An den Herrn Ober-Consistorialrath Gedicke

[246] .1


Was ich von Dir an Spaldings Herz geschrieben,

War nicht Aufmunterung für Dich!

Mein Herzgefühl hat mich dazu getrieben,

O mit Begeisterung hab' ich

Dein hohes Lied schon sechsmal vorgelesen,

Und jedes Auge rings um mich

Ist thränenvoll wie meins gewesen.

Du stellst den Vater Friederich

So liebenswürdig vor, so prächtig,

Daß unsre Seele niederfällt

Und den anbetet, der ihn mächtig

Hat ausgerüstet in der Welt[246]

Mit allen Gaben, die vor Alters

Der König Israels gehabt,

Der jede Nachwelt mit den Hymnen seines Psalters

Und seines Harfenspiels begabt,

Und streitbar war und bei der Landesstrafe

Sich tief gebückt auf seiner Bahn,

Gen Himmel rief und frug: »Was haben diese Schafe

Dir Herzenskündiger gethan?

Dir, du Vergelter! dir, du Rächer!«

So sprach der König Israels, so spricht

Der König Friedrich, wenn ein stolzer Friedenbrecher

Ihn in das Feld getrotzt, wo ihm das Herze bricht

Bei so viel Menschenblutvergießen.

Vielleicht geschiehts, daß diesesmal

Sein Feind ihn um Versöhnung wird begrüßen,

Eh noch vom Blut ein Böhmerthal

Wird überschwemmt und Berge zittern

Vom Fall der Helden in der Schlacht,

Wie wenn aus Gottes Ungewittern

Der Bliz bald hier bald da die Bäume niederkracht,

Mit der Gewalt des Sturms vereinet –

Alsdann singst Du ein Wonnelied,

Worüber Braut und Mutter weinet,

Die ihren Liebling wiedersieht –
[247]

Fußnoten

1 Nur die Ursach, daß kein besseres Gedicht, welches seines Gegenstandes würdiger wäre, sich vorgefunden hat, muß es entschuldigen, daß dieses in der Sammlung aufgenommen ward.


Quelle:
Anna Louisa Karsch: Gedichte von Anna Louisa Karschin, geb. Dürbach. Berlin 1792, S. 246-248.
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