesischen Mundart. Alles in den schlesischen Provinzialblättern darauf Bezügliche las ich und schrieb es aus so weit es mir zu einem schlesischen Idiotikon zu gehören schien. Nach einiger Zeit zerschnitt ich die einzelnen Wörter, ordnete sie alphabetisch und klebte sie auf. Zu dieser Grundlage fügte ich was ich später aus dem Munde des Volkes sammelte oder in allerlei Druckschriften, in Gedichten, Verordnungen u. dgl. fand.

Bald darauf ging ich über zu der schlesischen Cultur- und Litteraturgeschichte. Besonderen Reiz für mich hatten die schlesischen Dichter. Ich suchte mir eine vollständigere Kenntniß von ihnen zu verschaffen als die bisherigen Geschichten der deutschen Litteratur gewährten. Mein Hauptaugenmerk richtete sich auf die Vor-Opitzianer und jene Zeitgenossen Opitzens, die bisher wenig oder gar nicht bekannt wurden.

Eine sehr ergiebige Quelle dafür eröffneten mir die vielen hundert Mischbände mit Hochzeit- und Leichengedichten, die ich alle für das neugegründete Fach der Biographie zerschneiden mußte. Wir hatten nämlich uns entschieden, daß bei dergleichen Gedichten und bei Leichenpredigten das biographische Interesse das überwiegende sei und deshalb alle Schriften der Art alphabetisch den Biographien einverleibt werden müßten. Daß die drei städtischen Bibliotheken reich an Schriften der beiden sogenannten schlesischen Dichterschulen sein würden, schien mir mehr als wahrscheinlich und ich überzeugte mich bald. Leider waren diese Bibliotheken im Winter fast gar nicht, und im Sommer nur schwer zugänglich: die Bernhardin-Bibliothek war die Woche nur Einmal, die Elisabeth (Rehdigersche) zweimal geöffnet, die Magdalenen eigentlich gar nicht.

Über Jahr und Tag war ich bereits Custos ›vorläufig und zur Probe auf Ein Jahr.‹ Eine Entscheidung des Ministeriums war[144] abhängig gemacht von Unter holzner's Berichte und dieser hatte erklärt ›niemals über mich zu berichten‹. Zweimal war er vom Curatorium dazu aufgefordert und jedesmal hatte er ablehnend geantwortet, und das dritte Mal legte er das Mahnungsschreiben ad acta. Der Bericht war also dem künftigen Oberbibliothecar überlassen und mein Schicksal in dessen Hände gegeben.

Wachler war 1815 einem Rufe nach Breslau gefolgt als Professor der Geschichte an der Universität und Consistorial- und Schulrath bei der Breslauer Regierung. Durch den Antheil, den er an den Turnstreitigkeiten seines Schwiegersohnes Franz Passow mit Menzel und Genossen genommen hatte, mehr aber noch durch seinen bedeutenden Einfluß auf das höhere Schulwesen Schlesiens und seine theologischen Annalen war er mißliebig geworden und wurde als regierungsfeindlich gezwungen, seine Stellung bei der Regierung und seine Annalen aufzugeben. Er bezog seinen Gehalt aus der Regierungscasse noch fort, hatte aber gar keine amtliche Thätigkeit mehr. Die Regierung drang höheren Orts darauf, die nötige Stelle wieder zu besetzen, zumal sie immer den Gehalt dafür ausbezahlte. Wachler mußte entschädigt werden und das Ministerium fand kein anderes Mittel, als Wachler zum Oberbibliothecar zu ernennen. Im Mai 1824 trat er sein neues Amt an. Unterholzner war lange zweifelhaft gewesen, ob er bleiben sollte. Wachler hätte ihn gerne beseitigt gesehen und gab mir zu verstehn, daß wir gegen ihn zusammenhalten müßten. Ich ging auf nichts ein. Ich hatte Unterholzner zu lieb und ehrte zu sehr seine bibliothecarische Tüchtigkeit und Thätigkeit als daß ich mich zu irgend etwas gegen ihn hätte verleiten lassen können. Die Folge davon war: Wachler und Unterholzner, die sich einander fürchteten und endlich verständigten, wirkten bald mit und neben einander gegen mich.

Kaum hatte Wachler sein neues Amt angetreten, so stellte sich schon heraus, daß er sich in unsere Anordnungen nicht finden konnte und daß sein Schematismus der Wissenschaften sich auf eine große Bibliothek, die der Neuzeit angehörte, nicht mehr anwenden ließe. Daß es bibliothecarische Gesichtspunkte geben könne, welche zweckmäßiger in ihrer Anwendung wären als die bisherigen wissenschaftlichen, wollte Wachler'n nicht einleuchten. Wenn dann Manches zur Sprache kam zwischen ihm und mir, so that dann Unterholzner,[145] als ob er keinen Theil daran gehabt hätte und ich mußte der Sündenbock sein.

Trotzdem war mein Verhältniß zu Wachler ein ganz leidliches: er machte ein günstiges Gutachten über meine bisherige Thätigkeit, die er doch nur wenig kannte, und ich wurde vom Minister von Altenstein unterm 8. August 1824 definitiv zum Custos mit 300. Rb. Gehalt angestellt.

Meine freie Zeit benutzte ich den Sommer über meist mit dem Studium der althochdeutschen Glossen und des Willeram. Der alte Druck der Glossae Salomonis in unserer Bibliothek gab mir Veranlassung zu einer Abhandlung über diese Glossen, sie wurde mit einer Zueignung an E.G. Graff gedruckt. Ich nahm getreue Abschrift von der Rehdiger'schen Handschrift des Willeram, welche mir der Breslauer Magistrat zur Benutzung gestattet hatte, und verglich die Ebersberger Hs. nach einer Abschrift des Münchener Oberbibliothecars Dr. Scherer, die mir durch Vermittelung unsers Ministeriums besorgt war. Vorläufig kündigte ich meine Ausgabe des Willeram auf Subscription an.

Von dem Gedichte auf den heiligen Georg veranstaltete ich eine neue Ausgabe und widmete sie Georg Friedrich Benecke, Bernhard Joseph Docen und Jacob Grimm. Sie erschien unter dem Titel: ›Hymnus theotiscus in Sanctum Georgium. Ad fidem Codicis Vaticani edidit et supplevit A.H. Hoffmann, Fallerslebensis.‹ (Vratislaviae cIc Ic ccc xxiiij. 8°.)

An diesen Arbeiten hatte ich große Freude. Auch wurde ich gerade jetzt noch mehr dazu ermuntert, da sich eine Aussicht für mich bei der Universität eröffnete. Durch v.d. Hagen's Versetzung an die Berliner Universität war die hiesige Professur für deutsche Sprache und Litteratur erledigt worden. Die Facultät hatte Grimm, Lachmann und mich vorgeschlagen. Ich dachte schon daran, mich zu habilitieren. Bald aber gab ich die Sache auf. Büsching, seit 1817 außerordentlicher Professor, wurde 1823 ordentlicher und beanspruchte Zulage. Er und andere bekamen dieselbe aus dem Hagen'schen Gehalte, so daß nichts mehr für einen anderen übrig blieb. Vorläufig hatte ich also bei meinem Custodiatsgehalt von 300 Rb. weiter keine Aussicht.[146]

Erst den 11. November erhielt ich meine am 8. August bereits ausgefertigte Bestallung. Der königliche außerordentliche Regierungs-Bevollmächtigte und Curator der Universität Neumann hatte sie also ein volles Vierteljahr zurückgehalten und dagegen remonstriert! Einen engherzigeren, mißgünstigeren, falscheren Regierungsmenschen habe ich nie kennen lernen. Unter dem Scheine eines Wohlwollenden versprach er dies und jenes und beantragte hinterdrein gerade das Gegentheil, wie ich es denn später oft genug erleben mußte.

Mit Frühlingsanfang des Jahres 1825 reiste ich zu meinem Bruder nach Berlin. Ich blieb vier Wochen dort. Ich war oft allein, oft auch mit meinem Bruder zu Meusebach eingeladen. Der alte traulich freundschaftliche und wissenschaftliche Verkehr wurde fortgesetzt. Eines Tages war auch Wilhelm Müller eingeladen. Er wurde mir und den übrigen Gästen als Geh. Rath Spanknabe vorgestellt. Unter diesem Namen wurde oft im Meusebach'schen Hause ein Fremder vorgeführt und den übrigen blieb es überlassen, das Rechte herauszufinden. Diesmal wurden nun aber auch die Bekannten dem Fremden unter falschen Namen, Ämtern und Würden vorgestellt. M. hatte seinen Spaß daran, wenn die Entwickelung möglichst lange ausblieb und allerlei verfängliche Fragen gethan und Gespräche geführt wurden. Ein gefährlicher Scherz, der immer gut ablief. So fragte mich M., was ich von Wilhelm Müller's Gedichten hielte? Die Antwort fiel natürlich so günstig aus, daß sich der Herr Geh. Rath Spanknabe nur freuen konnte. Noch bei Tische löste sich Alles in Wohlgefallen auf und wir tranken auf das Wohl unsers schelmischen Wirthes3. Den 21. April kehrte ich nach Breslau zurück.

Trotzdem, daß ich so sehr durch die Bibliotheksgeschäfte und wissenschaftliche Arbeiten in Anspruch genommen wurde, so suchte ich doch Zeit zu gewinnen zum Dichten. Es war ein Bedürfniß für mich, die liebste Erholung, eine wahre Herzerquickung. Ich dichtete oft und gern, wie wenig ich auch von außen Anregung und Aufmunterung fand. Auf meinen einsamen Spaziergängen und selbst in der stillen Öde der Bibliothek sang ich mir ein Lied, das ich dann lange mit mir herumtrug, bis es mir fertig schien und ich es aufschrieb.[147] Am Sonntagmorgen, wenn mich nichts an die Bibliothek mahnte und die Kirchenglocken rings um mich läuteten, übersah ich dann mein Heft und die Freude daran rief neue Lieder hervor.

In den Pfingstferien besuchte ich mit dem Maler Bräuer seine Eltern in Öls. Es war schönes Wetter, wir lustwandelten viel umher. Während er im Walde seine Studien machte, Baumgruppen und Bäume zeichnete, lag ich im Grase und dichtete. Es entstanden damals die Eintagschönchen.4 Später gerieth ich in das Leben der Landsknechte und schwärmte für Georg von Frundsberg.

Mein Gehalt verbesserte sich unterdessen. Im Mai wurde Förster von seinem Custodenamte erlöst und ich erhielt die von ihm inne gehabte Wohnung. Mit Genehmigung des Ministeriums vermiethete ich sie ihm um 160 Rb. Leider erfreute ich mich dieses schönen Zuschusses nicht lange: den 27. November des folgenden Jahres (1826) starb Förster, die Wohnung wurde getheilt, die eine Hälfte, die größere, wurde zur Aufbewahrung der Handschriften eingerichtet, die andere blieb mir. Ich erhielt 60 Rb. Entschädigung und die Erlaubniß, meine Wohnung zu vermiethen.

Im Laufe des Sommers ward mir noch ein sehr lästiges Amt auf der Bibliothek zuertheilt, freilich durch meine Schuld. Bisher hatte mein College, der erste Custos an der Bibliothek, Dr. Friedrich, das Ausleihejournal geführt, aber auf eine Weise, daß ich mich ärgerte so oft ich das Buch ansah. Ich hatte mich dar über mehrmals mißbilligend ausgesprochen. Man sah es ein, wagte ihn aber nicht zu beseitigen. Endlich, nachdem ich ihn einmal vertreten, behielt ich das Ausleiheamt. Die Benutzung der Bibliothek nahm von Jahr zu Jahr zu.

Meine schriftstellerische Thätigkeit war dies Jahr unbedeutend. Im Herbste wurde im Rectoratsprogramm von Förster von mir gedruckt Glossarium latino-germanicum e Codice Trevirensi. Dann lieferte ich Recensionen zu Seebode's Neuer kritischer Bibliothek 1825: S. 106–116 von v.d. Hagen's Denkmalen des Mittelalters, und S. 545–552 von Maßmann's Erläuterungen zum Wessobrunner[148] Gebet. Den 7. December vollendete ich eine Abhandlung ›Über Otfrid. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Sprachforschung‹. Sie erschien später in den Fundgruben 1, 38–47. Zu den Recensionen trieb mich allerdings ein wissenschaftliches Interesse, dann aber auch die Absicht, gewissen Herren zu zeigen, daß unser eins auch etwas gelernt hatte. Daß beide von mir waren, blieb kein Geheimniß.

Das Neue Jahr (1826) begann ich mit der frohen Hoffnung, daß ich meine Arbeiten im Althochdeutschen bald vollenden würde und herausgeben könnte. Den 7. Februar 1826 schrieb ich die Vorrede zu meiner Glossensammlung, die bald darauf unter dem Titel erschien: ›Althochdeutsche Glossen, gesammelt und herausgegeben von A.H. Hoffmann. Erste Sammlung, nebst einer litterarischen Uebersicht althochdeutscher und altsächsischer Glossen.‹ (Breslau. Grass, Barth u.C. 1826. 4°). Jacob Grimm hatte mir dazu einige früher von ihm selbst gesammelte Glossen freundlichst überlassen, Lachmann verdankte ich einige hübsche Beiträge zu meiner Übersicht. Lachmann's bisherige Gefälligkeit hatte mich ermuthigt: ich wendete mich vertrauensvoll an ihn mit der Bitte, mir mein eben vollendetes Wörterbuch zum Willeram durchzusehen. Schon den 27. April sendete er mir meine Arbeit zurück mit einem freundlichen Briefe, er hatte meine Bitte erfüllt.

Den Sommer wollte ich eine litterarische Reise machen nach Wien und in die österreichischen Klöster. Ich hatte bereits Nachrichten über letztere gesammelt und meinen Reiseplan entworfen. Wachler dachte anders: Urlaub wollte er mir schon ertheilen, aber nur zu einer Reise in die Heimat. Was sollte ich machen? Lieber also nach Haus als gar nicht reisen.

In der Mitte Juni traf ich in Fallersleben ein. Die Meinigen waren mir entgegen gegangen, und schienen etwas verwundert über mich zu sein. Meine Schwester Minna schrieb an meinen Bruder: ›Sein großer Mantel, sein langes Haar gaben ihm ein phantastisches Ansehn; er war sehr von der Reise angegriffen, und ich kann wol sagen, daß ich etwas erschrak, denn er kam mir recht mager vor. Als er aber einige Tage hier war, erholte er sich sehr und ist jetzt so wohl, wie nur ein Mensch sein kann, obgleich er sich zuweilen eine Krankheit einbildet.‹

So gerne ich bei den Meinigen war, so reuete mich doch die[149] lange Zeit und das viele Geld, das mir die Reise kostete, denn das Reisen war damals sehr kostspielig. Ich hätte lieber Bibliotheken durchstöbert und für meine altdeutschen Studien neuen Stoff gewonnen. Nun ging ich hier fast den ganzen Tag im Garten spazieren und spielte mit den Kindern. Das war freilich recht hübsch. Wenn ich mich beklagte, daß ich so viel versäumte, so glaubten die Meinigen, es gefiele mir bei ihnen nicht. Ich wußte recht gut was mir entging. Graff hätte längst seine Reise zum Behuf seines ›Sprachschatzes‹ angetreten, Oesterreich aber noch nicht abgestreift. Jetzt wäre es noch Zeit gewesen, dort zu erndten, später bliebe mir nur die Nachlese. Und die Folge bestätigte das.

Um nicht ganz unthätig zu sein, hatte ich eine Ausgabe meiner allemannischen Lieder veranstaltet. Ich ließ sie in 140 Exemplaren auf meine Kosten in Celle drucken. Sie erschienen Anfang Juli ohne meinen Namen: ›Allemannische Lieder. Erste Auflage.‹ (Fallersleben M.D.CCC.XXVI. 64 SS. in 16°.) – Endlich machte ich doch noch eine kleine Ausbeute: ich war einige Tage in Wolfenbüttel und schrieb mir einige kleinere ahd. Stücke ab, um sie später herauszugeben.

Den 1. August war ich wieder in Breslau und gleich darauf in dem alten Arbeitsgleise.

Das Bedürfniß nach einem gemüthlichen geselligen Verkehre hatte ich bis jetzt weniger gefühlt: ich sah auf der Bibliothek Leute genug, und fand selten Zeit und Lust, Besuche zu machen. Nach und nach stellte sich jedoch dies Bedürfniß ein. Die Breslauer geschlossenen Gesellschaften, die ich kennen gelernt hatte, sagten mir durchaus nicht zu. Freimaurer zu werden, fiel mir im Traume nicht ein: ich hatte schon genug daran, daß es mein Bruder war.

Ich trug lange den Plan mit mir herum, einen Verein zu gründen, der mir und Gleichgesinnten genügen könnte. Ich machte einigen Freunden und Bekannten Mittheilung davon, und so gründete ich am 2. September 26 die ›Zwecklose Gesellschaft.‹ Wir wollten keinen Zweck nach außen verfolgen, nur nach innen, uns selbst Zweck sein. Wir waren junge Gelehrte und Künstler oder Kunstfreunde, die ein gemeinsames Bedürfniß zusammen führte und hielt. Wir fühlten uns von einem reinen und begeisterten Streben beseelt, den Menschen, sein Wissen und Können verstehen zu lernen und zu würdigen, sich so zu erheitern und anzuregen und weiter zu fördern[150] in allem Wahren, Guten und Schönen. Hat auch selten eine Gesellschaft sich und anderen, zumeist aber sich so viel Freude und Verdruß gemacht, wie diese, so hat ihr doch jeder Einzelne viel zu verdanken. Ich wenigstens habe das immer dankbar anerkannt: ich konnte dort mich über Alles frei aussprechen, meine Ansichten entwickeln, durch Widerspruch von anderer Seite läutern, erweitern und befestigen. Auch konnte ich meine Kenntnisse vermehren, denn unsere Gespräche und Mittheilungen beschränkten sich nicht auf einzelne Fächer der Wissenschaft und gewisse Leistungen und Richtungen der Kunst.

Mitglieder der Zwecklosen Gesellschaft waren bei ihrer Gründung: Maler Carl Bräuer, Bildhauer Mächtig, Fabricant Carl Milde, Lieutenant Nicky, Privatdocent Dr. Friedlieb Ferdinand Runge, Musiker Immanuel Sauermann, und Maler Carl Schwindt. Später trat dazu im Januar 1827 Carl Geisheim, Schulcollege beim Elisabeth-Gymnasium, 1828 Maler Carl Herrmann und im Herbst desselben Jahrs Wilhelm Wackernagel, und im Herbst 1829 Maler Albert Höcker.

Um dieselbe Zeit entstand ein Singverein unter dem Namen: ›Die kleine Breslauer Liedertafel‹, ursprünglich nur vier Mitglieder, die ein Gesangquartett bildeten. Ich wurde Ehrenmitglied. Zweck war: eigene Compositionen zu liefern und zu singen, dann diese selbst und den Vortrag zu besprechen. Die vier Mitglieder waren der Seminarlehrer Ernst Richter, der Musiklehrer Immanuel Sauermann, der Organist Fischer und der Lehrer Dauber. Später traten dazu der Oberorganist Freudenberg und der Musiklehrer Eduard Philipp. Ich lieferte fleißig Texte und hatte dann das Vergnügen, einen und denselben drei- oder viermal componiert singen zu hören. Die Besprechung der Composition und des Textes war für den Dichter wie für die Musiker sehr lehrreich.

Durch diesen Singverein und die Zwecklose Gesellschaft fand ich willkommenen Anlaß und Anregung zum Dichten. Der Vorrath meiner Gedichte hatte sich sehr vermehrt. Bald bewährte sich auch an mir das bekannte Goethe'sche


Dichter lieben nicht zu schweigen,

Wollen sich der Menge zeigen.


Ich durchmusterte meinen Vorrath, wählte aus, schrieb ab, ordnete und ein Bändchen war fertig. Ich übergab es der Buchhandlung Grüson & Comp. Schon den 14. Oct. 26 war das Büchlein[151] fertig und erschien unter dem Titel: ›Gedichte von Hoffmann von Fallersleben‹ (Breslau. 1827. 12°.) Einige Wochen vorher war in demselben Verlage die zweite Auflage meiner ›Allemannischen Lieder‹ herausgekommen.

Ich hatte wenig Freude an dieser Sammlung meiner Gedichte. Die Ausstattung war nicht sonderlich, das Format nicht gefällig, und die Verlagshandlung stand gar nicht in dem Ansehn, daß sich die Buchhändler sonderlich für sie interessierten. Der Absatz war und blieb gering, und nach einigen Jahren war ich froh, daß ich durch Übereinkunft des Druckers (Graß, Barth u.C.) mit dem Verleger den Rest der Auflage erhielt und vernichten konnte. Der schlechte Erfolg hatte mich nicht im Mindesten muthlos gemacht, eben so wenig als die Kritik, die Manches daran auszusetzen fand: ich dichtete fröhlich und wohlgemuth weiter fort. Noch zu Weihnachten ließ ich ein kleines Opus von Stapel: ›Maikäferiade, oder: Lieben, Lust und Leben der Maikäfer vor Einführung des Philisterthums. Zum erstenmale bekannt gemacht aus der einzigvorhandenen Handschrift durch Dr. A.H. Hoffmann, Custos der Königlichen und Universitäts-Bibliothek zu Breslau‹. (Breslau, gedruckt bei Graß, Barth und Comp., aber weder da, noch sonstwo zu haben. 8°). So schwirrte ich als singender Maikäfer in das kalte neue Jahr hinein, als ob es ein Frühling wäre.

Die Zwecklose Gesellschaft erfreute sich eines fröhlichen Gedeihens. Wir kamen jeden Samstagabend zusammen. Jeder theilte mit was er des Mittheilens werth hielt, Eigenes und Fremdes, Gedichte, Aphorismen, Witze, Auszüge aus alten und neuen Büchern. Alles wurde besprochen, und das gab dann wieder Stoff zu neuen Erzeugnissen für den nächsten Samstag. Zuweilen wurde auch etwas gelesen: der Finkenritter, Schelmufskys wahrhaftige curiöse und sehr gefährliche Reisebeschreibung zu Wasser und zu Lande, die Schildbürger u. dgl. Auch wurden Kupferstiche, Holzschnitte, Steindrücke besehen und besprochen. Mitunter sangen wir auch ein Lied, verfaßten auch eins gemeinschaftlich, wenn Anlaß und Stimmung dazu trieb. So machten wir auch Epigramme und Knittelverse gegen alle die uns anfeindeten und gegen Alles was uns zuwider war. Obschon wir keine öffentlichen Sitzungen hielten, so konnte es doch nicht fehlen, daß unser Thun und Treiben bald öffentlich besprochen[152] wurde, weil wir doch zuweilen einen heimischen Gast unter uns hatten.

Bisher waren wir immer auf uns beschränkt geblieben und im vollen Sinne des Wortes zwecklos, bald aber traten wir aus unseren vier Pfählen heraus und betheiligten uns an einer sehr zweckvollen Thätigkeit.

Schwindt hatte schon öfter die Idee eines Breslauer Künstlervereins zur Sprache gebracht. Wir hatten ihm immer entgegnet, daß in Breslau dafür gerade die Hauptsache fehle, nämlich die Künstler; ein Künstlerverein ohne Künstler sei ein Unding, die ausgezeichnetsten schlesischen Künstler seien in der Ferne: Carl Lessing, Julius Hübner, August von Klöber, Florian Grospietsch, Mücke, Heinrich Kramsta, Emil Ebers u.a., keiner von ihnen sehne sich nach Schlesien zu rück, aus den wenigen hier vorhandenen, dem Namen und der That nach wahrhaften Künstlern lasse sich kein Verein schaffen. Schwindt aber ließ sich nicht irre machen, gewann allerlei Leute, Kunstkenner und Kunstliebhaber dafür, und richtig, am 20. Mai, zu Albrecht Dürer's Geburtstage wurde ein ›Breslauer Künstlerverein‹ gestiftet.

Seit dem Bestehen der Zwecklosen Gesellschaft und des Künstlervereins fehlte es mir nicht an Geselligkeit. Mein Familienverkehr hatte sich nicht erweitert. Das Verhältniß zu Winterfeld war ein vertrauteres geworden, er hatte mich sogar zu Gevatter gebeten zu seinem Sohne Sigismund. Der Frau Gevatterin hatte ich einige Wiegenlieder verehrt, die ich dann gedruckt ihr überreichte: ›Siebengestirn gevatterlicher Wiegen-Lieder für Frau Minna von Winterfeld.‹ (Polnisch-Neudorf, 20. Rosenmonds 1827. Gedruckt und verlegt von Forster, Hochheimer und Comp. zu den 4 Thürmen. 10 SS. 8°.)5 Es war so meine Liebhaberei, von Zeit zu Zeit eine Kleinigkeit drucken zu lassen und meine Freunde damit zu beschenken. So hatte ich kurz vorher an sie vertheilt: ›Kirchhofslieder der Zwecklosen Gesellschaft gewidmet‹ (Aschermittwoch 1827. 16 SS. 8°).

Meusebach erhielt von Zeit zu Zeit meine kleinen Drucksachen, beklagte sich aber, daß er mit dem kleinen Zeuge nichts anfangen könnte, sie ließen sich nicht recht binden. Trotzdem widmete ich ihm zu seinem Geburtstage, 6. Juni, wieder etwas Kleines: ›Althochdeutsches[153] aus wolfenbüttler Handschriften herausgegeben von Dr. A.H. Hoffmann.‹ (Breslau. 1827. 8°. xxviij SS.). Es enthielt meine vorjährige Wolfenbütteler Ausbeute.

Meine Bibliothekstellung hatte sich unterdessen nicht besser gestaltet, der Willkür des Oberbibliothecars war keine Schranke gesetzt worden. Ich freute mich unendlich, daß ich einmal aus der Bibliothek herauskam: der Minister hatte mir unterm 27. April bereits Urlaub zur Reise ins Ausland bewilligt und sogar eine Unterstützung von 100 Rb. gewährt. Den 26 Juni reiste ich ab, zunächst nach Wien. Mein Reisegefährte war der Tonkünstler Heinrich Panofka.

Am 30. Morgens 7 Uhr kamen wir in Wien an. Nachmittags begebe ich mich auf die Hofbibliothek. Kopitar empfängt mich sehr freundlich; wir gehen Arm in Arm auf und ab und reden über unsere Freuden und Leiden, wie sie nur Bibliotheckbeamte haben und nachfühlen können. Er zeigt sich heiter, offen, theilnehmend, ich fühle mich heimisch in der Fremde und von der Hoffnung beseelt, daß ich Wien nicht unbefriedigt verlassen werde. Er führt mich zu Graff, der eben noch auf der Bibliothek arbeitet. Ein unerfreuliches Zusammentreffen, das mir aber am Ende doch lieb war, weil ich vor einem fruchtlosen Schwelgen in süßen Hoffnungen bewahrt wurde. Graff erzählt mir, daß er schon 14 Wochen in Wien sei und die Bibliothek benutzt habe; er werde zunächst den Otfrid herausgeben. ›Den Otfrid?‹ frage ich. – ›Ja, erwiedert er, das ist nothwendig für meinen Sprachschatz.‹ – Ich schweige.

Den folgenden Morgen, Sonntag 1. Juli, gehe ich wieder zu ihm. Wir sprechen wieder über Otfrid, ich erzähle ihm, daß ich mich schon seit Jahren damit beschäftige und jetzt zunächst in Wien sei, um die Vergleichung der Wiener Handschrift vorzunehmen, dazu habe mir das Ministerium auch Urlaub und Unterstützung gewährt. Das rührt ihn Alles nicht, er bleibt bei seinem gestrigen Ausspruch: ›Für meinen Sprachschatz ist meine Ausgabe des Otfrid nothwendig.‹ Den Hauptzweck meiner Reise sehe ich also gescheitert. Jetzt klage ich ihm meine Noth, ich erzähle von meinen Bibliotheksangelegenheiten, von meinen vielen Arbeiten und dem geringen Gehalte u. dgl. Auch er weiß viel zu klagen, als ob es ihm Gott weiß wie schlecht gehe, doch kommt es mir sonderbar vor, daß er sich einen ganz neuen schönen Wiener Wagen gekauft hat. Ein Professor, der[154] nur das Altdeutsche treibt, reist in seiner eigenen Kutsche! Wir gehen in die Leopoldstadt zu dem Wagenbauer und fahren Probe durch den Prater und zurück in die Stadt, speisen dann im goldenen Lamm, wo ich wohne, und spazieren nach Tische im Prater umher. Wir sprechen viel und lange über Leben und Wissenschaft. Graff ist sehr verstimmt und ich werde es durch ihn auch. Er empfiehlt mir Ruhe, und als ich ihm von meiner fünfjährigen Ruhe bei so mancher Unbill, die ich ertragen mußte, erzähle, meint er, es sei hart, aber ich könne mit Ruhe dennoch Alles erreichen. Wir nehmen Abschied und sehen uns nie wieder. Meine Erinnerung an ihn ist keine angenehme. So kurz unser Verkehr war, so schien er mir doch genügend, meinen Mitbewerber kennen zu lernen. Ich hielt ihn für selbstsüchtig, mißgünstig, fleißig ohne Freude und Genuß, kränklich, grämlich und unzufrieden mit seinem Schicksale, lebensmüde. Letzteres schien er selbst zu bestätigen durch die Äußerung: ›Hätte ich nicht Frau und Kinder, so wäre ich Mönch geworden auf dieser Reise, wozu ich mehrmals Gelegenheit und Veranlassung hatte.‹

Den 2. Juli begann ich meine Arbeiten auf der Hofbibliothek und war von diesem Tage an bis zu meiner Abreise jeden Tag dort so lange die öffentlichen Stunden währten, Vormittags von 9–12, Nachmittags von 3–6 Uhr. Wenn die Bibliothek um 6 Uhr geschlossen war, machte ich mit Kopitar regelmäßig einen großen Spaziergang. Stunden lang unterhielten wir uns, der Stoff ging nie aus.

