Elfter Auftritt.

[203] Vorige. Ehrenthal. Gustav im Gespräch.


EHRENTHAL. Wie man bei solchen Verhältnissen, in solcher Stimmung, noch immer Lust haben kann, zerstreuende und lärmende Vergnügungen aufzusuchen, Gustav, das ist mir unerklärlich.

GUSTAV. Und gerade das rafft einzig noch zusammen, belebt noch. Mit mir ist es nun einmal so weit gekommen, daß mir nur noch außer meinem Hause wohl sein kann.

EHRENTHAL. Dann wehe Dir! Mir war mein Lebelang zu Hause am wohlsten. Und gar, wenn man verheirathet, wenn man Vater ist.

GUSTAV. Ja, das ist's, das ist's! Da liegen Glück und Elend, Schmerz und Wonne so nahe beisammen.

EHRENTHAL. Ich würde sagen: sie ist Deiner nicht würdig, – wärst Du nicht wieder so schwach, so unmännlich. –

GUSTAV auffahrend. Vater, noch hab' ich Muth!

EHRENTHAL ihn beschwichtigend. Zeig' ihn! – Aber nicht auf der Straße, nicht mit Drohungen. – Nun will ich fort. Meine Geschäfte sind beendet, ich danke Dir für Deine Begleitung. Erlasse mir's, Deiner Gemahlin Lebewohl zu sagen, ich will fort, hinaus, mich dünkt, meine Landluft wär' freier, reiner, hier preßt mir's die Brust.

GUSTAV ängstlich. Thun Sie mir das nicht, Vater. Sie haben's schon zugesagt, ich lasse Sie nicht fort. Sie müssen mit mir zum Ball, oder ich bleib' auch davon.[204]

EHRENTHAL. Das wär' nun kein Unglück. Aber was hast Du?

GUSTAV. Weiß ich's? Eine Angst, eine Bangigkeit, die mich manchmal überfällt, die aber heute ganz unbeschreiblich ist. Mir wird zu Sinne, als müßt' ich ein großes Geschick erleben, als nahte eine Welt von Gram. Ich bin wie vernichtet, es raubt mir den Athem. Und dann faßt mich eine Wehmuth – und wieder eine Furcht, daß ich denke, an Sie müßt' ich mich klammern. Sie würden mich halten – schützen! – Lächelnd. Es sind kindische Träume! Vielleicht, daß ich nicht wohl bin!

EHRENTHAL nachdem er ihn traurig betrachtet. Das ist mein Sohn, der frische, heitere, lebenstarke Jüngling, den sandt' ich zur Stadt – und so find' ich ihn nun! – O Amélie! Das ist Dein Werk! – Im Gehen. Komm' Gustav, Dir zu Liebe will ich diese Nacht hier bleiben.

GUSTAV. Tausend Dank! Und Sie begleiten uns – Beide in's Haus, ohne die Plaudernden zu bemerken.

AUGUST hat unterdessen sein Dreigespräch beendet und folgt den Herren.

NANTE kehrt zum Holz zurück.

FRANZ ergreift die Säge.

MINE packt kleine Stücke zusammen.

Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 1, Breslau 1867, S. 203-205.
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