An Gott

[13] Der du nach schrecklichen Gewittern,

Das Lächeln deines Angesichts

Uns zeigest, Gott! soll ich vor deiner Wage zittern

Am Tage des Gerichts?


Ward ich herauf geweckt zum Leben,

Nicht deiner Grösse mich zu freun?

Nein! zu Rebellen, die vor deinem Nahmen beben,

Herab gestürzt zu seyn?


Soll Flammen-Wirbel mich empfangen?

Und schleudert deines Zornes Blick

Dein suchendes Geschöpf voll Liebe, voll Verlangen,

Von deinem Licht zurück?
[14]

Dann laß vor deinem Angesichte

Mich werden was Gewürme sind!

Dein Blick zerschmelze mich! Mein Vater! Ach! zernichte,

Vertilge ganz dein Kind!

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Auserlesene Gedichte, Berlin 1764, S. 13-15.
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