92. Wie glückselig die Tyrannen seyn.

[160] Daß die Könige und grosse Potentanten nicht allerdings so glückselig und ohne Widerwärtigkeit seynd /bezeuget die schöne Historia vom Cicerone in der Tuseulana quæstione ultima beschrieben / und verhält sich also: Zu Syracusa war ein Tyrann / mit Nahmen Dionysius, in dessen Hof war einer Damocles geheissen / welcher des Dionysii Glückseligkeit über alle Menschen preisete. Auf eine Zeit fragte der Dionysius Damoclem, ob er nicht einmal versuchen und erfahren wolte die grosse Glückseligkeit / die er so sehr rühmete? Damocles antwortete: Ja / er hätte Lust dazu. Da ließ der Dionysius den Damoclem auf seinen Königlichen Stul setzen / ihm einen Tisch stattlich zurichten mit Gold / Silber / und köstlichem Essen: Stellete auch daneben viel schöner Knaben /die ihm dienen und aufwarten musten. Inmittelst aber ließ er dem Damocli ein blosses Schwerdt an einem Pferd-Haar über den Kopff hängen. Wie dieses[160] der Damocles ansichtig ward / erschrack er sehr / und bathe Dionysium, daß er ihm vergönnete wegzugehen: Er begehrete nicht länger glückselig zu seyn. Hiemit hat Dionysius anzeigen wollen / daß die Könige mitten in ihrer Glückseligkeit gar grosser Gefahr unterworffen seyn.


Man solte keinem um äusserlicher Pracht und Ehre willen eine Glückseligkeit beymessen. Ein geringer Mensch hat offt bessere Stille / Ruh und Sicherheit / dann gewaltige Herren in der Welt.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 160-161.
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