Siebenunddreißigster oder heil. Weihnacht-Sektor

[332] Liebebrief – Comédie – Souper – bal paré – zwei gefährliche Mitternachtszenen – Nutzanwendung


Ich habe in dieser fröhlichen Zeit keinen recht fröhlichen Sinn: vielleicht weil mein auseinander wollender Körper so wenig wie eine Längen- und Seeuhr richtig geht – vielleicht liegt mir auch der Inhalt dieses Sektors im Kopfe – vielleicht schleicht auch, beim Anblick der allgemeinen Kinderfreude, das Blut so traurig fort zwischen dem Wintergrün und Herbstflor jener Erinnerung, wie es sonst war, wie die Freuden des Menschen dahinrollen, wie sie ihre Entfernung von uns durch einen aus fernen Ufern herüberblinkenden Widerschein bezeichnen und wie unsre längsten Tage uns selten so viel geben, als dem Kind der kürzeste oder die Christnacht im Genießen oder Hoffen gibt. – –[332]

Von Gustavs herzlichem Brief hätte ich vor vierzehn Tagen nicht so leichtsinnig reden sollen, als ich tat. Er heißt so:


*


»Eh' ich dieses schrieb, gingen Sie, unaussprechlich Teuere, mit Lauren den Park hinauf, um die ermattende Sonne, die zwischen zwei großen Wolken herabschien, noch ein wenig zu genießen; zu Ihren Seiten flogen Wolkenschatten dahin, aber mit Ihnen ging der Sonnenschein. Ich dankte dem Laube, daß es zu Ihren Füßen lag und mir Sie nicht verdecken konnte; aber ich hätte alle dornichte Blätter von der Stechpalme pflücken wollen, hinter denen Sie verschwanden und von mir gingen. ›O könnt' ich ihr‹ – dacht' ich – ›den herbstlichen Weg mit jungen Blumen und Schmetterlingen bestreuen, könnt' ich sie mit Blüten und Nachtigallen umzingeln und vor ihr die Berge und die Wälder mit dem Frühling überdecken: ach! wenn sie dann vor Freude bebte und mich ansehen und mir danken müßte ...‹ Aber diese Blüten, diese Nachtigallen, diesen Frühling haben Sie mir gegeben; Sie haben über mein Leben einen ewigen Mai gesandt und aus einem Menschen-Auge Freudentränen gepresset – allein was vermag ich zu geben? – Ach, Beata, was hab' ich Ihnen zu geben für dieses ganze Elysium, womit Sie das schwarze Erdreich meines Lebens durchwinden und überblümen, und für Ihr ganzes, ganzes Herz? – – Meines – – das hatten Sie ja schon ohne das, und weiter hab' ich nichts; für alle schöne Stunden, für alle Ihre Reize, für alle Ihre Liebe, für alles, was Sie geben, hab' ich nichts als nur dieses treue, glückliche, warme Herz ....

Ja, ich habe nur dieses; aber wenn der göttliche Funke der höchsten Liebe im Menschen-Herzen glühen kann, so ruht er in meinem und brennt für die, die ich nur lieben, aber nicht belohnen kann. – Du höherer Funke wirst in meinem Herzen für sie fortglimmen, wenn es Tränen überschwemmen, oder Unglück zusammendrückt, oder der Tod einäschert .... Beata! auf der Erde kann kein Mensch dem andern sagen, wie er ihn liebe. Die Freundschaft und die Liebe gehen mit verschlossenen Lippen über diese Kugel, und der innere Mensch hat keine Zunge. – Ach, wenn der[333] Mensch draußen im ewigen Tempel, der sich bis an die Unendlichkeit hinaufwölbt, mitten im Kreise von singenden Chören, heiligen Stätten, opfernden Altären, vor einem Altare betäubt niederfallen und beten will: o so sinkt er ja so gut wie seine Träne zu Boden und redet nicht! – Aber die gute Seele weiß, wer sie liebt und schweigt, sie übersieht das stille Auge nicht, das sie begleitet, sie vergisset das Herz nicht, das stärker klopft und doch nicht reden kann, und den Seufzer nicht, der sich verbergen will. – Aber, Beata, doch! – wenn einmal dieses Auge und dieses Herz ihr Schweigen geendigt, wenn sie in der seligsten Stunde mit allen Kräften der liebenden Natur zur geliebten Seele haben sagen dürfen: ›Ich liebe dich‹: so ists hart und schwer, wieder stumm zu werden, es tut so wehe, das emporgehobne flammende drängende Herz wieder in eine enge kalte Brust zurückzudrücken – dann will im Innersten die stille Freude in stillen Kummer zerrinnen und schimmert traurig in diesen, wie der Mond in den Regenbogen, den die Nacht aufrichtet .... Beata! ich kann keine Bitten haben und keine wagen; ich kann mir das Eden malen, das mir Beatens Blicke und Worte geben können, aber ich darf es nicht begehren; ich muß ans Ufer des Silberschattens, der uns schon im Traum und jetzo wie ein breiter Strom im Leben scheidet, mich mit allen meinen Wünschen heften; aber, Teuere, wenn ichs nicht zuweilen höre, wem das kostbarste Herz sich geschenket hat, wie soll ich den Mut behalten, es zu glauben? – Wenn ich dieses holde Herz unter so viel guten und erhöhten Menschen erblicke und dann zu mir sagen muß: ach ihr alle verdient es gleichwohl nicht: so sinkt ein freudiges Staunen auf mich, daß es meiner Seele sich gegeben, und ich glaub' es kaum. Geliebte! tausend waren Deiner würdiger; aber keiner wäre durch Dich glücklicher geworden, als ich es bin!«


*


Das Schwerste war jetzt, den Brief auf andern Flügeln als unter denen einer Brieftaube – Venus hing wahrscheinlich einen Postzug Brieftauben ihrer Gondel vor – an Ort und Stelle zu schaffen. Zu so etwas sah er keine Möglichkeit, weil er unter allen Möglichkeiten[334] solche am schwersten sieht. – Meine Schwester sieht solche am leichtesten.

– Es gab sich alles in der Komödienprobe.

Ordentliche Komödien werden nämlich nicht, wie ihre Schwestern, die politischen, aufgeführt, ohne probiert zu sein. Ich will gern zwischen der Komödienprobe und der Komödie einen so schmalen papiernen Zwischenraum als möglich lassen; aber der Leser muß seines Orts auch behend zublättern und nicht sowohl die Hände in den Schoß legen als das Buch. Die Probe war im alten Schlosse – Oefel machte seine Sache gut genug – Beata noch besser – und Gustav am aller- schlechtesten. Denn die Gesichter des Fürsten und der Ohnmächtigen setzten wie Salpetersäure und Salz sein Herz fast zu einem Eiskegel um; vor manchen Menschen ist man schlaff und unfähig, begeisterte Gefühle zu haben. – Sonderbar! nur die seinigen, aber nicht Beatens ihre wurden von dieser durchs Theater streichenden Nordluft erkältet. Es ist aber doch nicht sonderbar; denn die Liebe wirft den Jüngling aus seinem Ich hinaus unter andre Ich, das Mädchen aber aus fremden in das ihrige hinein. Kaum oder wenig nahm Beata die Approchen des regierenden Akteurs oder agierenden Regenten wahr – Oefel aber sah es und dachte seinem Siege über den hohen Nebenbuhler nach –, welcher sich ihr in einer nicht sehr großen Schneckenlinie näher drehte, was er an Hofdamen gewohnt war, die nur in der Jugend ihre Tugend à la minutta weggeben, im Alter hingegen einen größern Handel damit in grosso treiben. Ich sagte eben etwas von einer Schneckenlinie, weil ich einen Einfall im Kopfe hatte, der so heißet: daß Weiber von Welt und die Sonne die Planeten unter dem Schein, sie in einem Kreise um ihre Strahlen herumzulenken, in der Tat in einer feinen Schneckenlinie zu ihrer brennenden Oberfläche hinanreißen.