Mit Panofka stand ich fortwährend im Verkehr. Wir besuchten uns gegenseitig. Er trug mir, wenn ich bei ihm war, seine Compositionen meiner Lieder vor, von denen auch später einige erschienen. Gewöhnlich verbrachten wir die Sonntage mit Spaziergängen und Ausflügen. An Langerweile litten wir auch nicht einen Augenblick, dafür sorgten schon die guten Wiener in ihrem genußwüthigen, oft gar possierlichen Wesen und Treiben. Wir geriethen oft in ein so lautes, fast unanständiges Lachen, das man uns anderswo schwerlich als reinen Herzenserguß hätte hingehen lassen. Schon mehrmals hatte ich gegen Panofka den Wunsch geäußert, wie gern ich Franz Schubert kennen lernen möchte. ›Gut, sagt P., dann wollen wir nach Dornbach hinaus, dort ist Schubert den Sommer über sehr viel und es ist auch besser, wenn wir ihm dort begegnen.‹ –Wir fahren nach Dornbach – vergeblich. Vierzehen Tage später[155] ist gerade Mariä Himmelfahrt und die Bibliothek geschlossen. Um 2 Uhr fahre ich mit Panofka im Stellwagen nach Nußdorf. Wir fahnden auf Schubert, vergebens. Es ist viel Zuzug und wir ergötzen uns sehr an dem bunten Menschengewühle. Plötzlich ruft Panofka aus: ›Da ist er!‹ und eilt fort zu Schubert, der eben von mehreren Fräulein umgeben sich einen Platz sucht. Panofka bringt ihn zu mir. Freudig überrascht begrüße ich ihn, erwähne flüchtig, wie viel Mühe wir uns gegeben hätten ihn zu finden, wie sehr ich mich freute, ihn persönlich kennen zu lernen etc. Schubert steht verlegen vor mir, weiß nicht recht was er antworten soll, und nach wenigen Worten empfiehlt er sich und – läßt sich nicht wieder blicken. ›Nein, sage ich erstaunt zu Panofka, das ist denn doch ein bischen zu stark! Nun wäre mir wahrlich lieber gewesen, ich hätte ihn nie gesehen, ich hätte dann bei dem Schöpfer so seelenvoller Melodien nie an einen gewöhnlichen, gleichgültigen oder gar unartigen Menschen denken können. So aber abgesehen von seinem heutigen Benehmen unterscheidet sich der Mann ja gar nicht von jedem anderen Wiener, er spricht Wienerisch, hat wie jeder Wiener seine Wäsche, einen sauberen Rock, einen blanken Hut, und in seinem Gesichte, seinem ganzen Wesen nichts was meinem Schubert ähnlich sieht.‹

Da ich von jetzt an keinen Versuch mehr machte, irgend einen Wiener noch kennen zu lernen, so ließ ich es bei den bisherigen Bekanntschaften bewenden. Mein erster Besuch galt dem Herausgeber der österreichischen Volkslieder Franz Ziska, oder wie er sich später germanisierte oder eigentlich barbarisierte: Tschischka. Nach mehreren mißlungenen Versuchen traf ich ihn endlich. Er war sehr erfreut und zeigte mir seinen reichen Vorrath österreichischer Volkslieder, woraus er wol noch ein Bändchen liefern könnte. Er hatte sich damals der Kunstgeschichte Österreichs zugewendet und dachte erst später wieder an die Volkslieder zu gehen, die er denn auch im Jahre 1844 in einer zweiten Auflage ohne Schottky herausgab.

Unvergeßlich und wichtig für die Zukunft ward mir die Bekanntschaft mit Stephan Endlicher. Erst in letzter Zeit traten wir uns näher und wurden dann recht vertraut mit einander. Er war ein rüstiger, liebenswürdiger junger Mann von 23 Jahren, von einem glühenden Eifer beseelt für Kunst und Wissenschaft, und für beide wie für seine Freunde jedes Opfers fähig. Seine vielseitigen[156] Kenntnisse kamen der Hofbibliothek, bei welcher er beschäftigt war, sehr zu Statten. So groß seine Neigung für Sprache und Geschichte war, so blieb doch die für Naturwissenschaften, namentlich Botanik, die überwiegende, wie er denn auch 1840 Professor der Botanik ward und zugleich Director des botanischen Gartens.

Der August ging zu Ende und mit ihm mein Urlaub. Die Vergleichung des Otfrid hatte ich vollendet, die Monseer Glossen abgeschrieben und manche althochdeutschen und mittelhochdeutschen Gebete, Predigten und Gedichte. Meine Ausbeute war größer als ich nach dem Zusammentreffen mit Graff erwartet hatte. Den 28. August verließ ich Wien.

Die Nacht blieb ich in Krems und fuhr den anderen Morgen hinauf nach der berühmten Benedictiner-Abtei Göttweih. Ich wurde auf die freundlichste Weise empfangen und erhielt das schönste Gastzimmer mit der Aussicht auf die Donau angewiesen. Mein erster Gang war in die prachtvolle Bibliothek. Ich sah mir jede Handschrift an und legte mir mehrere heraus zu weiterer Benutzung. Am Nachmittag arbeitete ich bereits in meinem Zimmer.

Ich wurde mit allen Professoren bekannt und unterhielt mich viel mit ihnen. Ich war erstaunt über die hohe wissenschaftliche Bildung. Diese Männer, die auf sich und ihr Kloster beschränkt in der Einsamkeit lebten, waren genau voll allem Thun und Treiben in der Wissenschaft und Politik unterrichtet und sprachen sich freimüthig über Alles aus. Hier erst lernte ich die österreichischen Klöster kennen, ihre Stellung zum Staate und zur Kirche, ihre wissenschaftlichen Bestrebungen und Leistungen und ihre finanziellen Verhältnisse. Der Abt, ein höchst liebenswürdiger Mann, hatte die philosophischen Systeme aller Zeiten gründlich studiert, er war eben bei Hegel angelangt und ließ sich, weil schon damals seine Augen sehr schwach waren, alle Schriften desselben vorlesen. Das Klosterleben in Göttweih war mir etwas Neues, Überraschendes, Erquickliches. Der viertägige Aufenthalt blieb mir eine der schönsten Erinnerungen meiner Reise. Mit innigem Danke für alles Liebe und Gute nahm ich Abschied.

Ich begab mich von da nach der Cistercienser-Abtei Zwettl. Auch hier wurde ich sehr freundlich empfangen und aufgenommen. Obschon ich nicht solche wissenschaftliche Bildung traf wie in Göttweih,[157] so vermißte ich doch nicht den Sinn für wissenschaftliche Bestrebungen und man erwies sich äußerst gefällig. Ich fand gar Manches und war fünf Tage sehr beschäftigt mit Abschreiben und Aufzeichnen. Ich reiste nun von dort durch Böhmen und kam den 14. September in Breslau an.

Mit meiner litterarischen Ausbeute war ich sehr zufrieden, und auch noch in anderer Hinsicht konnte ich es sein: ich hatte wieder ein gut Stück Deutschlands kennen gelernt und die Deutsch-Oesterreicher lieb gewonnen. Leider blieb es mir ein trauriger und entsetzlicher Gedanke, daß ein so herrliches Volk nun schon seit Jahrhunderten unter politischem und religiösem Drucke leben mußte. So gutmüthig und gemüthlich mir die Leute erschienen, so ließ sich doch bald wahrnehmen, daß jeder einzelne mehr oder weniger durch die Polizeiwirthschaft und das Spionierwesen verdummt und entsittlicht war und daß auch in den besten ein großer Hang zum Sinnlichen vorherrschte. Eben weil nur in sinnlichen Genüssen Freiheit gestattet wurde, darum ergab sich ihnen Vornehm und Gering, und die Künste und Gewerbe kannten kein anderes Ziel, als dem Volke diese Genüsse zu verschaffen, zu erleichtern und zu erhöhen. Das Volk kannte keine geistigen Genüsse und sollte auch keine kennen lernen. Die Regierung suchte es durch Censur und Bücherverbote, schlechtes Schulwesen davor zu bewahren. Daß es noch irgend einen gescheidten Mann in Österreich gab, war zu verwundern. Wenn ich die schönen Gegenden, dies wirklich gesegnete Land betrachtete, wurde ich wehmüthig gestimmt und doch auch wieder empört über die Habsburgische Hauspolitik, daß ich in demselben Augenblicke, wenn ich versetzt worden wäre in die wüsteste Gegend der Mark Brandenburg, einen schwarzweiß angestrichenen Wegweiser hätte umarmen können wie einen Boten des Himmels.

Bei aller Lustigkeit des Volks im Prater, am Annerltage in der Brigittenan, in den vielen Vergnügungsörtern um Wien herum kam einem immer das Gefühl als ob das nur die Lustigkeit des Blödsinns oder der Verzweiflung war, und damals war noch Wien etwas das alte Wien.

Die Regierung hatte den geistigen Erzeugnissen gegenüber nicht das mindeste Schamgefühl, sie trieb ihr Censorgeschäft mit beharrlicher Frechheit fort, und ließ sich nicht irren, wenn sie auch täglich,[158] ja stündlich sich lächerlich machte. Die Gelehrten und Künstler fanden nur Gnade, wenn sie sich hielten auf der k.k. wagerechten Fläche (niveau).

Schon wenige Tage nach meiner Rückkehr brach der Krieg zwischen mir und Wachler, dem Oberbibliothecar aus.


[Der Curator der Universität Neumann hatte bereits früher die Zahl der täglichen Amtsstunden für Hoffmann auf 7 festgesetzt. Dagegen behauptete dieser jetzt, daß er nicht verpflichtet sei, der Bestimmung nachzukommen und erklärte sich zu wöchentlich 22 Amtsstunden bereit. Ein Protokoll über diese Streitfrage wurde von Wachler dem Ministerium eingeschickt; gleichzeitig beschwerte sich Hoffmann beim Ministerium und richtete an dasselbe in einem zweiten Schreiben die Bitte, ihn gegen Willkürlichkeiten und Anfeindungen Neumanns sicher zu stellen. Während das Ministerium auf seine Entscheidung warten ließ, forderte der Curator Hoffmann auf, täglich 6 Arbeitsstunden der Bibliothek zu widmen.]


So sehr mich diese Bibliothekshändel verstimmten, so fand ich doch Trost, Beruhigung und Erheiterung in meiner wissenschaftlichen und poetischen Beschäftigung, und nebenbei hatte ich immer Gelegenheit, mich gegen meine Freunde gehörig auszusprechen. Der Williram war unterdessen erschienen: ›Williram's Uebersetzung und Auslegung des Hohenliedes in doppelten Texten aus der Breslauer und Leidener Handschrift herausgegeben und mit einem vollständigen Wörterbuche versehen von Dr. H. Hoffmann. Hiebei ein Facsimile der Bresl. Hs.‹ (Breslau. 1827. Grass, Barth u.C. 8°). Was Lachmann gewünscht hatte, was Andere jetzt vielleicht noch vermissen: die lateinische poetische Paraphrase, die wichtigsten Lesarten anderer Handschriften u. dgl., wollte ich später liefern. Ich kam nicht dazu. Damals konnte und mochte ich es nicht. Mit Recht schloß ich den 18. October 27 meine Vorrede: ›Doch kann dies Alles erst dann geschehen, wenn meine äußere Ruhe nicht so befehdet mehr ist, wie eben jetzt und leider! wol noch längere Zeit.‹

Die Zwecklose Gesellschaft bestand nun schon seit Jahr und Tag und hatte eben so viel Aufmerksamkeit und Beifall als Neid und Haß sich erworben. Ende des Jahres erschien das erste Heft unserer ›Societäts-Schriften I.‹ unter dem Titel:


[159] Zweckloses Leben und Treiben,

Wer's nicht lesen will, läßt es bleiben,

Das ist:

Vernünftige Gedanken

in

Geburtstags-Glückwünschen

der

Zwecklosen Gesellschaft

zu

Breslau.

Der Zweckvollen Welt

zum ersten Mal

an's Licht gestellt.

Breslau, 1828.

Verlag von J.D. Grüson und Comp.

/ Liber rarus.


Wir hatten nicht auf den Beifall der Kritik gerechnet; wir wußten, daß viel Ärgerliches, Wunderliches, viel uns nur Verständliches darin war. Wir wollten uns und unsere Freunde ergötzen, und unsere Feinde nebenbei ein bischen ärgern, und das hatten wir vollständig erreicht. Wie das aber bei solchen Dingen geht – uns wurden Anspielungen und Sticheleien auf Persönlichkeiten schuldgegeben, an die wir nie gedacht hatten; Mancher, den wir nur dem Namen nach kannten, fühlte sich beleidigt und schimpfte weidlich auf die Zwecklosen.

Unsere Societätsschriften waren am Ende weniger der Gegenstand des Ärgers. Seit man mußte, daß der eigentliche Heerd der Bestrebungen für den Künstlerverein und den Kunstverein in unserer Gesellschaft war, galt diese nun für den Störenfried des bisherigen ruhigen, unangefochtenen Treibens der Kunstsection der vaterländischen Gesellschaft und aller philisterhaften Gemüthlichkeit.

Eine unüberlegte Äußerung des Professor Büsching in den Schlesischen Provinzialblättern gab Veranlassung, daß wir in den Zeitungen gegen ihn zu Felde zogen für den beleidigten Künstlerverein. Daß ich in einem öffentlichen Breslauer Blatte einen[160] öffentlichen ordentlichen Professor angegriffen hatte, einen Mann, der Gesellschaften mitmachte und gab, mit Geheimen und Commerzräthen seine Partie spielte und unter den Philistern für einen großen Gelehrten, tüchtigen Kunst- und Alterthumskenner galt – das wurde mir nicht verziehen und mußte gerächt werden. Da man mir nicht anders beikommen konnte als in meinem Bibliotheksverhältnisse – denn das war und blieb meine Achilles-Ferse –, so ergab sich dazu bald die schönste Gelegenheit.

Ende Januars sendete mir das Ministerium meine Eingabe zurück und ertheilte mir einen tüchtigen Verweis: ›Die Fassung Ihrer Vorstellung ist eben so anmaßend wie subordinationswidrig, so daß solche nur ein mißfälliges Befremden hat erwecken können und das Ministerium Sie warnen muß, bei Vermeidung empfindlicherer Maßregeln für die Folge in Ihren amtlichen Vorstellungen die Rücksichten nicht zu vergessen, welche Sie den Ihnen vorgesetzten Behörden und Personen unter allen Umständen schuldig sind .... Ein solcher anmaßender und subordinationswidriger Ton ist nicht nur straffällig, sondern überhaupt der Würde gebildeter Männer nicht angemessen.‹

Ich hätte viel darauf entgegnen können, namentlich über das ›was der Würde gebildeter Männer nicht angemessen‹. Ich wurde von den Herren wie ein Hausknecht behandelt, von Wachler mündlich, von Neumann schriftlich. Doch was hätte mir ein fernerer Widerstand genützt? Ich durfte als der Untergebene den Obern gegenüber nie Recht bekommen: das war damals der feststehende Regierungsgrundsatz. Dennoch beruhigte ich mich noch nicht, ich schrieb an den GR. Johannes Schulze, der doch wahrscheinlich jenes Schreiben verfaßt hatte, und suchte so auf traulichem Wege zu erreichen, was mir auf amtlichem mißlungen war.

Unter diesen ärgerlichen Bibliothekhändeln war ich fortwährend wissenschaftlich beschäftigt, ja, ich machte sogar umfassende Vorarbeiten zu einer schlesischen Zeitschrift. Schon im October 1824 hatte ich ein ähnliches Unternehmen mit Dr. Pinzger ins Leben rufen wollen. Ende des Jahres 27 nahm ich den alten Plan wieder auf, einigte mich mit Graß, Barth u.C. und erließ schon den 17. December eine Ankündigung meiner ›Monatschrift von und für Schlesien.‹ Meine Vorarbeiten waren noch nicht so weit gediehen, daß ich ohne[161] Unterbrechung meine Zeitschrift hätte fortsetzen können, die ersten 3 oder 4 Hefte sollten wenigstens gesichert sein. Auf meine Mitarbeiter konnte ich mich wenig verlassen. Im Januar 27 hatte ich bereits ein Schema zu einem ›gelehrten Schlesien‹ drucken lassen. Von den vielen hundert versendeten Blättern kamen nur wenige, und auch diese oft ungenügend ausgefüllt zurück. Da nun auch diese Mittheilungen, die ich für die Monatschrift verwenden wollte, so spärlich ausfielen, so fand ich es gerathener, die Monatschrift auf das Jahr 1829 zu vertagen.

Der 20. Mai rückte heran und nahm meine Thätigkeit sehr in Anspruch. Es war der Geburtstag Albrecht Dürer's und zugleich der Stiftungstag unseres Künstlervereins. Er wurde diesmal vom Künstler- und Kunstvereine zugleich gefeiert. Es hatten sich einige hundert Mitglieder beider Vereine nebst einigen Ehrengästen eingefunden. Ich eröffnete das Fest mit einer Rede. Nach den Worten: ›Dann hat der heutige Tag seine Bedeutung, dann dürfen wir singen –‹ fielen das Orchester und die Sänger ein mit einer vom Capellmeister Schnabel componierten, von mir gedichteten Cantate,6 nach deren wahrhaft begeisterndem Schluß lauter Beifall ertönte. Es war ein schönes, glänzendes Fest, das dem Vereine die Achtung und Liebe vieler befestigte, noch mehrerer erwarb.

Den 10. Juni sendete ich dem Minister von Altenstein meine Gedichte, die beim Stiftungsfeste des Künstlervereins vertheilt und gesungen wurden. Er schrieb darüber dem Oberpostdirector Schwürz: ›Herzlichst danke ich Ihnen mein Werthester für die freundlichen Zeilen vom 10ten d.M. mit welchen Sie die Ubersendung des Schreibens von Herrn Dr. Hoffmann begleitet und mir einige seiner Arbeiten mitgetheilt haben. Ich freue mich der frischen Lebenskraft in dessen Gedichten, und seines Wirkens für Kunst. Ich hoffe ihn für Breslau zu erhalten. Er wird sich immer mehr in sein Verhältniß finden und ich werde endlich doch auch seine allerdings nicht glänzende Lage etwas verbessern können. Nur ist zu wünschen, daß er sich in einer bedeutenden Arbeit so auszeichnet, daß seine Verdienste auch ganz allgemein anerkannt werden.‹

Also sich auszeichnen! Das war auch das ewige Lied des[162] Schulze: ›Er muß sich auszeichnen, muß sich auszeichnen!‹ Wie ist das möglich, wenn einem täglich die schönste Zeit und die beste Kraft vorweggenommen und obendrein noch alle Lust zum Arbeiten vergällt wird? Von so etwas hatte das Hohe Ministerium keine Ahndung, es überließ mich sogar noch der Willkür zweier Leute, die weiter keinen Zweck hatten, als täglich zu zeigen, daß sie meine Vorgesetzten wären und mit mir machen könnten was sie wollten.

Schon im vorigen Herbste hatte der Druck der Fundgruben begonnen. Er schritt langsam voran, der Satz war schwierig, die Correctur machte mir viel zu schaffen, die Vollendung der einzelnen Abschnitte er forderte die größte Sorgfalt und viel Zeit. Mit dem sich auszeichnen ging es also so schnell nicht. Tröstlich war es allerdings für mich, daß ich mich des Wohlwollens des Ministers versichert halten durfte.

Um diese Zeit begannen meine Bibliothekhändel von neuem. Die Amtsstundenfrage war noch immer nicht erledigt. Wachler hatte sich deshalb auf eine des großen Litterarhistorikers recht würdige Weise an den Minister gewendet und für Mittwoch und Samstag je 6 Stunden, für die übrigen Tage je 4 beantragt. Hohes Ministerium entschied natürlich bei allem Wohlwollen für mich doch wider mich. Den 1. August ward die von Wachler beantragte Stundenzahl mir kundgethan und ich schrieb nur darunter: ›Gelesen‹.

Wachler hatte gar falsche Ansichten von dem was ich that und thun mußte, wenn er sagte, daß meine Amtsstunden mit keiner Kopfanstrengung verbunden wären. Freilich, wenn man so schlechte Kataloge machen wollte, wie er selber einen über die Künste geliefert hat, von dem sein eigener Sohn sagte: ›Damit kann sich mein Vater auspfeifen lassen‹ – so darf man den Kopf nicht sehr anstrengen; auch dann nicht, wenn man bloß Titel abschreibt, oder aus einem Saale in den andern läuft, Bücher hin und her trägt, Bücher einstellt, Bücher in den Fächern aufsucht, in den Katalogen nachschlägt, Signaturen einschreibt und einklebt etc. Wer aber ordnet, jeden Schriftsteller nach dem Jahre wann er zuerst aufgetreten einreihen, die Namen, den wahren Namen, die erste Ausgabe u.s.w. ermitteln und nach dem Inhalte jedes Buch gehörig unterbringen soll – ich dächte, daß man dazu schon den Kopf brauchen muß.

Mein Humor war noch nicht ertödtet: ich konnte sehr froh, mitunter[163] ausgelassen lustig sein und lachte über die ernsten, würdevollen, nur Respect und Subordination verlangenden hochgelahrten Amtsphilister. Ich ließ wieder eine ›poetische Spielerei‹ drucken und zwar zum Besten des Dürerdenkmals: ›Muckiade oder Herrn Mucks Sonnenfahrt und Tod. Nebst einem Anhange. Alles aus dem Archive der Zwecklosen Gesellschaft zu Breslau. Der Ertrag ist für das Dürerdenkmal zu Nürnberg.‹ (Breslau. 1828. Gedruckt und verlegt bei Graß, Barth und Comp. 30 SS. 8°). Wir nahmen 30 Rb. dafür ein und schickten sie mit noch 30 Rb. von Seiten des Künstlervereins nach Nürnberg.

Um dieselbe Zeit erschienen: ›Jägerlieder mit Melodien. Herausgegeben von H. Hoffmann von Fallersleben‹. (Breslau bei G.P. Aderholz. 1828. 8°.) nebst ›Melodieen .... gesammelt und zum Theil mit Hornbegleitung von A. Fuhrmann.‹ Unter diesen Liedern sind viele, die damals erst entstanden waren und zwar durch die Ausflüge der Kleinen Liedertafel, an denen ich jedesmal Theil nahm. Der Vorrath eigener Compositionen unserer Mitglieder hatte sich bereits sehr vermehrt. Durch meine Vermittelung war im vorigen Jahre bereits bei G.P. Aderholz ein Heft mit 6 vierstimmigen Gesängen erschienen unter dem Titel: ›Die kleine Liedertafel zu Breslau. 1. Lieferung.

Das Jahr 1828, das bisher so reich an Ereignissen für mich gewesen war, brachte mir schließlich noch ein sehr erfreuliches. Im October kam Wilhelm Wackernagel nach Breslau: 22 Jahr alt, jugendlich frisch und kräftig, voll Ehrgeiz und Unternehmungsgeist, sprachgewandt, poetisch productiv, kenntnißreich, gründlich und fleißig in seinen Studien. Ich hatte ihn bereits im Sommer des vorigen Jahres kennen gelernt. Seit unserer ersten Bekanntschaft lebte er in Berlin und zwar in sehr drückenden Verhältnissen: er schrieb alte Handschriften ab für die königliche Bibliothek und Gelehrte, ertheilte Unterricht und konnte wenig zu eigenen Arbeiten gelangen. Nebenbei hatte er kein Glück und Uhlands schöne Romanze vom Unstern konnte er ganz gut auf sich anwenden. Ich hätte gerne geholfen und wußte nicht wie. Schon früher hatte ich Wackernagel dringend gebeten, sich in Breslau für deutsche Sprache und Litteratur zu habilitieren. Es schien aber, als ob er ganz muthlos geworden wäre. Runge war unterdessen in Berlin gewesen[164] und hatte Wackernagels Lage kennen gelernt und sich von seiner Neigung überzeugt, auf meinen Vorschlag einzugehen, also sich in Breslau zu habilitieren. Wir besprachen die Sache und einigten uns über den Kostenpunkt: ich versprach eine Unterstützung, das Übrige wollte Runge tragen. So lud ich denn Wackernagel ein. Er nahm das Anerbieten an und kam im October herüber.

Schon zu Anfang Novembers war er Protocollant der Zwecklosen Gesellschaft und betheiligte sich an dem zweiten Jahrgange unserer Societätsschriften, die wir eben vom Stapel ließen. Zu Neujahr ward er Mitglied des Künstlervereins.

Mein Briefwechsel war seit meiner Wiener Reise sehr in Stocken gerathen. Auch Meusebach hatte fast ein ganzes Jahr warten müssen und sich gegen meinen Bruder sehr beklagt. Trotzdem schrieb er mir gegen Weihnachten sehr humoristisch und machte – mich zu seinem Fischartritter: ›in der Anlage habe ich die Ehre Ihnen den Fischartorden zweyter Klasse zu ertheilen, er wird getragen wie jeder andere Ordensstern auf der Brust, aber nicht auf dem Rocke, sondern unter dem Rocke, verborgen wie das stille bescheidene Verdienst, für welches er verliehen wird, sich nun schon mehrere Jahre lang vor meinen Augen verborgen hat.‹ Eine lederne Brieftasche, worauf schön gepreßt das Bild Fischart's wie es in seinem Ehezuchtbüchlein zu finden, mit der Unterschrift:


HIER AVSSEN MENTZERS BILD, HIER INNEN

DES MENTZERS GEIST VND KLVGE SINNEN


Inwendig H.V.F.R.D.F.O. II. KI.

Der schöne Orden war viele Jahre mein täglicher Begleiter, im Jahre 1848 wurde er mir mit seinem werthvollen Inhalte in Berlin gestohlen.

