16.

[372] In Camern bei Sandow an der Elbe ziehen zwei Sonntage vor Ostern die jungen Bursche allein und die Mädchen allein vor das Haus derer, die sich im vorigen Jahre verheiratet haben, und mahnen sich jene die Kliese, eine Holzkugel und diese den Brautball, der von gewaltiger Größe und von Leder gefertigt ist. Am zweiten Ostertage ziehn sie wieder vor die Thür und singen:


Grünlôf, Grünlôf!

Pries öber alle,

Düssen sommer, düssen sommer

lewen de mäkens noch alle.

Wir mahnen uns den brudeball!

Unn wenn se uns den ball nich gewen,

denn will'n wi ihr den mann wegnehmen,

den will'n wi'n ihr verschenken,

se soll da wol dran denken.

Un is der ball von asche,

so will'n wir uns wol waschen;

un is der Ball von golde,

denn will'n wir'n wol beholden;

un wenn de klocken klingen

denn will'n wi noch ens singen,

unn wenn de berge (?) stille stehn,[372]

denn willen wir gleich weiter gehn.

Adje, adje, adje!


Mit der Kliese wird darauf das Ballspiel gespielt, bei welchem jeder den Ball von seinem Loche zu treiben sucht (wir nennen's Sauball); der Brautball wird so lange hin und wieder geschlagen, bis er entzwei ist. War ein Mädchen bei der Heirat keine Jungfer mehr, so wird nicht zu ihr gezogen; einst sang man vor der Thür einer solchen, da warf sie eine Windel statt des Balles heraus. – Die jungen Burschen singen statt »Ball« – Kliese und statt »ihr den mann« – em de Liese.

Quelle:
Adalbert Kuhn / W. Schwartz: Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg, Pommern, der Mark, Sachsen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Westfalen. Leipzig 1848, S. 372-373.
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