Mitten im Probe-Drama, gerade als Gustav oder Henri der Marie das leere Papier als ein Diplom hinreichte, das ihre Verwandtschaft für null erklärte, fiel ihm das als Henri ein, was einem andern längst als Gustav eingefallen wäre, daß auf dem leeren Papier etwas könnte geschrieben stehen, und zwar das beste Etwas, sein Liebebrief, den wir schon längst gelesen haben. Kurz er nahm[335] sich vor, seinen Brief in der Gestalt jenes Diploms ihr im Drama zuzustecken, wenns nicht anders zu machen wäre. Sogar das Romantische des Entschlusses, seine theatralische Rolle in seine wirkliche hineinzuziehen und so vielen Zuschauern eine andre Täuschung zu machen als eine poetische, hielt ihn nicht ab, sondern trieb ihn an. Ich will es nur gestehen, lieber Gustav – und fiele mein Geständnis selber in deine Hände –, auf deine himmlische Bescheidenheit war der Honigtau des Beifalls, den du an einem solchen Orte nicht einmal für Schmeichelei, sondern bloß für eine Façon zu reden berechtigt warest anzusehen, zerstörend gefallen! Unter allen Dingen ist menschliche Bescheidenheit am leichtesten totgeräuchert oder totgeschwefelt, und manches Lob ist so schädlich wie eine Verleumdung. Im Narrenhause sehen wir, daß der Mensch andern aufs Wort glaubt, er sei närrisch1, und in Palästen sehen wir, daß er ihnen aufs Wort glaubt, er sei weise. – Überhaupt war Gustav – denn ein Mann ist oft an einem Abend bestimmt, nicht nur lauter schlechte Spiele hintereinander zu machen, sondern auch oft lauter unbedachtsame Streiche – am Komödienabend fast zu letztem ausersehen.

.... Endlich ist Bousens Geburtfest da .... Mein Gustav! – Noch heute weinen deine Augen nach!

Das Fest zerspällt sich in drei Gänge – Comédie – Souper – und bal paré. Im Grunde ist noch ein vierter Gang: ein Fall.

Am Tage des Drama leerte sich das neue Schloß in das fürstliche zu Oberscheerau aus. Gustav dachte unterwegs (im Wagen Oefels) an seinen Brief, den er übergeben wollte, und an den guten Doktor Fenk ein wenig; aber die abgekürzten Tage gaben ihm zu Besuchen keine Muße. Sein Fehler war, daß die Gegenwart vor ihm allemal wie ein Wasserfall alle ferne Laute überrauschte, – und er wäre vielleicht nicht einmal zu mir gekommen, wenn[336] mich mein beschwerter juristischer Arbeittisch in die Stadt gelassen hätte.

Er sah seine Marie – zehnmal hunderttausend neue Reize .... ich will aber über mich herrschen: so viel ist psychologisch wahr, daß ein bekanntes Mädchen uns an einem fremden Orte auch fremd, aber nur desto schöner wird. Dieses hatte Beata mit der strahlenden Residentin gemein, aber ein gewisser Hauch von bescheidner Furchtsamkeit verschönerte sie mit seinem Schleier allein. Warum war Gustav diesesmal von ihr verschieden? Darum: die männliche Blödigkeit liegt bloß in der Erziehung und in Verhältnissen; die weibliche tief in der Natur – der Mann hat innerlichen Mut und bloß oft äußerliche Unbehülflichkeit; die Frau hat diese nicht und ist dennoch scheu – jener drückt seine Ehrfurcht durch Hinzutreten, diese durch Zurückweichen aus.

Die Ohnmächtige, die sogenannte Défaillante, oder die Ministerin heute ausgenommen! Ihr Winken und Blinken, ihr Lispeln und Zappeln, ihr Witzeln und Kitzeln, ihr Fürchten und Wagen, ihr Kokettieren und Persiflieren – wie soll das der einbeinige Jean Paul biographisch kopieren in gemeiner schlechter Prose? – Gleichwohl ists gar nicht anders zu machen, und er muß. Wenn die bunten Köpfe der Weiber im großen Garten der Natur die blauen, roten Glaskugeln auf lackierten Stativen vorzustellen hätten (welches unter hundert Männern nicht einer glaubt): so würd' ich in meiner Schilderung so fortfahren: der Ministerin ihrer war nicht übel, sondern bunt; dieser Kopf war ein kurzer pragmatischer Auszug aus zehn andern Köpfen, die nämlich Haare, Zähne, Federn dazu zusammenschossen.

Sie war eine Antike von großer Schönheit, die aber nach den Verwüstungen der Jahre und Menschen nicht mehr unbeschädigt zu haben war; sie mußte also durch geschickte Bildhauer mit neuen Gliedern – z.B. Busen, Zähnen – ergänzet werden.

Auf den Wangen war die Legierung mit Rot, die tiefere Nachbarschaft wurde mit Weiß2 legiert.

Diejenigen Zähne, die den Menschen in die Reihe der grasfressenden[337] Tiere setzen, die Schneidezähne, waren um so mehr so weiß wie Elfenbein, weil sie selber eines waren, und waren aus dem Munde eines grasfressenden Tieres; – ich mag nun darunter einen Elefanten oder einen gemeinen Mann verstehen, der die Zähne, die er als Ableger einem edlern Stamm einimpfet, selten in etwas anders als Vegetabilien setzet: so ist doch so viel gewiß, daß kein andrer Nachsatz dieses Periodens herpasset als der: sie hatte noch einmal so viel Zähne als andre Christinnen, und zwei Goldfäden dazu, weil der Zahnarzt die einen allemal im Hause und unter der Bürste hatte, während die an dern die Dental-Buchstaben aussprachen.

Da man nach den neuesten Lehrbüchern die Trigonometrie und die Busen bloß in ebene und sphärische einteilen kann, und da sie ganz die scheinbare Wahl vor sich hatte: so zog ihr meßkünstlicher Geist diejenigen Größen, die dem Meßkünstler die meiste Anstrengung und das meiste Vergnügen geben, vor – die sphärischen.

Der Anzug selber suchte, von den Schuhrosetten bis zu den Hutrosetten, seinen Wert in der Form weit weniger als in der Materie und konnte mithin weniger mit den Augen als auf Juwelier-Waagen geschätzet werden, weniger nach Schönheitlinien als nach Karats – es blieb also zwischen ihr und ihrer gesetzgebenden Puppe immer ein Unterschied; übrigens mußte sie sich nach dieser so gut wie jede andre tragen. Ich will nur ein Wort zu seiner Zeit über die Puppen sagen.


