Freye Nachahmung des französischen Liedes:

Que ne suis – je la fougére[207] 1

Wenn im leichten Hirtenkleide

Mein geliebtes Mädchen geht,

Wenn um sie die junge Freude

Sich im süßen Taumel dreht,

Unter Rosen, zwischen Reben,

In dem Hain und an dem Bach,

Folgt ihr dann mit stillem Beben

Meine ganze Seele nach.


Wär' ich auf der Frühlingsaue

Nur das Lüftchen, das sie fühlt,

Nur ein Tropfen von dem Thaue

Der um sie die Blume kühlt;[208]

Nur das Bäumchen an der Quelle,

Das sie schützet und ergötzt,

Und die kleine Silberwelle,

Die den schönsten Fuß benetzt!


Wären meine Klagetöne

Der Gesang der Nachtigall,

Hörte mich die sanfte Schöne

Zärtlich in dem Wiederhall!

Lispelt' ich an Rosenwänden

Als ein Abendwind herab,

Oder wär' in ihren Händen

Der beblümte Hirtenstab!


Könnt' ich ihr als Veilchen dienen,

Wenn sie neue Kränze flicht;

Könnt' ich in der Laube grünen,

Wo mit ihr ein Engel spricht!

Böt' ich in vertrauten Schatten

Ihrem Schlummer sanftes Moos,

Oder, wo sich Täubchen gatten,

Meinen blumenreichen Schooß!
[209]

Mach', o Liebe! dort im Stillen,

Unter jenem Mirthenbaum,

Wo sie ruht, um ihretwillen

Mich zum leichten Morgentraum!

Mit verschämtem holden Lachen

Sehe sie mein Schattenbild –

Und, o Liebe, beym Erwachen

Werd' ihr Morgentraum erfüllt!

Fußnoten

1 Anthologie françoise T. II. p. 261.


Quelle:
Johann Georg Jacobi: Sämmtliche Werke. Band 2, Zürich 1819, S. 207-210.
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