Nachträglich erfuhr ich noch Einiges in Bezug auf meine Bibliotheks-Angelegenheit. Mein Bruder schrieb mir über ein Zusammentreffen mit Johannes Schulze bei Meusebach: ›Schulze behauptete, Du wärest sehr grob gewesen, er hätte dagegen sehr glimpflich geantwortet; er allein würde Dich halten und Alles für Dich thun. Ich entgegnete ihm, daß Du nun schon 6 Jahre lang mit kärglichen 300 Rb. arbeiten müßtest, ferner keine Aussicht hättest, Bibliothecar zu werden, da nach den Statuten nur ein Professor diese Stelle bekleiden könne. Er in vollem Eifer entgegnete mir, daß er allein[165] zeigen wollte, was ein Bibliothecar jetzt leisten müsse, daß dies eine der wichtigsten Stellen sey und daß die jüngeren Custoden mit der Zeit die Bibliothecarstellen bekleiden müßten. »Ich stoße die Statuten um, lassen Sie mich nur machen, ich sorge für ihn, wenn er nur jetzt sein Verhältniß mit Wachler nicht unvorsichtig ganz verwirrt.« – Thue mir daher nur die Liebe und mach wegen der einen Stunde, die Du ja auf andere Weise wieder einholen kannst, keine Weiterungen mehr und sey klug in Deinem Benehmen gegen Wachler. Schulze meint es gewiß herzlich gut, und Meusebach ist mit mir auch einverstanden.‹

Ich war damals in einer sehr aufgeregten trübseligen Stimmung, wie aus dem Briefe an meinen Bruder vom 5. December erhellt: ›Warum ich bis heute mit meiner Antwort gewartet habe, ist mir eben so unerklärlich, als wenn ich mich zuweilen frage: warum ich überhaupt noch lebe? Wenig fesselt mich noch hier auf der Welt und dies Wenige ist ein so zweifelhaftes Besitzthum, daß ich sein selten recht froh werde .... Um was Neues zu beginnen, bin ich zu alt geworden, und wenn ich bedenke, daß ich Ostern schon 6 Jahr hier lebe, so kann ich mir sehr leicht denken, daß ich in diesem Zustande noch 20 Jahr hier lebe, ohne daß ein Hahn nach mir kräht. Was ist Docen geworden? Er ward Custos der Königlichen Hof- und Central-Bibliothek zu München und sein Lebelang weiter nichts. Gestern lese ich seinen Tod. Glaub mir sicher, daß gewisse Menschen mit den entschiedensten Talenten für ein bestimmtes Fach und mit dem besten Streben nie zu etwas kommen, sie mögen es anfangen, wie sie wollen. Ich habe genug gethan, um bekannt zu werden und rühmlich bekannt zu werden – hilft Alles nichts! ... Ich will noch einen Versuch machen, ob man mich als Bibliothecar in Berlin haben will? Du sollst erleben, es schlägt fehl, und Alles was ich daran anknüpfe, ebenfalls. Es ist einmal vorbei mit mir. Weiß ich erst, daß man mich zu weiter nichts brauchen will und kann als zu einem hiesigen Handlanger, dann darf ich nie auf K.'s Hand rechnen ..... O diese unaussprechliche Sehnsucht, diese Angst! Ich schlafe oft mehrere Nächte hinter einander nicht, und da ich nun des Tags auf der Bibliothek, dann für meine Monatschrift und Fundgruben arbeiten muß, so kannst Du denken, daß ich oft ein wahres Traumleben führe, in einem Zustande zwischen Schlafen und Wachen mich umhertreibe.‹ –[166] Mit dem Jahre 1829 begann meine eigentliche schlesische litterarische Thätigkeit und nahm mich ein ganzes Jahr sehr in Anspruch. Zu den nächsten Heften meiner ›Monatschrift von und für Schlesien‹ hatte ich zwar Stoff genug, mußte jedoch um eine Mannigfaltigkeit des Inhalts zu erzielen viele Leute in Breslau und in der Provinz um Beiträge bitten. Des Briefschreibens und Laufens war kein Ende. Versprechungen erfolgten genug, wenige wurden erfüllt. Es liefen Beiträge schon ein, des Brauchbaren jedoch wenig, ich mußte also immer selbst Rath schaffen. Bald fühlte ich das Lästige, wenn man in seinen Arbeiten an eine bestimmte Zeit gebunden ist: mit dem ersten jedes Monats mußte ein Heft erscheinen, wenn die Zeitschrift in Gang kommen und im Gange bleiben sollte.

Unterdessen war das zweite Heft unserer Societätsschriften erschienen. Die zwecklose Schriftstellerei ergötzte uns sehr – kaum war Fastnacht da, so ließen wir ein unsinniges Ding los:


Schlagschatten.

Ein zweckloses Fastnachtbüchlein

Worin allerhand Curiosa

In Reimen und in Prosa.

Zum Besten der hiesigen Erziehungsanstalt

für sittlich verwahrlosete Kinder.

Breslau, bei Grüson und Comp. 1829.


Bei allen Faschingsscherzen in unserer Gesellschaft war mir doch wehmüthig zu Muthe. Ich litt seit Jahren an einer Sehnsucht, die ich niemandem offenbaren konnte, sie war nach und nach zu einer wahren Qual geworden. Ich fragte mich: darfst du jetzt, darfst du überhaupt um ihre Hand anhalten? ist sie noch frei? wird sie dir je werden? – Um ein Ende dieser qualvollen Lage herbeizuführen, entschloß ich mich endlich, mich frei gegen Arlikonas Vater auszusprechen. Ich wußte es nicht anders als durch ein Stück Lebensgeschichte: ›Aus meinem Leben. Für meinen künftigen Herrn Schlichtegroll.‹7 Dieser kurzen Geschichte meiner langen heimlichen Liebe hatte ich ein ›Buch der Chronica‹ hinzugefügt, für jedes Jahr ein Lied, worin ich mein Sehnen, mein Hoffen, mein Leid einst[167] aussprach. Zwei Tage vor meinem Geburtstage erfuhr ich, daß Arlikona bereits einem Anderen Herz und Hand bestimmt hatte. Ein schöner Traum war ausgeträumt, die Poesie meiner Liebe, sie hatte mir nichts gelassen als meinen Schmerz und eine Handvoll Lieder.

In dieser Zeit der schmerzlichsten Gemüthsbewegung mußte es mir sehr willkommen sein, daß ich nach außen hin vielseitig beschäftigt ward. Zunächst waren es die Vorarbeiten zum zweiten Stiftungsfeste des Künstlervereins. Ich mußte einen Bericht liefern über die Leistungen des Künstlervereins und die Verwaltung des Kunstvereins. Damit eröffnete ich am 20. Mai das Fest8. Wie im vorigen Jahre so fiel es auch dies Jahr ganz nach Wunsch aus. Schnabel's Cantate erwarb sich wieder den freudigsten Beifall. Die vielen Tafellieder und Trinksprüche erhöhten die heitere Stimmung, womit das Fest begann und zu Ende ging.

Meine traurige Stimmung war sehr nachhaltig. Auch da, wo ich jemandem eine Freude bereiten wollte, machte sie sich geltend. So war es bei Meusebach's Geburtstag den 6. Juni. Da ich ihm nichts Altes zu schenken hatte, so ließ ich meine Aufsätze über Samuel von Butschky in meiner Monatschrift zusammenfügen zu einem Büchlein, das dann mit Titel und Vorrede versehen wurde. Der Titel lautet: ›Samuel von Butschky als Geburtstags-Gratulant zum sechsten Juni 1829‹ (Dillenburg9, in der Universitäts-Druckerei).

Wie meine damalige Stimmung war, läßt sich auch aus einer Aufzeichnung vom 9. Juni ermessen: ›Nichts stimmt mehr zu meinem jetzigen Zustande als eine gänzliche Abgeschiedenheit von der Welt. Es genügt mir, daß ich die Menschen von meinem Zimmer aus auf der Straße sehe, daß ich die Uhr schlagen höre, wonach sie sich drehen und tummeln. Ich habe nie geglaubt, daß ein trauriges Ereigniß so nachhaltig sein, uns so ganz und gar durchtrüben und verstimmen könne. Ich habe einen wahren Ekel an Allem was mich mahnt zu[168] leben. Meine Bücher und Papiere, selbst die kleinsten Zettelchen liegen just heute noch wie vor acht Tagen. Was ich seit der Zeit gethan habe, mußte ich mir als Ehrensache aufdisputieren; selbst zu dem Weintrinken, dieser leidlichsten Widerwärtigkeit, habe ich mich jedesmal ordentlich bedenken müssen, was mir wahrhaftig kein Mensch glaubt.‹

Es war ein drückendes Gefühl für mich, daß ich mich gegen niemanden aussprechen konnte; ich war das allen Betheiligten schuldig. Und doch war es mir, als ob ich mich aussprechen müßte. Ich schrieb demnach vom 12–17. Juli ein kleines Drama, worin ich als Fremder und unglücklicher Liebender auftrete unter den Zwecklosen, deren jedem Witze, Sprüche, Lieder zugetheilt sind, wie sie eben seiner Eigenthümlichkeit entsprechen. Es war ein Gemisch von Ernst, Humor, Sticheleien und Anzüglichkeiten. Als ich es eines Abends vorgelesen hatte, war mir wirklich, als ob ich mein Herz erleichtert hätte, und weiter wollte ich ja nichts. So hatte ich freilich gedichtet, es war aber mehr ein unfreiwilliges Geschäft. Denksprüche, Xenien, wilde und zahme entstanden wol, aber selten ein Lied. Zu Liedern fand ich nie die rechte Stimmung in mir. Meine Unruhe, meine Unzufriedenheit mit mir und der Welt ließen mich selten zu einem heiteren Schaffen gelangen. Von den Gedichten dieser Zeit ist überdem wenig übrig geblieben, ich habe später die meisten vernichtet.

In meinen amtlichen Verhältnissen hatte sich nichts geändert. Der Minister war mir sehr wohlwollend gesinnt, er dachte ernstlich an eine Verbesserung meiner Lage, es ergab sich nur keine Gelegenheit dazu. Jetzt im Beginne des Sommers trat solche ein. Büsching war am 6. Mai gestorben und dadurch ein bedeutender Gehalt verfügbar geworden. Wenn auch ältere Zulageversprechungen davon erfüllt würden, so mußte doch noch immer etwas übrig bleiben. Der Minister wußte mir nicht anders zu helfen, als wenn er mich zum Professor machte und so auf den Universitäts-Etat brächte. Diese Absicht hatte er, wollte jedoch durch die philosophische Facultät dazu veranlaßt werden und forderte deshalb dieselbe zur Begutachtung über mich auf, in der Hoffnung, daß selbige seinen Wünschen entgegen kommen würde. Nicht also! Die Facultät erwiederte, hauptsächlich wol auf Wachler's Antrieb, am 25. Juli: ›Den hiesigen Bibliotheks-Custos Dr. Hoffmann hält die hiesige philosophische Facultät[169] zu dieser Lehrstelle gar nicht geeignet und zwar notorisch mit vollem Recht, denn er hat weder den hierzu nöthigen tief eindringenden philosophischen Geist, noch die ernste Studien-Assiduität, noch Vorlesungs-Gabe.‹ Obschon die philosophische Facultät von allen diesen drei Eigenschaften nichts wußte und auch nichts wissen konnte, so erreichte sie doch ihren Zweck: es blieb Alles beim Alten.

Den Sommer über arbeitete ich in den freien vier Nachmittagen sehr fleißig mit Wackernagel an einem ›Glossar für das 12.–14. Jahrhundert.‹ Wir lasen dazu viele Gedichte, Predigten, Rechtsbücher, Glossen u. dgl. Es erschien am Schlusse des 1. Theils der Fundgruben S. 347–400. Die Arbeit war mühsam, mitunter langweilig, die Nachmittagshitze oft lästig, ein seltenes Wort aber und die Ermittelung seiner wahren Bedeutung ließ uns die Mühsale schnell vergessen und wir setzten wohlgemuth unsere Arbeit fort.

So verbrachten wir manche Stunde in der Woche und gewiß in recht ›ernster Studien-Assiduität‹. Dafür gönnten wir uns dann zwei Abende, Mittwoch im Künstlerverein und Samstag in der Zwecklosen Gesellschaft. Das war ein anregendes, erheiterndes, belehrendes, sogar billiges Vergnügen. Es schien damals, als ob durch den Künstlerverein ein für höhere Genüsse empfängliches Leben sich geltend machen wollte, als ob wenigstens diejenigen Männer, welche sich unbefriedigt fühlten in den herkömmlichen Unterhaltungen der vielen geschlossenen Gesellschaften Breslaus, sich uns nähern und anschließen würden. Wir gaben uns und ihnen manche Gelegenheit dazu: wir feierten schnell einmal den Geburtstag eines großen Dichters oder Künstlers, so Goethe's achtzigjährigen Geburtstag.

Bei den vielen Anfeindungen und Verläumdungen, welchen die Zwecklose Gesellschaft in der Philisterwelt fortwährend ausgesetzt war, behielten wir, die Zwecklosen, immer unsern guten Humor, ja es schien oft, als ob derselbe dadurch an neuer Lebenskraft gewänne. So zwecklos wir für uns waren und sein wollten, so zweckvoll wurden wir mitunter für andere. Hatten wir zu Fastnacht die sittlich verwahrloseten Kinder und im vorigen Jahre das Dürerdenkmal bedacht, so mahnte uns jetzt die Noth der durch Überschwemmung Leidenden, auch für sie etwas zu thun. Unsere ›Ars potatoria experimentalis‹ erschien in neuer, vermehrter Auflage unter dem Titel: ›Weinbüchlein. Zum Besten der wasserbeschädigten Schlesier herausgegeben von der[170] Zwecklosen Gesellschaft.‹ (Breslau, im Verlage bei Josef Max und Komp. 1829. 12°. 42 SS). Die Buchhandlung ließ davon 300 Exemplare drucken und bestimmte die ganze Auflage ohne Abzug der Kosten für den angegebenen milden Zweck. Die ganze Auflage war bald vergriffen.

So lange sich unsere zwecklose Schriftstellerei in poetischer Form bewegte, war die Zahl unserer Widersacher gering, vermehrte sich aber bedeutend, als wir als Kritiker auftraten. Zuerst nahmen wir den ›Schlesischen Musen-Almanach 1829. Herausgegeben von Theodor Brand‹ vor und lieferten eine Recension in einzelnen Paragraphen10. Der ganze schlesische Parnaß war zum Vesuvius geworden und spie Feuer und Flammen gegen uns. Wir blieben aber unversehrt, höchstens daß uns etwas kalte Asche bestäubte. Später versuchte die Zwecklose Gesellschaft, die ›Gedichte von Karl Ludwig Kannegießer. 1. 2. Bdch. (Breslau 1824. 1827)‹ einer gründlichen Beurtheilung zu unterziehen.11 Diese gründliche, witzige, mitunter bissige Recension verbreitete Angst und Schrecken in den Reihen der Breslauer Poeten und gemüthlichen Schriftsteller, und fand allgemeine Mißbilligung bei den hochgestellten Philistern. Letztere meinten, es sei unrecht von uns, einen Gymnasialdirector so anzugreifen, wir untergrüben seine Autorität, verleiteten die Schüler zur Insubordination u. dgl. Allerdings hatten die Primaner bisher wol großen Respect vor dem Übersetzer des Dante gehabt, – denn gewiß hatte ihn keiner gelesen – jetzt machten sie sich lustig über ihn. Doch hatten wir ja nicht den Director des Friedrichsgymnasiums angegriffen, sondern den Poeten, der nebenbei auch Director war. Wir ließen die Leute reden und trösteten uns mit den unsterblichen Versen Kannegießer's (Gedichte 1. Bdch. S. 142):


Wie ist das liebe Leben doch

Zum größten Theil so spröde!

Verrinnt nicht manche ganze Woch'

Prosaisch, wüst und öde?


Die schönen Hoffnungen, mit denen ich die ›Monatschrift von und für Schlesien‹ begann, waren im Laufe des Jahres immer geringer[171] geworden, auch die letzten blieben unerfüllt, nämlich die, wenigstens so viel Theilnahme zu finden, daß sich ohne große Opfer an Geld und Zeit das Unternehmen fortsetzen ließe. Es war drum gut, das ich mich rasch entschloß, das Ganze aufzugeben. In Schlesien hätte ich mir doch kein Publicum bilden können, die Leute waren durch das Sammelsurium der Provinzialblätter zu sehr verwöhnt, sie erhielten viel Papier für wenig Geld, Tagesneuigkeiten, Familiennachrichten, leichte Unterhaltung und allerlei. Eine gute anständige Zeitschrift mit werthvollen wissenschaftlichen Aufsätzen war nur ein Bedürfniß weniger, und durch diese wenigen konnten nicht einmal die Druckkosten bestritten werden.

Eine eigentliche schlesische Schriftstellerei gab ich für immer auf. Der Aufwand an Zeit und Mühe war in keinem Verhältnisse zu dem Erfolge. Eines schönen Tages übergab ich einen ganzen Waschkorb voll Papiere, lauter Vorarbeiten zu einem gelehrten Schlesien dem fleißigen Amanuensis unserer Bibliothek Karl Nowack, der dann später mit Benutzung dieses Stoffes sein ›Schlesiches Schriftsteller-Lexikon‹ 1–6. Heft (Breslau 1836–1843) herausgab.

Die Anregung, welche mir die Zwecklose Gesellschaft gewährte zum Dichten und Denken, war mir sehr willkommen: ich hatte vielfachen Anlaß und häufige Gelegenheit mich über allerlei auszusprechen. Wir machten es nicht wie die Mittwochs-Gesellschaft in Berlin, bei der es Gesetz war, nichts Eigenes vorzutragen. Im Gegentheil, das Eigene hatte bei uns den Vorrang, und nur wenn unser Vorrath erschöpft war und wir noch etwas hören wollten, gingen wir zum Vortrage fremder Sachen über. Wir scheuten uns nicht das auszusprechen:


Schon recht! Ihr les't von Euch nie eine Zeile

In Eurem litterarischen Verein,

Sonst würde ja der lieben Langenweile

Kein Ende sein.


Uns aber macht's ein groß Vergnügen,

Uns selbst zu hören überall,

Wir wollen uns auch nie verfügen

Mit jedem gleich in Einen Stall.


Um die geistige Regsamkeit im Gange zu erhalten, wurden in[172] jeder Sitzung außer den neuesten Gedichten noch Aphorismen, Sprüche und Epigramme vorgetragen. Daß sich jeder recht frei und ungebunden, auch in gebundener Rede, aussprach, läßt sich denken: wir schonten uns selber nicht, und jeder trat für seine Ansichten und Bestrebungen in die Schranken so gut er es eben konnte. Wenn es dann augenblickliche Verstimmungen gab, so ging es das nächste Mal noch ärger her, so daß ich mich nach einer neuen Reihe von Aphorismen und Xenien veranlaßt fühlte zu erklären:


Wenn ihr wollt, daß ich mich nicht äußern darf,

Da schwör' ich euch, ich bin noch mal so scharf.


und wieder ein anderes Mal:


Hier geht mein Papier zu Ende!

Aber ich habe noch Füß' und Hände,

Und eine Zunge, ein schneidige,

Womit ich die Wahrheit vertheidige.


Der Gewinn bei diesen geistigen Wettkämpfen war zunächst ein persönlicher: wir wurden darauf geführt, uns mit uns selbst zu beschäftigen, uns über uns klar zu werden, über unsere Bestrebungen und Ziele, über unsere Stellung zur Kunst und Wissenschaft und zu unseren Freunden und Gegnern. Namentlich kann ich diesen Gewinn nicht zu gering anschlagen. Viele meiner damaligen Aufzeichnungen geben das Streben zu erkennen, zu größerer Klarheit, Entschiedenheit und Selbständigkeit zu gelangen. Kein Wunder, daß ich mit großer Liebe an dieser meiner Stiftung hing und auch für die Zukunft die schönsten Hoffnungen zu ihr hegte.

Das Jahr 1830 begann. Mehr als je fühlte ich die Nothwendigkeit, etwas für mich zu thun wodurch ich eine bessere, sorgenfreie Stellung erreichte. Ich hatte jetzt niemanden gegen den ich mein Herz ausschütten konnte als Karl Milde; niemandem schenkte ich ein so unbedingtes Vertrauen als ihm; niemand aber verdiente es mehr als er, er war jederzeit bereit gewesen, mir mit Rath und That beizustehen.

Ich hatte im Mildeschen Hause schon viel Verkehr gehabt. Der alte Milde hatte sich von einem kleinen Cattundrucker allmählich zu einem der bedeutendsten Fabricanten emporgeschwungen und sich eine[173] achtungswerthe Stellung unter seinen Mitbürgern erworben. Die höhere Bildung, die ihm fehlte, suchte er für seinen Sohn zu erreichen und gab ihm eine Erziehung, wie sie oft in höheren Kreisen nicht vorkommt. Karl wurde, nachdem er die nöthigen Vorkenntnisse zu weiterer Fortbildung besaß, auf Reisen geschickt. Mit einem Schatz von Kenntnissen, Erlebnissen und Erfahrungen kehrte er nach Jahren in das elterliche Haus zurück. Er sollte nun unter dem Vater das Geschäft betreiben, bald schien ihm aber dies Verhältniß unbequem: er sehnte sich hinaus und reiste abermals. Nach längerer Zeit kam er zurück und übernahm selbständig die Fabrik. Mildes Rückkehr war für die Zwecklose Gesellschaft ein erfreuliches Ereigniß, das sie auf ihre Weise feierte. Milde jedoch fühlte sich bald nicht recht heimisch bei unseren Scherzen und Witzen, wofür er keinen Sinn hatte, auch sagte ihm überhaupt unsere ganze Richtung nicht zu gegen die Philisterwelt, welcher er doch als reicher Kaufmann und Gemeindebürger angehören mußte und wollte, ja sie schien ihm hinderlich um zu dem zu gelangen was er in der Gesellschaft und im Stadtwesen sein wollte: gegen Ende des Jahrs 1829 trat er aus. Trotzdem war mein Verhältniß zu ihm unberührt geblieben. Vertrauensvoll konnte ich mich nach wie vor an ihn wenden.

Ich theilte Milden meinen Plan mit. Die Fundgruben12 waren vollendet. Ich hatte sie dem Minister gewidmet, und dieser die Widmung angenommen. Ich wollte sie ihm selbst überreichen und bei der Gelegenheit zugleich meine Entlassung im Fall er meine Lage nicht zu verbessern vermöchte. Da ich keinen Urlaub zur Reise von Wachler erwarten durfte, wollte ich ohne Urlaub abreisen. Milde stimmte ein. Ich hielt die Sache natürlich sehr geheim. Ich war mit meinen Vorarbeiten schnell fertig: alle Bibliotheksbücher lieferte ich ab, meldete Wachler und Neumann, daß ich in Familienangelegenheiten auf einige Zeit verreisen müßte, schickte ersterem die Bibliothekschlüssel und reiste am 19. Februar mit der Schnellpost nach Berlin.

Da ich nun gerade über meinen Aufenthalt in Berlin vom[174] 21. Februar bis 2. März ein Tagebuch habe, so will ich Einiges daraus mittheilen.

Montag den 22. Februar. Meine Fundgruben werden von einem Freunde meines Bruders dem Minister überreicht.

Dinstag den 23. Februar. Morgens um 9 Uhr besuche ich Herrn GR. Schulze. Er empfängt mich sehr freundlich und wir besprechen meine Angelegenheit ausführlich. Er wurde ganz zutraulich und lud mich ein wiederzukommen.

Aschermittwoch den 24. Februar. Um 7 Uhr Abends zum Minister. Der Portier empfängt mich mit dem schlechten Troste: ›Excellenz spricht.‹ Ich muß lange warten. Endlich öffnet sich die Thür, der Minister entläßt seinen Geh. Rath und empfängt mich recht freundlich. Ich muß mich zu ihm auf's Sopha setzen.


M. Nun, wie geht es Ihnen in Breslau?

Ich. Leider muß ich Ew. Excellenz erwiedern: nicht sonderlich.

M. Wie kommt denn das?

Ich. Sieben Jahre bin ich Custos mit einem geringen Gehalte und was noch schlimmer ist, ohne alle Aussicht auf Verbesserung.

M. Können Sie nicht auskommen?

Ich. Leider nicht. – Ich möchte Breslau ganz verlassen.

M. Aber wollen Sie nicht Vorlesungen halten? Ich kann leider nicht die Bibliothekstellen unabhängig machen von den Universitäten, daran ist schon Manches gescheitert ...

Ich. Excellenz, leider erfahre ich zu spät, daß in der Bibliothekslaufbahn kein Weiterkommen ist.

M. Warum haben Sie früher nichts gethan? Hagen ging fort, Büsching starb – Sie haben sich zu wenig geriert.

Ich. Ich habe zu viel Feindschaft bei der Universität – wie hätte ich den Entschluß fassen können, ins academische Leben einzutreten?

– – –

M. Nun, wie wär's wenn Sie Vorlesungen hielten? Büsching's Stelle ist noch nicht wieder besetzt.

Ich. Ew. Excellenz erlauben mir zu bemerken, daß die Stelle allerdings noch nicht besetzt ist, daß aber kein Gehalt mehr vorhanden.

M. Gehalt findet sich schon – ich will Sie zum Professor machen.

Ich. So erfreulich mir das sein muß, so kann ich doch den[175] Wunsch nicht unterdrücken, daß ich eben lieber überall als gerade in Breslau Professor würde ....

M. Es ist für den Augenblick. Doch will ich thun was ich kann. Machen Sie mir eine Eingabe. Ich hoffe, es wird gehen, nicht wie am Ende Alles geht, sondern – es wird gut gehen. Leben Sie wohl!


Ich ging tief gerührt von dem Wohlwollen des Ministers und dankerfüllt, aber ohne mich eigentlich zu freuen. Der Gedanke an Breslau ließ kein freudiges Gefühl in mir aufkommen, ich ahndete nur noch schlimmere Kämpfe, die ich bestehen würde, und fürchtete, darunter alle Lebenslust, allen Humor und alle Poesie vollends einzubüßen. In dieser Stimmung erreichte ich das Meusebachsche Haus. Ich muß M. erzählen was ich eben erlebt. Als ich die Worte des Ministers: ›Ich will Sie zum Professor machen‹ ausspreche, unterbricht mich M., freudig erstaunt und scherzend: ›Nein, Sie sind doch ein Glückskind! Laufen aus Breslau fort und – zur Belohnung macht Sie der Minister zum Professor!‹

Samstag den 27. Februar. Ich reiche meine Eingabe an den Minister ein. Um 6 Uhr beim GR. Schulze; ich theile ihm mit, daß ich den Minister gebeten, mir die Büschingsche Stelle zu verleihen.

Sch. Ja, großer Gott, da ist nichts zu machen, nichts, gar nichts. Sie haben nichts gethan, daß wir Ihnen eine solche Stelle geben können .... Wenn ich nur wüßte, wie ich helfen sollte! Aber wir können nicht, wir können wahrhaftig nicht: es ist kein Pfennig Geld da.

Im Laufe des Gespräches fährt er fort: Ja, wenn wir nur Ehre mit Ihnen einlegen. – Es ist sehr gewagt, Sie als Professor anzustellen. Es wird viel Geschrei geben.


Ich. Herr GR., haben Sie schon Schande mit mir eingelegt? Ich fordere jeden, selbst meine ärgsten Feinde, den Passow etc. auf, ob sie irgend etwas gegen meine bisherige amtliche Thätigkeit aufbringen können, was mir oder dem Ministerium zur Schande gereichte; ob ich nicht fleißig und gut gearbeitet habe, nicht jedem und allezeit gefällig und hülfreich gewesen bin.

Sch. Ja, das paßt hier nicht auf die Professur. Sie haben noch nicht gezeigt, daß Sie Professor sein können.[176]

Ich. Ich habe schon Vorlesungen genug gehalten – ob da 5 oder 100, ob Studenten oder andere Leute sitzen, ist am Ende einerlei. Ich werde lesen, und werde so lesen, wie einem Manne geziemt, der seines Berufs sich bewußt ist und auf Ehre hält.

Sch. Was wollen Sie denn lesen?

Ich. Allgemeine Litteraturgeschichte, Culturgeschichte, deutsche Litteraturgeschichte.

Sch. Wieviel wollen Sie denn haben?

Ich. Einige hundert Thaler.

Sch. Die müßten aus der allgemeinen Casse angewiesen werden, bis dort in Breslau Fonds frei würden und Sie dann auf den Etat kämen. Aber Sie müssen Litteraturgeschichte lesen, Sie müssen sich besonders dafür bestimmen, ich werde es in Ihr Patent schreiben. Wir müssen aber Ehre mit Ihnen einlegen, Sie müssen sich auszeichnen, dann können sie in Breslau schreien wie sie wollen!

Ich. Ich werde das Meine thun.

Sch Aber das ist das Schlimme: es sieht immer aus wie eine persönliche Begünstigung.

Ich. Herr GR., wenn Sie irgend glauben, daß ich persönlich begünstigt werde, so wünsche ich recht sehr, daß Sie durchaus nichts für mich thun. Daß ich unglücklich war, daraus darf man mir keinen Vorwurf machen.

Sch. Ich werde ja thun was ich kann, seien Sie davon überzeugt!

Ich. Ich wünsche, daß es bald enschieden wird. Wollten Sie es mich wol wissen lassen, damit ich, wenn's nichts mit meiner heutigen Eingabe wäre, dann meinen Abschied noch zeitig einreichen könnte?

Sch. Das ist nur Scherz. Ich werde thun was ich kann.


Ich verneigte mich und ging.

So hart ward ich noch nie von einem Manne behandelt, der doch längst eine bessere Meinung von mir haben mußte. Seiner Heftigkeit zu Anfange begegnete ich mit der größten Ruhe, und erst dann, als er sich auf Erörterungen einließ und allmählich ruhiger und milde ward, trat ich mit aller Kraft meines gekränkten Ehrgefühls gegen ihn auf, ich schenkte ihm gar nichts, und bin vielleicht nie stolzer gewesen als eben damals, aber auch vielleicht nie mit größerem Rechte. Die ganze Verhandlung währte eine Stunde; ich[177] hatte gesagt was ich sagen wollte.

Sonntag den 28. Februar. Ich beschäftige mich mit den Vorlesungen, die ich nun nächstens halten werde. So angenehm mir die Aussicht auf einen neuen schönen Wirkungskreis ist, so kann ich doch ein gewisses trauriges Gefühl nicht unterdrücken.