*


Das Wort über die Puppen

Diese Hölzer haben bekanntlich die gesetzgebende Macht über den schönern Teil der weiblichen Welt in Händen; denn sie sind die Legaten und Vizeköniginnen, welche aus Paris von der im Putz regierenden Linie abgeschickt werden, damit sie die weiblichen deutschen Kreise regieren – und diese hölzernen Plenipotentiare senden wieder ihre Köpfe (Haubenköpfe) als missi regii weiter herunter, damit diese die gemeinem Honoratiorinnen beherrschen.[338] Können diese regierenden Häupter von Holz nicht selber kommen: so schicken sie – wie lebende Fürsten im geheimen Rate ihre Stelle durch ihr Porträt versehen lassen – ihre Gesetze und ihre Bildnisse in Schmaußens Corpus aller Reichsabschiede der Mode, welches Corpus wir alle unter dem Namen Modejournal in Händen haben. Bei solchen Umständen – da ein Holz dem andern in die Hände arbeitet, aber uneigennütziger als ganze Kollegien, da ferner jährlich neue wie die Prokonsule gewählet werden – wunder' ich mich nicht, daß es mit dem Regimentwesen an den Toiletten gut bestellet ist, und daß das ganze weibliche gemeine Wesen, das Männer nicht beherrschen können, von den in Baßgeigenfutteralen geschickten Wahlregentinnen, die in dieser Aristokratie von Petersburg bis nach Lissabon stehen und lenken, vortrefflich in Ordnung und unter Gesetzen erhalten wird. – –

Ich bin der Mann nicht, dem man es erst zu sagen braucht, daß die Puppen, auch die hölzernen, überkleidete Statuen sind, die man verdienten Frauen (in Rücksicht des Anzugs) setzet; – vielmehr bin ich überzeugt, daß diese öffentlichen Denkmäler, die man dem ankleidenden Verdienste errichtet, schon recht viele zur Nacheiferung angefrischet haben und hoffentlich noch mehre anfrischen werden, da ein großer Mann selten so viel Gutes wirkt als seine Statue, die man verehrt; aber ein Hauptpunkt, ohne den sonst alles hinkt, ist offenbar der, daß die Statuen zu – sehen sein müssen. Ohne den geb' ich keinen Deut für alles. Was Sokrates an der Philosophie tat, möcht' ich an den besten Puppen tun und sie vom Himmel der Großen auf die Erde des Pöbels ziehen. Ich meine, daß, wenn man die Marienbilder oder auch selber Apostel und Heilige, die man in katholischen Kirchen bisher ohne den geringsten Nutzen und Geschmack aus- und anzog, vernünftiger und zweckmäßiger ankleidete, nämlich so wie die französischen Puppen – wenn die Kirche sich allemal jedes Monat des Modejournals kommen ließe und nach dessen farbigen Vorbildern die Marien (als Damen) und die Apostel (als Herrn) umkleidete und um die Altäre stellte: so würden diese Leute mit mehr Lust nachgeahmet und verehret werden, und man wüßte doch, weswegen[339] man in die Kirche ginge und was sie gerade in Paris oder Versailles anhaben; – man würde die Moden zu rechter Zeit erfahren, und selbst der Pöbel würde etwas Vernünftigeres umlegen, die Apostel würden die Flügelmänner des Anzugs und die Marie die wahre Himmel-Königin der Weiber werden. So müssen kirchliche Vorurteile zu Staats-Vorteilen genützet werden; ebenso wendete der Dominikaner-Mönch Rocco in Neapel (nach Münter) die Verschwendung, am Altar der Maria auf der Straße Lampen zu brennen, zur Vermehrung dieser Gassen-Altäre und zur – Straßen-Erleuchtung an.


Ende des Worts über die Puppen


Ich bin dem Leser noch die Ursache schuldig, aus der die Ministerin sich zur Jeannen-Rolle drängte – es war, weil ihre Rolle ihr einen kürzern Rock erlaubte, – oder mit andern Worten, weil sie alsdann ihre lilliputischen Grazien-Füße leichter spielen lassen konnte. An ihrer Schönheit waren sie das einzige Unsterbliche, wie am Achilles das einzige Sterbliche; in der Tat hätten sie, wie des Damhirschchen seine, zu Tabakstopfern getaugt.

Wie viel besser nahm sich Oefel aus! Der ist ein Narr geradezu, aber in gehörigem Maße. Die Residentin überholte jene in jeder Biegung des Arms, den ein Maler, und in jeder Hebung des Fußes, den eine Göttin zu bewegen schien; sogar im Auflegen des Rots, woran die Bouse ihre Wangen bei einer Fürstin angewöhnen mußte, welche von allen ihren Hofdamen diese flüchtige Fleischgebung zu fodern pflegte – ihr Rot bestreifte, wie der Widerschein eines roten Sonnenschirms, sie nur mit einer leisen Mitteltinte .... In Rücksicht der Schönheit unterschied sich die ihrige von der ministeriellen, wie die Tugend von der Heuchelei ....

Das Drama wurde von den fünf Spielern nicht im Operhause, sondern in einem Saale des Schlosses, der die Krönung der Residentin begünstigte, in die Welt geboren. Ich war nicht dabei; aber man hinterbrachte mir alles. Die gute Marie, Beata, hatte zu viele Empfindung, um sie zu zeigen; sie fühlte, daß sie die Wiederholung ihres Schicksals dramatisiere, und sie besaß zu viele von den[340] guten Grundzügen des weiblichen Charakters, um sie vor so vielen Augen zu entblößen. Ihre beste Rolle spielte sie also innerlich. Henri, Gustav, spielte außer der innerlichen auch die äußerliche gut, aus der nämlichen Ursache. Nebst der Musik isolierte und hob ihn gerade die Menge, die ihn umsaß, aus der Menge; und das Feierliche gab seinen innern Wellen die Stärke und Höhe, um die äußern zu überwältigen. Der Brief, den er überreichen wollte, verwirrte seine Rolle mit seiner Geschichte, die ich schreibe; und das falsche Lob, das die Ministerin seiner neulichen Proberolle aus eben der unüberzeugten Affektation gegeben hatte, woraus sie die ihrige überspannte, half ihm wahres ernten. – Der blödeste Mensch ist, wenn viel Phantasie unter seinen Taten glimmt, der herzhafteste, wenn sie emporlodert. –

Es wäre lächerlich, wenn mein Lob von der Wärme seines Spiels bis zur Feinheit desselben ginge; aber die Zuschauer vergaben ihm gern, weil die Armut an letzter3 sich mit dem Reichtum an erster verband, um sie in die Täuschung zu ziehen, er sei von – Lande und bloß Henri. –

Dieses Feuer gehörte dazu, um seiner geliebten Marie Beata an der Stelle, wo er ihr die Brüderschaft aufkündigt, den wahren Liebebrief zu geben – sie faltete ihn zufolge ihrer Rolle auf – unendlich schön hatt' er die sein ganzes Leben umschlingende Worte gesagt: »O doch, ich bin ja dein Bruder nicht« – sie blickte auf seinen Namen darin – sie erriet es schon halb aus der Art der Übergabe (denn sicher mankierte noch kein Mädchen einer männlichen List, die es zu vollenden hatte) – aber es war ihr unmöglich, in eine verstellte Ohnmacht zu fallen – denn eine wahre befiel sie – die Ohnmacht überschritt die Rolle ein wenig – Gustav hielt alles für Spaß, die Ministerin auch und beneidete ihr die Gabe der Täuschung. – Henri weckte sie bloß mit Mitteln, die ihm sein Rollen-Papier vorschrieb, wieder auf, und sie spielte in einer Verwirrung, die der Kampf aller Empfindungen, der Liebe, der Bestürzung und der Anstrengung, gebar, und in einer andern als theatralischen[341] Verschönerung bis zu Ende Henris Geliebte, um nicht Gustavs seine zu spielen. Nach dem Spiele mußte sie allen übrigen Lustigkeiten des heutigen Abends entsagen und in einem Zimmer, das ihr der Fürst so wie der Doktor mit vielem empressement aufdrang, Ruhe für ihre nachzitternden Nerven und im Briefe Unruhe für ihren schlagenden Busen suchen. Ich hebe, Teure, den Vorhang immer höher auf, der damals noch das verhüllte, was jetzt deinen Nerven und deiner Brust die Ruhe nimmt!

