Neunter Auftritt.


[20] Speckbacher und Haspinger treten auf, Hofer ihnen entgegen.


HOFER.

Ei lieber Joseph, teurer Pater Jochem!

Ha, herzerstärkend labendes Begegnen!

Ei, wie das freuet, solche Freunde sehn

In solcher Zeit! Nun wären wir zusammen!

Und stehn zusammen! Gebt mir eure Hände!

SPECKBACHER.

Dank, Gegengruß und Handdruck, Andres Hofer!

Die Zeit will Eil', drum kürz' ich meine Worte:

Die höchsten Ehren bring' ich deinem Haupt!

Du sollst in diesem Krieg als Oberfeldherr

Das Land Tirol und seiner Männer Kraft

Zum Siege leiten![20]

Ich, und der würd'ge Pater Haspinger,

Die Häupter der Bewaffnung in den Bergen,

Beschlossen's des gemeinen Bestens wegen,

Verkünden's dir, und harren deiner Antwort.

HOFER.

Was? Joseph! Joachim! Wie meint ihr dieses?

Ich bitt' euch, meine Brüder, übereilt nicht

So wicht'ges Unternehmen und Verhandeln,

Ich bin ja nur ein Bauer von Passeier;

Was hab' ich denn voraus vor so viel andern

Gewitzten, kühnen und verständ'gen Männern?

SPECKBACHER.

Die Wahl bleibt fest in ihrer Kraft bestehn.

Was unser Witz und unsre Kühnheit leistet,

Ist dein, zu groß- und heldenmüt'ger Führung!

Brauch unsern Rat, wir brauchen dein Gemüt.

HASPINGER.

Begreifst du's nicht, so nimm es für ein Wunder.

HOFER.

Recht! Alle Macht ist eins. – Ich will nicht grübeln,

Nicht deuteln, was euch lenkt'! Ich nehm' es an,

Wofern die Landsgemeinen nichts entgegnen.

VOLK.

Vivat, Sr. Gnaden, Andreas Hofer, hoch!

HOFER.

So nehm' ich's an! Daß Gott der Herr es segne! –

Speckbacher, hast du einen Plan ersonnen

Zur nächsten Schlacht?

SPECKBACHER.

Ja wohl, mein Herr und Führer!

Im Schupfen, wenn es dir gefällig ist,

Gedenk' ich gründlich ihn dir vorzulegen.

EIN BOTE kommt. Zu Speckbacher. Herr Kommandant!

SPECKBACHER auf Hofer deutend.

Zu diesem Größern rede,

Der Ober-Kommandant ist von Tirol!

BOTE.

Der Herzog Danzigs ist im vollen Feuern

Mit unsern Posten, die bei Tschilfes stehn.

SPECKBACHER.

So haben sie zu früh sich doch gezeigt!

HOFER.

In Gottes Namen! Morgen, Freunde! heißt's:

Die dritte Rettungsschlacht am Berge Isel!


Zu Speckbacher.


Du hast?

SPECKBACHER. Sechstausend.[21]

HOFER zu Haspinger. Du?

HASPINGER. An Siebentausend.

HOFER.

Fünftausend Schützen aber folgen mir.

So sind wir achtzehntausend, und der Herzog

Hat wenig über fünfundzwanzigtausend.

So ist denn das Verhältnis gut und richtig,


Nach den Bergen deutend.


Denn diese Bundsgenossen zählen mit.

Gebt mir 'nen Degen. Ich hab' keinen.

SPECKBACHER.

He!

Wer hat 'nen Degen hier!


Gemurmel unter den Tirolern. Einer tritt zögernd vor.


DER TIROLER. Ich hätte wohl –


Er reicht Speckbacher zögernd den Degen.


SPECKBACHER.

Was? den da! mit dem weiß und blauen Bändel?

Ein Bayerschwert, bei Gott! – Wie heißt du?

DER TIROLER.

Schasser.

Ich hatt' im Frieden ja den Dienst beim Salz-

Gewerk zu Hall.

SPECKBACHER.

Nein, das wär' gar zu toll!

Ist vieles auch bei uns nicht recht im Schick –

Des Feindes Degen in des Feldherrn Hand!

Nimm ihn zurück!


Er will dem Tiroler den Degen zurückgeben. Haspinger nimmt ihn.


HASPINGER.

Gebt ihn dem Hofer nur!

Der Stahl ist tot, der Wille macht lebendig.

Sieh's wie die erste Beute an vom Feind,

Von dem wir Alles rückerobern müssen,

Haus, Kirch' und Altar, Kraft und Mut und Wehre;


Er reicht ihm den Degen.


Mit Feindes Zeichen such des Landes Ehre!


Hofer tritt zurück.


Du scheust dich vor den Farben?

HOFER.

's ist nicht das!

Vor meinen eigenen Gedanken bebt' ich.

Gebt mir das Schwert!


Er empfängt den Degen.
[22]

Mir zittert meine Rechte,

Da ich den Knopf und Griff des Schwertes fasse!

Denn es bedeutet die gewalt'ge Macht

Des Feldherrn über Tod und über Leben!

Welch ein Vermessen, solche Macht zu geben

In eines armen sünd'gen Menschen Hand!

Mit Glück und Trauer füllet dieser Stand.

Ein Kreuz am Griff! – Das Kreuz denn heb' ich auf:


Er hält den Degen empor.


Gott Vater, lenk Andreas Hofers Lauf!

Du Bayerschwert! 'S gilt ehrliches Gefecht

Für alten Herrscher und für altes Recht!


Er geht voran, die andern folgen.


Quelle:
Karl Immermann: Andreas Hofer der Sandwirt von Passeier. Bielefeld und Leipzig 1912, S. 20-23.
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