Auf eine Glocke die in Magdeburg umgegossen ward

[54] Ich unbegeistertes Metall

Rief, ganze sechs und neunzig Jahre,

Mit in der Luft vertheiltem Schall,

Zum Gottesdienst, und zu der Bahre.


Gebrauch verminderte den Klang,

Ich hohles Erz ward umgegossen,

Zur Zeit, da schon fünf Jahre lang

Der Krieg das ganze Land umschlossen.


Drey Monarchien sandten aus

Mit jedem Früling grosse Heere,

Den König, und sein hohes Haus

Zu stürzen, wenn kein Gott nicht wäre.
[55]

Es ist ein Gott! Er deckt das Haupt

Des Königs, wenn ihn ganz umringen

Die Feinde, welchen nicht erlaubt

Ward, über diesen Wall zu springen.


Könnt ich mit Engels Zungen doch

Dir, Magdeburg! die Worte sagen:

Gott lebt! Er thut die Wunder noch,

Die er gethan in Davids Tagen!


Ihr, die ihr in der goldnen Zeit

Zu mir herauf steigt, dies zu lesen,

Erkennt den Herrn der Herrlichkeit,

Der Friedrichs grosser Schuz gewesen.


Und ihr, die ihr mich rufen hört

Zum Gott des Himmels und der Erde,

Bringt ihm das Herz, daß es gelehrt,

Und heilig umgeschmolzen werde.

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Auserlesene Gedichte, Berlin 1764, S. 54-56.
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