Gustav sah nichts; an der Tafel, woran er sie vermißte, hatt' er nicht den Mut, seine fremden Nachbarinnen um sie zu fragen. Andre Dinge fragt' er kühner heute; nicht bloß der heutige Beifall war eine Eisen- und Stahlkur für seinen Mut gewesen, sondern auch der Wein, den er nicht trank, sondern aß an den närrischen Olla Potridas der Großen. Dieses gegessene Getränk feuerte ihn an, die Bonmots wirklich zu offenbaren, die er sich sonst nur innerlich sagte. Und hier bezeug' ich öffentlich, daß es mich noch bis auf diese Minute kränkt, daß ich sonst bei meinem Eintritte in die große Welt ein ähnlicher Narr war und Dinge dachte, die ich hätte sagen sollen. – Besonders bereu' ich dies, daß ich zu einer Tranchee-Majorin, die ihr kleines Mädchen an der Hand und eine Rose, aus deren Mitte eine kleine gesprosset war, am Busen hatte, nicht gesagt habe: Vous voilà! und daß ich nicht auf die Rose gewiesen, ob ich gleich das ganze Bonmot schon fertig gegossen im Kopfe liegen hatte. Ich führte nachher die Saillie lange in den Gehirnkammern herum und paßte auf, brennte sie aber zuletzt doch auf eine recht dumme Weise los und darf die Person hier nicht einmal nennen.

Da eine Winterlandschaft mit einem künstlichen Reife, der in der Wärme des Zimmers zerfloß und einen belaubten Frühling aufdeckte, unter den Schau-Gerichten, den optischen Prunk-Gerichten der Großen, mit stand: so hatte Gustav einen hübschen Einfall darüber, den man mir nicht mehr sagen konnte. Gleichwohl ob er gleich unter dem schönsten Deckenstücke und auf dem niedlichsten Stuhle aß: so nahm er doch, als ein bloßer Hof-Anhänger, an allem Anteil, was er sagte, und an jedem, mit dem er sprach; dir war noch, du Seliger, keine Wahrheit und kein Mensch gleichgültig.[342] Aber er steht dir noch bevor, jener herbe Übergang von Haß und Liebe zur Gleichgültigkeit, welchen alle auszustehen haben, die mit vielen Menschen oder mit vielen Sätzen, für die sie kalt bleiben müssen, sich abgeben!

Die Residentin zog seine scheuen Talente heute mehr als sonst ans Licht und beschönigte den Anteil, den sie an ihm nahm, leicht mit seinen Theater-Verdiensten um sie. – Endlich fing das dritte Schauspiel an, worin mehre als in den beiden andern glänzen konnten; denn es wurde nur mit den Füßen gespielt – der Ball kam. Tanzen ist der weiblichen Welt das, was das Spielen der großen ist – eine schöne Vakanzzeit der Zungen, die oft unbeholfen, oft gefährlich werden. Für einen Kopf wie der Gustavische, der so viele Bestürmungen seiner Sinne heute zum ersten Male erfahren, war ein Tanzsaal ein neues Jerusalem. – In der Tat ein Tanzsaal ist etwas; sehet in den hinein, wo Gustav springt! Jedes Saiten- und Blasinstrument wird zum Hebebaum, der die Herzen aus dem kargen mißtrauischen Alltagleben aufhebt: – die Tänze mengen die Menschen wie Karten in- und auseinander, und die tönende Atmosphäre um sie fasset die trunkne Masse in eines ein – so viele Menschen und zu einem so freudigen Zwecke verknüpft, durch umringende Helldämmerung, geblendet, durch ihre klopfenden Herzen begeistert, müssen den Freudenbecher wenigstens kredenzen, welchen Gustav gar austrank; denn ihn, dem jede Dame eine Dogaressa4 ist, begeisterte jede Hand-Berührung, und der Tumult von außen weckte seinen ganzen innern so auf, daß die Musik, wie zurückprallend, ihren äußern Geburtort verließ und nur in seinem Innern unter und neben seinen Gedanken zu entspringen und herauszutönen schien .... Wahrhaftig wenn man seine Ideen um einen lodernden Kronleuchter herumträgt, so werfen sie ein ganz anderes Licht zurück, als wenn man damit vor einer ökonomischen Lampe hockt! In phantasiereichen Menschen liegen, wie in heißen Ländern oder auf hohen Bergen, alle Extreme enger aneinander: bei Gustav wollte jeden Augenblick die Entzückung zur Wehmut werden und die Freude zur Liebe, und alle die Empfindungen, die ihm die Tänzerinnen einflößten, wollt'[343] er seiner Einzigen bringen, die einsam wegstand. Gleichwohl war ihm, als würde sie durch diese alle nicht sowohl als durch die Residentin ersetzt. Sogar durch das Drama, das mit dieser sich geschlossen und worin er für ihre Krönung gespielet, wurde sie ihm lieber; ja ihr heutiger Geburttag selber war einer ihrer Reize in seinen Augen. Anders oder vernünftiger empfindet der Mensch nie. Kurz die Residentin gewann bei allem, wessen ihn heute das Wegsein seiner Beata beraubte. Er hatte heute zum ersten Male von der Residentin, die er außerordentlich achtete, mehr angefasset als einen Handschuh – mehr, nämlich ihre Arm- und Rückenschienen, mit andern Worten ihr Kleid darüber: an Arm und Rücken, obwohl nicht an Händen, ist Bekleidung so viel wie keine. Gustav! philosophiere und schlafe lieber ....

Aus ist der bal paré – aber der Teufel geht erst an. Oefels Wagen fuhr hinter dem Bousischen; am letzten entzündet sich eine versäumte Radachse unter der unnützen Eiligkeit. Freilich wars Zufall, aber gewisse Menschen kennen keinen schlimmen, und ihre Absichten legen sich um jeden an. Oefel mußt' ihr seinen anbieten. Die gute Beata war in ihrem Krankenzimmer mit einer kleinen weiblichen Dienerschaft gelassen. Er nahm ein Pferd von dem Wagen der Residentin; ihr ließ er (ich weiß nicht, ob aus Galanterie gegen ihr Geschlecht oder aus Scharfsinn und Freundschaft für seines und für seinen Roman) meinen und ihren Helden. Ich wollt' es vor einem akademischen Senat ausführen, daß es für einen, der erst ein Engel werden will, nichts Fataleres gibt als mit einer, die er schon für einen hält, nachts aus einem Tanzsaale nach Hause zu fahren – dennoch wurde meinem Helden kein Haar gekrümmt, und er krümmte auch keines.

Aber verliebter wurd' er, ohne zu wissen in wen.