Um 2 Uhr zu Meusebach. Nach Tische habe ich eine sehr lange Unterredung mit Lachmann. Ich erzähle ihm meine letzten Erlebnisse in Breslau und den Zweck meines Hierseins. Er zeigt sich so überaus theilnehmend und liebevoll, daß ich ihm heute um vieles näher stehe als sonst. Er redet mir zu, den Otfrid doch herauszugeben, er sei bereit die Correctur hier zu übernehmen.

Dinstag den 2. März. Um 6 Uhr besuche ich Hofrath Koch. Ich beklage mich über Schulze's Benehmen gegen mich. Koch entschuldigt den Geheimen Rath, er sei seit einiger Zeit sehr überreizt, er müsse zu viel arbeiten und würde gewiß erliegen, wenn das so fortginge. Übrigens meine er es gut, und würde gewiß für mich thun was er könne.

So weit mein Tagebuch.

Ich dachte noch oft an den GR. Schulze. Er war eigentlich immer aufgeregt und gewöhnlich sehr zerstreut, und konnte leicht leidenschaftlich und beleidigend werden. Manchem Gelehrten und Künstler, die mit dem geistlichen Ministerium in Beziehung standen, ging es bei Schulze nicht besser wie mir. Er wendete und drehte sich um einen und vor einem herum wie ein Kreisel, die Pfeife ging alle Augenblicke aus, wurde wieder angesteckt, der Schlafrock flog wie im Winde, und die Arme und Hände begleiteten fleißig seine raschen Worte. Bei seiner inneren und äußeren Unruhe vergaß er das was er immer im Munde führte und allen empfahl, die Würde, auch war er in seinen Ausdrücken nicht eben wählerisch. Seine Liebe für Kunst und Wissenschaft glich mehr einer Liebhaberei, außer der classischen Philologie und später der Hegel'schen Philosophie ließ er eigentlich nichts gelten, er war ein gelehrter Beamter, dem das Bureaukratische doch noch mehr galt als das Philomathische.

Der Minister von Altenstein dagegen verhielt sich ruhig und würdevoll, ließ jeden aussprechen und ging auf Alles ein. Beseelt von reinster Liebe für Kunst und Wissenschaft wollte er für beide das Beste wirken. Er ehrte beide in ihren Trägern und betrachtete[178] den Gelehrten und Künstler nicht wie einen gewöhnlichen Beamten, der an bestimmte Arbeiten und Stunden gebunden ist. Er sah in den Universitäten etwas Höheres als bloße Cadettenhäuser für den Staatsdienst, wollte nicht den Geist dressieren und jede freie Selbstthätigkeit beseitigen. Dabei hatte er ein sanftes Gemüth, das im Unglück viel verloren, aber an Liebe für die Menschen, für Kunst und Wissenschaft reicher geworden war. Wie mit seinen Blumen verkehrte er mit den Menschen gütig, wohlwollend, theilnehmend.

Am 6. März kam ich in Breslau an; zwei Tage dar auf stattete mir der Minister seinen Dank ab für die ihm gewidmeten Fundgruben: ›Indem ich das Verdienst, welches Sie sich durch die mit Sachkenntniß und lobenswerther Sorgfalt veranstaltete Herausgabe der interessanten und wichtigen, in diesem Bande enthaltenen Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Litteratur erworben haben, nach seinem ganzen Werthe anerkenne, gebe ich Ihnen zugleich die Versicherung, daß ich bemüht seyn werde, Ihre äußere Lage nunmehr zu verbessern, und Ihnen dadurch meine vorzügliche, Ihnen gewidmete Hochachtung zu bethätigen.‹

In diesem Schreiben des Ministers fand ich Beruhigung und Trost, mehr aber noch in den Gesichtern meiner künftigen Herren Collegen: es lag darin, daß mir gegen ihren Wunsch und Willen etwas Gutes begegnen würde. Schon am 30. März erfuhr ich durch meinen Bruder, daß ich zum außerordentlichen Professor ernannt sei. Erst am 13. April erhielt ich meine Bestallung als außerordentlicher Professor für das Fach der deutschen Sprache und Litteratur mit einem jährlichen Gehalte von 200 Thalern, sie war am 18. März ausgefertigt. Ich war sehr bewegt – ich schlug die Bibel auf und las mit großer Andacht die Worte des Psalmisten (109 und 103):


Stehe mir bei, Herr mein Gott! hilf mir nach Deiner Gnade!

Daß sie inne werden, daß dies sei Deine Hand, daß Du, Herr, solches thust.

Fluchen sie, so segne Du! Setzen sie sich wider mich, so müssen sie zu Schanden werden, aber Dein Knecht müsse sich freuen.

Meine Widersacher müssen mit Schmach angezogen werden, und mit ihrer Schande bekleidet werden, wie mit einem Rock.

Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!

Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht was er Dir Gutes gethan hat![179]

Nach langer Zeit konnte ich mich wieder einmal so recht von Herzen freuen. Ich hatte mich bisher nie glänzender an meinen Feinden und Neidern gerächt. Ich war nun dasselbe was sie, und konnte sorgenfreier und hoffnungsreicher der Zukunft entgegen gehen. Ich besuchte in den nächsten Tagen meine Herren Collegen. Sie waren alle sehr freundlich und versicherten mich ihrer collegialischen Freundschaft. Ich ließ mich durch alles das nicht irre machen und blieb in meiner bisherigen Zurückgezogenheit. Ich hatte lange genug neben ihnen leben müssen, als daß ich noch Lust gehabt hätte, mit ihnen zu leben. Wie ärgerlich die Herren über meine Ernennung waren, erfuhr ich denn doch sehr bald. Der einzige Professor, mit dem ich bisher fast freundschaftlich verkehrte, Stenzel, sprach sich, nachdem ich ihm meine Ernennung mitgetheilt hatte, auf eine Weise aus, die mich nach dem was die anderen darüber dachten, gar nicht weiter verlangen ließ.

Ich dachte jetzt sehr ernstlich an meine Vorlesungen. Die Zeit war kurz, ich mußte mich für dies halbe Jahr auf ein Publicum und ein Privatissimum beschränken, zumal mich noch die neue Ausgabe des Otfrid, mit der ich mich schon seit dem März beschäftigte, und meine Habilitation sehr in Anspruch nahm. Für letztere schrieb ich eine Abhandlung über die mittelniederländischen Dichtwerke.

Zu meiner ersten Vorlesung hatte ich einen Gegenstand gewählt, der bis dahin noch nie besonders behandelt war: Geschichte des deutschen Kirchenliedes vor Luther. Ich hatte schon lange dafür gesammelt, die Ausarbeitung machte mir viel Freude, noch mehr daß ich nun in einem öffentlichen Vortrage die Ergebnisse meines Forschens auch anderen mittheilen konnte. Ich begann den 7. Juni vor 9 Zuhörern, die dann auch treu aushielten bis zuletzt. Zu meinem Privatissimum zu Hause: deutsche Handschriftenkunde, hatten sich mehr gemeldet als ich unterbringen konnte, ich hatte nur für 6 Platz. Mit dem Erfolge meiner neuen academischen Thätigkeit konnte ich zufrieden sein.

Am 20. Juni feierte ich mit den Geburtstag der Frau v.W.13 Ich überreichte ihr ›Kalitten14 zu den Blumenkränzen des 20. Juni 1830‹ und Uhland's Gedichte mit folgender Zuschrift:[180]


Am Reichthum dieser fremden Blüthenwelt

Kannst Du vergessen meine Dürftigkeit,

Denn in den Frühling meines Lebens fällt

Nur eine lange herbe Winterzeit.


In den Kalitten sind 5 spanische Romanzen mitgetheilt. Diese galten meiner unerwiederten Liebe zu Botheina, wie ich sie damals nannte und später nennen werde.15 Die Zueignung rechtfertigt, warum diese Romanzen bei dieser Gelegenheit gedruckt wurden:


Ist das Glück auch mir entschwunden,

Blieb der Schmerz auch mir allein,

Darf ich drum der frohen Stunden

Letzten Nachhall Dir nicht weih'n?

Hast Du es doch mit empfunden,

Eben darum ist es Dein.


Wäre es doch bei den Kalitten geblieben! ich hätte mir und anderen viel Leid und Kummer erspart, und so manche schöne Erinnerung ungetrübt für mein ganzes Leben behalten können.

Es war jetzt mein sehnlichster Wunsch, mit der Facultät so bald als möglich ins Reine zu kommen. Daß man meinen Leidener Ehrendoctorgrad nicht gelten lassen möchte, hatte ich bereits unter der Hand erfahren. Ich schickte das Diplom ein. Die Facultät betrachtete das Pergament mit dem großen Siegel in der Messingkapsel. Wachler sprach dann das große Wort gelassen aus: ›Es ist echt!‹ Zu einer Promotion hätte ich mich nie verstanden, das wäre eine Beleidigung für die Leidener gewesen; eine Ehrenbezeigung dieser Art von solch einer Universität schien mir immer noch mehr zu wiegen als ein rite promotus jeder deutschen Universität. Ich glaubte als Professor der deutschen Sprache und Litteratur genug zu thun, wenn ich eine lateinische Abhandlung drucken ließe und eine lateinische Rede hielte, wie man ja auch v.d. Hagen und Büsching gestattet hatte. Dies wurde mir auch von der Facultät zugestanden.

Botheina war seit Anfang Julis wieder in Breslau bei ihren Anverwandten. Sie war krank gewesen und noch immer sehr schwach und leidend. Ich sah sie dann und wann. Wir sprachen fast nie mit einander, und das wenige, was ich von ihr hörte, war der Art,[181] daß ich nicht die mindeste Hoffnung hegen konnte, daß sie meine Liebe je erwiedern würde. Ich fühlte mich sehr unglücklich und litt viel. Ich begreife heute noch nicht, wie ich trotzdem so beharrlich lieben konnte. Ihren Verwandten war mein Zustand bekannt, sie suchten zu trösten, ohne jedoch die geringste Hoffnung mir zu machen. Ich wußte mein peinigendes Gefühl nur durch Dichten und Aufzeichnen meiner Seelenzustände zu beschwichtigen. Ich war geistig und körperlich sehr aufgeregt und ungewöhnlich reizbar.

Es kamen nun noch die Julitage hinzu. Ich nahm den lebhaftesten Antheil an der Entwickelung der Dinge in Paris. Ich war oft bei Milde. Jede Neuigkeit aus Paris wurde verschlungen. Als die französische Bewegung die Nachbarländer ergriff, verfolgte ich mit gespanntester Aufmerksamkeit jede Regung zur Herbeiführung besserer Zustände, namentlich in Deutschland. In dieser äußern und inneren Unruhe vollendete ich den Druck meiner Habilitationsschrift, die später als Pars I. der Horae belgicae im Buchhandel erschien.

Ende September und Anfang October besuchte ich meine Heimat und die Meinigen. Auf der Hin- und Rückreise verweilte ich einige Tage in Berlin. Täglich war ich bei Meusebachs, auch öfter mit Lachmann zusammen. Durch Meusebach erhielt ich das Antwerpener Liederbuch, das er schon mehrere Jahre aus der Wolfenbütteler Bibliothek geliehen hatte. Ich schrieb mir alle Lieder daraus ab, welche ich für ursprünglich niederländisch hielt. Es gab des Besprechens und Sehens so viel, daß ich mehrmals des Nachts dort blieb.

Dem Minister sprach ich in einer Eingabe die Bitte aus, daß ich statt einer öffentlichen lateinischen Disputation eine lateinische Rede vor der Breslauer philosophischen Facultät halten dürfe, und daß mein Leydener Ehren-Doctordiplom anerkannt würde.

Nach meiner Rückkehr nach Breslau entwickelte ich eine große Thätigkeit: ich arbeitete für meine Vorlesungen, war beschäftigt auf der Bibliothek, dichtete, briefwechselte und leitete den Künstlerverein. Dieser hatte sich seit Kurzem erweitert: es hatte sich eine litterarische Abtheilung gebildet, welche regelmäßige Sitzungen halten und eigene und fremde Werke besprechen wollte, um so sich anzuregen und sich wechselseitig zu bilden. Die früheren litterarischen Mitglieder des Vereins Geisheim, Grünig, ich, Schall, Wackernagel und Karl Witte hatten sich begnügt, bei öffentlichen Festen des Vereins mitzuwirken[182] und sich endlich veranlaßt gefunden, auch einmal selbständig aufzutreten. Sie hatten zu Anfange des Jahrs eine Sammlung Gedichte herausgegeben unter dem Titel: ›Poesieen der dichtenden Mitglieder des Breslauer Künstlervereins‹. (Breslau. Gosohorsky 1830.)

Obschon mir die jetzige Idee, eine größere litterarische Thätigkeit ins Leben zu rufen, sehr gefiel und ich sie auch nach Kräften unterstützte, so hatte ich doch wenig Hoffnung auf Erfolg.

Unterdessen traf ein Schreiben des Ministers ein: meine Bitte war vollständig gewährt und ich konnte nun täglich den Anforderungen der Facultät genügen.

So ging das Jahr zu Ende. Ich hätte zufrieden, sehr zufrieden sein können: ich hatte vieles erreicht was mir vor Jahr und Tag unerreichbar schien. Und doch fühlte ich mich unglücklich. Meine Liebe zu Botheina war durch alle Hoffnungslosigkeit nur noch stärker geworden. Mein einziger Trost war, daß ich mich in Liedern aussprechen konnte. Zu Weihnachten ließ ich sieben Lieder drucken: Die letzten Blumen, eins für jeden Wochentag, voran eine Einleitung.16

Die Zwecklose Gesellschaft war die Veranlassung für mich gewesen, dann und wann meine jeweiligen Stimmungen und meine Ansichten über das Leben, über Kunst und Wissenschaft u. dgl. aufzuzeichnen. Nachdem sie nicht mehr bestand, setzte ich diese Selbstunterhaltung noch eine Zeitlang fort. Seit Jahr und Tag hatte sich nun zwar mein äußeres Leben günstiger gestaltet, und ich hätte in dieser Beziehung beruhigter und heiterer sein können, auch fehlte es mir nicht an Arbeit, die meinen Wünschen entsprach, und mit den Erfolgen meines academischen Wirkens konnte ich sehr zufrieden sein, trotzdem aber gab es des Widerwärtigen so viel, daß ich mich oft recht unglücklich fühlte. Einige Wochen vor Beginn des neuen Jahrs schrieb ich einer Freundin17: ›Sie gedenken nicht mit einer Zeile dessen was so mein ganzes Sein und Leben durchlebt und durchwebt. Glauben Sie wirklich, daß diese Liebe nur ein poetischer Anflug ist, eine leidenschaftliche Neigung, ein abenteuerlicher Versuch für ein äußerliches Glück? Das können Sie nicht glauben, Sie am wenigsten, ja Sie dürfen es nicht einmal ahnden! Oder gedachten[183] Sie, durch jede Berührung gewisser Erinnerungen aus diesem letzten Sommer mich zu betrüben? Nein, das dürfen Sie nie denken. Der Mensch ist mehr, ist besser als sein Schicksal. Jetzt erst darf ich sagen: ich liebe, jetzt weiß ich was ich sonst nur ahndete; jetzt ist zur Wahrheit geworden was früher nur als Idee vor mir stand und in einzelnen Tönen hervorbrach, als Lied und Aphorisme sich offenbarte. Groß war mein Schmerz, aber größer ist meine Liebe, sie wollte siegen und hat gesiegt. Nichts kann mich darin irre machen. Und selbst wenn Botheina sagte: ich liebe dich! ich könnte sie nicht mehr lieben als jetzt; und wenn sie gar sagte: ich hasse dich! ich könnte sie doch nur lieben. Ich muß selbst weinen vor diesem wunderbaren, beseligenden Gefühle, aber es ist kein Mitleid mit mir selbst, sondern mit anderen, die solche Wunder, solche Seligkeit nicht kennen. Diese anderen stehen um mich und verstehen mich nicht, und da mich meine Liebe mit der ganzen Welt versöhnt, Alles ebnet und mildert, so kann ich mich um so leichter von ihnen trennen, und die Kräfte und die Zeit, worauf die Pflicht ein Recht hat, ungetheilter meiner Wissenschaft zuwenden. Ich müßte für ungerecht erscheinen, wenn ich jetzt über die Menschen klagen wollte; aber ich habe gar kein Bedürfniß, mich an sie und ihre Gesellschaften anzuschließen, viel weniger als jemals, besonders seitdem das Entbehren jedes irdischen Glücks mein Hauptstreben geworden ist und mir nur Heil und Frommen bringt. Muß ich nicht unendlich viel entbehren, daß ich mit niemandem sprechen kann über das was mich neben meinen wissenschaftlichen Arbeiten fortwährend beschäftigt, was meine Seele umkreist wie der Mond die Erde? Aber niemand will mich verstehen, niemand will zugeben, daß ein irdisches Wesen seine himmlische Abkunft in Selbstverläugnung und Aufopferung suchen darf, um nicht für sein, nur für Anderer Glück zu leben. Wie groß mein Vertrauen ist und sein darf, was hilft's mir, so lange man mir für mein Glück ein anderes geben will? Da muß ich schweigen. Man will die Liebe behandeln wie etwa einen wissenschaftlichen Gegenstand, bei dem sich falsche Ansichten berichtigen, Zweifel heben und Unwahrheiten aufdecken lassen. Ich achte und ehre jede Mühe, die man sich mit mir gegeben hat, mich gleichsam zu bekehren, aber ich kann niemandem dafür danken. Verdient es denn auch Dank, daß man mir das wenige was ich mir bewahrt und zur frischen[184] Blüthe auferzogen habe, rauben will? Wer kann mir Ersatz geben für den Verlust meiner Poesie? Und sie ist ganz Eins geworden mit meiner Liebe.‹

In solche Gefühle und Gedanken war ich wie durch Zauber gebannt, und hätte ich mich damals ihrer erwehren wollen, es wäre mir nicht gelungen. Zu meinem großen Glücke mußte ich auch an andere Dinge denken. Zunächst nahm mich meine Habilitation in Anspruch. Die Einladungsschrift war fertig und wurde vertheilt. Am 28. Februar (1831) Mittags 11 Uhr hielt ich in der kleinen Aula eine lateinische Rede über Luther's Verdienste um die deutsche Sprache; ich war nun wirklicher Professor extraordinarius.

Am 2. April wurde in befreundetem Kreise mein Geburtstag gefeiert und mit einer Überraschung beendet, mit – meiner Verlobung. Nach vielen mündlichen und schriftlichen Verhandlungen, nach vielen Überlegungen und Erwägungen war von Seiten der Familie die Einwilligung erfolgt, Botheinas Herz hatte sich in Liebe mir zugewendet, sie war meine Braut und ich fühlte mich unaussprechlich glücklich. Wie mir damals zu Muthe war, habe ich am besten ausgesprochen in den sechs letzten meiner spanischen Romanzen (Nr. 11–16),18 die eben damals entstanden. Ich lebte herrlich und in Freuden nur meiner Braut, nur ihr und ihrer Familie.

Im Herbste nahm ich mit Botheina an einem Ausfluge theil, den die Familie ins Gebirge machte. Als wir zurückkehrten, war kurz vorher (29. September) in Breslau die Cholera ausgebrochen. Es kam nun eine traurige Zeit. Die Cholera, diese nie gekannte Krankheit, mit ihren plötzlichen heimtückischen Anfällen, zwar kurzen, aber schrecklichen Schmerzen, denen meist immer der Tod folgt, verbreitete Angst und Schrecken. Die ersten gräßlichen Vorsichtsmaßregeln, das Fortschaffen der Cholerakranken im Korbe, die nächtliche Bestattung, alles das vermehrte das Unheil. Ich lebte wie gewöhnlich, hatte keine Furcht, und suchte mich und andere zu erheitern. Und das war gewiß das beste Gegenmittel.

Meine heitere Stimmung wurde leider bald getrübt: Botheina[185] erkrankte und genas nicht recht wieder, den ganzen Winter kränkelte sie. Ich litt mit und fühlte mich endlich sehr leidend und ward traurig.

Durch vielseitige Thätigkeit hielt ich mich immer aufrecht. Ich las mit Lust und Eiser Litteraturgeschichte und Handschriftenkunde. Zu diesem letzteren Collegium hatte ich ein Büchlein drucken lassen: Handschriftenkunde für Deutschland. Ein Leitfaden zu Vorlesungen von Dr. A.H. Hoffmann. (Breslau. 1831. 8°). Jeder Theilnehmer erhielt es und außerdem noch zum Abschreiben einige Hefte, die als Ergänzung dienten. Mein academisches Lehramt machte mir viel zu schaffen. Nebenbei vollendete ich meine Geschichte des deutschen Kirchenliedes. Mit meinem Dichten war es vorläufig vorbei. Ich hatte dazu weder Ruhe noch Heiterkeit noch Anlaß.

Das Schicksal Polens betrübte mich sehr und in dem Losreißen Belgiens von Holland konnte ich wenigstens für die Belgier niederländischer Abkunft kein Heil sehen. Und den großen Ereignissen des Tages nahm ich lebhaften Antheil. Am 26. October 31 schrieb ich meinem Bruder: ›Wir armen Schlesier! wir werden leider zuviel regiert; das ist die allgemeine Klage. Ja, könnte es nur unmerkelicher19 geschehen, da wär's noch ziemlich. Der gute Wille und die Thatkraft des Einzelnen wird durch die angemaßte Vormundschaft von Seiten der Regierung täglich mehr geschwächt. Das Beschönigen und Vertuschen des Unglücks von oben herab, die vielen halben und unsinnigen Maßregeln, die höchstens ein Berliner †† in der Allgemeinen Zeitung loben kann, das despotische Wesen unserer Polizei, ihr Aushorchen, ihr Aufpassen – Alles erstickt das letzte Vertrauen gegen die Regierung und erbittert gegen die Beamten. Von einer öffentlichen Meinung, die auch hier noch manches Üble abwenden, der Willkürlichkeit Schranken setzen, und die gesunde Vernunft zu ihren Rechten bringen würde, kann in einem Lande was immer schläft keine Rede sein. Und wollte es auch aufwachen, wollte es sein eigenes Interesse kennen lernen, der hiesige despotische Aristocratismus und allgemeine spießbürgerliche politische Obscurantismus giebt es nicht zu. Auch der gebildetere Theil Breslaus lebt in einer politischen Unbefangenheit und ahndet die spanische Censur,[186] die jeden freien Gedanken wie eine lästige Fliege dem braven Bürger abfängt.‹

Die Censur war kleinlich und frech, und machte sich täglich lächerlicher und verhaßter. Die harmlosesten Dinge wurden gestrichen. Am meisten hatten die Zeitungen und die Flugschriften zu leiden. Ohne Censur durfte nichts, gar nichts gedruckt werden, nicht einmal ein Anschlag zu Privatgebrauche. Die Censoren betrachteten die Censur als eine Erwerbsquelle. Für jeden Bogen eines wissenschaftlichen Werkes bekamen sie einige Groschen. Oft sahen sie das Buch gar nicht weiter an und schnitten es kaum auf. Da ereignete es sich denn einmal, daß mein College Thilo bei einem Buche, das in halben Bogen gedruckt war, das Doppelte berechnete!

Das neue Jahr 1832 begann. Ich hoffte, daß ich nun bald Hochzeit halten und mir ein eigenes Hauswesen gründen könnte. Eine bange Ahndung sagte mir, daß sich diese Hoffnung nicht erfüllen würde. Ich sah mit Besorgniß in die Zukunft.

Den 26. März schloß ich meine Vorlesungen und gedachte nun wieder einmal recht frei und froh zu sein. Wenige Tage nachher erfolgte ein Ereigniß, das, so freudig es für die Familie meiner Braut war, doch für mich nicht sein sollte. Die Familie wollte schon in nächster Zeit Breslau für immer verlassen.

Wie mir damals zu Muthe war, erhellt aus einem Briefe an meinen Bruder. Den 30. März schrieb ich ihm:

›Ich habe diesen Winter viel arbeiten müssen, besonders hat mir meine Litteraturgeschichte viel zu schaffen gemacht. Jetzt hoffte ich recht froh und munter des Frühlings zu genießen; ich wollte studieren was mir Freude machte; ich wollte wieder dichten, wozu mir seit einem halben Jahre gar keine Zeit blieb; ich wollte Briefe schreiben etc.

Nun ist mir Alles getrübt. Ich habe Kraft und Muth genug, allein überall in der Welt zu stehen; aber der ewige Wechsel in meinen Lebensverhältnissen läßt mich zu keiner Ruhe und keinem Frieden gelangen und muß endlich doch allen Muth, alle Kraft brechen.‹

Was ich der Familie gegenüber thun konnte, um meinerseits jedes Hinderniß meiner Heirat zu beseitigen, that ich: ich reiste nach Berlin, machte eine Eingabe an den Minister, bat um das Ordinariat und um Zulage, überreichte ihm meine Geschichte des Kirchenliedes[187] und theilte ihm mündlich meine Gründe ausführlich mit. Nach dreiwöchentlicher Abwesenheit kehrte ich den 12. Mai nach Breslau zurück. Im Juni verließ meine Braut mit ihrer Familie Breslau und ging zunächst in ein Bad. Ich begleitete sie dorthin. Nach zehen Tagen kehrte ich in derselben Ungewißheit über meine Hochzeit zurück wie ich abgereist war. Jetzt getrennt auch von denen, mit welchen ich seit Jahr und Tag gleichsam zusammen gelebt hatte, entfremdet allen früheren Freunden und Bekannten, erfolglos in meinen Bemühungen, endlich mir ein eigenes Familienleben und Hauswesen zu gründen, fühlte ich mich alleiner wie jemals. Schon den 20. Juni schrieb ich meinem Bruder: ›Dieser Zustand hat für mich etwas Zerstörendes, er vernichtet mich völlig.‹

All mein Flehen und Bitten umsonst. Noch am 28. August schrieb ich meiner Braut: ›Um die schönste Zeit meines Lebens betrogen soll ich nun auch den letzten Rest noch – nicht einer belebenden, begeisternden Idee – dem Eigensinne Anderer opfern. Was soll ich davon denken? Weiß ich einmal, daß man meine Hochzeit absichtlich von einem Jahr ins andere hinausschiebt, dann weiß ich auch, daß ich wenig oder gar nichts dabei gelte, daß ich gar nichts bin.‹

Auch darauf erfolgte so gut wie keine Antwort. Nach langem qualvollen Ueberlegen und Erwägen schrieb ich meinem Bruder 30. September: ›... Ich sehe zu klar, wie meine ganze Heiratsangelegenheit sich in Nichts auflöst. Das unschlüssige Wesen der Familie und ihre Rechtfertigung der Verzögerung meiner Hochzeit haben mich hinlänglich überzeugt, daß ihre Ansprüche an mich so hoch sind, daß ich sie nie erfüllen kann ... Die Familie mag nun sehen, daß ich mehr bin als ihre thörichten Rücksichten und ihre quälenden Bedenklichkeiten, und daß ich mich zu einem Verhältnisse, wozu man nur Opfer von mir verlangt, da es doch nur durch wechselseitige Opfer gegründet wird, nicht verstehen kann.‹

Er übernahm dann die weiteren mündlichen und schriftlichen Verhandlungen mit der Familie meiner Braut und gegen Ende Novembers war mein Verhältniß gelöst. Was ich in meinem letzten Briefe an ein Mitglied der Familie schrieb (2. December 32) kann ich zum Glück noch heute sagen: ›– ich habe ehrlich und grade gehandelt, und kann meinem Gewissen keinen, auch nur den leisesten Vorwurf machen.‹[188]

Aus einem langen qualvollen Zustande war ich erlöst und der Dichtung und Wissenschaft und dem geselligen Leben wiedergewonnen. Meine Vorlesungen gingen Hand in Hand mit meiner Schriftstellerei. Ich las diesen Winter den Reineke Vos und um meinen Zuhörern einen guten billigen Text zu verschaffen, besorgte ich eine Ausgabe. Die einzelnen Bogen wurden, frisch wie sie aus der Druckerei kamen, von mei nen Zuhörern gekauft. Schon den 1. October war die Pars II. der Horae belgicae ausgedruckt. Sie erschien auch unter dem Titel: Holländische Volkslieder. Gesammelt und erläutert. (Breslau. Grass, Barth u.C. 1833). Von meinem Aufsatze über Günther in den Provinzialblättern wurden mir besondere Abdrücke besorgt: ›Johann Christian Günther. Ein literar-historischer Versuch.‹ (Breslau. W.G. Korn. 1832. 8°.) Mehrere Gedichte von mir erschienen in dem ›Archiv der literarischen Abtheilung des Breslauer Künstler-Vereins‹ (Breslau. 1832) S. 30–50 und daselbst auch S. 51–64 ›Dr. Martin Luther's Verdienste um die deutsche Sprache.‹

Mit dem Jahre 1833 stellte sich mein früherer geselliger Verkehr wieder her und erweiterte sich auf eine für mich sehr angenehme Weise.

Jeden Sonntagabend pflegte ich von jetzt an bei Professor Christian Heinrich Müller zu sein, woselbst sich einige seiner Verwandten und meiner Collegen einfanden. Die Frau Professorin war eine würdige Nichte ihres großen Oheims Gotthold Ephraim Lessing und ihr Mann ein tüchtiger Physiker, lebendig und strebsam, der sich auch um die vaterländische Gesellschaft große Verdienste erworben hatte.

Manchen Abend war ich auch bei Friedrich Lewald, wo ich immer Gesellschaft traf. Frau Lewald wußte durch ihr angenehmes Wesen, ihre feine Aufmerksamkeit als Hausfrau, ihren frischen Sinn für Litteratur und Poesie uns den Abend nur lieb und werth zu machen. Ihr Mann, durch große Reisen und den Verkehr mit vielerlei, oft bedeutenden Männern an Lebenserfahrungen und Kenntnissen bereichert, unterhielt uns sehr anziehend, und da er sich viel mit Politik und erfolgreich mit Volkswirthschaft befaßt hatte, war seine Unterhaltung zugleich sehr belehrend und anregend, er konnte dann mitunter sehr humoristisch und witzig sein. Von weiblicher Gesellschaft war nur noch eine Nichte Lewald's zugegen, von der ich[189] damals nicht ahnden konnte, daß sie Fanny Lewald20 werden würde. Sie war ein junges Mädchen, sehr zart und zierlich, und betheiligte sich, wenn ich mich recht erinnere, wenig bei unseren Gesprächen.

Auch zu G. Ph. Aderholz kam ich oft. Er war mein Landsmann und verstand plattdeutsch, und so stand ich ihm schon näher als vielen anderen. Ich ging täglich nach Tische zu ihm in seinen Laden am Ringe und trank meinen Kaffee dort. Ich sah mir alle neuen Bücher an und lernte durch ihn das ganze Wesen des deutschen Buchhandels kennen. Er nahm den innigsten Antheil an allen meinen Erlebnissen, meinen Freuden und Leiden, und es that mir wohl, wenn ich mich aussprechen konnte. Bei allen seinen vielen Geschäften hatte er immer Zeit für mich. Ein oder zwei Mal in der Woche besuchte ich ihn des Abends in seiner Familie. Bei Milde's war ich von jetzt an jeden Sonntag-Mittag Stammgast. Oft blieb ich dann noch den Abend da. Auch in der Woche pflegte ich den jungen Milde zu besuchen.

Mit meinen Collegen stand ich nur auf Grußcomment: ich war freundlich gegen sie und ihnen gefällig wo und wie ich konnte. Nur mit einem einzigen verkehrte ich nach wie vor, mit Stenzel, doch könnte ich nicht sagen, daß der Umgang mit ihm für mich sehr erquicklich gewesen wäre. Er hatte sich nach und nach mit allen seinen Collegen mehr oder weniger überworfen, ich war der einzig übriggebliebene, der bisher mit ihm gut auskam. Doch sollte es auch nicht lange mehr dauern: er machte mir den Vorwurf, daß ich den Frommen zu Liebe die Geschichte des Kirchenliedes geschrieben habe! und dgl. Als ich seine mancherlei Vorwürfe als unbegründet und lächerlich zurückwies, wollte ich mich nicht ferneren Unannehmlichkeiten aussetzen und fand es gerathen, mich von ihm zurückzuziehen.

Zu seinen größten Feinden gehörte Passow, der auch mein größter Feind war, obschon ich ihm meines Wissens nie den mindesten Anlaß dazu gegeben hatte. Doch nahm er noch kurz vor seinem Tode (11. März 1833) eine freundliche Stellung gegen mich an. Auch mein Verhältniß mit Wachler, seinem Schwiegervater, besserte sich in jener Zeit.

Meine Heiratsangelegenheit wurde noch immer ausgebeutet, um[190] mir möglichst zu schaden. Das stimmte schlecht zu jener Äußerung, die ein Mitglied der Familie meiner Braut einem Briefe an meinen Bruder eingefügt hatte: ›An den Folgen dieser Trennung, die kein Geheimniß bleiben kann, ist er selber Schuld. Was in meinen Kräften steht, sie abzuwenden, wird jederzeit geschehen und so mögen Sie ihn versichern, daß der Bruch den er selber ausgesprochen mich nie hindern wird, ihn in eine Lage zu versetzen, wo er seine Gaben zum allgemeinen Besten entfalten kann.‹ Daß Umtriebe von gewisser Seite in Berlin gegen mich stattfanden, hatte mein Bruder erst später erfahren, er schrieb mir darüber (am 24. Juni): ›Vor einigen Tagen ging ich mit ... von der Brandenburgischen Gesellschaft nach dessen Garten und rauchte noch eine Pfeife – er wurde vertraulich und eröffnete mir, daß Deine Heiratsangelegenheit bis zum König durch ...21 gekommen ist. Wahrscheinlich hat Se. Majestät von dem Minister nähere Auskunft verlangt und dies wird denn wohl die Veranlassung gewesen seyn, daß Schulze22 Dir dieserhalb geschrieben hat. Der Minister hat indessen die Sache dadurch einigermaßen applaniert, daß er das Kirchenlied Ihm übersandt hat, worauf denn der Allerhöchste Dank erfolgt ist. Unter anderen Umständen wäre gewiß ein Mehreres erfolgt, doch mußt Du Dich vorläufig damit begnügen. Daß der Minister jetzt Deinetwegen sehr vorsichtig seyn muß, siehest Du ein – er selbst hat Dein Verfahren völlig genehmiget und ist, wie mich ... unumwunden versichert, Dir persönlich gewogen; doch sind ihm auch bei Anstellungen, die vom Hofe abhängen, als Ernennung zum Ordinarius, die Hände gebunden. Habe nur Muth und arbeite unverdrossen darauf los, es wird sich mit der Zeit Alles finden.‹

Am 6. Mai besuchte mich Ludwig Henneberg, geheimer Canzlei-Secretär zu Braunschweig, mein alter Jugendfreund. Ich war sehr freudig überrascht. Wir erzählten uns viel von unseren Freuden und Leiden seit der Zeit als wir uns zuletzt sahen. Wir kamen dann auf meine Gedichte zu sprechen. Ich hatte schon lange den Wunsch gehegt, eine vollständige Sammlung zu veranstalten und an Brockhaus[191] gedacht. Da nun Henneberg der Schwager der beiden Brockhaus war, so fragte ich ihn, ob er geneigt sei, für mich zu verhandeln. Er versprach es. Auf seiner Rückreise in die Heimat würde er auch nach Leipzig kommen und meinen Wunsch erfüllen.

Den 10. Juni ward ich Mit-Director der Kunst- und Alterthümer-Sammlung der Universität. Mir sollte, wie Herr GR. Neumann schrieb, ›die specielle Aufsicht über die alterthümlichen Gegenstände des Mittelalters, und der nicht klassischen Zeit und Völker, ingleichen über die Gemälde- und Kupferstich-Sammlung übertragen werden.‹ Die Aufsicht über alles Übrige fiel meinem Collegen Ritschl zu, der erst seit Ostern als außerordentlicher Professor der Philologie an unsere Universität versetzt war. Ich glaubte in dieser neuen Stellung etwas Ersprießliches für Kunst thun zu können, fand mich aber bald getäuscht. Die Sammlung umfaßte zu vielerlei und mit der dafür bestimmten Summe (170 Rb. ) zu jährlicher Vermehrung ließ sich nicht viel machen, zumal dieselbe vorzugsweise der Sammlung classischer Alterthümer zu Gute kommen sollte. Die Sammlung der in den alten Gräbern gefundenen Sachen war bedeutend, von Büsching angelegt und hübsch geordnet und aufgestellt. Was war aber damit für Geschichte und Kunst anzufangen? Lauter Töpfe, Aschenkrüge, Spindelsteine, Kinderklappern, Spangen, Korallen und dgl. von Völkern und aus Zeiten, von denen uns keine Kunde vorhanden ist. Die Kupferstichsammlung war kaum des Erwähnens werth. Erst später kamen einige werthvolle Blätter dazu aus dem Vermächtnisse des Hofraths Bach.

An Zerstreuungen mancher Art hatte es mir den Winter nicht gefehlt: ich besuchte das Theater, die wilden Thiere, die Börsenbälle, die Weinstuben und fuhr öfter spazieren. Ich war nach und nach theilnehmender, heiterer und gesünder geworden. Es bot sich manche Gelegenheit zu angenehmem geselligen Verkehre dar. Sehr erfreut war ich, daß ich noch zu Anfang des Sommers Bekanntschaft machte mit der Familie von Nimptsch in Jäschkowitz, einem Gute in der Nähe Breslaus. Ich ging oft seitdem hinaus, gewöhnlich des Samstags und kehrte Montagmorgens erst wieder zurück. Frau Leocadia von Nimptsch, hübsch und liebenswürdig, für Kunst und Litteratur voll lebhafter Theilnahme, in ihren Ansichten über Staat und Kirche freisinnig, für Humor und Witz empfänglich, dabei immer lebendig und[192] heiter, hatte etwas Anziehendes und Fesselndes für jeden solcher Gäste, die mehr als gewöhnliche Unterhaltung suchten. Kein Wunder, daß auch ich mich zu ihr hingezogen fühlte und nach unserer ersten Begegnung meinem Bruder schrieb: ›Frau v.N. ist das interessanteste, liebenswürdigste Weib, was ich je auf Erden kennen gelernt habe – und das sagt doch wol etwas?‹

Unterdessen hatte Henneberg seine Schwäger in Leipzig für den Verlag meiner Gedichte bewogen. Ich stellte keine Bedingungen, sondern äußerte nur Wünsche. Ich wollte auch hier Dichter sein. Meine Wünsche waren, daß meine Gedichte 1. sehr schön gedruckt und 2. noch in diesem Jahre erschienen.23 Das war eine große Unbesonnenheit, einem Buchhändler gegenüber ein Dichter sein zu wollen. Ich mußte dafür mein ganzes Leben büßen. Die ehrenwerthen Schwäger meines Freundes waren so unpoetisch, mir nie ein Honorar zu geben und betrachteten meine Gedichte als ihr für alle Zeiten wohlerworbenes Eigenthum.

Zu meinen Beichtvätern in der Poesie gehörte damals Dr. Regis, der Übersetzer des Rabelais. Ich hatte ihm ein Exemplar der ersten Ausgabe meiner Gedichte gegeben und ihn gebeten, es genau durchzusehen. Er unterzog sich freundlichst der Arbeit und machte fast zu jedem Gedichte seine Bemerkungen. Ich suchte zu verbessern und verwarf was er verworfen, wenn ich sein Urtheil gerechtfertigt fand. Über Manches besprachen wir uns dann noch später. Seine Theilnahme war mir lieb und werth.

Die Sammlung meiner Gedichte war endlich druckfertig und wanderte am 24. August an Brockhaus. Ich war recht froh. Es kam wieder einmal für mich eine Zeit erfreulicher Ereignisse: kurz vorher hatte ich 100 Thaler Zulage bekommen, war also von nun an ein außerordentlicher Professor mit einer außerordentlichen Einnahme von – 300 Thalern.

Den 17. September kam mein Bruder. Er wohnte bei Milde, der ihm mehr Bequemlichkeit und Genuß gewähren konnte. Sein Aufenthalt fiel gerade in die Zeit als die Naturforscher in Breslau tagten. Es war ein wühliges Treiben, des vielen guten Essens und Trinkens kein Ende. Mitunter war es mir ganz lieb, dergleichen[193] Festgelage mitzumachen. Mich ergötzte es, wenn ich sah, wie alle Persönlichkeit im großen Ganzen verschwand und wie alle Poesie des Lebens in einem Weichselzopfe von leeren geselligen Formen ihr Ziel fand. Bald aber sehnte ich mich nach dem stillen Familienleben voll Wahrheit und Gemüthlichkeit. So ein kleines häusliches Fest, wo das Herz sich aussprechen durfte, konnte mich unendlich mehr freuen und freute mich noch lange in der Erinnerung. Seit ich mich in der Familie Milde heimisch fühlte, ließ ich keinen Geburtstag unbesungen vorübergehen. Zu Milde's Geburtstag hatte ich mehrere Kleinigkeiten bescheret und mit Versen begleitet. In mein Büchlein: Bartholomäus Ringwaldt und Benjamin Schmolck, das eben erschienen war24, und auch als Geburtstagsgeschenk dienen mußte, hatte ich eingeschrieben:


Was wir still und unverdrossen

Wirkten, bleibet uns allein.

Hat es erst der Freund genossen,

Muß es doppelt unser sein.


Meine litterarische Thätigkeit wurde durch solche und andere poetische Streifzüge durchaus nicht beeinträchtigt. Am Michaelistage hatte ich den zweiten Theil der Horae belgicae vollendet, fleißig das Glossarium zum Reineke gefördert, einige Aufsätze zur deutschen Litteraturgeschichte drucken lassen und Manches für den Aufsessischen Anzeiger in Nürnberg geschickt.

Im October kam ein neuer Professor zu uns, Adolf Friedrich Stenzler, Professor des Sanskrit. Alle Welt schrie: Sanskrit in Breslau! in Breslau, wo man nur Brotwissenschaft studiert, wo die Studenten so arm sind, daß sie nicht einmal ein Publicum belegen, weil sie 21/2 Silbergroschen dann an die Krankenkasse entrichten müssen, wo zwei Studenten, wie man sich erzählt, nur Ein Paar Stiefel haben. Ich lernte Stenzler kennen, und obschon sein zurückhaltendes, fast kaltes Wesen nicht eben einem traulichen Verhältnisse förderlich war, so kam ich doch mit ihm auf freundschaftlichen Fuß. Ich rieth ihm, für sein besseres Fortkommen sich noch ein Nebenamt zu verschaffen, und um ihn an die Bibliothek zu bringen, schlug ich ihm vor, mich[194] zu vertreten, wenn ich einmal eine längere Reise unternähme.

Mit dem neuen Jahre erschienen meine ›Gedichte‹. (1. 2. Bdch. Leipzig. F.A. Brockhaus 1834. gr. 12°.) und bald darauf: ›Reineke Vos. Nach der Lübecker Ausgabe vom Jahre 1498. Mit Einleitung, Glossar und Anmerkungen von H.v.F.‹ (Breslau. Grass, Barth u. C. 1834. 8°). Erst den 10. December v.J. war das Glossar fertig geworden, ich hatte daran acht Monate gearbeitet.

Den 21. Januar kam ich beim Minister um Urlaub ein zu einer wissenschaftlichen Reise auf drei Monate (April, Mai, Juni). Hauptzweck dieser Reise sollte sein die Benutzung der Bibliotheken in Prag, Wien, München und Stuttgart und in den österreichischen Klöstern. Von Seiten Wachler's und Neumann's fürchtete ich kein Hinderniß: Professor Stenzler hatte sich erboten, meine Custodiatsgeschäfte zu versehen. Meinem Gesuche hatte ich sieben meiner größeren und kleineren Druckschriften beigefügt.

Schon am 10. März erfolgte der Urlaub mit einer Reiseunterstützung von 100 Rb. Den 19. März reiste ich ab. In Görlitz verweilte ich einige Tage bei meinem Freunde dem Diaconus Leopold Haupt. Wir hatten mancherlei wissenschaftliche Beziehungen: deutsche Sprache, Geschichte und Poesie. Er dichtete selbst und von seinen Liedern aus der Burschenschaftszeit hatten mehrere weitere Verbreitung gefunden.

Am 24. März ging ich über die böhmische Gränze, übernachtete in Reichenberg und war den folgenden Tag in Prag. Hanka hatte die dortigen Bibliothecare von meiner baldigen Ankunft in Kenntniß gesetzt. Zunächst richtete ich mein Augenmerk auf die Universitätsbibliothek. Da es in den großen Sälen zu kalt war, so hatte Professor Spirk die Güte, mir in seinen eigenen Zimmern die Benutzung der Handschriften zu gewähren. Das Bedeutendste was ich fand und abschrieb, war eine Reihe unbekannter althochdeutscher Glossen zum Prudentius. Ich verschaffte mir dann den Eintritt in die fürstlich Fürstenbergsche Bibliothek. Karl Egon Ebert, der bekannte Dichter, war Bibliothecar. Ich fand ihn als Dichter zu kühl und ruhig und als Bibliothecar etwas gleichgültig. Es dauerte lange, bis er warm wurde. Ich begann das Fach der Handschriften durchzusehen und ich ward sofort reichlich belohnt. Ich fand auf zwei zusammenhangenden Pergamentblättern ein Bruchstück einer poetischen[195] Erdbeschreibung des 11. Jahrhunderts. Die Kehrseite hatte außerordentlich gelitten; einst angeklebt an den Holzdeckel einer lateinischen Handschrift hatte sie später, nachdem diese Hülle zerstört war, dessen Dienste versehen. Ebert gestattete mir auf das Freundlichste die Benutzung. Nachdem ich die Abschrift der wohlerhaltenen Seite vollendet, suchte ich die verwischte und abgeriebene Schrift der Kehrseite herauszubringen. Ich ging in die Einhornapotheke um mir Reagentien zu verschaffen. Der Apotheker Frey interessierte sich für die Sache und bereitete mir Gallusäpfeltinctur. Nach tagelanger unsäglicher Mühe gelang es mir, fünf Sechstel herauszubringen. Das blausauere Eisenkali, welches ich auch einmal anwendete, bewährte sich nicht. Ich veranstaltete sofort eine Ausgabe, die ich mit Einleitung und Anmerkungen versah: ›Merigarto. Bruchstück eines bisher unbekannten deutschen Gedichtes aus dem XI. Jahrhundert, herausgegeben von H.v.F. Mit einem Facsimile‹. (Prag. H. I Enders'sche Buchh. 1834. 8°).

Auf Ebert's Wunsch widmete ich meine kleine Schrift Seiner Durchlaucht dem Hochgebornen Herrn Herrn Karl Egon, regierenden Fürsten zu Fürstenberg. Wie hätte ich ahnden können, daß ich jemals mit dem Fürstenbergschen Fürstenhause in Beziehung kommen würde! Im Jahre 1845 wurde der Fürst Schwiegervater Sr. Durchl. des Herzogs von Ratibor, dessen Bibliothecar zu Corvey ich seit 1860 bin. Die Wichtigkeit meines Fundes leuchtet jedem ein, der nur etwas von unserer Litteraturgeschichte weiß. Wir wußten nämlich bisher von keinem einzigen Gedichte aus dieser Zeit. Diese Wichtigkeit erhöht noch der Inhalt: das Gedicht giebt nämlich eine kurze Beschreibung Islands, dessen Einwohner erst im Jahre 1000 Christen geworden waren.

Am 1. April besuchte ich zum ersten Male die fürstlich Lobkowitzische Bibliothek und wiederholte dann meine Besuche sehr oft. Ich fand hier eine hübsche Anzahl altdeutscher Handschriften, einige stammten aus dem Schlosse Blankenheim in der Eifel, andere aus dem schwäbischen Kloster Weißenau. Ich war mit meiner Ausbeute sehr zufrieden.

So verlebte ich, wie ich damals schrieb, ›glühend vor Suchbegierde und unbefriedigt im Finden, immer ohne Rast, aus einer Bibliothek in die andere wandernd‹, über drei Wochen in Prag. So gut ich[196] meine Zeit angewendet hatte, so hätte es doch noch besser geschehen können: die Bibliotheken waren aber zu weit entfernt vom schwarzen Rosse, wo ich wohnte, die Bibliothekgesetze in Betreff des Ausleihens zu strenge und das Wetter zu schlecht.

Die Abende verlebte ich, wenn ich nicht eben zu Hause arbeitete, in Gesellschaft mit den Prager Slavisten: Wenzeslaus Hanka, Franz Palacky, Wenzel Swoboda, Paul Joseph Schafarik, denen sich der Tonkünstler Wenzel Joseph Tomatschek anschloß. Obschon ich diesen Erz-Czechen gegenüber für einen Erz-Deutschen galt, so war doch der Verkehr mit ihnen für mich ein überaus angenehmer, belehrender und für meine Zwecke förderlicher.

Erst den 19. April setzte ich meine Reise fort. Ich fuhr die Nacht durch. Halb schlaftrunken und ermattet näherte ich mich der Donaugegend. Ich wurde munter und froh gestimmt, als sich das Gebirge vor mir immer schöner entfaltete. Gegen 12 Uhr traf ich in Linz ein. Nachdem der Bibliothecar der sogenannten Bibliotheca publica versichert hatte, daß keine Handschriften dort wären, fuhr ich sofort nach St. Florian, dem einzigen Augustiner Chorherrn-Stifte Ober-Österreichs. Es liegt in einer reizenden Gegend, in der Nähe der Donau und Ens, mitten in fruchtbaren Ebenen, von waldbewachsenen Bergen umgeben. Der Frühling stellte sich mit aller Macht ein, nur aus der Ferne glänzte der Schnee herüber von den steirischen Alpen. Sorglos, im heitersten geselligen Verkehre, mitten unter den herrlichsten litterarischen Hülfsmitteln blieb ich hier bis den letzten April.

Am 1. Mai reiste ich ins Kremsthal nach Kremsmünster, einem uralten Benedictiner-Kloster vom J. 777, berühmt durch sein Gymnasium, seine Bibliothek, Sternwarte und naturhistorischen Sammlungen. Ich habe nur die Bibliothek gesehen und darin eigentlich nur die Handschriften, bei deren Durchsicht mir der gelehrte Pater Ulrich Hartenschneider hülfreiche Hand leistete. Ich fand ein Schauspiel von der heiligen Dorothea aus dem 14. Jahrhundert, welches ich vollständig abschrieb, so wie auch zwei böhmische Gedichte, womit ich Hanka eine große Freude bereitete. Die übrigen Handschriften verzeichnete ich nur, bei meiner Rückkehr aus Kärnthen gedachte ich sie näher zu untersuchen. Darum reiste ich denn schon am 3. Mai ab und kam am 4. von Stadt Steier nach Seitenstetten.[197]

Es ist ein paradiesisches Land, und besonders die ganze Strecke von der Donau bis hierher an die steierischen Berge. Alle Felder im schönsten Grün, an allen Wegen, in allen Gärten blühende Obstbäume, einige als ob sie mit einem großen weißen Laken überhängt wären. Ich fand auch hier die freundlichste Aufnahme und reichliche Beschäftigung, ich blieb acht Tage und war so glücklich, noch Einiges für meinen Zweck zu finden.

Nach diesem ländlichen Aufenthalte, wo ich mich so wohl und heimisch gefühlt hatte, wendete ich mich nun wieder der Donau zu, und verweilte acht Tage in der stattlichen, palastartigen Benedictiner-Abtei Melk. Es war hier nicht dieser traulich gesellige Ton, wie ich ihn anderswo gefunden hatte. Jeder ging an dem anderen stumm vorüber. Ob nun eine strengere Beobachtung der Regel des heiligen Benedictus, ob mehr Geschäfte daran Schuld waren – ich weiß es nicht.

Man hatte mir gesagt, wie angenehm und lohnend eine Fahrt auf der Donau wäre, um ein Billiges könnte man auf einem Floße hinunterfahren. Da nun eben ein Floß angemeldet war, so nahm ich Abschied, ließ meine Sachen an den Strand bringen und wartete dann lange auf meine neue Reisegelegenheit. Das Floß kam endlich, ich fuhr im Nachen ihm entgegen und stieg hinauf. Die Floßknechte thaten gar nicht, als ob sich ihnen ein menschliches Wesen genähert hätte, kaum daß sie meinen Gruß erwiederten, nur mit Mühe konnte ich von ihnen erfahren, daß sie heute Krems nicht erreichen würden. Nach mehrstündiger Fahrt legte das Floß an und ich ging mit meinem Koffer ins Dorf. Ich erfuhr weiter nichts von meinen Reisegefährten. Hätte mich der gefällige Wirth nicht am Morgen zeitig geweckt, ich würde das Nachsehen gehabt haben. Ich bestieg wieder das Floß und befand mich wieder unter Menschen die eher Comanches-Indianer schienen als deutsche Landsleute. Um Mittag erreichten wir Stein. Das Floß wurde getheilt, weil es sonst nicht durch die Brücke durchkommen konnte. Der Strom ist dort sehr reißend. Ehe die Durchfahrt bewerkstelligt wurde, trieb unser Floßtheil gegen einen Brückenpfeiler. Wir hatten uns jetzt dermaßen dem Ufer genähert, daß ich die schöne Gelegenheit benutzte und mit meinem Gepäck auf den Sand sprang. Ich war froh, daß ich diese ›curiöse und sehr gefährliche Reise‹ glücklich vollendet hatte.[198]

Ich nahm mir sofort einen Wagen und fuhr nach Göttweih hinauf. Ich wollte hier das Pfingstfest (18. Mai) feiern und ausruhen von meinen Arbeiten und Reisen. Ich wußte, daß ich sehr willkommen sein würde, und ich war es. Ich verlebte schöne, unvergeßliche Tage und nahm eine doppelt frohe, dankbare Erinnerung mit an meine jetzige wie an meine frühere überaus liebevolle Aufnahme.

Unterdessen erwartete mich Dr. Endlicher (damals Scriptor an der Hofbibliothek) täglich in Wien. Er hatte, wie er mir nach Melk schrieb, die Pfingstferien bei seinem Vater in Preßburg zugebracht und wollte Sonntags zurückkehren. Ich gedachte um dieselbe Zeit einzutreffen. Ich hoffte nur noch Manches in Herzogenburg zu finden und nahm meinen Weg über dies Augustiner-Chorherrnstift. Ich fand auch einige Handschriften, aber nichts Erhebliches.

Am Samstag, 24. Mai, war ich schon in Wien. Endlicher kam den Sonntag darauf, und am Montag gingen wir zusammen in die Hofbibliothek. Von diesem Augenblicke an war ich – den ersten Ausflug nach Klosterneuburg abgerechnet – täglich fünf Stunden beschäftigt in der Hofbibliothek bis zu ihren Ferien, die mit dem 1. August ihren Anfang nahmen.

Endlicher wohnte den Sommer über auf dem Lande. Er hatte mir seine Wohnung überlassen und die Benutzung seiner reichhaltigen Bibliothek. Auf die Weise war ich häuslich eingerichtet und konnte nach Lust und Belieben arbeiten. Des Morgens war auch er auf der Bibliothek beschäftigt, den Nachmittag blieb er gewöhnlich in seiner Wohnung und gegen Abend ging er wieder auf's Land. Bald eröffnete sich uns ein Feld gemeinsamer Thätigkeit. Endlicher hatte im vorigen Herbste etwa fünf Blätter Althochdeutsches aus dem achten Jahrhundert von den Deckeln einiger Monseer Handschriften er k.k. Hofbibliothek abgelöst. Ich erkannte in ihnen sogleich die älteste Übersetzung des Evangeliums Matthäi. Außer mir vor Freude darüber ermunterte ich ihn, sofort weiter zu suchen. Er suchte, war abermals glücklich und brachte nach wenigen Stunden wiederum einige Blätter hervor. Wir beschlossen sogleich die gemeinschaftliche Herausgabe, schrieben ab, brachten das Erloschene durch Reagentien zum Vorscheine und versuchten das Abgeschnittene und gänzlich Zerstörte zu ergänzen.[199]

Nach einigen Wochen wanderte unsere kleine Schrift in die Druckerei. Unterdessen unternahm Endlicher eine abermalige Durchsuchung der etwa 1200 Monseer Handschriften, und nun fanden sich noch so viel Überreste, daß wir den Druck aufschieben und die Arbeit gewissermaßen von neuem anfangen mußten.25 Als wir keine Hoffnung hatten, noch etwas zu finden, begann der Satz auf's Neue. Die geistliche Censur erfolgte sofort und die Polizeibehörde war so gefällig, ihre Censur nach den Correcturbogen zu ertheilen.

Die Trefflichkeit und Schönheit dieser Übersetzung, die poetische Kraft und Fülle der alten Sprache entzückte uns. Kein Wunder, daß wir uns in diese Sprache verliebten und dafür schwärmten. Ich fing an sogar darin zu dichten. Anlaß gab das Schicksal Wolo's, wie es Eckehard IV. in den Casus St. Galli beim J. 876 erzählt. Weil sich Endlicher und Moriz Haupt sehr daran ergötzten, so fuhr ich munter fort, und bald vermehrte sich die Zahl meiner althochdeutschen Gedichte auf 16, die Haupt in mittellateinische Verse übersetzte. Hier nur eins zur Probe:


Huuanta der sneo fona himilu fellit,

dero fogalo stimna nioht mer gahellit,

uue hinauuortan ist alliu uunni,

trurentiu sint dera uueralti chunni.