Beata hatte keine ebenso gefährliche Mitternacht oder Nachmitternacht; aber ich will erst seine abfertigen. Er kam mit der Residentin in ihrem – Zimmer an. Er konnte und wollte von seinen heutigen Szenen gar nicht los. Dieses Zimmer stellte ihm alle die vergangnen dar, und in den Saiten des Klaviers verbarg sich eine ferne geliebte Stimme und hinter der Folie des Spiegels eine ferne geliebte Gestalt. Sehnsucht reihete sich wie eine dunkle[344] Blume unter den bunten Freuden-Strauß; die Residentin gewann auch bei dieser dunkeln Blume. Sie war keine von den Koketten, welche die Sinne früher zu bewegen suchen als das Herz; sie fiel erst in dieses mit dem ganzen Heer ihrer Reize ein und führte nachher aus diesem, gleichsam in Feindes Land, den Krieg gegen jene. Sie selber war nicht anders zu erobern, als sie bekriegte. Wenn die Weiber der höhern Klasse, wie die Epigrammen, in solche, die Witz, und in andre, die Empfindung haben, einzuteilen sind: so glich sie mehr dem griechischen als dem gallischen Sinngedicht, wiewohl die griechische Ähnlichkeit täglich kleiner wurde. Die Maienluft ihres frühern Lebens hatte einmal eine weiße Blüte edler Liebe an ihr Herz geweht, wie oft ein Blütenblatt zwischen die gebeizten Federn oder Brillanten-Blumen des Damenhuts herunterzittert – aber ihr Stand formte bald ihren Busen zu einem Potpourri um, auf dem gemalte Blumen der Liebe und in welchem ein faulender Blüten-Schober ist. Alle ihre Verirrungen blieben jedoch in den engern und schönern Grenzen, an denen eine unsichtbare Hand eines unauslöschlichen Gefühles sie anhielt. Die Ministerin hatte dieses Gefühl nie gehabt, und ihre Herzens-Schreibtafel wurde immer schmutziger, je mehr sie hineinschrieb und herauswischte. Diese konnte durchaus keinen edlen Men schen blenden; jene konnt' es.

Jetzo nach dieser Abschweifung kann der Leser nicht mehr irre werden, wenn Bousens Betragen gegen Gustav weder aufrichtig noch verstellt, sondern beides ist. Sie zeigte ihm das Nachtstück, das der russische Fürst dagelassen und das sie der richtigern Beleuchtung wegen in ihrem Kabinette aufgehangen hatte. Es stellte bloß eine Nacht, einen aufgehenden Mond, eine Indianerin, die ihm auf einem Berge entgegenbetet, und einen Jüngling vor, der auch Gebet und Arme an den Mond, die Augen aber auf die geliebte Beterin an seiner Seite richtete; im Hintergrund beleuchtete noch ein Johanniswürmchen eine mondlose Stelle. Sie blieben im Kabinett, die Residentin verlor sich in die gemalte Nacht, Gustav sprach darüber; endlich erwachte sie schnell aus ihrem Schauen und Schweigen mit den schlaftrunknen Worten: »Meine Geburtfeste machen mich allemal betrübt.« Sie zeichnete ihm zum Beweise[345] fast alle dunklern Partien ihrer Lebensgeschichte vor; das Trauer-Gemälde nahm seine Farben von ihrem Auge und ihrer Lippe, und seine Seele von ihrem Ton, und sie endigte damit. »Hier leidet jeder allein.« Er ergriff in mitfühlender Begeisterung ihre Hand und widerlegte sie vielleicht durch einen leisen Druck.

Sie ließ ihm die Hand mit der unachtsamsten Miene; schien aber bald eine Laute neben ihnen, die sie ergriff, zum Vorwand zu nehmen, um die schöne Hand zurückzuführen. »Ich war nie unglücklich,« fuhr sie bewegt fort, »solange mein Bruder noch lebte.« Sie nahm nun das Bild desselben, das sie auf ihrem schwesterlichen Busen trug, nach einer leichten, aber notwendigen Enthüllung hervor und teilte es karg seinen Augen mit, und freigebig den ihrigen. Ob Gustav bei der Enthüllung so verschiedner Geheimnisse bloß auf das gemalte Brustbild hingesehen – das beurteilt mein Konrektor und sein Fuchspelzrock am vernünftigsten, welcher glaubt, es gebe keine schönere Ründe als der Perioden ihre, und keine neuern Evas-Äpfel als die im Alten Bunde. Mein Pelz-Konrektor hat gut vordozieren; aber Gustav, der der trauernden Residentin gegenübersitzt, welche sonst bloß die Form, nie die Farbe jener umlaubten verbotnen Frucht erraten ließ, hat schwer lernen.

Die wenigsten wären, wie ich und der Konrektor, imstande gewesen, ihr das Bild eigenhändig wieder einzuhändigen.

»Dieses Kabinett«, sagte sie, »lieb' ich, wenn ich traurig bin. Hier überraschte mich mein Alban (Name des Bruders), da er aus London kam – hier schrieb er seine Briefe – hier wollt' er sterben, aber der Arzt ließ ihn nicht aus seinem Zimmer.« Sie ließ unbewußt einen in die Luft versinkenden Akkord aus ihrer Laute schlüpfen. Sie blickte Gustav träumerisch an, ihr Auge umzog sich mit immer feuchterem Schimmer. »Ihre Schwester ist noch glücklich!« sagte sie mit einem Trauerton, der allmächtig ist, wenn man ihn das erstemal von schönen und sonst lachenden Lippen hört. »Ach ich wollte,« (sagte er mit sympathetischem Kummer) »ich hätte eine Schwester.« – Sie sah ihn mit einer kleinen forschenden Verwunderung an und sagte. »Auf dem Theater machten Sie heute gerade die umgekehrte Rolle gegen die nämliche Person.« Dort[346] nämlich gäb' er sich fälschlich für einen Bruder der Beata, hier fälschlich für keinen aus, oder vielmehr, hier kündige er ihr seine Liebe auf. Sein fragendes Erstaunen hing an ihrem Munde und schwebte ängstlich zwischen seiner Zunge und seinem Ohre. Sie fuhr gleichgültig fort: »Freilich sagt man, daß leibliche Brüder und Schwestern sich selten lieben; aber ich bin die erste Ausnahme; Sie werden die zweite sein.« Sein Erstaunen wurde Erstarren ....

Es würde dem Publikum auch so gehen, wenn ich nicht einen Absatz machte und es belehrte, daß die Residentin gar wohl die Lüge geglaubt haben kann (im Grunde muß), die sie ihm sagte. – Leute ihres Standes, denen das Furioso der Lustbarkeiten-Konzerts immer in die Ohren reißet, hören unebenbürtige Neuigkeiten nur mit tauben oder gar halben – sie kann mithin noch leichter als der Leser (und wer steht mir für den?) den verlornen Sohn der Röperin und des Falkenbergs mit dem gegenwärtigen der Rittmeisterin und des Falkenbergs vermenget haben. – Ihr bisheriges Betragen ist so wenig wider meine Vermutung, als das bisherige des angeblichen Geschwisterpaars gegen ihre war; gleichwohl kann ich mich verrechnen.