Uue farbrunnan is diu heida,

uue ardorrita diu bluomiga uueida,

die giezun eigun farloran iro chosa,

sama so dorna gastaat diu rosa.


Auar niouuiht min uuinea diu hera,

gastigit singanta uf heiminges berga.

bede ioh lenzo ioh sumar sceidant,

rosa uf ira hiufilum bluoiant.[200]


Cum nix de caelo hiemali cadit,

Nec auium cantus per siluas uadit,

Uae, omnia gaudia tunc sunt soluta,

Dolentque homines dolentque bruta.


Uae, sicca sitiunt florida prata,

Exaruerunt pascua lata,

Obmutuerunt Nymfæ aquosæ,

Instar spinarum arescunt rosæ.


Sed laeta manet mea amata,

Canensque uadit per montium prata.

Uer, aestas pereant exitiose,

In eius genis splendescunt rosæ.


Es war ein heißer Sommer, die Hitze lange andauernd, oft unerträglich, acht Wochen kein Tropfen Regen, nirgend erfrischende Kühle. Auch des Abends pflegte es sich nur wenig abzukühlen, und der furchtbare Staub verleidete einem jeden Spaziergang ins Freie. Des Nachmittags saßen wir auf gut Wienerisch in Hemdsermeln und arbeiteten im Schweiße unseres Angesichtes. Endlicher war dann immer so gütig und spendierte Eis und gute ungarische Cigarren – das einzige Honorar, dessen sich meine mühevolle Schriftstellerei zu erfreuen hatte.

Weil ich nun doch durch die Mitherausgabe der althochdeutschen Bruchstücke auf längere Zeit an Wien gefesselt und ins Druckenlassen hineingerathen war, so wollte ich Endlicher'n eine gedruckte Freude machen: ich widmete ihm eine kleine Schrift zur Erinnerung an den schönen, zwar heißen, aber fruchtbaren Sommer. Ich hatte dazu gewählt deutsche Glossen des 12. und 13. Jahrhunderts, die bis jetzt noch wenig berücksichtigt waren. ›Sumerlaten. Mittelhochdeutsche Glossen aus den HSS. der k.k. Hofbibliothek zu Wien. Herausgegeben von H.v.F.‹ (Wien. Rohrmann und Schweigerd. 1834. 8°. VIII. 66 SS.). V.d. Hagen sprach sich damals sehr wegwerfend darüber aus in der Germania 1. Bd. S. 98: ›gefällt sich eben nicht höflich darin, einige Wörtersammlungen, meist Kraut und Wurzeln, besser und vollständiger zu liefern, als ein Anderer.‹ Ich dachte damals mit Walther: sô rechet mich und gêt ir hût mit sumerlaten an,[201] und heute freut es mich, daß dies ›Kraut und Wurzeln‹ manchem, z.B. Wilhelm Müller beim mittelhochdeutschen Wörterbuche sehr willkommen sein konnte.

Unterdessen war ich eifrig beschäftigt in der Hofbibliothek mit meinem Verzeichnisse aller dortigen deutschen Handschriften bis zum 15. Jahrhundert. Die Arbeit hatte ihr Ergötzliches, mitunter aber auch ihr sehr Langweiliges: in vielen Handschriften waren die Blätter noch unbezeichnet und ich mußte nun manchen Tag viele tausend Zahlen schreiben. Um mich etwas zu erholen von diesen vielerlei täglich fortgesetzten Arbeiten ging ich auf einige Tage (12. bis 15. Juni) mit Haupt nach Klosterneuburg. Wir durchsuchten die ganze sehr bedeutende Handschriftensammlung. Wir fanden sehr Vieles, und nahmen Abschriften oder machten Auszüge. Die Erholung war eben nicht sonderlich: wir hatten vier Tage lang in unserem Zimmer oder in der Bibliothek mit Handschriften aller Art verkehrt.

So kam Ende Junis heran: mein Urlaub war abgelaufen, mein ursprünglicher Reiseplan zerstört, meine Thätigkeit vielfach in Anspruch genommen; Setzer, Drucker, Buchbinder, Schriftschneider, Zeichner, Lithographen gingen ein und aus, Censuren und Correcturen kamen vom Morgen bis in den Abend. Ehe jedoch der Juni zu Ende ging, hatte ich neuen Urlaub auf drei Monate. In der Mitte Julis waren die Sommerlatten fertig, war das ganze Alphabet unserer Bruchstücke und das ganze gothische zum Motto geschnitten und gegossen, das Facsimile gezeichnet und lithographiert, und zu Ende desselben Monats näherten sich auch unsere Fragmenta theotisca ihrem Ende.

Am 31. Juli ward die Hofbibliothek geschlossen. Ich hatte mein Verzeichniß der deutschen Handschriften vollendet, ein deutsches Gedicht des 12. Jahrhunderts (Genesis und Exodus) abgeschrieben so wie auch eine bisher ganz unbekannte Comödie aus dem 15. Jahrhundert und manches andere.

Zu unseren Fragmenten fehlte nun noch die Vorrede und das Wörterverzeichniß. In den ersten Tagen Augusts vollendeten wir beides und schickten die Manuscripte in die Druckerei. Endlicher ging dann nach Ungarn und ich nach Klosterneuburg. Ich blieb drei Tage dort, hielt eine kleine Nachlese und kehrte dann frischer und fröhlicher heim. Ich besorgte nun noch den Abdruck des Index verborum[202] und am 19. August war unser Buch, dessen Druck Ende Mais begann, vollendet. Es erschien unter dem Titel: ›Fragmenta Theotisca versionis antiquissimae Evangelii S. Matthaei et aliquot homiliarum. E membranis Monseensibus Bibliothecae Palatinae Vindobonensis ediderunt Stephanus Endlicher et Hoffmann Fallerslebensis.‹ (Vindobonae. Typis Caroli Gerold. M.D.CCC.XXX.IV. gr. 4° XVI. 88 Seiten).

Gedruckt wurden 107 Exemplare, darunter zwei auf Pergament, eins für den Kaiser von Österreich, das andere für den König von Preußen. Die meisten wurden verschenkt an einige mit uns befreundete Gelehrte, an mehrere österreichische Klöster und die preußischen Universitätsbibliotheken. Die sehr bedeutenden Kosten bestritt Endlicher, der nebenbei noch mit manchem ungarischen Ducaten den Setzer bei dem schwierigen Satze zu größerem Fleiße anzuspornen suchte.

Sehr befriedigt mit meinem langen Aufenthalte verließ ich Wien am 21. August Morgens 6 Uhr. Die Nacht des folgenden Tages fuhr ich durch das liebliche Mürz- und Murthal und traf Morgens um 6 Uhr in Gratz (damals noch Grätz genannt) ein. Da ich meine Arbeiten in der öffentlichen Bibliothek bald vollendet hatte, so wollte ich mich nun auch der schönen Natur erfreuen. Ich machte verschiedene Spaziergänge und Ausflüge und war entzückt von den Herrlichkeiten ringsumher. Die Aussicht vom Schloßberge ist unstreitig eine der schönsten in Deutschland und wird wol kaum von irgend einer anderen an malerischem Reichthum übertroffen. Ich war fortwährend in freudiger Aufregung und selbst noch des Abends spät konnte ich mich nicht satt sehen an dem Himmel, so tief blau hatte ich ihn nirgend gesehen, auch die Sterne schienen mir alle größer und glänzender als sonstwo.

Am 25. August begleitete mich ein Bekannter über Voitsberg nach Köflach. Ich war nun am Fuße des Hochgebirges und setzte allein mit meinem Einspänner die Reise fort. Es dauerte lange, bis ich auf die Höhe gelangte. Ich fuhr immer weiter auf der Hochebene und erreichte erst in der Dämmerung die Pack, ein Alpendorf, zwischen 5–6000 Fuß über der Meeresfläche. Ich war sehr hungerig und sehnte mich nach einer guten Malzeit, erwartete aber nichts Sonderliches. Wie war ich überrascht, als vortreffliche Backhändel mir aufgetischt wurden und guter steirischer Wein dazu kam.[203] Den folgenden Tag früh 4 Uhr setzte ich meine Reise fort. Stundenlang fuhr ich, dicht in Nebel gehüllt, auf dem Rücken des Gebirgszuges, der die Steiermark von Kärnthen scheidet. Zuweilen öffnete sich das Gewölk, und eine weite grüne Landschaft lag vor mir im hellen Sonnenscheine. Zwischen 9 und 10 Uhr ward es heiterer. Wir fuhren nun andert halb Stunden bergab ehe wir im Thale anlangten. Der Weg ist beinahe immer sehr abschüssig. Viele Menschen zu Roß und zu Wagen fanden hier schon ihren Tod, Alles zerschmetterte und stürzte in die Tiefe hinab.

Endlich gegen Mittag erreichten wir den Engpaß, der Graben genannt. Ein sehr schmaler, oft nur von Steinen locker aufgeführter Weg zieht sich rechts an hohen Felswänden hin und links an einem brausenden Gießbache. Die drohenden Felsstücke, das wüste Flußbette, die dunkelen Baumgruppen, hinundwieder im Thale rauchende Schmelzhütten und pochende Eisenhämmer, auf den Höhen verfallene Burgen – alle diese mannigfaltigen Erscheinungen ließen mich das wirklich Gefahrvolle des Weges vergessen.

In der Nähe vor Wolfsberg öffnet sich das Lavantthal mit seinen freundlichen Dörfern und Städtchen, mit seinen Maisfeldern, Obstbäumen und üppigen Matten, zu beiden Seiten von hohen Bergen umschlossen. Am Ende des Thales, in der Nähe der majestätischen Choralpe, auf einem Felsen liegt St. Paul, halb umkränzt von einem Buchenberge, auf dessen drei Gipfeln zwei Kirchen stehen und ein altes Schloß. Ich traf zur Mittagszeit ein. Ich war schon durch den Abt von Wien aus angemeldet, wäre aber auch ohnedem freundlichst empfangen worden. Ich ward sogleich zur Tafel geladen, und nachher in mein Zimmer und dann in die Bibliothek geführt. Noch am selbigen Tage nahm ich mehrere Handschriften in mein Zimmer und fing sofort an zu arbeiten. Das Wichtigste ist ein Uncial-Codex des 6. und 7. Jahrhunderts, Ambrosius de fide catholica, mit zwei Vorsetzblättern aus gleicher Zeit, enthaltend das 1. und 2. Capitel des Lucas. Auf diese Vorsetzblätter hat ein Glossator des 8. Jahrhunderts die beinahe vollständige deutsche Übersetzung eingetragen, auch zu jeder Abweichung der Itala die gewöhnliche Lesart der Vulgata hinzugefügt.26 Außerdem schrieb ich ab eine ganze[204] Reihe Glossen aus dem 8. Jahrhundert zur Genesis, eine ganze Handschrift biblischer Glossen, vier altfranzösische Lieder für Haupt und vieles Andere.

Das war meine Ausbeute vom 25. bis 31. August. Alles aber schien auch hier zur Arbeit zu ermuntern und zu kräftigen. Mein Zimmer bot eine weite Aussicht bis über St. Andre hinaus. Über meinem Sopha hing das Bild des berühmten Martin Gerbert, dessen Verdienste um deutsche Geschichte und Geschichte der Musik jede Zeit anerkennen muß. Ich lebte die ganze Zeit über in heiterster Stimmung. Am letzten Sonntag war große Mittagstafel, wozu einige benachbarte Beamte und Gutsbesitzer eingeladen waren. Nach aufgehobener Tafel blieben die Officialen mit den Gästen noch beisammen. Es wurde der beste steierische Wein aus großen Cristallflaschen kredenzt. Er mundete mir wie den übrigen, ich trank fleißig mit, und ahndete gar nicht, daß unter der Milde und Lieblichkeit dieses Weines so viel Kraft und Feuer verborgen sein könnte. Ohne eine besondere Wirkung zu spüren, nahm ich Abschied. Kaum aber saß ich im Wagen, so glühte ich über und über und mußte in Wolfsberg einige Stunden in der Abendluft wandern, bis ich kühl wurde.

Den 1. September verließ ich das Lavantthal. Ich fuhr den ganzen Tag, dann und wann wurde angehalten, in St. Leonhard, Reichenfels, Obdach, Judenburg. In Zeiring übernachtete ich. Den folgenden Tag fuhr ich über St. Johann und die Rottenmanner Tauern. Die Fahrt ist sehr beschwerlich und dabei sehr gefahrvoll: anderthalb Stunden lang geht der Weg immer bergab, oft ganz abschüssig. Doch giebt es wol wenig Bergpässe, die soviel Schönes und Erhabenes den Blicke darbieten. Besonders großartig erscheint die Natur zwischen dem ersten und zweiten Tauern; hier zieht sich die Straße an thurmhohen Felswänden und einem rauschenden Gießbach hin. Die höchste Stelle der Straße ist 5000' Seehöhe.

Am Nachmittage erreichte ich das Ensthal und das nächste Ziel meiner Reise, die stattliche Benedictiner-Abtei Admont (ad montes). Sie liegt von hohen Bergen halb umschlossen an der Ens. Die hohen Gebäude, obschon nicht ganz vollendet, mit ihren drei Höfen und 300 Zimmern machen einen großartigen Eindruck. Man hieß mich freundlichst willkommen und führte mich sofort in das Lesezimmer,[205] worin mehrere Zeitungen und Zeitschriften aller Art auslagen. Zur Benutzung der Bibliothek schien es für heute zu spät.

Den folgenden Tag war mein erster Gang in die Bibliothek. Obschon das Kloster erst 1074 gegründet ward, so fand sich doch unter den Handschriften Manches für meinen Zweck: althochdeutsche Wörterbücher27, mittelhochdeutsche und lateinische Gedichte, wovon ich Abschrift nahm. Aus einer lateinischen Metrik für die Poesie des Mittelalters schrieb ich nur einen Theil ab, den Abschnitt von den Versarten, es kommen darin schon die leoninischen Verse vor.28

Bis zum 5. September verweilte ich hier. Des Arbeitens war kein Ende: wenn ich des Abends fertig zu sein glaubte, so fand ich des Morgens wieder etwas Neues, Interessantes. Nur wenn die Sonne unterging und blutroth die weißen Zinken der Alpen färbte, verließ ich mein Zimmer und ging auf die Ensbrücke. So habe ich mitten in der wunderherrlichsten Natur nur von ferne mich ihrer freuen können.

Den 6. September war ich wieder unterwegs. Ich fuhr über Liezen ins Salzkammergut und blieb die Nacht in Aussee. Den folgenden Tag setzte ich meine Reise fort durch Ischl, am Wolfgangsee vorüber nach St. Gilgen. Den Abend traf ich in Salzburg ein. Den 8. September besuchte ich das Benedictinerstift St. Peter. Es war Mariä Geburt, jeder Geistliche in der Kirche, der Bibliothecar über Land. Erst am Nachmittage konnte ich die Bibliothek sehen. Man gestattete mir, alle Handschriften Band für Band zu untersuchen. Ich fand für meine Zwecke nur wenig. Einen Prudentius mit althochdeutschen Glossen bat ich mir aus, nahm ihn mit ins Gasthaus und schrieb die Glossen daraus ab. Am Abend konnte ich die Handschrift schon wieder abliefern.

So angenehm mir bisher das Kutschieren mit dem Einspänner gewesen war, so bequemte ich mich doch jetzt des schnelleren Fortkommens wegen zum Eilwagen. In München war mein erster Gang zu Schmeller. Ich freute mich sehr auf seine persönliche Bekanntschaft, durch Briefwechsel waren wir uns schon näher getreten. Ich erzählte[206] ihm von meiner Reise und sagte dann, daß ich nur um seinet- und der Bibliothek willen nach München gekommen. Er bedauerte, daß ich eine so ungünstige Zeit gewählt hätte, jetzt seien eben Bibliotheksferien und die wolle er sich zu Nutze machen; er habe schon lange mit seinem Freunde und Hauswirthe Professor von Martius eine Reise nach Stuttgart verabredet, in wenigen Tagen wollten sie dieselbe antreten. ›Nun, meinte ich, dann will ich auch nach Stuttgart – wir sind dann noch etwas länger beisammen.‹

Schmeller führte mich in die Hofbibliothek und zeigte mir die wichtigsten altdeutschen Handschriften. Ich wiederholte einige Tage meinen Besuch und beschränkte mich auf das Allernothwendigste: ich verglich einige althochdeutsche Gebete und Beichtformeln und schrieb Einiges der Art ab. Die hiesigen Handschriftenschätze sind bekanntlich sehr bedeutend und wer sich nur auf das Althochdeutsche beschränken wollte, hätte schon Wochenlang vollauf zu thun.

Diese Stunden, die ich mit Schmeller unter Büchern und Handschriften verlebte, waren schon schöne Stunden, und es folgten ihnen bald nach schönere. Ich ward immer mehr von Liebe und Verehrung erfüllt für diesen echtdeutschen edelen Charakter, dies kindlich reine, innige Gemüth, diesen feinen, gründlichen Kenner deutscher Sprache und deutschen Lebens, der mit so reichem mannigfaltigen Wissen so viel Bescheidenheit verband, bei so großen eigenen Verdiensten so viel dankbare Anerkennung der Leistungen Anderer bereitwilligst kundgab. Auffällig war mir, daß er meiner Lebhaftigkeit gegenüber mitunter sehr ruhig und bedächtig ward, als ob ein heimlicher Kummer ihn drückte. Er konnte zuweilen scherzen und lächeln, ein nachdenklicher Ernst verbreitete sich aber bald wieder über sein Gesicht.

Auch mit Maßmann war ich öfter zusammen, er war freundlich und gefällig, unsere alten Mißhelligkeiten schienen für immer beseitigt zu sein.

Den 14. September reisten wir ab. Die Fahrt ging langsam, den ersten Tag Augsburg, den zweiten Ulm, den dritten Stuttgart. Daselbst war ich eines Abends zu Gustav Schwab eingeladen. Ich fand dort eine große Gesellschaft, auch Justinus Kerner, dessen Äußeres eher einen Pachter als sinnigen Dichter vermuthen ließ. Schwab reichte mir ein Glas Neckar, wir stießen an, da meinte er, dieser[207] Ur-Schwab: ›Nur wo der Wein wächst, kann man ihn auch besingen – das ist hier schon etwas anderes als in Eurem Norden etc.‹ Ich hätte viel darauf erwiedern können, schwieg aber, und schluckte das sauere Gewächs und das eben so sauere Compliment hinunter.

Gerne wäre ich noch etwas länger in Stuttgart geblieben, Schmeller aber wurde unruhig und erklärte, er müsse weiter reisen. Den 20. September verließen wir Stuttgart und fuhren zusammen nach Tübingen. Das Wetter war heiter und wir waren es ebenfalls. Wir freuten uns über die Fülle des Obstes, das überall an den Bäumen zu beiden Seiten des Weges hing und erreichten unter heiteren und anregenden Gesprächen Tübingen. Im Gasthofe fragten wir gleich nach Uhland, der war, wie wir auch in das Fremdenbuch einschrieben, unser Reisezweck. Wir ließen anfragen, ob und wann er zu sprechen wäre. Sofort erfolgte die Antwort seiner Frau: Uhland schliefe zwar noch, aber wir möchten nur kommen, sie würde ihn wecken.

Wir spazierten hin. Ich hatte Uhland noch nie gesehen und es ging mir wie so manchem andern: mein Bild stimmte nicht mit dem Originale. Er empfing uns recht freundlich, war aber nicht sehr gesprächig und lebendig, um so mehr wurde ich es, und es dauerte nicht lange, so fing Uhland an aufzuthauen. Seine Frau nahm Theil an unserer Unterhaltung. Der gute Wein kam dazu und bald hatten wir uns alle traulich und heiter genähert. Wir machten dann einen Spaziergang und mußten nachher bei Uhland zum Abendessen bleiben. Ich erzählte so viele Schnurren, daß des Lachens kein Ende war. Frau Dr. Uhland mochte sich ein eignes Bild gemacht haben von einem Norddeutschen, sie fragte mich: ›Sie sind wol kein Preuß?‹ – Den andern Tag verließ uns Schmeller. Ich blieb noch in Tübingen. Um Mittag holte mich Uhland ab. Wir speisten zusammen und machten dann mit seiner Frau einen Ausflug zu Wagen nach dem ehemaligen Cistercienser-Kloster Bebenhausen.

Mein Reisezweck war erfüllt: ich hatte ihn kennen gelernt, den Mann den ich als Dichter und Gelehrten schon lange liebte und verehrte und war hocherfreut, daß derselbe Mann, was er gewesen geblieben war, ein standhafter Vorkämpfer für die freie Entwickelung des deutschen Staatslebens. Herzlich dankend für alles Liebe und[208] Gute nahm ich Abschied und reiste noch denselben Abend nach Freiburg. Ich eilte nun nach Basel, wo mich Wilhelm Wackernagel schon seit längerer Zeit erwartete. Den 23. September traf ich ein und blieb acht Tage bei ihm. Wir arbeiteten täglich zusammen. Er gab gerade sein altdeutsches Lesebuch heraus. Ich lieferte ihm noch einige hübsche Beiträge dazu, unter anderen jene Comödie, die ich in Wien abschrieb. Die Handschriften der Baseler Bibliothek hatte Wackernagel zum Theil durchgesehen und manches Deutsche gefunden. Jetzt wollten wir die noch nicht berührten Schränke untersuchen. Wir wurden reichlich belohnt. Ich fand gleich anfangs in einer Handschrift aus dem Ende des 7. oder Anfang des 8. Jahrhunderts mit angelsächsischer Schrift zwei deutsche Recepte, eins gegen den Krebs, das andere gegen eine nicht näher bezeichnete Krankheit. Zum Andenken an unser Suchen ließ ich diesen kleinen Fund drucken als ›Vindemia Basileensis‹.

Mein Urlaub war nun abgelaufen und ich mußte die Schweiz, Straßburg, Brüssel und manches andere aufgeben. Ich begann meinen Rückzug. Den 1. October fuhr ich mit dem Eilwagen über Kehl nach Carlsruhe. Mone war freudig überrascht. Er zeigte mir seine Sammlungen mittelniederländischer und altdeutscher Gedichte. Durch seine Vermittelung erhielt ich aus der großherzoglichen Bibliothek eine Handschrift mit althochdeutschen Glossen, die ich ganz abschrieb. Graff hatte bereits andere Glossen, die ebenfalls darin stehen, daraus abdrucken lassen. Eine Vergleichung des Abdrucks mit dem Originale bewies mir abermals, wie flüchtig Graff auch hier gearbeitet, z.B. die Gestalt des carolingischen o, welches wie ein geschlossenes d aussieht, hat er nicht gekannt und immer als ein o mit v darüber gelesen und im Druck wiedergegeben.

Ich eilte dann über Darmstadt, Frankfurt, Gießen, Marburg und Cassel nach Göttingen. Ich kehrte bei den Brüdern Grimm ein. Es war ein fröhliches Wiedersehen nach langer Zeit. Seit 1818 hatten wir nur durch Briefwechsel unsern Verkehr fortsetzen können. Die wenigen Tage (Vom 11.–15. October), die ich mit und bei Jacob, Wilhelm und Ferdinand Grimm verlebte, schienen mir frohere Erinnerungen als die drittehalb Jahre meiner hiesigen Studentenzeit. Es ward mir unendlich schwer, mich von so vieler Liebe und Theilnahme, von so vielen Schätzen des Herzens und Geistes zu trennen.[209]

Einige Tage verweilte ich dann bei den Meinigen und in Braunschweig. Die letzte Woche Octobers war ich in Berlin. Ich glaubte jetzt mehr als je Anspruch zu haben, in meiner amtlichen Stellung weiter zu kommen. Ich besuchte den Geh. Rath Johannes Schulze, der wegen seines Einflusses ›der kleine Minister‹, auch wol ›Ioannes parvulus‹ hieß. Er war recht freundlich. Ich erzählte ihm von meiner Reiseausbeute und überreichte ihm die von mir unterwegs herausgegebenen Schriften. Dann äußerte ich den Wunsch, Professor ordinarius zu werden.

Sch. Das geht so nicht – da muß Sie die Facultät vorschlagen und empfehlen, wir können die Facultät nicht übergehen.

Ich. Auf die Weise bleibt es beim Alten, denn wenn es auf die Facultät ankommt, so werde ich nie Ordinarius.

Sch. Wir können nicht anders, können nicht anders, es geht wahrhaftig nicht. Der Minister darf die Wünsche und Vorschläge der Facultät nicht unberücksichtigt lassen.

Mit dieser schönen Aussicht reiste ich am 1. November von Berlin ab und kam am 3. in Breslau an. Den folgenden Tag saß ich schon wieder auf der Bibliothek. Stenzler, der mich bisher vertreten hatte, freute sich, daß er erlöset war, und mich freute es nebenbei, daß es doch nun einen Menschen mehr gab, der das Lästige und Störende einer solchen amtlichen Beschäftigung gekostet hatte.

Ich ging mit frischem Muthe dem Winter entgegen: ich hatte Stoff genug zum Verarbeiten gesammelt und konnte mich freuen und erquicken an so vielen schönen Erinnerungen. Um diese Zeit dankte ich dem Minister für den Urlaub und die Reiseunterstützung und bat zugleich, Sr. Majestät das Pergamentexemplar der Fragmenta theotisca mit meinem Schreiben zu überantworten, und die übrigen Exemplare an die preußischen Universitäts-Bibliotheken vertheilen zu wollen. Die Weihnachtsferien reiste ich nach Leipzig, besuchte Brockhaus und verhandelte mit ihm wegen der Horae belgicae, deren Fortsetzung mir sehr am Herzen lag.

Die Tage kurz vor und nach Neujahr 1835 verweilte ich bei Moriz Haupt. Wir hatten seit Wien viele litterarische Beziehungen zu einander und einen lebhaften Briefwechsel geführt. Schon dort verabredeten wir ein gemeinschaftliches Unternehmen, was nun eben jetzt ins Leben trat:


[210] Altdeutsche Blätter.29


Sie sollten dem Studium des deutschen Alterthums kleineres Material durch sichernde Herausgabe zur Benutzung darbieten und nebenbei auch Abhandlungen, Bemerkungen, Auszüge aus seltenen und Nachträge zu wichtigen Büchern bringen. Die ersten Hefte wurden auf unsere Kosten gedruckt. Da wir das Unternehmen nicht fallen lassen mochten und auch eine längere Dauer bei größerer Theilnahme dafür erwarteten, so brachten wir gerne dies Opfer. Endlich aber ward es uns zu viel und wir machten einen Vertrag mit Brockhaus, wir durften nun wenigstens nichts mehr zuzahlen. Es wurden übrigens nur 300 Exemplare auf Druckpapier und 30 auf feinerem Papiere gedruckt, letztere kamen nicht in den Buchhandel.

Seit Anfang Aprils wohnte ich in dem ersten Wartenslebenschen Hause auf der heil. Geiststraße. Die Wohnung, obschon nach Norden, war sehr freundlich, ich sah in den Garten, auf den Wall, die Oder, links auf den Sand, auf die Kreuzkirche, rechts auf den Dom. Die grünen Bäume, das lebendige Wasser und das große Stück Himmel wirkten wohlthätig auf mein Gemüth. Anfangs war es auch ziemlich still. Leider ward bald in den schönen Sommertagen der Garten ein Tummelplatz für die Kinder meines Nachbars, des Professor Regenbrecht. Ich ward oft dermaßen gestört, daß ich nur mit der größten Anstrengung bei dem Lärmen der Kinder zu arbeiten vermochte.

›Sie scheinen sich nur wohl zu fühlen, wenn Sie nicht in Breslau sind,‹ sagte einmal der Minister zu mir. Und leider! so war's auch. Erst ein Vierteljahr wieder in Breslau und schon hatte ich einen seltsamen Drang, aus Breslau wieder hinaus. Als nun die Osterfeiertage nahten, eilte ich nach Berlin zu meinem Bruder. Ich konnte jedoch nur acht Tage bleiben: ein unerwartetes Ereigniß hieß mich bald heimkehren.


[Bei einer Revision auf der Breslauer Bibliothek hatte es sich herausgestellt, daß eine große Menge Bücher fehlten. Bald bestätigte sich der Verdacht, daß die Frau des ersten Custos, des Dr. Friedrich, diese Diebstähle begangen hatte, um aus dem[211] Erlös der Bücher sich eine Einnahme zu verschaffen. Ritschl theilte Hoffmann dieses brieflich nach Berlin mit.]