Dieses Verrechnen wird aber durch ihr weiteres Betragen ganz unwahrscheinlich. Seine Verlegenheit gebar ihre; sie bedauerte ihre Voreiligkeit, ein Geschwisterpaar für glücklich und liebend gepriesen zu haben, das sich meide und ungern von seinen Verhältnissen spreche. Sie verbarg mit ihren Mienen ihre Absicht nicht, das Gespräch abzulenken, sondern zeigte sie mit Fleiß; aber zu ihrem Kummer, keinen Bruder zu haben, gesellete sich der Kummer, daß Gustav zwar eine Schwester habe, aber nicht liebe, und sie drückte ihre Sympathie mit dem ähnlichen Unglück auf ihrer Laute immer schöner und leiser aus. Gustavs getäuschte Seele, auf der noch das heutige Fest mit seinem Glanze stand, überzogen die heftigsten und unähnlichsten Wogen – Mißtrauen kam nie in sein Herz, ob er gleich in seinem Kopfe genug davon zu haben meinte – jetzt hatt' er die Wahl zwischen dem Throne und dem Grabe seiner heutigen Freude.

Denn starke Seelen kennen zwischen Himmel und Hölle nichts – kein Fegefeuer, keinen limbus infantum.[347]

Die Residentin entschied sein Schwanken. Sie nahm sein Mienen-Chaos (- oder schien es, weil ich nicht das Herz habe, der Schöppenstuhl und die letzte Instanz so vieler tausend Leser zu sein –) für die doppelte Verlegenheit und Betrübnis über die Kälte, womit seine (angebliche) Schwester ihn behandle, und über seine Familiengeschichte. Sie hatte bisher in seinen Augen ein Sehnen gefunden, das schönere Reize suchte als die übrigen Hof-Augen – sie hatte den Morgen, wo er Amandus' Grab erbat, und die Augen voll Liebe, die er vor ihr trocknete, in ihrem gefühlvollen Herzen aufbewahrt – folglich goß sie den zärtlichsten Blick auf seinen heißen – zog die zärtlichste Stimme ihrer sympathetischen Brust aus ihren Lauten-Saiten – wollte zuhüllen ihr pochendes Herz – und konnte nicht einmal sein Schlagen verstecken – und fiel, als er die Bewegung des heftigsten Affektes machte, verloren, hingerissen, mit zitterndem Auge, mit überwältigtem Herzen, mit irrender Seele und mit dem einzigen großen langsamen, tief heraufgeseufzeten Laute: »Bruder!!« an – ihn.

Er an sie! ... Sie fühlte das erstemal in ihrem Hofleben eine solche Umarmung; er das erstemal eine empfangne; denn an Beatens reinem Herzen hatt' er ihre Arme nie gefühlt. O Bouse! hättest du ihr doch geglichen und wärest eine Schwester geblieben! Aber – – du gabest mehr, als du bekamest, und reizetest zum Nehmen – du rissest ihn und dich in einen verfinsternden Gefühl-Orkan – an deinem Busen verlor er dein Gesicht – dein Herz – sein eignes – und als alle Sinne mit ihren ersten Kräften stürmten, alles, alles .....

Schutzgeist meines Gustavs! Du kannst ihn nicht mehr retten; aber heil ihn, wenn er verloren ist, wenn er verloren hat, alles, seine Tugend und seine Beata! Ziehe, wie ich, den traurigen Vorhang um seinen Fall und sage sogar zur Seele, die so gut ist wie seine: »Sei besser!«

Ehe wir zur Seele gehen, der ers sagt, zu Beata, wollen wir wenigstens einen einzigen Verteidiger für den armen Gustav vernehmen, damit man ihn nicht zu tief verdamme. Der Verteidiger gibt bloß dieses zu bedenken: wenn die Weiber so leicht zu besiegen sind, so ist es, weil in allen Krieg-Verhältnissen der angreifende[348] Teil die Vorteile vor dem angegriffenen voraushat; kehret sich aber einmal der Fall um, und tritt eine Versucherin statt eines Versuchers auf: so wird derselbe Versuchte, der nie eine Unschuld angefeindet hätte, die seinige verlieren in der ungewöhnlichen Umkehrung der Verhältnisse, und zwar um so leichter, je mehr die weibliche Versuchung zärter, feiner und durchdringender ist als die männliche. Daher verführen zwar Männer; aber Jünglinge werden gewöhnlich anfangs verführt – und eine Versucherin bildet zehn Versucher.

Verzeihe, reine Beata, uns allen den Übergang zu dir! – Du hütest in dieser Spätnacht ein Zimmer des fürstlichen Schlosses ganz einsam, aber mit Freuden an Freuden; denn du hattest Gustavs Brief an dich in der Hand und an der Brust; und im ganzen Palast war heute die kränklichste Seele die glücklichste; denn der Brief, den sie einsam lesen, küssen, ohne innere und äußere Stürme ausgenießen konnte, leuchtete ihrem zarten Auge milder als die Gegenwart des Gegenstandes, dessen Glühfeuer erst durch eine Entfernung zur wehenden Wärme fiel; seine Gegenwart überhäufte sie mit Genuß zu sehr, und sie umarmte da jeden Augenblick den Genius ihrer Tugend, wenn sie glaubte, bloß ihren Freund zu umfassen. – In dieser Lenz-Entzückung, als sie in der einen Hand den Brief und in der andern den Genius der Tugend hatte, störte sie der scheerauische – Fürst. So schiebt sich auf dem Bauch eine Kröte in ein Blumenbeet.

Einer Frau wird ihr Betragen in solchem Fall nur dann schwer, wenn sie noch unentschlossen zwischen Gleichgültigkeit und Liebe schwankt; oder auch wenn sie trotz aller Kälte aus Eitelkeit doch gerade so viel bewilligen möchte, daß die Tugend nichts verlöre und die Liebe nichts gewönne; – hingegen im Fall der vollendeten tugendhaften Entschlossenheit kann sie sich frei der innern Tugend überlassen, die für sie kämpfet, und sie braucht kaum über Zunge und Mienen zu wachen, weil diese schon verdächtig sind, wenn sie eine Wache begehren. – Die Art, wie Beata den Brief einsteckte, war der einzige kleine Halbton in dieser vollen Harmonie einer gerüsteten Tugend. Der scheerauische Thron-Insaß entschuldigte seine Erscheinung mit seiner Sorgfalt für ihre[349] Gesundheit. Er setzte sein folgendes Gespräch aus der französischen Sprache – der besten, wenn man mit Weibern und mit Witzigen sprechen will – und aus jenen Wendungen zusammen, mit denen man alles sagen kann, was man will, ohne sich und den andern zu genieren, die alles nur halb und von dieser Hälfte wieder ein Viertel im Scherze und alles mehr verbindlich als schmeichelnd und mehr kühn als aufrichtig vortragen.

»So hab' ich Sie« – sagt' er mit einer verbindlichen Verwunderung – »heute den ganzen Abend in meinem Kopfe abgemalt gesehen; meine Phantasie hat Ihnen nichts genommen, außer die Gegenwart. – Wenn das Schicksal mit sich reden ließe: so hätt' ich auf dem ganzen Ball mit ihm gezankt, daß es gerade der Person, die uns heute so viel Vergnügen gab, das ihrige nahm.«

»O« – sagte sie – »das gute Schicksal gab mir heute mehr Vergnügen, als ich geben konnte.« Obgleich der Fürst unter die Personen gehört, mit denen man über nichts sprechen mag: so sagte sie dieses doch mit Empfindung, die aber nichts als ein Dank ans Schicksal für die vorherige frohe Lese-Stunde war.

»Sie sind« (sagt' er mit einer feinen Miene, die einen andern Sinn in Beatens Rede legen sollte) »ein wenig Egoistin. – Das ist Ihr Talent nicht – Ihres muß sein, nicht allein zu sein. Sie verbargen bisher Ihr Gesicht wie Ihr Herz; glauben Sie, daß an meinem Hofe niemand wert ist, beide zu bewundern und zu sehen?« – Für Beata, die glaubte, sie hätte nicht nötig bescheiden zu sein, sondern demütig, war ein solches Lob so groß, daß sie gar nicht daran dachte, es zu widerlegen. Sein Blick sah nach einer Antwort; aber sie gab ihm überhaupt so selten als möglich eine, weil jeder Schritt die alte Schlinge mit in die neue trägt. Er hatte ihre Hand anfangs mit der Miene gesucht, womit man sie einem Kranken nimmt: sie hatte sie ihm gleichgültig gelassen; aber wie einen toten Handschuh hatte sie ihre in seine gebettet – alle seine Gefühlspitzen konnten nicht das geringste Regsame an ihr aushorchen; sie zog sie weder langsam noch hurtig bei der nächsten Erweiterung aus der rostigen Scheide heraus.

Der Tanz, der Tag, die Nacht, die Stille gaben seinen Worten heute mehr Feuer, als sonst darin lag. »Die Lose« – sagt' er und[350] spielte pikiert mit einer Münze der Westentasche, um die geflohene Hand zu ersetzen – »sind unglücklich gefallen. Die Personen, die das Talent haben, Empfindungen einzuflößen, haben zum Unglück oft das feindselige, selber keine zu erwidern.« Er heftete seinen Blick plötzlich auf ihre Hemdnadel, an der eine Perle und das Wort »l'amitié« glänzte; er sah wieder auf seine bolognesische Münze, auf der wie auf allen bolognesischen das Wort »libertas« (Freiheit) stand. »Sie gehen mit der Freundschaft wie Bologna mit der Freiheit um – beide tragen das als Legende, was sie nicht haben.« – Die edleren Menschen können die Worte »Freundschaft, Empfindung, Tugend« auch von den unedelsten nicht hören, ohne bei diesen Worten das Große zu denken, wozu ihr Herz fähig ist. Beata bedeckte einen Seufzer mit ihrer steigenden Brust, der es nur gar zu deutlich sagen wollte, was Empfindung und Freundschaft ihr für Freuden und für Schmerzen gäben; aber den Fürsten ging er nichts an.

Sein haschender Blick, den er nicht seinem Geschlecht, sondern seinem Stande verdankte, erwischte den Seufzer, den er nicht hörte. Er machte auf einmal wider die Natur der Appellation und der Natur einen dialogischen Sprung: »Verstehen Sie mich nicht?« sagt' er mit einem Tone voll hoffender Ehrerbietung. Sie sagte kälter, als der Seufzer versprach, sie könne heute mit ihrem kranken Kopfe nichts tun, als ihn auf den – Arm stützen, und bloß der mache ihr es schwer, die Ehrfurcht einer Untertanin und die Verschiedenheit ihrer Meinungen von den seinigen mit gleicher Stärke auszudrücken. – Gleich Raubtieren haschte er, wenn Schleichen zu nichts führte, durch Sprünge. »O doch!« (sagt' er und machte Henris Liebeerklärung zur seinigen) »Marie! ich bin ja Ihr Bruder nicht.« Eine Frau gewinnt, wenn sie zu lange gewisse Erklärungen nicht verstehen will, nichts als – die deutlichsten. Er lag noch dazu in Henris Attitüde vor ihr. »Erlassen Sie mir«, antwortete sie, »die Wahl, es für Scherz oder für Ernst zu halten – außer dem Theater bin ich unfähiger, den Rosen-Preis zu verdienen oder zu vernachlässigen; aber Sie sinds, die Sie ihn überall bloß geben müssen.« – »Wem aber?« (sagt' er, und man sieht daraus, daß gegen solche Leute keine Gründe helfen) – »ich[351] vergesse über die Schönen alle Häßlichen und über die Schönste alle Schönen – ich gebe Ihnen den Preis der Tugend, geben Sie mir den der Empfindung – oder darf ich mir ihn geben?« und hastig zuckten seine Lippen nach ihren Wangen, auf denen bisher mehr Tränen als Küsse waren; allein sie wich ihm mit einem kalten Erstaunen, das er an allen Weibern wärmer gefunden hatte, weder um einen Zoll zu viel noch zu wenig aus und reichte bei ihm in einem Tone, in dem man zugleich die Ehrfurcht einer Untertanin, die Ruhe einer Tugendhaften und die Kälte einer Unerbittlichen fand, kurz in einem Tone, als hätte ihre Bitte mit dem Vorgegangnen gar keine Verbindung, auf diese Art reichte sie ihre untertänige Supplik ein, er möchte allergnädigst sich, da ihr der Doktor gesagt hätte, sie könne heute nichts Schlimmers tun als wachen, sich – wie ich mich ausgedrückt haben würde – zum Henker scheren. Eh' er so weit ging: badinierte er noch einige Minuten, kam darüber beinahe wieder in den alten Ton, legte seine Inhäsiv-Pro-Reprotestationen ein und zog ab.

Nichts als die Ruhe, die sie aus den Händen der Tugend und der – Liebe und des Gustavischen Briefes hatte, gab ihr das Glück, daß dieser Jakob oder Jack sich an diesem Engel eine Hüfte ausrenkte; – was freilich den matten Jaques um so mehr verdroß, je mehr der Engel sich unter dem Ringen verschönerte, da jede weibliche Unruhe bekanntlich ein augenblickliches Schmink- und Schönheitmittel wird.

In euerem ganzen Leben, Gustav und Beata, schluget ihr eure Augen nie mit so verschiednem Gefühl vor einem Morgen auf als an dem, wo sich Beata nichts und Gustav alles vorzuwerfen hatte. Über den ganzen versunkenen Frühling seines Lebens schlichtete sich ein langer Winter; er hatte außer sich keine Freude, in sich keinen Trost und vor sich statt der Hoffnung Reue.

Er riß sich mit so vieler Schonung, als seine Verzweiflung zuließ, von den Gegenständen seines Jammers los und jagte sein sprudelndes Blut nach Auenthal zu Wutz – in meine Stube. Ich sah an nichts mehr, daß er noch Gefühl und Leben hatte, als am Gewitterregen seiner Augen. – Er fing vergeblich an; unter Blut, Ideen und Tränen sanken seine Worte unter – endlich wandte er[352] sich, hochaufglühend, von mir gegen das Fenster und erzählte mir, auf einen Ort blickend, seinen Fall, den er von sich selbst heruntergetan. – Darauf, um sich an sich selber durch seine Beschämung zu rächen, ließ er sich ansehen, hielt es aber nicht länger aus, als bis er zum Namen Beata kam: hier, wo er mich zum ersten Male vor den gewichnen Blumengarten seiner ersten Liebe führte, mußt' er sich das Gesicht zuhüllen und sagte: »O ich war gar zu glücklich und bin gar zu unglücklich.«

Die Täuschung der Residentin, welche ihn für den Bruder Beatens gehalten, konnt' ich ihm leicht aus der Ähnlichkeit der Bildnisse von ihm und dem ersten Sohne ihrer Mutter erklären. – Zuerst sucht' ich ihm den wichtigsten Kredit wieder zu geben – den, den man bei sich selber finden muß: wer sich keine moralische Stärke zutrauet, büßet sie am Ende wirklich ein. Sein Fall kam bloß von seiner neuen Lage; an einer Versuchung ist nichts so gefährlich als ihre Neuheit; die Menschen und die Pendul-Uhren gehen bloß in einerlei Temperatur am richtigsten. – Übrigens bitt' ich die Romanenschreiber, die es noch leichter finden, als das Gefühl und die Erfahrung es bestätigen, daß zwei ganz reine seelenvolle Seelen ihre Liebe in einen Fall verwandeln, nicht meinen Helden zum Beweise zu nehmen; denn hier mangelte die zweite reine Seele; hingegen die Vereinigung aller Farben von zwei schönen Seelen (Gustavs und Beatens) wird immer nur die weiße der Unschuld geben.