Den 21. April traf ich wieder in Breslau ein. Ich fand alles bestätigt was mir Ritschl geschrieben hatte. Die Frau meines Collegen war wenige Stunden vorher in den Stock abgeführt, er selbst vorläufig ›dispensiert‹. Daß er in seinem Amte nicht bleiben konnte, war klar, und daß ich in seine Stelle einrücken und mich verbessern würde, war mehr als wahrscheinlich. Trotzdem sehnte ich mich fortwährend nach dem Augenblicke der völligen Erlösung aus dieser tagtäglichen Frohne, mein Humor schien mir dafür gar nicht mehr nachhaltig. Abermals bat ich schriftlich den Minister, mich zum Ordinarius zu machen.

Auf mein Gesuch erfolgte schon den 11. Mai eine Antwort des Ministers von Altenstein: er habe das Gutachten der Breslauer philosophischen Facultät einfordern lassen. Von dem Wohlwollen des Ministers war ich überzeugt, zweifelte aber, daß ich etwas erreichen würde, wenn er den Wünschen der Facultät nachkäme. Daß sich der Minister früher an diese nicht gekehrt hatte, konnte sie ihm nicht vergeben; es war vorauszusehen, daß sie jetzt Alles aufbieten würde, dem Wunsche des Ministers entgegen zu sein. Den 30. Mai hielt sie ihre Sitzung und ich erfuhr schnell genug ihren Beschluß, der natürlich, wie ich voraussah, gegen mich ausfiel. Ich hatte wenig Hoffnung und war verstimmt.

Mein geselliger Verkehr war um diese Zeit sehr gering. Milde hatte geheirathet und war mit seiner jungen, sehr hübschen und liebenswürdigen Frau viel in Gesellschaften oder auf Reisen. Das Lewaldsche Haus war nach dem Tode der Frau Lewald wie ausgestorben. Mit Ritschl und Stenzler war ich gespannt, und die übrigen Professoren blieben mir fremd und gleichgültig wie bisher. Ohne sonderliche Abwechslung verging ein Sommertag wie der andere. Nach Tische verweilte ich ein Stündchen in Aderholzens Buchladen und spazierte dann gewöhnlich um den Wall; Abends badete ich in der Oder und ging von da ins Weinhaus, die übrige Zeit wurde gearbeitet. Der dritte Theil der Horae belgicae und meine Vorlesungen nahmen mich sehr in Anspruch.

Um nochmals meine Theilnahme für Schlesien kundzugeben, bewerkstelligte ich in der vaterländischen Gesellschaft, daß alle Silesiaca[212] aus der Bibliothek ausgeschieden und zu einer besonderen schlesischen Bibliothek vereint wurden. Am 10. Juni erließ ich als Bibliothecar einen Aufruf zur Gründung einer ›Schlesischen Bibliothek‹, die alles in Bezug auf schlesische Geschichte, Litteratur und Naturgeschichte umfassen sollte. Ich durchsuchte manche Büchersammlung, fand manches für uns passende und erbat es mir von den Besitzern, die es denn auch des guten Zwecks wegen bereitwillig hergaben. Ich war ziemlich glücklich und legte somit den Grund zu der heutigen schlesischen Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft.

Bei aller amtlichen und wissenschaftlichen Thätigkeit fand ich immer noch Zeit zum Dichten und sehr willkommene Anregung. Ernst Richter, Musiklehrer am Breslauer Schullehrer-Seminar, beabsichtigte eine Sammlung von Liedern herauszugeben, die sich an J.G. Hientzsch, ›Methodische Anleitung zum Singunterricht‹ anschließen sollte. Er suchte dazu noch schöne einfache Volksweisen und Texte. Ich brachte ihm Stoff genug aus unserer und meiner Bibliothek. Er fand passende Melodien, aber keine passende Texte. Er bat mich, dazu Texte zu dichten. Ich ließ mir nun die Melodien so lange vorspielen, bis ich sie auswendig wußte, ich trug sie dann so lange mit mir herum, bis ich Worte dazu fand. So entstanden mehrere Lieder. Ich dichtete dann auch ohne Melodien einige, und wenn Richter dazu keine Volksweise fand, so machte er eine eigene. Schon im August war von seiner Sammlung die erste Abtheilung erschienen als ›Unterrichtlich geordnete Sammlung‹, lauter ein- und zweistimmige Sätze und Lieder, unter den letzteren waren 23 von mir.

Meine Ordinariats-Angelegenheit ging ihrer Entwickelung entgegen.


[Das Gutachten der Facultät, welches der Minister eingefordert hatte, lautete für Hoffmann nicht günstig. Man ließ zwar seiner schriftstellerischen Thätigkeit in demselben die volle Würdigung zu Theil werden, doch forderte man, daß er die gesetzlichen Leistungen, welche die Facultät für den Fall einer Ernennung zum Professor ordinarius vorschreibe, anerkenne und sich zu denselben verpflichte. Darauf hin erklärte Hoffmann sich am 8. August 1835 sowohl der Facultät als auch dem Minister von Altenstein gegenüber bereit, ›die Obliegenheiten, die ihm[213] als Professor ordinarius zukommen würden, zu erfüllen, also eine lateinische Abhandlung zu schreiben und lateinisch zu vertheidigen.‹ Damit stand seiner Ernennung kein Hinderniß mehr im Wege.]


Es trat nun für mich etwas Ruhe ein. Ich arbeitete fleißig an dem 3. Theile der Horae belgicae. Das Glossarium machte mir viel zu schaffen. Am 10. October war Text, Glossarium und Einleitung vollendet.

Am 2. November überraschte mich mein Bruder mit einer frohen Nachricht. Sein Brief begann: ›Gra tuliere, Herr Ordinarius!‹ Die Nachricht war verfrüht, bestätigte sich aber bald. Am 15. November hatte Se. Majestät auf Antrag des Ministers vom 20. October mich zum Ordinarius ernannt.

Am 10. November wurde das Schillerfest in Breslau gefeiert, seit 1829 wieder zum ersten Male. Gegen hundert Theilnehmer hatten sich eingefunden. Ich führte den Vorsitz. Es war ein heiteres, durch Reden, Lieder und Trinksprüche belebtes und belebendes Fest, von Anfang bis zu Ende. Ich hatte die Genugthuung, daß öffentlich zu lesen war, daß ich ›mein Präsidentenamt auf höchst liebenswürdige Weise geführt hätte.‹ Auch ich brachte verschiedene Trinksprüche aus, zuerst ließ ich die Poeten leben. Dann ging ich bald nachher über auf die Philister.30 Der Jubel wollte kein Ende nehmen. Am belustigendsten war, daß gerade die am meisten jubelten, auf die ich es abgesehen hatte. Ich mußte den Trinkspruch wiederholen und es erfolgte wieder ein endloser Jubel.

Wenn ich so etwas Erfreuliches erlebte, dann war ich ruhig, auch wol heiter gestimmt, arbeitete mit Lust, sang und dichtete. Doch dauerte es nicht lange. Meine Bibliotheksverhältnisse waren nun einmal von schwüler Temperatur, daß jeden Augenblick sich ein Gewitter zusammenziehen und über mir losbrechen konnte. Und so war es denn auch. Den 4. November konnte ich meinem Bruder bereits wieder eine unangenehme Neuigkeit melden.


[Stellvertreter für Dr. Friedrich, der wegen des Bücherdiebstahls seiner Frau dispensiert war, wurde Professor Stenzler,[214] derselbe, welcher von Hoffmann auf die Bibliothek hingewiesen und im Sommer 1834 für ihn in die Custodiatsgeschäfte eingetreten war. Bei dieser Veränderung erwartete Hoffmann eine Erleichterung für sich und hoffte, von dem lästigen Ausleiheamt, welches er elf Jahre geführt hatte, befreit zu werden. Aber auch mit diesem berechtigten Wunsche stieß er auf die hartnäckigsten Schwierigkeiten, und als er endlich durchdrang, war ihm die ganze Stellung so verleidet, daß er sich danach sehnte, aus dem Bibliotheksdienst überhaupt auszuscheiden.]


Gegen Ende des Jahres erfolgte die amtliche Anzeige von meiner Ernennung zum Ordinarius. In dem Begleitschreiben an den Senat war erstlich mein Name ausgelassen und zweitens der ordentliche Professor. Ich dankte, freilich nicht dafür, daß mir das Ministerium noch ausdrücklich schreiben ließ, daß mir aus meiner Ernennung keine Ansprüche auf Gehaltszulage erwüchsen. So hatte ich denn in meiner academischen Laufbahn das Höchste erreicht was ich erreichen konnte: ich war Professor ordinarius. Schon den 9. Januar 1836 wurde ich in den academischen Senat eingeführt und von denen als College begrüßt, die mich nicht zum Collegen hatten haben wollen.

Mehr Aufsehen als diese neue Würde machte jedoch noch mein ›Buch der Liebe,‹ welches um diese Zeit erschien.31 Des Fragens und Forschens, wem diese vielen Liebesergüsse galten, war kein Ende. Es war und blieb ein Geheimniß. Nur Einer wußte darum, und dieser Eine sagte nichts und wird auch jetzt nichts sagen. Meine Liebesstimmung war zwar eine nachhaltige geworden, aber wie sie in Poesie gekommen, so löste sie sich in Poesie wieder auf, und mir blieb nichts als die Erinnerung an manchen beseligenden Augenblick.

Zufällig haben sich einige Aufzeichnungen aus jener Zeit erhalten. Im Juni 1835 heißt es: ›Ich sah im Frühjahr ein Kind, und das Kind ist eine Jungfrau geworden, und die Jungfrau gefällt mir. Wird sie heute über ein Jahr mehr als die Schwester meines Freundes sein?‹

Dann mehrere Tage später: ›21. Juni Sonntags in der Kunstausstellung.[215] Unter so vielen schönen Bildern auch sie; ich sah sie, ich sprach sie. Dies schöne große Auge!‹

Im Juli: ›Sie steht vor mir, geht mit mir, ich denke an sie, rede mit mir von ihr – Traum nur, Traum am hellen lichten Tage!‹ – ›Und wenn ich einst jene Zeilen wieder lese, vielleicht verstehe ich sie nicht mehr, oder – ich weiß Alles besser als heute und sage jemandem: Du warst es!‹

Dann in diesem Jahre: So waren Monate vergangen – ich sah sie nicht. Der ganze Herbst war vergangen, der halbe Winter – ich sah sie nicht. Und wir feierten Weihnachten und – ich sah sie nicht, und kurz vor Neujahr sah ich sie, sprach mit ihr und sollte beim Tanz sie küssen – das war zu viel. Und es vergingen wieder anderthalb Monate und ich sah sie nicht. Und das Buch der Liebe war erschienen und – ich sah sie nicht. Endlich kam der 11. Februar 36. Wir sprachen viel mit einander und saßen bei Tische neben einander: ›Nein, nein! ich habe das Buch der Liebe nicht gelesen.‹ –

Über meine neueste Dichtung ließen sich viele anerkennende Stimmen vernehmen. Ich war sehr erfreut darüber und fühlte mich getröstet für manches Unangenehme, welches mir meine beiden Ämter in jüngster Zeit gebracht hatten. Aber der freudige Beifall Anderer konnte mich nicht befreien von der Furcht, daß sich neue Widerwärtigkeiten bald einstellen würden.

Und sie kamen nur zu bald. Die philosophische Facultät sah mich nicht für voll an, ich sei allerdings Doctor, aber nur der freien Künste, und um als Decan Andere zu Doctoren der Philosophie promovieren zu können, müsse ich selbst Doctor der Philosophie sein. Sie mochte Recht haben, ich wurde aber so ärgerlich darüber, daß ich erklärte, ich würde nichts thun, um meine Doctorwürde zu vervollständigen; die Erinnerung an das Verfahren der Facultät in Betreff meines Doctordiploms war noch zu lebendig bei mir. Nun, es wurde nicht so schlimm als ich fürchtete. Die Facultät erklärte sich bereit, das Fehlende ohne eine Gegenleistung meinerseits zu ergänzen. Das große Werk trat am 16. März ins Leben. In dem Pergamentdiplom, welches mir zugestellt wurde, heißt es: ›philosophiae Doctorem et artium liberalium Magistrum honoribus iuribus privilegiisque omnibus praeditum publico hoc diplomate agnitum renuntiavit.‹[216] Ernstlicher als je dachte ich jetzt daran, aus meinem Bibliotheksamte erlöst zu werden, damit ich ganz meinem Fache leben könnte. Ich wendete mich deshalb an den Minister von Altenstein. Aber es blieb beim Alten.

Schon lange war ich mit der Idee umgegangen, die deutsche Sprachwissenschaft und Litteraturgeschichte als ein Ganzes in einem Grundrisse32 darzustellen. Nach vielen mühsamen Vorarbeiten war es mir endlich gelungen, das Buch war fertig bis auf die Vorrede. Diese wollte ich nach Rücksprache mit Moriz Haupt bei ihm in Zittau vollenden. Ich reiste am 2. April nach Görlitz, blieb die Osterwoche dort bei meinem Freunde Leopold Haupt und war dann die nächsten drittehalb Wochen in der Familie Haupt in Zittau. Ich wohnte mit dem jungen Moriz Haupt in einem Flügel des großen elterlichen Hauses, jeder am äußersten Ende, durch viele Zimmer von einander getrennt. Das Wetter war sehr unfreundlich und wir verspürten gar kein Verlangen ins Freie zu gehen. Da wir nur wenige Stunden des Tages mit den Eltern verkehrten, so waren wir die übrige Zeit ganz auf uns beschränkt. Jeder hatte zu arbeiten, das Verlangen aber uns wechselseitig auszusprechen war sehr groß und so machten wir uns denn den Tag über mehrmals Besuche, die oft Stunden lang währten. Gewöhnlich saßen wir Abends nach Tische in meinem Zimmer und unterhielten uns über Welt und Litteratur und alles Mögliche. Meine Vorrede zur deutschen Philologie, an welcher Haupt großen Antheil nahm, führte uns oft auf deutsche Litteraturgeschichte und Sprachwissenschaft. Eines Abends saßen wir wieder wie gewöhnlich beisammen und scherzten über manche neuere Erscheinung auf dem Gebiete der altdeutschen Litteratur. Ich meinte, am besten ließe sich reimweis darüber ein Urtheil aussprechen. Schön, und im Nu reimten wir Guckkastenbilderreime. Dann kamen wir auf unsere neuesten Dichter und ihre Manieren. Wir versuchten nun diese nachzuahmen, und sogleich waren auch einige fertig. Wir hätten gewiß noch an anderen Abenden diese Belustigungen fortgesetzt, wenn nicht immer ein Neues, uns wichtiger Scheinendes, das Alte verdrängt[217] hätte. Hier jedoch einige Proben, die ich mir zur Erinnerung an diese ergötzlichen Zittauer Abende aufbewahrt habe.


Altdeutsche Kuckkastenbilder.

Anjetzo präsentieret sich

Graff's Sprachschatz craß und fürchterlich.

Schatz hat er ihn deshalb genannt,

Weil er drin seine Rechnung fand.


Viel Sanskrit macht das Buch uns kund,

Zehn Lettern gehen auf ein Pfund.

Daß man sich findet recht zu Haus,

Heckt er 500 Zeichen aus.


Den Otfried hat er ausgeschickt,

Daß er ihm seinen Beutel spickt.

Daß man ihn trefflich mag verstehn,

In jedem Vers zwei Puncta stehn.


Herr von der Hagen hat gewacht

Eintausend schon und Eine Nacht.

Wann heißet es: Victoria!

Die Minnesinger sind nun da?


Dem Mone ward's, das Gott erbarm!

Im heilgen Grale gar zu warm:

Er läuft heraus und stürzt sich gleich

In einen alten Antenteich.


Doch kühlt es seine Hitze nicht,

Denn zum Anzeiger ruft die Pflicht.

Ihn ängstet sehr der Zwentibolk,

Und noch viel mehr das Wilzenvolk.


Der Maßmann aus Italia

Bringt heim erlesne Gothica;

Als theologscher Candidat

Er sie herausgegeben hat.[218]


Von Kaiserchronik spricht er viel,

Und schreibet einen saubern Stil;

Damit nichts aus einander fällt,

Er alles hübsch in Klammern stellt.


Das Turnen steckt ihm noch im Kopf,

Drum faßt er keck den Tod beim Schopf,

Und hopst im Todtentanz herum –

Die Kosten zahlt das Publicum ... etc.


Poetische Manieren.

1.


Es steht der dürre Schlehenstrauch

Und ziehet an ein weiß Gewand,

Es färbt sich grün das ganze Land,

Und nächstens blühn die Rosen auch.


Der Kibitz kreiset um sein Nest –

O Bild der Liebe sanft und rein –

Und Erd' und Himmel lächeln drein,

In solch ein schönes Frühlingsfest.


2.


Bachstelzen baden ihr Gefieder

Im klaren grünumbuschten Quell –

Born der Natur so reich und hell,

Du giebst mir ewig neue Lieder.


3.


Die Frösche schrei'n im Sumpf gemeinsam,

Ich wandl' in Waldesschatten einsam.

O schreit, ihr Frösche, nur im Ried,

Nicht stören soll euch ja mein Lied.[219]


4.


Die Gänseblümchen wie bescheiden

Sie stehen auf dem grünen Plan!

Ich möchte fast ihr Glück beneiden

Und muß mich ihnen freundlich nahn.


Sie blühn in grüner Waldesmitte,

Ein stummberedter Frühlingsgruß –

Stör' ich sie wohl durch meine Tritte? –

Ich lenke rückwärts meinen Fuß.


5.


Wie bin ich durstig schon seit Stunden,

Kaum kühlet mich des Waldes Schatten.

Da hab' ich einen Strauch gefunden

Mit Beeren, die sich friedlich gatten.

Doch wag' ich nicht sie abzupflücken,

Weil sie so schön, o Strauch, dich schmücken.


6.


Ich komm' an diesem Nachmittag

In einen grünen Buchenhag,

Doch ist den scharfen Beilesschlägen

Schon manche Buche rings erlegen.

Mir will es fast wie Mord erscheinen,

Ich muß ob eurem Tode weinen.


7.


Die Fliege spielt im Sonnenschimmer

Und schwebet hin und her beweglich!

Wie wäre doch daheim im Zimmer

Ihr Summen mir so unerträglich.

Doch ist es hier in grüner Flur

Ein Klang aus deinem Lied, Natur.


Karl Mayer.[220]


1.


Das war die alte Großmutter,

Die in dem Lehnstuhl saß,

Sie schwatzt mit bleicher Lippe

Und weiß doch selber nicht was.


Der Kater sitzet daneben

Und brummt und knurrt seinen Baß,

Er brummet und er knurret

Und weiß doch selber nicht was.


Da draußen heulet der Hofhund

Empor zum Monde so blaß,

Er heult und winselt erbärmlich

Und weiß doch selber nicht was.


Und neben der alten Großmutter

Das tiefe Auge so naß;

Da flüstert ein krankes Mägdlein

Und weiß doch selber nicht was.


Sie flüstert keine Gebete,

Weiß nicht von Lieb' und Haß;

Es wird ihr so eigen im Herzen

Und weiß doch selber nicht was.


Und draußen steh' ich und spähe

Und sehe durch's Fensterglas,

Ich möchte segnen und fluchen –

Und weiß doch selber nicht was.


2.


Es hat schon neune geschlagen,

Es wirbelt der Zapfenstreich;

Ich liege träumend und schläfrig

Im weißen Arme so weich.


Mein Liebchen, was horchst du so seltsam

Auf den wirbelnden Zapfenstreich?[221]

Was wirst du auf meine Frage

Auf einmal so ernst und so bleich?


Gedenkst du des schlanken Leutnants

In knapper Uniform,

Der täglich auf der Parade

Sich zieret und brüstet enorm?


Er liegt in seiner Kaserne,

Gebannt vom Zapfenstreich.

Ich lach' und liege behaglich

In deinen Armen so weich.


3.


Es ist so düster und öde,

Der Wind zieht über die Flur,

Im Schilderhaus auf dem Walle

Steh' ich in dünner Montur.


Ich denk' an die schönen Zeiten,

Wo ich im Collegium schlief,

Und niemals eine Patrouille

Aus meinen Träumen mich rief.


Es schwatzte der dürre Professor

Von christlicher Moral;

Mir träumte viel gescheidter

Von seinem Ehegemahl.


4.


Ich sitze im Parterre

Und seh die Tragödie mir an;

Es spielt Acteur und Actrice,

Wie man es nur wünschen kann.


In schönen und häßlichen Augen

Schon manche Thräne blinkt,[222]

Da nun mit mächtigem Schwunge

Rauschend der Vorhang sinkt.


Mein Nachbar weinet und flüstert:

›Das war ein schöner Zug!‹

Ich merk' es, mich quälet seit Jahren

Der Rheumatismus genug.


Heinrich Heine.


Am 5. Mai starb der erste Custos unserer Bibliothek, Dr. Johann Christoph Friedrich. Obschon er nebst seinen Kindern in dem Bücherdiebstahlsprozesse gegen seine Frau durch richterliche Entscheidung für schuldlos erklärt war, so war er doch suspendiert geblieben, zwar mit vollem Gehalte. Obschon mir jetzt das erste Custodiat von Rechtswegen zufallen mußte, so hielt ich es doch für nothwendig, die 600 Rb. Gehalt, welche der Dr. Friedrich bezogen hatte, zu beanspruchen und wendete mich deshalb an den Minister. Da keine Antwort erfolgte, so wiederholte ich am 15. Juni dem Minister den Wunsch: ›endlich des Custodiats entbunden und als Professor so gestellt zu sein, daß ich diesem Amte ungetheilt Zeit und Kräfte widmen darf und als Lehrer und Schriftsteller ersprießlicher zu wirken vermag.‹ Der Minister bedauerte jedoch, meinem Wunsche nicht entsprechen zu können, ›da gar keine Fonds vorhanden sind, Sie für die mit dieser Stelle verbundenen Einkünfte anderweitig zu entschädigen.‹

Ich war unterdessen eingekommen um Urlaub zu einer wissenschaftlichen Reise auf drei Monate (August September October). Die Städte, worin ich länger zu verweilen gedachte, hatte ich angegeben: Kopenhagen, Amsterdam, Leiden, Haag, Antwerpen, Brüssel und Paris. Ich reiste den 26. Juli ab. Die nächsten acht Tage verweilte ich in Berlin. Abends den 3. August am Geburtstage des Königs reiste ich mit der Schnellpost nach Stettin. Den folgenden Mittag um 12 Uhr fuhr ich mit dem Dampfschiff Dronning Maria, Capitän Lous, nach Kopenhagen.

Es war meine erste Seefahrt. Das Wetter war schön, die See ruhig. Nachdem wir eine Zeitlang in See waren, wurde auf dem Verdecke die Tafel angerichtet. Wir ließen uns nieder und es schien[223] allen gut zu schmecken. Nach Tische sah ich mir die Gesellschaft näher an und sprach mit einem und dem andern. Die See wurde unruhig, das Schiff schwankte, die Reisenden zogen sich in die Kajüten zurück. Ich begab mich zu Bette und schlief sechs Stunden ganz ruhig. Um 6 Uhr Morgens am 5. August hielten wir vor Bornholm und nahmen die dortigen Gäste an Bord. Der Sturm wurde immer ärger, die See ging hoch. Die hinzugekommenen Fremden, lauter Dänen, wurden alle seekrank, von den Deutschen, die schon an Bord gewesen waren, niemand. Nach einigen Stunden verspürte ich großen Hunger und ließ mir ein Beefsteak geben. Es war ein Meisterstück damit fertig zu werden unter den vielen Seekranken, die in allen Ecken sich erleichterten. Ich hielt mich tapfer, mein Frühstück war verspeist. Gegen 5 Uhr Nachmittags liefen wir in den Sund ein. Die Flagge wurde aufgehißt. Nach 8 Uhr erst waren wir auf der Rhede vor Kopenhagen und wurden in Böten ausgeschifft.

Samstagmorgen den 6. August besuchte ich die Bibliothek. Ich wurde recht freundlich empfangen, aber ich merkte bald, daß man durchaus nicht geneigt war, mir eine Benutzung der Bibliothek zu gewähren, wie ich sie für meinen Zweck wünschen mußte.

Den Sonntag darauf, 7. August, besuchte ich den Friedrichsberg und sah mir das Volksgetümmel an. Wunderbar schön ist die Aussicht von dort nach Kopenhagen und unvergeßlich mir der Anblick der weiten heiteren Landschaft mit der großen Stadt, wohinter die See hervorblickt und einzelne Schiffe vorüber segelten. Den 12. August abends reiste ich von Kopenhagen wieder ab. Den anderen Morgen um 6 liefen wir in den Kieler Hafen ein. So müde ich war, so hatte ich doch im Gasthof keine Ruhe. Zunächst besuchte ich die Bibliothek, dann Herrn Boie, Sohn des J.H. Vossischen Schwagers. Am Nachmittag fuhren wir mit Ratjen im Nachen nach Düsternbrook. Zum Ruderschlage las ich ihnen das Buch der Liebe vor. Den Abend und den ganzen folgenden Tag verlebte ich mit Ratjen, der sich wahrhaft collegialisch meiner annahm. Mittags war bei ihm große Gesellschaft. Ich lernte mehrere Kieler Professoren kennen: Hegewisch, Ritter, Olshausen, Behn. Wir waren sehr vergnügt. Überhaupt schien das hier bei der Universität ein frisches, heitergeselliges Leben zu sein, man lebte und ließ leben. Was ich[224] anderswo nicht gewagt hätte, wagte ich hier: ich las den Herren Collegen meinen Reisebericht von 1834 vor und mehrere Breslauer Trinksprüche. Am Nachmittag spazierten wir nach Düsternbrook, und ich erfreute mich dieser lieblichen Landschaft am westlichen Ufer des Kieler Hafens.

Den 15. August reiste ich weiter.

Den 16. August traf ich in Lübeck ein. Die Stadt erinnert an die schönsten Zeiten des Mittelalters. Die stattlichen Kirchen, die hohen steinernen Häuser, meistens mit Spiegelscheiben, die reinlichen Straßen, die wohlgekleideten Leute machen einen wohlthätigen Eindruck. Den folgenden Tag machte ich mehrere Besuche. Es that mir wohl, daß ich in Dr. Deecke und Professor Classen zwei frische heitere Männer fand, denen ich viele frohe Stunden in Lübeck verdanke. Deecke zeigte mir die Schätze der Stadtbibliothek, die Lübecker Drucke, die er selbst beschrieben hatte, und versprach mir eine getreue Abschrift von Lantsloot ende die scone Sandrijn, die ich auch später erhielt. Den folgenden Tag führte er mich in den Rathskeller, wo wir denn ganz gemüthlich den Abend verbrachten. Sehr befriedigt setzte ich den 19. August meine Reise fort und erreichte den folgenden Mittag Hamburg.

Die Stadt machte einen großartigen Eindruck auf mich: es war etwas Anderes, Neues was sich meinen Blicken darbot. Dies rege Getümmel, und doch dieser Ernst, diese Ruhe in allen Gesichtern, die einem begegnen oder an einem vorübergehen. Alles Geschäft, die Leute nehmen sich keine Zeit zum Sprechen, haben keine übrig zum Lachen.

Der Buchhändler Herold hatte sich erboten, um und durch Hamburg mein Führer zu sein. Wir gingen durch die schönen Anlagen, verweilten oben auf dem Baumhause, freuten uns an der schönen Aussicht und an dem durch Schiffe und Nachen belebten Strome, fuhren durch den Hafen und kehrten über den Stintfang zurück. Diese Wanderungen mit Abwechselung wiederholte ich noch einige Male, Herold war immer mein liebenswürdiger lebendiger Bädeker. Sie endeten dann mit einem Frühstück und buchhändlerischen Gesprächen.

Ich fühlte mich täglich heimischer in Hamburg, so neu und fremdartig mir Alles anfangs war und sein mußte. Besondere[225] Freude gewährte mir, den treuen Gefährten meiner Kindheit, meinen Vetter F. Wiede wiederzufinden. Er lebte schon mehrere Jahre in Hamburg als Kaufmann und es ging ihm und seiner Familie gut. Wir waren oft zusammen und erzählten uns aus der Heimat und Kindheit.

Unterdessen verfolgte ich meine litterarischen Zwecke. Die Stadtbibliothek besuchte ich öfters. Obschon Professor Petersen nach seiner Ansicht glaubte mir sehr gefällig zu sein, so genügte mir doch die Durchsicht der Kataloge und das Vorlegen einiger bekannten Handschriften nicht – ich wollte sie alle selbst an- und durchsehen. Erst später wurde mein Wunsch erfüllt.

Von Privatbibliotheken lernte ich nur eine kennen, die aber für meine Zwecke sehr bedeutend war, die des Dr. Janssen. Der Mann hatte mit Geschick und Eifer sein Leben lang gesammelt und besaß viele Werke aus der älteren deutschen Litteratur, die sich nirgend sonstwo mehr fanden. Er war außerordentlich gefällig und ließ sich keine Mühe verdrießen, mir das zu zeigen was ich zu sehen wünschte. Das Finden war oft schwierig, jeder benutzbare Raum des kleinen Hauses war bis unter das Dach mit Büchern voll gepackt. Ich machte mir viele Aufzeichnungen, die jetzt erst recht werthvoll sind, denn leider ist dieser bedeutende Bücherschatz bei dem großen Hamburger Brande 1842 ein Raub der Flammen geworden.

Sehr angenehm war mir die Bekanntschaft mit dem Syndicus Sieveking, dem Hamburger Diplomaten, der die besten Eigenschaften eines Diplomaten besaß: er war fein gebildet, geistreich und liebenswürdig durch und durch. Ich wurde auch mit dem Kreise seiner Freunde bekannt, so mit Otto Speckter, der mir wegen seiner allerliebsten Zeichnungen zu Hey's Fabeln (1833) schon lange lieb und werth gewesen war. Ich besuchte ihn nachher in seiner Familie und verlebte einen heitern Abend. Der alte Vater und seine Frau waren so ganz das Bild echtdeutscher Biederkeit und häuslichen Glückes. Der Alte war sich der Einfachheit und Wahrheit seines Wesens bewußt, er scherzte über sich selbst und nannte sich der flachen und doch gebildet sein wollenden Welt gegenüber den ›olen Plattdütschen‹.

Schließlich muß ich auch noch des Professors Dr. Cornelius Müller gedenken. Während der Zeit meines Hamburger Aufenthalts[226] bewies er sich sehr theilnehmend, ich war oft in seiner Familie und wir machten manche ergötzliche Ausflüge in die Umgegend. Eines Tages führte er mich nach Billwerder zu Frau Christine von Westphalen. Wir waren zum Mittagessen eingeladen. Wir fanden die freundlichste Aufnahme und eine recht angenehme Unterhaltung. Die Frau Wirthin erregte mehr meine Theilnahme durch das was sie in ihrem bewegten Leben erfahren, gelitten und gestrebt hatte als durch ihre Schriftstellerei. Sie galt für eine gute Dichterin bei ihren Zeitgenossen, war dafür von vielen Gelehrten anerkannt, und hatte mit manchen einen Briefwechsel unterhalten, worin natürlich auch ihrer Muse gehuldigt wurde. Man darf jedoch nicht vergessen, daß sie als Dichterin einer Zeit angehörte, welche noch sehr bescheidene Ansprüche an einen Dichter machte und in Ertheilung des Dichtertitels sehr freigebig war. Ihr vaterländischer, echtdeutscher Sinn während der schrecklichen Fremdherrschaft ist ihre beste Dichtung, und trotzdem daß sie durch ihre ›Gesänge der Zeit‹ 1815 ihre Mitbürger zu beleben und zu ermuthigen wußte, so ist sie doch noch kein ›weiblicher Tyrtäos‹. Sie war in ihrem ganzen Wesen milde und anspruchlos und eine in jeder Beziehung achtungswerthe Persönlichkeit, und ich dankte Herrn Müller, daß ich ihre Bekanntschaft gemacht hatte.

Von Hamburg fuhr ich über Harburg nach Bremen. Der Weg ist sehr langweilig, nur hin und wieder gewährte die Ebene ringsum etwas Eigenthümliches: die blühende Heide verbreitete einen röthlichen Schimmer und die Föhrenwaldungen in der Ferne waren tiefdunkelblau. Erst den folgenden Mittag erreichte ich Bremen.

Da auf der Bibliothek Alles geordnet und verzeichnet war und das Verzeichniß sogar gedruckt ist, so hatte ich wenig Mühe das Wichtigste für mich herauszufinden. Ich lieh mir mehrere Bücher, um sie zu Hause näher durchzusehen. Sehr überraschte mich, auch hier ein Exemplar des Reineke (Lübeck 1498) zu finden, freilich ein unvollständiges.

An Bekanntschaften und Vergnügungen fehlte es mir nicht. Der Bremer Rathskeller durfte nicht unbesucht bleiben, auch wenn Wilhelm Hauff ihn nicht verherrlicht hätte. In bester Stimmung fanden wir uns ein und bezogen ein besonderes Kellergemach. War der Wein gut, so war noch besser unsere Unterhaltung: Witze und Geschichten[227] aller Art jagten einander, und dazwischen wurde dann wieder ein Lied angestimmt. So verging unter litterarischen Arbeiten und im geselligen Verkehre, der für mich heiter und anregend war, fast eine ganze Woche in Bremen.

Am 4. September Nachmittags 3 Uhr reiste ich weiter und kam am 8. spät Abends in Groningen an, so daß ich erst den folgenden Tag meine Besuche machen konnte. Professor Theodor van Swinderen war sehr erfreut mich wieder zu sehen. Wir kannten uns schon von Bonn her. Obgleich seine Studien den meinigen fern lagen, so hatte er doch immer mit mir in Briefwechsel gestanden und mir den litterarischen Verkehr mit Holland vermittelt.

Schon den 10. September reiste ich weiter, fuhr die Nacht durch und traf den anderen Mittag in Amsterdam ein. Es war mir ganz eigen zu Muthe: vor funfzehen Jahren ein armer Student, und heute ein Professor ordinarius, dem so eben noch der König von Holland die große goldene Medaille verehrte. Durch Vermittelung eines Bekannten erhielt ich den freien Zutritt zu der Bibliothek des königlichen Instituts und konnte dort und zu Hause Bücher und Handschriften daraus so viel ich wollte mit Muße benutzen. Die Liederbücher des 17. Jahrhunderts sah ich alle durch, fand aber nichts für meine Zwecke. Auch die Bibliothek der Doopsgezinde Gemeente lernte ich kennen. Sie enthält einen Schatz alter niederländischer Gesangbücher, welche später Philipp Wackernagel in seiner Bibliographie zur Geschichte des deutschen Kirchenliedes S. 493ff. näher beschrieben hat.

So viel Zeit ich täglich auf meine litterarischen Arbeiten verwenden mußte, so blieb mir doch noch genug zum Sehen übrig. Besonders genußreich war der Besuch des königlichen Museums und der damaligen Kunstausstellung, letztere arm an historischen Bildern, desto reicher aber an schönen Landschaften, wodurch sich die niederländische Schule noch immer auszeichnet.

Ich fühlte mich bisher recht heimisch: ich lebte ja ganz nach Wunsch, ich konnte sehr bequem arbeiten – und dennoch bekam ich einen Anfall von Heim weh, der mich dermaßen traurig und unruhig machte, daß ich eines Mittags einpackte und sofort abreiste. Wehmüthig wurde mir, als ich den l7. September nach 15 Jahren wieder in das alte gastliche Haus zu Leiden eintrat.[228]

Dr. Salomon hieß mich herzlich willkommen. Ich bezog meine alte Wohnung und war sofort angenehm und bequem eingerichtet. Ich besuchte zunächst die alten Freunde und Bekannten: Tydeman, van der Palm, Siegenbeek, van Assen, Clarisse, Bake, Geel, van Kampen. Das waren die wenigen noch übrig gebliebenen aus der alten Zeit; sie waren zum Theil recht alt geworden, einige hatten viel häusliches Leid erfahren, nur Tydemann hatte seine jugendliche Regsamkeit und Geistesfrische bewahrt. Ich lernte nun mehrere Professoren und Gelehrte kennen, die seit 1821 bei der Universität und ihren verschiedenen Anstalten einen Wirkungskreis fanden: Reinwardt, Hofman Peerlkamp, Kist, Wttewaall, van der Chijs, C. Leemans, Janssen, Bergman, Schrant, – oder eine unabhängige Stellung einnahmen: Kluit, Bodel Nijenhuis, Jos. Hoffmann und Carl Ludwig Blume, Herausgeber der Flora Javae. Gemeinsame oder verwandte wissenschaftliche Bestrebungen brachten mich mit dem einen und dem anderen in nähere Beziehung.

Schon in Groningen hatte ich erfahren, daß mir vom Könige der Niederlande die große goldene Medaille ertheilt worden sei. Ich fand es passend, persönlich meinen Dank auszusprechen. Der König gab an gewissen Tagen allgemeine Audienzen. Ich fuhr zu einer solchen nach dem Haag hinüber. Der König empfing mich und redete mich deutsch an: ›Habe ich schon mal das Vergnügen gehabt Sie zu sehen?‹ Nachdem ich meinen Dank dargebracht hatte, äußerte er seine Freude, daß ich als ein Fremder so glücklich im Finden gewesen sei und mich so eifrig mit der alten Sprache und Dichtung der Niederländer beschäftige. Der König war überaus huldvoll und ich ging sehr befriedigt heim. Nachher besuchte ich Holtrop, Bibliothecar der königlichen Bibliothek, und bekam alle Handschriften zu sehen die ich zu sehen wünschte. Abends war ich wieder in Leiden.

Meine Zeit war getheilt zwischen Arbeiten und Besuchen. Zu Spaziergängen war das Wetter zu schlecht, und da es kein Wirthshausleben wie bei uns giebt, so mußte ich zu Hause bleiben oder zu Freunden und Bekannten gehen. Die späten Abendgesellschaften bekamen mir sehr schlecht, und doch mußte ich mich in die Landessitte fügen. Etwas Eigenthümliches in dem holländischen Leben lernte ich kennen, als ich an einer öffentlichen Versammlung der Genootschap van fraaije Kunsten en Wetenschappen theilnahm.[229] Bei schönem Wetter fuhr ich mit Professor Bake nach einem Wirthshause hinaus, das an der Haager Straße liegt und Huis ten Dijk heißt. Wir fanden schon einige Mitglieder, bald kamen mehrere, um 121/2 Uhr begann die Sitzung. Bake hielt einen Vortrag über Beredtsamkeit. Dann folgte der Rechenschaftsbericht über den Stand der Gesellschaft, Einnahme und Ausgabe und Preisfragen. Darauf gehen wir im Garten spazieren. Ich mache einige neue Bekanntschaften: Collot d'Escury, le Jeune etc. Unterdessen ist angerichtet. Ein wirklich glänzendes Gastmal beginnt. Nach und nach wird die Unterhaltung lebendiger, aber erst beim Nachtisch überläßt man sich der Fröhlichkeit. Da folgt Trinkspruch auf Trinkspruch. Auch mir wird ein Hoch ausgebracht. Ich danke mit einigen Worten, die mir eben einfallen:


Leve de wetenschap de altijd groeijende,

Leve de kunst de altijd bloeijende,

De President en de Secretaris!

Zoo dankt een vreemdeling die ook daar is.


Ein junger Dichter trägt dann ein langes Gedicht vor. Er fragt mich um meine Meinung über die Art seines Vortrages. Ich kann nur bemerken, daß die holländische Vortragsweise weder unserem Gefühle noch unserem Geschmacke zusagt. Jetzt wird gesungen, und so muß ich mich denn auch hören lassen. Ich singe: ›Das Volk steht auf, der Sturm bricht los‹, und: ›E jede will de Schönste‹. Erst Nachts 1 Uhr kehren wir heim.

Am 5. October verließ ich Leiden. Den 7. Abends kam ich nach Bonn. Als ich den anderen Morgen in den Straßen umherwanderte, tauchten unendlich viele Erinnerungen auf. Ich erkundigte mich nach meinen früheren Wirthen und Bekannten – die meisten waren verkommen oder verschollen oder gestorben. Ich wurde wehmüthig gestimmt. Ich machte einige Besuche. Welcker lud mich zum Mittagessen ein. Nach Tische ging ich allein nach Poppelsdorf. Es war mir wie damals als ich zum ersten Male denselben Weg ging, aber die schöne Aussicht nach dem Siebengebirge war nicht mehr, sie war zugebaut worden. Ich suchte meine alte Wohnung und konnte sie lange nicht wieder finden: das Haus war umgebaut, der frühere Besitzer gestorben, seine Familie ausgewandert. Am Abend kam ich mit mehreren Professoren zusammen,[230] ich kannte keinen einzigen. Es war mir Alles so fremd, daß ich schon den dritten Tag weiter reiste. Meine wehmüthige Stimmung begleitete mich und stellte sich noch später wieder ein. So entstanden die ›Poppelsdorfer Erinnerungen‹:33


Ihr blauen Berge seid es wieder,

Du bist es wieder, grünes Thal!

Hier sang ich meine ersten Lieder,

Ich liebte hier zum ersten Mal.


Von Linz ab reiste ich mit Karl Simrock. Wir kehrten in Coblenz in den Riesen ein und wollten unsern alten Universitätsgenossen Peter Adams begrüßen. Da hieß es, er wäre im Theater, heute würde der Glöckner von Notre Dame ausgepfiffen. Dies war bereits versucht worden, als wir ins Parterre eintraten, die Ultramontanen waren in die Flucht geschlagen und der Glöckner wurde ugestört bis zu Ende gespielt. Man sah uns groß an, als wir uns nach einem Mitpfeifer erkundigten. Den anderen Morgen kam Adams zu uns und lud uns zu Mittag ein. Obschon bei Tische unser Bonner Leben der Hauptgegenstand der Unterhaltung war, so konnte es doch nicht fehlen, daß das Gespräch immer wieder in die Gegenwart hinüber spielte, und dann war es für unser einen nicht angenehm, ich fühlte mich so unfrei, es ward mir so unheimlich, so beklommen. Alle meine alten Coblenzer Freunde standen mit an der Spitze des sogenannten Glaubensheeres, und bildeten den Kern der deutschen Ultramontanen. Mit solchen Leuten kann ein ehrlicher Deutscher nicht gemüthlich verkehren. Ich fühlte mich erst wieder frei und froh bei meinem lieben biedern, freisinnigen, klaren und gemüthlichen Carl Bädeker.

Ich reiste mit Schnell- oder Extrapost weiter. Erst in Göttingen hielt ich Rast. Den 13. October gegen Abend kam ich an und kehrte bei den Brüdern Grimm ein. Der Empfang war ein überaus herzlicher. Wilhelm war sehr leidend und reizbar, ich verkehrte meist nur mit Jacob. Dieser fragte mich, ob ich noch geneigt wäre in Gesellschaft zu gehen, Otfried Müller habe zur Einweihung seines neuen Hauses seine Freunde eingeladen. Ich war bereit. Zu rechter[231] Zeit fanden wir uns ein. Müller, der mich schon von Berlin her kannte, empfing mich sehr freundlich. In den großen hell erleuchteten Räumen bewegte sich die feine Welt Göttingens. Man begrüßte sich, wurde einander vorgestellt, sprach etwas, trank Thee, später Wein und suchte sich sehr anständig zu vergnügen. Anfangs bewahrte auch ich den echten Salonton. Als mich Jacob Grimm dem Professor Gervinus vorstellte und unser beider Namen nannte, verbeugten wir uns sehr artig und sahen uns an und sprachen kein Wort. Nach dieser geistreichen Unterhaltung wendeten wir uns wieder der übrigen Gesellschaft zu. Da rief ich für mich: ›Ich bin des trocknen Tons nun satt‹ und setzte mich mit Siebold und einigen lustigen Gästen in einem Nebenzimmer zusammen. Hier fingen wir an uns allerlei hübsche Geschichten zu erzählen und entwickelten eine ungemeine Herterkeit. Ich war unerschöpflich, fand ein sehr dankbares Publicum und dachte: Hofrath hin! Hofrath her! Hoffart muß Zwang leiden. Den andern Tag war ganz Göttingen noch voll von meinen Geschichten und mancher lachte noch nachträglich. Selbst Wilhelm Grimm, der doch viel Geschichten wußte und gern und gut erzählte, hätte den Abend nicht gegen mich ankommen können.

Die folgenden Tage machte ich Besuche bei von Siebold, Gieseler, Otfried Müller, Dahlmann, Benecke, Höck. Jacob zeigte mir alle neueren Erscheinungen auf dem Gebiete der deutschen Sprachwissenschaft, und auf der Bibliothek sah ich mir das Fach der deutschen Litteratur näher an. Benecke lud uns zum Abendessen ein. Ich ging zeitig hin, Jacob folgte erst später nach, er war kein Freund des Tabaksgeruchs und wußte, daß Benecke gerne vorher rauchte. Benecke kannte ich schon früher von der Bibliothek her; ich sah ihn dort in den weiten Sälen feierlich einherschreiten, den Hut etwas seitwärts zur Linken gerückt, ohne eine Miene zu verziehen. Ich ahndete nicht, daß derselbe Mann gemüthlich und heiter sein konnte. Kaum hatte er mich begrüßt und willkommen geheißen, so bot er mir eine Pfeife an: ›Es ist der edelste Genuß den die Welt hat; die neuere Cultur möchte uns gern auch darum bringen.‹ Als das Abendessen bereit war, erschien Jacob Grimm. Bei Tische entspann sich eine vielseitige und heitere Unterhaltung. Benecke erzählte: ›Der Iwein ist vergriffen, Reimer will abrechnen.‹ ›Nun, sagte Jacob schalkhaft lächelnd, da hätten Sie uns wol mehr aufwichsen können!‹[232] Es war ein angenehmer Abend, der uns noch am anderen Morgen ergötzte. Jacob war so heiter gestimmt, daß er im 4. Theile seiner Grammatik, woran er eben arbeitete, eine Anmerkung gegen Benecke strich.

Sonntag-Abend den 16. October nahm ich Abschied und reiste den folgenden Morgen in aller Frühe mit der Post nach Hannover und von da mit Extrapost nach Bothfeld zu meinen Verwandten. Zwei Tage war ich in Bothfeld, oder eigentlich in Hannover, denn jeden Tag machten wir dahin einen Spaziergang.

Bei Pertz war ich mit meinem Schwager etwa eine Stunde. Wir sprachen viel über Handschriften und Bibliotheken. Den andern Tag ging er mit mir auf die königliche Bibliothek, ich sah mir die Handschriften alle an, durch seine Vermittelung erhielt ich später mehrere geliehen. Die Bibliothek glich mehr einer Rumpelkammer, wohin man Dinge schafft die man anderswo nicht unterbringen kann.

Den 20. October reiste ich mit meiner Schwester und ihrer Tochter Alwine in meine Heimat. So ein Stück Lüneburger Heide wie über Burgdorf und Uetze läßt sich nur mit Geduld und Humor angenehm durchreisen. Der Kutscher mit seinen Ackerpferden übereilte sich nicht, die Wege waren schlecht, oft gar nicht vorhanden; wir fuhren meist nur der Richtung nach. Endlich in der Dunkelheit waren wir da. Ich sprang vom Wagen herab, setzte mir einen Frauenhut auf, hüllte mich in meinen Mantel, machte mich ganz klein und spazierte so am Arme meiner Schwester in das elterliche Haus. Niemand kannte uns. Neugierig kamen die Unsrigen herbei, becomplimentierten uns und führten uns in ein Nebenzimmer. Da erhob ich mich und – die freudigste Ueberraschung war gelungen. Das Wetter war schön, meine Stimmung noch schöner: ich war sehr lustig und die Meinigen waren es auch, besonders meine Mutter.

Den 25. October traf ich in Berlin ein, den folgenden Tag hatte ich Audienz beim Minister und den 30. war ich wieder in Breslau. Wol hegte ich die Hoffnung, künftighin, unangefochten in meinen amtlichen Beziehungen, heiter und zufrieden meiner Wissenschaft leben zu können. Diese Hoffnung sollte nie in Erfüllung gehen: die Breslauer Bibliothek war und blieb einmal mein Plagegeist. Den 14. November meldete mir GR. Heinke meine Ernennung zum ersten Custos mit 440 Rb. Gehalt (also 160 Rb. und 7 Klafter hartes Holz[233] weniger als mein Vorgänger!). Er bemerkte jedoch: ›Dabei hat jedoch das hohe Ministerium ausdrücklich nicht für nothwendig befunden, Ihre diesfälligen Geschäfte durch eine Ihnen speciell zu ertheilende Dienst-Instruction festzustellen.‹ Ich war also von neuem der Willkür des Oberbibliothecars preisgegeben. Der alte Zankapfel war geblieben.

Ich war bis jetzt immer noch Professor ordinarius designatus und hatte als solcher nur Ein Jahr das Recht, Mitglied der Facultät mit Sitz und Stimme zu sein. Ich dachte schon lange wie die Frau meines Collegen R., diese bat jedes halbe Jahr, wenn der Katalog erschien, ihren Mann: ›Schaff Dir doch das ekliche Des vom Leibe!‹ Dazu gehörte, daß man erstlich eine lateinische Abhandlung verfaßte und drucken ließ und zweitens dieselbe in lateinischer Sprache vor den dazu eingeladenen Mitgliedern der Universität öffentlich vertheidigte. Meine Abhandlung war bereits gedruckt: Caerl ende Elegast critice editus. Da niemand an der Universität vom Niederländischen etwas verstand als der Dr. August Geyder, damals ein hoffnungsvoller, beliebter Privatdocent in der juristischen Facultät, so wählte ich ihn zum Opponenten. Es fehlte mir noch ein Opponent und ein Respondent. Zu jenem verstand sich Karl Gabriel Nowack, später bekannt geworden durch Herausgabe eines schlesischen Schriftsteller-Lexikons. Mein Respondent wurde der ausgezeichnete lateinische Lexikograph Dr. Wilhelm Freund. Um die lateinische Comödie recht schön in Scene zu setzen, war eine Vorbereitung nöthig: wir kamen alle vier zusammen und beschlossen, die und die Punkte sollten so und so angegriffen und vertheidigt werden.

Der 22. December, der Tag meiner Habilitation erschien. Es waren zugegen Rector und Senat, der Decan und viele Mitglieder der philosophischen Facultät. Das Publikum war sehr zahlreich: viele Studenten, die sonst selten zu dergleichen Feierlichkeiten erscheinen, hatten sich eingefunden, alle neugierigst harrend der Dinge, die da kommen sollten, denn es hieß in der Stadt: ›Der Hoffmann spricht heute lateinisch‹. Ich hatte mit meinem Respondenten in einer Bank Platz genommen, vor mir in einer anderen saßen die beiden Opponenten. Ich erhob mich und bewillkommnete mit den gewöhnlichen hochtrabenden Floskeln die Anwesenden. Se. Spectabilität antwortete darauf eben so hochtrabend. Die Disputation begann. Mein Respondent[234] sprach sehr fließend und widerlegte glänzend alle Einwürfe der Opponenten, so daß diese nach einiger Zeit nichts mehr vorzubringen wußten. Da sagte ihnen denn der Respondent viel Schmeichelhaftes, diese wieder ihm und alle endlich mir. Ich erhob mich und dankte und wollte eben, als Se. Spectabilität schon das Ganze für geschlossen zu betrachten schien, abtreten, da wendete sich noch einer meiner Collegen, Professor Kutzen, an mich. Auf einen solchen Ueberfall ex corona – wie es auf gut ciceronianisch heißt – war ich nicht vorbereitet und hatte auch keine Lust, mit meinem mittelalterlichen Latein glänzen zu wollen. Kutzen fragte mich, warum ich critice editus gesagt hätte, passender wäre wol gewesen etc. Ich that als ob ich mich zur Vertheidigung anschickte, nahm mein Büchlein in die Hand, sah hinein und sprach dann mit lauter fester Stimme: ›Concedo.‹ Ein lautes Gelächter erscholl und lächelnd empfahl ich mich und sang für mich den Schluß des bekannten Bierliedes:


Und Hermann der Sieger

Zog jubelnd davon.


Fußnoten

1 Stiftsgebäude der Augustiner Chorherren, aufgehoben 1810.

H.


2 Horae belg. P. I. ed. 2. p. 80.

H.


3 S. Wilh. Müller's Brief und meine Erläuterungen dazu in meinen Findlingen S. 211–214.

H.


4 Ges. W. Bd. I. S. 208–210. – Den Namen ›Eintagschönchen‹ hat H. wahrscheinlich gewählt mit Rücksicht auf eine ihm bekannt gewordene Sammlung von Gelegenheitsgedichten, die der Freiherr von Meusebach nach und nach hatte drucken lassen und unter dem Titel zusammengestellt hatte: ›Eintagschönchen auf- und abgeblüht zu Koblenz an dem Rheine‹ (1814–1818. 52 SS. in 8°); Näheres über diese Meusebach'sche Sammlung in Cam. Wendeler's ›Fischartstudien des Freiherrn ... von Meusebach‹ (Halle. 1879. S. 41. 42.).

G.


5 Ges. W. Bd. II. S. 82–87 und S. 397. Anm. 21.

G.



6 Vgl. Ges. W. Bd. VI. S.6. 7.

G.


7 2–4. Februar 29.

H.


8 Gedruckt in meiner Monatschrift von und für Schlesien 1829. S. 394–403.

H.


9 Meusebach hatte in Dillenburg gewohnt und besaß auch dort noch ein Haus. Maßmann hatte das erfahren und wendete sich eines Tages wegen der Handschriften der dortigen Universitäts-Bibliothek, Dillenburg mit Dillingen verwechselnd, an Meusebach.

H.


10 Monatschrift S. 179–190.

H.


11 Monatschrift S. 639–661.

H.


12 Fundgruben für Geschichte deutscher Sprache und Litteratur herausgegeben von Dr. Heinrich Hoffmann. 1. Theil. Breslau. 1830. bei Grass, Barth u.C. 8°. VIII. 400 SS.

H.


13 Frau von Winterfeld, Gattin des mehrfach rwähnten Oberlandesgerichts-Rathes Carl von Winterfeld.

G.


14 Kalitte brandenburgisch der Schmetterling.

H.


15 Davida von Thümen. Näheres s. die Nachträge.

G.


16 Ges. W. Bd. I. S. 226ff. und S. 400. Anm. 56.

G.


17 Brief vom 18. November 1830 an Angelica von Thümen; s. Nachträge.

G.


18 Dieselben sind in die Ges. W. nicht aufgenommen. Sie sind von H. veröffentlicht in der Brockhaus'schen Ausgabe seiner ›Gedichte‹. (Leipzig. 1834. Erstes Bändchen. S. 259–290).

G.


19 Merkel war Oberpräsident der Provinz Schlesien.

H.


20 Fanny Lewald erwähnt ihre damalige Bekanntschaft mit Hoffmann in ihrer ›Lebensgeschichte‹ (Neue Ausgabe. Berlin 1871. Bd. II. S. 84) nur ganz flüchtig.

G.


21 Thümen.

G.


22 15. März. ›Noch eine Herzensfrage: wie steht es mit Ihrer beabsichtigten Heirat? Man hat hierüber nachtheilige Gerüchte verbreitet, denen ich gerne widersprechen möchte.‹ Es erfolgte darauf meinerseits eine gehörige Antwort.

H.


23 Aus einem Briefe H.'s an Henneberg.

G.


24 Ein Beitrag zur deutschen Litteraturgeschichte des 16. u. 18. Jahrhunderts. Breslau. Hentze 1833. 8°.

H.


25 Unser Freund Dr. Moriz Haupt, ein täglicher Augenzeuge unserer Freuden, aber auch unserer Leiden, hat kurz, einfach und wahr von allen diesen Dingen Bericht erstattet in den ›Wiener Jahrbüchern‹ Bd. LXVII; ein besonderer Abdruck, 24 Seiten, erschien unter dem Titel: ›Zu Endlicher's und Hoffmann's Ausgabe der Wiener althochdeutschen Fragmente. Von Moriz Haupt‹ (Wien. Carl Gerold. 1834).

H.


26 Vollständig und mit den Ergänzungen von mir mitgetheilt in Haupt's Zeitschrift für deutsches Altertum 3. Bd. (1843) S. 460–467.

H.


27 Vocabularius latino-teutonicus sec. XI. in Haupt's Zeitschrift. 3. Bd. S. 368–381.

H.


28 De cognitione metri in den Altd. Blättern. 1. Bd. S. 212–215.

H.


29 Der erste Band erschien 1835. 36, der zweite 1837–1840; jeder Band besteht aus vier Heften.

H.


30 Der erstere Trinkspruch ist in die Ges. W. nicht aufgenommen; der zweite findet sich Ges. W. Bd. VI. S. 10.

G.


31 Buch der Liebe von Hoffmann von Fallersleben. Breslau bei Georg Philipp Aderholz. 1836. 8°. 96 SS. – vgl. Ges. W. Bd. I. S. 249–311.

G.


32 Die deutsche Philologie im Grundriss. Ein Leitfaden zu Vorlesungen von Dr. Heinrich Hoffmann. (Breslau. Aderholz 1836. 8°. XXXXII und 239 SS.), dem Geheimerath Dr. Johannes Schulze gewidmet.

H.


33 Ges. W. Bd. I. S. 313–316 und S. 402. Anm. 67.


Quelle:
Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben. Zwei Teile, Teil 1, Berlin 1894, S. 235.
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