Sein Entschluß war der, von Beaten sich auf immer in einem Briefe abzureißen – das Schloß mit allen Gegenständen, die ihn an seine schönen Tage oder an seinen unglücklichen erinnerten, zu verlassen – den Winter bei seinen Eltern, die ihn allemal in der Stadt zubrachten, zu verleben oder zu verseufzen und dann im Sommer mit Oefel die Karten zum Spiel des Lebens von neuem zu mischen, um zu sehen, was es noch, wenn die Seelenruhe verloren ist, zu gewinnen oder einzubüßen gäbe .... Schöner Unglücklicher! warum legt gerade jetzt deine gegenwärtige Geschichte, da ich mit ihr meine geschriebne zusammenführen könnte, Flöre um? Warum fallen gerade deine kurzen trüben Tage in die kurzen trüben des Kalenders hinein? O in diesem Trauer-Winter[353] wird mich keine Himmelleiter des Enthusiasmus mehr in die Höhe richten, um die Blüten-Landschaft deines Lebens zu überschauen und abzuzeichnen, und ich werde wenig von dir schreiben, um dich öfter in meine Arme zu nehmen!

Und ihr entsetzlichen Seelen, die ihr einen Fehltritt, an dem Gustav sterben will, unter eure Vorzüge und eure Freuden rechnet, die ihr die Unschuld nicht, wie er, selber verliert, sondern fremde mordet, darf ich ihn durch eure Nachbarschaft auf dem Papier besudeln? – Was werdet ihr noch aus unserem Jahrhundert machen? – Ihr gekrönten, gestirnten, turnierfähigen, infulierten Hämlinge! Davon ist die Rede nicht und ich hab' es nie getadelt, daß ihr aus euren Ständen die sogenannte Tugend (d.h. den Schein davon), die ein so spröder Zusatz in euren weiblichen Metallen ist, mit so viel Glasfeuer, als ihr zusammenbringen könnt, herausbrennt und niederschlagt – denn in euren Ständen hat Verführung keinen Namen mehr, keine Bedeutung, keine schlimme Folgen, und ihr schadet da wenig oder nicht – aber in unsere mittleren Stände, auf unsere Lämmer schießet, ihr Greif- und Lämmergeier, nicht herab! Bei uns seid ihr noch eine Epidemie (ich falle, wie ihr, in eine Vermischung, aber nur der Metaphern), die mehr wegreißet, weil sie neuer ist. Raubet und tötet da lieber alles andre als eine weibliche Tugend! – Nur in einem Jahrhundert wie unsers, wo man alle schönen Gefühle stärkt, nur das der Ehre nicht, kann man die weibliche, die bloß in Keuschheit besteht, mit Füßen treten und wie der Wilde einen Baum auf immer umhauen, um ihm seine ersten und letzten Früchte zu nehmen. Der Raub einer weiblichen Ehre ist so viel als der Raub einer männlichen, d.h. du zerschlägst das Wappen eines höhern Adels, zerknickst den Degen, nimmst die Sporen ab, zerreißest den Adelbrief und Stammbaum; das, was der Scharfrichter am Manne tut, vollstreckest du an einem armen Geschöpfe, das diesen Henker liebt und bloß seine unverhältnismäßige Phantasie nicht bändigen kann. Abscheulich! – Und solcher Opfer, welche die männlichen Hände mit einem ewigen Halseisen an die Unehre befestigt haben, stehen in den Gassen Wiens zweitausend, in den Gassen von Paris dreißigtausend, in den Gassen von London funfzigtausend. – – Entsetzlich! Todes-Engel[354] der Rache! zähle die Tränen nicht, die unser Geschlecht aus dem weiblichen Auge ausdrückt und brennend aufs schwache weibliche Herz rinnen läßt! Miß die Seufzer und die Qualen nicht, unter denen die Freuden-Mädchen verscheiden und an denen den eisernen Freuden-Mann nichts dauert, als daß er sich an ein andres Bett, das kein Sterbebette ist, begeben muß!

Sanftes, treues, aber schwaches Geschlecht! Warum sind alle Kräfte deiner Seele so glänzend und groß, daß deine Besonnenheit zu bleich und klein dagegen ist? Warum beweget sich in deinem Herzen eine angeborne Achtung für ein Geschlecht, das die deinige nicht schont? Je mehr ihr eure Seelen schmücket, je mehr Grazien ihr aus euren Gliedern machet, je mehr Liebe in eurem Herzen wallet und durch eure Augen bricht, je mehr ihr euch zu Engeln umzaubert: desto mehr suchen wir diese Engel aus ihrem Himmel zu werfen, und gerade im Jahrhundert eurer Verschönerung vereinigen sich alle, Schriftsteller, Künstler und Große, zu einem Wald von Giftbäumen, unter denen ihr sterben sollt, und wir schätzen einander nach den meisten Brunnen- und Kelchvergiftungen für eure Lippen!

1

Denn man könnte einen Menschen durch die Versicherung närrisch machen, er sei närrisch. Die Freunde vom jüngern Crebillon beredeten sich einmal, an einem geselligen frohen Abende über keinen Einfall von ihm zu lachen, sondern nur mitleidig zu schweigen, als hab' er nun allen Witz verloren. Und die Sache wurd' ihm auch glaublich gemacht. Wieder andere Schriftsteller werden durch ihre Freunde gerade mit dem umgekehrten Irrtum noch lebhafter getäuscht, daß sie glauben, Witz zu haben.

2

Legierung des Goldes mit Kupfer heißet die mit Rot, die mit Silber heißt die mit Weiß.

3

Nämlich bloß an konventioneller; denn es gibt eine gewisse bessere, von der nicht allemal jene, aber wohl allemal gebildete Güte des Herzens und Kopfes begleitet wird.

4

Frau des Doge.

Quelle:
Jean Paul: Die unsichtbare Loge, in: Jean Paul: Werke. Band 1, München 1970, S. 332-355.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die unsichtbare Loge
Die Unsichtbare Loge; Eine Lebensbeschreibung (1)
Die Unsichtbare Loge (2); Eine Lebensbeschreibung
Sämtliche Werke, 10 Bde., Bd.1, Die unsichtbare Loge
Die unsichtbare Loge.
Die Unsichtbare Loge. Text der Erstausgabe von 1793 mit den Varianten der Ausgabe von 1826

Buchempfehlung

Jean Paul

Vorschule der Ästhetik

Vorschule der Ästhetik

Jean Pauls - in der ihm eigenen Metaphorik verfasste - Poetologie widmet sich unter anderem seinen zwei Kernthemen, dem literarischen Humor und der Romantheorie. Der Autor betont den propädeutischen Charakter seines Textes, in dem er schreibt: »Wollte ich denn in der Vorschule etwas anderes sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber?«

418 Seiten, 19.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon