Das Andere Buch.

[84] Das Volck kam insgemein mit nicht geringer Freude /die Fürsten mit überaus veränderten Gemüths-Regungen / iedoch meist alle mit mehrer Vergnügung auff des Feldherrn Burg an / als sie vorher in den Deutschburgischen Heyn gediegen waren. Hertzog Herrmann sahe sein Vaterland numehr durch seine Vernunft und Tapferkeit auff den Stul der güldnen Freyheit versetzt / sein Haupt mit unverwelckenden Siegs-Kräntzen überschattet / und er solte nun in das Bette der wunderschönen Thußnelde schreiten; also schien er in beyden heftigsten Gemüthsregungen / nehmlich der Ehrsucht und Liebe den höchsten Zweck erlangt zu haben / und / nachdem ein gewüntschter Ausschlag alle Verdrüßligkeiten überzuckert / konte er das erlidtene Ungemach so viel leichter ihm aus dem Sinne schlagen. Ja er wuste wider das Unrecht des Segesthes sich keiner rühmlichern Rache zu bedienen / als nach so vielen Wolthaten seine Abneigung mit möglichster Ehrerbietung / und die menschliche Eigenschafft mit Entäuserung alles Unwillens zu überwinden / nach dem es doch in unser Gewalt nicht stehet / etwas / so unserm Gedächtnüsse schon einmal fest eingedrücket ist / gar zu vergessen. Die großmüthige Thußnelde ward wegen Errettung ihres verurtheilten Vaters /wegen eingelegten Ruhmes ihres Brudern / durch die Vergnügung ihrer inbrünstigen Liebe von Freuden dergestalt überschüttet / daß ihr so viel Gutes mehrmals nur zu träumen bedeuchtete / und sie darüber aus angewohntem Unglücke zu zweifeln anfing / mehrmals auch ihre Freudigkeit nicht allzusehr an Tag zu geben sich zwingen muste. Weil sich aber Schwermuth nicht so leicht als Freude verbergen läst / sahe dem Segesthes und seiner stets gesuchten Einsamkeit entweder der Verdruß wider seiner Tochter unvermeidliche Heyrath / oder die Erkäntnüß seiner eigenen Schande aus den Augen. Denn die Laster sind ihnen selbst die ärgsten Hencker / und es kan der Leib nicht so blutig mit Ruthen gestrichen werden / als das Gewissen der Boßhafften ihre eigene Bangsamkeit peinigt. Malovend empfand zum theil auch einige Wunden dieser innerlichen Quaal / daß er den Degen wider seine Landsleute ausgezogen / und noch nicht allerdings versichert zu seyn meynte / ob ihm solches so gar ungenossen ausgehen würde. Diese Schwermuth veranlassete den Tencterischen Fürsten Marcomir /daß er den Fürsten Malovend auff seinem Zimmer heimsuchte / und mit dem Königs-Spiele die Verdrüßligkeit der Zeit zu verkürtzen vornahm. Nach weniger Zeit kam Zeno der Pontische und Rhemetalces der Thracische Hertzog darzu / welchem letztern befrembdet fürkam / daß Malovend seine Bekümmernüsse mit einem Spiele zu erleichtern suchte; welches zwar nachdencklich und darinnen Fürstlich wäre / daß es keine knechtische Begierde des Gewinns / sondern den einigen Ruhm des Obsiegs zum Zweck; aber keine Bewegung des Leibes in sich hätte / und das Gemüthe eben so sehr als das wichtigste Fürnehmen beschäfftigte / also in seiner Ernsthafftigkeit nichts weniger als ein Spiel wäre. Malovend antwortete Rhemetalcen: Der Nahme des Königs-Spiels redete ihm selbst / und ihnen / als Fürsten / dieses Zeitvertriebs halber / das Wort; und weil es aus Morgenland den Ursprung / auch bey selbigen Völckern das gröste Ansehen hätte / wunderte ihn so viel mehr / wie er es für so verächtlich hielte / da doch in selbtem / als in einem Sinnbilde alle Herrschens-Künste und die oberste Botmässigkeit der Klugheit enthalten seyn solten. In welchem Absehen ein Indischer König dem mit[85] ihm kriegenden Persischen ein König- dieser aber jenem ein Bret-Spiel überschickt; und wie jener die Gewalt der Klugheit / also dieser die Macht des Glückes dardurch entworffen haben solle. Im Fall aber auch gleich ihr Spiel nicht die Freudigkeit anderer Lust-Spiele in sich hätte / wäre seine traurige Eigenschafft ihrer Gefangenschafft so viel anständiger. Rhemetalces versetzte: Er wäre zwar ein naher Nachbar der Lydier / welche das Würffel-Bret- und Ball-Spiel erfunden haben solten / dißfalls aber wäre er von ihrer Lebens-Art gantz entfernet / in dem er zu keinem als denen Kriegs-Spielen einigen Zug hätte /und aus selbten mehr Unlust als Ergötzligkeit schöpfte. Sintemal der Mensch zu einer nützlichen Thätigkeit gebohren / wie der Himmel zur Bewegung geschaffen wäre. Die sämtlichen Spiele aber wären wegen ihrer vergebenen / wo nicht schädlichen Bemühung / für etwas geringers als den Müssiggang zu halten. Insonderheit aber hielte er das Spielen einem Fürsten für unanständig / als dessen Ambt wäre stets mit wichtigen und gemeinnützigen Dingen unmüssig zu seyn. Weßwegen er die vom Menedemus dem jungen Antigonus beym Spiele ins Ohr gesagte Lehre als heilsam verehrte: Erinnere dich / daß du eines Königs Sohn bist. Zeno brach Rhemetalcen ein: Dieses wäre ein allzu scharffes Urthel wider die Spiele / und eine zu strenge Einsperrung der Fürsten. Nach der Meynung des Göttlichen Plato verrichteten GOtt und die Natur alles spielende; warum solte alle Ergötzligkeit /welche doch ein Wetz-Stein der folgenden Arbeit wäre / Fürsten verwehret seyn? Die Bewegung der Sterne solle sich einer spielenden Harffe gleichen. Ja die Weißheit selbst wäre nichts besser als ein vernünftiges / und das menschliche Leben grossen theils ein Affen-Spiel. Dahero der den sieben Weisen in Griechenland gleich-geschätzte König in Egypten Amasis sich mehrmahls zu vermummen und einen Narren fürzustellen sich nicht geschämet hätte. Es wäre zu wünschen / daß man alles dis / was ein Fürst zu lernen hätte / ihm im Spiele beybringen könte / wie Parrhasius alle seine so liebliche Gemählde mit Singen verfertigte. Sintemal Fürsten ohnedis nicht den Büchern / wie die Sclaven von den Ketten wollen angefesselt seyn / und alle Gemächte äuserlich entweder dieselbe Anmuth oder Verdrüßligkeit zeugen / die dem Künstler in seinem Gehirne gesteckt / wenn ihm die Arbeit entweder schwer oder gut von Händen gegangen. Wenn das Meer am annehmlichsten wäre /spielte es mit seinen sanften Wellen / und wenn das Auge der Welt der Welt seinen Segen austheile / mit seinen Straalen. Die gütigsten Fürsten wären zu Kurtzweil geneigt / die allzu ernsthaften aber insgemein die grimmigsten gewest. So gar Socrates und Heraclites hätten zu Ephesus unter den Kindern des Beinleins / und der sauersehende Cato mit den Würffeln gespielt. Wie möchte man denn Fürsten eine strengere Weißheit abheischen? König Demetrius hätte es ihm für keine Schande geachtet / allerhand Schnitzwerck / der junge Dionysius Wagen und Tische mit seiner Hand zu machen / und Attalus ertztene Bilder zu giesse. Der Cizicenische Antiochus hätte sich mit tantzenden Tocken / König Aeropus in Macedonien mit Laternen-machen / Hercules / Agesilaus und Alcibiades mit Spielen der Kinder sich erlustigt. Ja / sagte Malovend / habe ich doch den umbs Reich so sorgfältigen Kaiser August nach der Abend-Mahlzeit über Mitternacht mit vierseitigen Würffeln spielen und dabey zwantzig tausend Groschen verlieren /und seinen Mitspielern wol dritthalbmal so viel zum Spiele verehren sehen. Rhemetalces fing an: Diese Freygebigkeit muß dem Spiele noch ein wenig aushelffen. Denn ein Fürst soll niemals spielen / als mit Vorsatze zu verlieren. Mit was aber entschuldigt ihr Deutschen eure Lüsternheit zum Spielen? Sintemal ich nach der Schlacht wahrgenommen / daß ihrer viel / und zwar nüchtern[86] bey gutem Verstande / gegen ein gewisses von den gefangenen Römern auffgesetztes Geld so gar ihre eigene Freyheit auffgesetzt / und /ungeachtet der Verspielende stärcker und vermögender war / sich in die Knechtschafft des gewinnenden Spielers ohne Widerrede gestellet hätten. Malovend begegnete ihm: Er könte diesen Mißbrauch seiner Landsleute nicht umstehen. Alleine wie schwerlich das Thessalische Thal Tempe / oder einige Aue der Welt nicht auch ein giftiges Kraut unter ihren Gewächsen nährte / so wäre kein so wol gesittetes Volck unter der Sonne / welches nicht einige Laster unter dem Nahmẽ der Sitten hausete. Die Lydier verkaufften die Jungfrauschafft ihrer Töchter / ehe sie sie verheyratheten / die Sarder tödtetẽ ihre veralternde Eltern / die Perser entkleideten sich zu ihrer Schwelgerey /gleich als wenn sie eine Schlacht liefern solten / ja Eltern und Kinder heyratheten wider die gleichsam angebohrne Scham und das Gesetze der Natur zusammen. Die dem Spiele ergebenen Deutschen aber machten gleichwohl aus dem Laster eine Tugend /nach dem sie in dem Spielen sonder Zwang einigen Gesetzes so standhafft Treu und Glauben hielten / und sich lieber ihrer Freyheit / als der Wahrheit entäuserten. Ausser dem würde man die Versäumung nöthiger Geschäffte / Zwytracht und Gewinnsucht / als die gemeinsten Mißbräuche des Spieles / in Deutschland so gemein nicht als bey andern Völckern finden. Dahero es mit der Deutschen Spiele schier wie mit den Pfirschken beschaffen zu seyn schiene / welche in Persien giftig / in den Nordländern aber eine gute Speise wären.

Malovend würde den Deutschen noch ferner das Wort geredet haben / wenn nicht gleich Fürst Adgandester in das Zimmer getreten wäre / welcher denen Gefangenen im Nahmen des Feldherrn erlaubte / an dem Hofe ohne geringste Bestrickung sich auffzuhalten / wenn sie anders nur ihr Wort geben / sich des Orts nicht zu entbrechen. Wie nun diese Gnade sie so viel mehr vergnügte / und gegen den Fürsten Adgandester ihre Verbindligkeit auffs beweglichste ausdrückte; also wurden ihre Gemüther gegen dem Feldherrn auffs höchste verknüpfft. Denn es ist keine grössere Zauberkunst sich beliebt zu machen / und andern das Hertz zu stehlen / als Wohlthat und Leutseligkeit. Der Feldherr hatte die deutschen Fürsten /wenn ieder der Ruh gepflegt haben würde / zu einem herrlichen Mahl eingeladen / weil er aber mit ihnen über ihren Reichs- und Kriegs-Händeln dabey zu rathschlagen willens war / den Zeno / Rhemetalces / Marcomir und Malovend absonderlich zu bedienen angeordnet. Weil nun gleiches Alter und einerley Glücke auch die fremdesten Gemüther leicht miteinander verknüpfft / geriethen diese drey letztern unschwer in eine sonderbare Vertrauligkeit. Folgenden Tag veranlassete sie der Feldherr selbst ihnen selbige Tage / da er theils mit Rathschlägen / theils mit Anstalt seines Beylagers beschäfftigt war / durch Jagen die Zeit zu vertreiben / und ihnen allen Kummer aus den Gedancken zu schlagen / gab auch sie zu unterhalten ihnen den Fürsten Marcomir zu. Daher nöthigte sie so wohl dieses höffliche Anbieten / als ihr eigener Trieb / und insonderheit die um das schwartze Meer bräuchliche Landes-Art folgenden Tag nach der Morgenröthe fürzukommen / und mit allerhand nöthiger Anstalt in das Hertzogliche Gehäge sich zu dieser den Fürsten gewöhnlichen und wohl anständigen Lust zu verfügen. Sintemal sie den Leib hierdurch zu allerhand Mühsamkeit abhärten / in Verfolgung des flüchtigen Wildes rennen / des Hertzhafften / fechten / des Schlauen / allerhand krummen Räncken und List mit List begegnen / und die Beschaffenheit eines Landes am besten kennen lernen. Welche Wissenschafft einem Fürsten nöthiger als die Kenntniß der Gestirne ist. Denn diese hat den bedrängten Sertorius mehrmahls errettet / wenn seine Feinde ihn schon in Händen zu haben vermeinet. Die bey[87] Verfolgung eines Wildes sich ereignete Verirrung ist mehrmals eine Wegweiserin des Sieges gewest. Weßwegen iederzeit die streitbarsten Völcker die Jagt geliebet / und die tapffersten Fürsten mit dieser männlichen Ergetzligkeit ihre Herrschens-Sorge erleichtert / denn auch ihre Erqvickungen sollen Bemühungen seyn. Darius hielt diese so ruhmwürdig /daß er auff sein Grab ihm als einen besondern Ehren-Ruhm schreiben ließ / daß daselbst ein fürtrefflicher Jäger begraben läge. Etliche grosse Fürsten hätten selbst diese Kunst mit ihrer eigenen Feder zu beschreiben sich nicht geschämet. Diesemnach denn die wider diese an sich selbst gute Ubung geschehene Einwürffe von schlechtem Gewichte zu achten sind /samb selbte das menschliche Gemüthe mehr wilde machte / als sie dem Leibe dienlich wäre; daß ihre Annehmligkeit einen Fürsten nöthigern Sorgen abstehle. Sintemal selbte auff blossen auch den Kern der besten Sachen verderbenden Mißbrauch gegründet sind. Daß aber Saro der Gallier König sich über Verfolgung eines Hirschen ins Meer gestürtzt / andere sich in Gebürgen verstiegen / oder von Gespensten verleitet worden / ist ihrer eignen Unvorsichtigkeit /oder andern Zufällen / welche auch in den löblichsten Unterfangungen die Hand mit im Spielhaben / nicht der Eigenschafft des Jagens zuzuschreiben.

Den Anfang dieser Jagt machte der Graf von Uffen / des Feldherrn oberster Jäger-Meister / an einem sumpfichten Orte mit dem Reigerbeitzen. Denn so bald dieser etliche Mitternächtische Falcken außließ /erhoben sich eine grosse Anzahl Reiger empor / welche allhier für den Hertzog pflegen gehegt zu werden /also daß sie niemand sonst bey ernster Straffe beunruhigen darff; wiewol sonst das allgemeine Völcker-Recht / welches den Fang der wilden Thiere iedermann gemein läst / in Deutschland unversehrt ist. Auff die auffprellenden Reiger wurden alsofort so viel Falcken / worunter etliche schneeweisse / welche bey denen Cimbern und Bosniern gefangen werden / ausgelassen. Diese mühten sich auffs eifrigste jene mit ihrem Fluge zu überklimmen / und hierauff stiessen sie schriemwerts mit vorgestreckten Klauen auff die niedrigen Reiger mit solcher Heftigkeit herab / daß ihr Abschiessen gleichsam ein Geräusche des Windes machte / und die Reiger gantz zerfleischt zur Erden fielen. Wiewol etliche schlaue Reiger die allzu hitzigen Falcken mit ihren über sich gekehrten Schnäbeln nicht nur verwundeten / sondern gar tödteten. Diese Lust vergnügte den Hertzog Zeno so sehr / daß er sich heraus ließ: Plato hätte zwar die Fisch- und Vogel-Jagt / als etwas knechtisches getadelt / er befindete aber die Reigerbeitze für eine recht edle Fürsten-Lust. Rhemetalces fing an: Die Thracier hätten für uhralter Zeit diesen Vogel-Krieg höher als keine andere Jagt gehalten / und ihre Könige bey der Stadt Amphipolis mit dem Habicht-Fange der Wasser-Vogel ihnen eine ungemeine Lust gemacht. Zeno pflichtete diesem Lobe gleichfalls bey / mit Vermeldung / daß die Indianer mit ihren abgerichteten Adlern ebenfalls das furchtsame Geflügel zu fangen pflegeten / aber ihre Lust käme der gegenwärtigen bey weitem nicht bey.

Hierauff kamen sie in den nechst daran liegenden Forst / darinnen ihnen alsofort unterschiedene Rehe auffstiessen / derer etliche sie mit ihren Pfeilen fälleten. Hernach kamen sie auff die Spur eines wilden Uhr-Ochsens / den sie auch alsofort ereilten. Zeno vermeynte mit seinem Bogen ihn alsofort zu erlegen /und schoß drey Pfeile hintereinander auff dessen Stirne / welche aber alle ohne Verwundung absprungen. Dieser Fürst verwunderte sich hierüber nicht wenig /meldende: Er wüste nicht ob diese Ochsen sich mit Kräutern feste gemacht / oder seine Armen alle Kräfte verlohren hätten. Malovend lachte und sagte: Von Gemsen glaubte man zwar / daß wenn sie die Doranich-Wurtzel gegessen /[88] sie mit keinem Geschoß ver wundet werden könten; von dem Ochsen aber hätte er diß nie gehört. Rhemetalces schos zwey Pfeile / eben so wol vergebens / dem Ochsen auff den Kopff / und dahero mit nichts minderer Entrüstung. Da fing Malovend an: Sie suchten vergebens diß Thier im Kopfe zu beleidigen / der so harte wäre / daß ein Geschoß ehe durch Ertzt als durch seine Hirnschale gehen würde. Hiermit traff er den rennenden Ochsen mit einem Wurfspiesse so glückselig in die Seite / daß selbter in der Brust vorging / und dieses Thier entseelt zu Boden fiel. Hierauff schoß er einen Pfeil ihm durch den Kopff durch und durch. Welches beyden andern Fürsten noch seltzamer fürkam / und mit dessen nunmehr leichter Durchschüssung die Krafft ihrer Bogen versuchten. Malovend berichtete sie hierauff / daß mit dem Leben die Härte des Schädels zugleich verschwinde / und hiermit verfielen sie auff einen Hirsch von ungemeiner Grösse / und einem Geweyhe von sehr viel Enden. Er verwundete zwar selbten mit einem Pfeile / es würckte aber solcher mehr nicht / als eine schnellere Flucht. Nachdem er auch in diesem Forste eine See erreichte und durchschwamm / musten die Fürsten einen Umweg selbten zu verfolgen nehmen / und womit er ihnen nicht gäntzlich entrinne /ein paar Strick Winde loß lassen. Diese brachten ihn /nachdem er endlich in seinem Lauffe nach Art der Hirschen / wegen Schwachheit ihres Mastdarms und wegen der Verletzung offtmahls ruhen muste / zu Stande / also / daß er / keine andere Ausflucht sehende / sich endlich selbst denen Fürsten näherte / ihre Bogen und Pfeile / gleich als wenn er von ihnen sich keines Leides zu besorgen hätte / betrachtete / und als ein Muster allzu leichtgläubiger Vertrauligkeit / vom Rhemetalces mit einem Wurffspiesse getödtet ward. Als diese Fürsten aber diß gefällte Wild betrachteten /wurden sie eines am Halse habenden und unter den Haaren ziemlich ins Fleisch gewachsenen Halsbandes gewahr / welches sie von den Pferden abzusitzen und selbtes eigentlicher zu erforschen verursachte. Das sie denn auch aus dichtem Silber gefertigt / und darauff eingeetzt befanden: Als Julius Cäsar den Deutschen ein Gebieß anlegte / gab er mir die Freyheit. Sie erstarrten für Verwunderung gleichsam über dieser Begebenheit / und Rhemetalces beklagte überaus: daß seine unvorsichtige Ubereilung dieses denckwürdige Thier / welches gantzer drey und sechtzig Jahr nur nach getragenem Halsbande unversehret blieben wäre / zu unzweiffelbarem Verdruß Hertzog Herrmanns gefället hätte. Fürst Malovend aber fiel ihm in die Rede: Er möchte sich hierüber keinen Kummer machen. Es würde der Feldherr ihm hierfür noch grossen Danck sagen. Warum? versetzte Rhemetalces. Malovend antwortete: Weil dieser Hirsch ein verdrüßliches Gedächtniß desselben Tages ist / da die Deutschen ihre Freyheit zu verliehren angefangen. Beyde Fürsten wurden dadurch mehr begierig alle Umstände von ihm zu vernehmen: Worauff er denn ihnen folgenden Bericht erstattete: Es hätten in Deutschland sich die Catten iederzeit für andern / so wohl an Streitbarkeit als an Fruchtbarkeit herfür gethan; also / daß sie alleine über hundert grosse Dörffer mit denen darzu gehörigen Landstrichen bewohnet / alle Jahr aber etliche tausend gewaffnete Männer aus ihren Gräntzen getrieben / und / durch ihren Degen neue Wohnplätze zu suchen / also auch ihre Herrschafft zu vergrössern genöthigt hätten. Dieser Ausbreitung wäre ihrer Lebens-Art zu statten kommen. Denn nachdem sie wenigen Ackerbau gepflegt / sondern nur von Jagten und Viehzucht gelebt / hätte sie der Hunger zur Kriegs-Lust gezwungen / und sie wären von Kindauff die Freyheit lieb zu gewinnen /die Glieder durch tägliche Kriegs-Ubungen zu verstärcken / Kälte und Hitze mit[89] nacktem Leibe zu vertragen angewöhnt worden. Ja / ungeachtet sie den Römischen Kauffleuten mit ihnen zu handeln / womit sie ihrer Feinde Leuten angewehren köñen / verstattet hätten / liessen sie doch biß itzt keinen Wein noch andere zur Uppigkeit dienende Wahren bey ihnen einführen / womit ihre Tapfferkeit durch keine Wollüste verzärtelt würde. Diese hätten nun nahe für hundert Jahren die Ubier ihnen zinßbar gemacht / für sechs und sechzig Jahren aber die Usipeter gar aus dem Lande getrieben / welche / nachdem sie durch allerhand Landschafften der Ansibarier / Angrivarier /Chamaver / Bructerer und Marsen / unter allerhand Kriegs- und Glücks-Zufällen umgeirret / die auff beyden Seiten des Rheins wohnende Menapier überfallen / und sie an der Maaß ihren Herd und Hof auffzuschlagen gezwungen hätten. Diese aber wären aus dem Regen in die Troffe gefallen / indem der in Gallien damals siegende Cäsar sie daselbst nicht leiden /sondern sie über den Rhein und die Bothmäßigkeit der Ubier zu begeben zwingen wollen. Worüber es zum Treffen kommen / darinnen die Menapier eine schwere Niederlage erlitten / und die übrigen sich zu denen Sicambern hätten flüchten müssen. Weil diese nun die Menapier Cäsarn nicht hätten ausfolgen lassen wollen / die von denen Catten gedrückten Ubier beweglich um Hülffe gebeten / er auch ohne Schreckung der Deutschen sich der Gallier nicht versichert gehalten / hätte er eine Brücke über den Rhein gebaut / und mit sechs Legionen darüber in Deutschland gesetzt. Die Deutschen hätten unschwer diesen Brückenbau hindern können; alleine Sie wären auff Rathgeben der Tencterer schlüßig worden / etliche Tagereisen weit / mit allem ihrem Vorrathe sich zurücke zu ziehen / und da die Römer sich tieffer ins Land wagen würden / selbte nicht allein aus ihren Wildnüssen rings umher zu überfallen / sondern auch ihnen den Rückweg und die Brücke gar abzuschneiden. Weil nun dem Käyser selbst sehr verdächtig fürkommen wäre / daß die sonst nicht zu furchtsamen Deutschen ohne geringsten Widerstand die Brücke zu verfertigen verstattet / und ohne einigen Schwerdschlag ihren Sitz verlassen / hätte er die Brücke an beyden Enden mit starcken Bollwercken verwahret / in Meinung nicht unverrichter Sache den deutschen Boden zu räumen. Alleine nach dem Fürst Catumer den Römischen Vortrab in die Flucht geschlagen / und etliche Ubier ihm Kundschafft gebracht / daß die Catten ein allgemein Auffboth gethan / und wider ihn im Anzuge wären; hätte er nicht rathsam befunden / so lange Stand zu halten / sondern er hätte der Sicambrer Dörffer verbrennt / den Ubiern auff den Nothfall neue Hülffe versprochen / der Deutschen Gedäue / und insonderheit einen herrlichen Thiergarten des Sicambrischen Hertzogs verwüstet. Nachdem er nun in diesem über hundert grosse Hirschen gefunden / und er in Deutschland ein Gedächtnüß seiner Uberfarth zu verlassen gewünscht / welches von den Deutschen so bald nicht vertilget werden könte / so hätte er iedem Hirsche ein solch Halsband / mit gleichmäßiger Schrifft / als wir hier für Augen sehen / angemacht / und selbte frey in die Wildnüsse lauffen lassen. Hierauff wäre er den achtzehenden Tag mit seinem Heere in Gallien gekehrt / und hätte die Brücke / womit sie den Deutschen nicht selbst zum Einfall diente / wieder weggerissen. Zeno fing hierauff an: Er müße gestehen / daß dis eine gute Art sey in einem feindlichen Lande / und da der Feind zumahl wenig Geschichtbücher zu halten pflegt / sein Andencken zu erhalten. Ja versetzte Rhemetalces / sonderlich wo es wahr ist / daß eine Krähe neunmahl des Menschen Alter übersteigen und nahe biß an neunhundert Jahr leben / ein Hirsch dieses aber vier mahl übertreffen und derogestalt wohl drey tausend und fünfftehalb hundert Jahr alt werden solle. Alleine es ist dieses nicht des Käysers erste Erfindung / sondern er hat es dem[90] grossen Alexander nachgethan / welcher nach erlangtem Siege wider der Triballer König Syrmus und die Geten / vielen Hirschen silberne / auch hernach in Indien güldne Halsbänder umgemacht. Uberdiß wäre auch des Diomedes Hirsch allererst zu Zeiten des Königs Agathocles gefangen worden / und Käyser August hätte an unterschiedenen Orten solche Hirsche mit güldnen Halsbändern und dieser Uberschrifft lauffen lassen: Rühre mich nicht an / ich stehe dem Käyser zu. Malovend fiel ihm ein; Er könte nicht glauben / daß ein Hirsch so lange leben solle. Auch ich nicht / antwortete ihm Rhemetalces; Gleichwohl aber leben sie sehr lange / theils wegen ihrer natürlichen Leibes-Kräfften / welche auch bey ungestümem Meere aus Cypern in Cilicien und Syrien zu schwimmen vermöchten; ja mit ihrem Atheme Nattern aus den Steinritzen zu ziehen / die verschlungenen Schlangen im Magen in Stein zu verwandeln /und gleichsam in einen fleischernen Sarge ein steinernes Aas zu vergraben mächtig sind; theils wegen mangelnder Galle / theils wegen ihrer eingepflantzten Wissenschafft wider Gifft und andere Schwachheiten allerhand heilsame Kräuter und Artzneyen zu erkiesen. Wie sie denn / um der Blödigkeit ihrer Augen abzuhelffen / so viel schlangen fressen / hernach sich in die kalten Flüsse eintauchen / biß das Gifft aus dem Magen durch die Augen schwitze. Gleichergestalt hätten die verwundeten Hirschen den Menschen die wilde Poley als ein Kraut gewiesen / wodurch die ins Fleisch geschossene Pfeile heraus zu ziehen sind. Dieser gegenwärtige Hirsch könne nu selbst ein Zeugniß ihrer Lebhaftigkeit abgeben / denn er habe diß Halsband schon etliche sechzig Jahr getragen / und als man es ihm umgemacht / wird er nicht klein gewest seyn. Ja / sagte Malovend / diß kan leicht seyn / weil ein Hirsch in fünff Jahren zu seiner Vollko enheit gelangt; und wir in Deutschland insgemein dafür halten / daß ein Hirsch hundert Jahr lebe. Zeno brach hierauff ein: Für hundert Jahren kriegte ein Hirsch wohl keinen Stein im Auge / aber sonst müste er viel länger leben. Denn sein Vater Polemon / König im Pontus / habe nach einen Hirsch am schwartzen Meer geschlagen / auff dessen Halsbande diese Griechische Uberschrifft zu lesen gewest: Alexanders Scytische Beute ist meine Zierrath. Nun aber sind es nahe vierdtehalb hundert Jahr / seit Alexander in selbigen Ländern Krieg geführet. Es kan vielleicht wohl seyn / daß zuweilen ein Hirsch so lange lebe / begegnete ihm Rhemetalces; aber ich besorge / es gehe wie in andern Alterthümern viel Unterschleif mit unter / und habẽ solche Sachen meist einen viel jüngern Vater / als den sie an der Stirne führen. Und insonderheit sind die Griechen hierinnen Meister / welche viel Dinge / die gestern jung worden / einer greißen und ungewissen Zeit Kinder heissen. Sie tichten ihnen nicht allein Helden / die nie in der Welt gewest; Sie rühmen sich Städte eingeäschert zu haben / die nie gestanden / und die Stadt Troja / ja Priamus / Hector und ihre Nachkommen sind noch etliche hundert Jahr hernach in voller Blüthe gewest / als sie solche zerstört und erlegt zu haben die gantze Welt lügenhafft überredet. Sie verhandeln noch itzt den einfältigen Ausländern zwar in der Erde verschimmelte aber neu gegossene Müntzen / die ihr Cadmus und Cecrops sollen haben prägen lassen. Und wie lange ist es / daß ein verschlagener Hetrurier etliche bleyerne Taffeln / auf welche ein alter berühmter Warsager Olemus Calenus die alten Hetrurischen Gesetze und nachdenckliche Wahrsagungen geschrieben haben solle / er aber selbst in eine Höle versteckt gehabt / für mehr als so viel wiegendes Silber verkaufft. Zeno fiel hier ein / es hat ein Betrüger sich nicht unbillich auff einen andern bezogen. Denn so viel ich mich erinnere / ist diß eben der Calenus / welchen der Rath zu Rom über dem auff dem Tarpejischen Berge gefundenen Kopffe zu rathe gefragt / und der den Bau des Capitolinischen Tempels arglistig nach Hetrurien[91] zu ziehen getrachtet /wenn seine Tücke nicht sein eigner Sohn verrathen hätte. Ich gläube / fing Zeno wieder an / daß das Römische Volck schon vorher mit selbigem Kopffe betrogen gewest sey / indem viel der nachdencklichen Römer dafür halten / es habe der schlaue Tarquinius /welcher mit allerhand scheinbaren Kunststücken seinen blutigen Stul unterstützen muste / es selbst vorher dahin begraben lassen / um seinem Tempel-Bau und Herrschafft eine eben so grosse Hoffnung und Ansehen bey dem leichtgläubigen Pöfel zu erwerben / als die Königin Elißa bey Auffindung eines Pferde-Kopffs ihrer neuen Stadt zu wege brachte / wie sie zu Carthago den Grund legte. Rhemetalces ließ sich hierauff heraus: Er könte dergleichen Erfindungen sich leicht bereden lassen. Die gerechtesten Herrscher / zu geschweigen die / welche sich mit Gewalt oder Arglist auff den Thron gespielt / müsten das unbändige Volck durch wunderliche Arten in Schrancken halten /denen hitzigen Köpffen einen Kapzaum anlegen / den Ehrsüchtigen einen güldnen Ring unter dem Scheine einer Zierrath durch die Nase ziehen / den Pöfel mit Schauspielen und anderm unnützen Zeitvertreib von der Bekümmerung um die Herrschafft abziehen / und diesem so wie dem sonst erschrecklichen Wallfische eine Tonne zum Spielen fürwerffen / die Scheinheiligen mit angenommener Andacht betäuben / den Geitzigen einen aus gläntzendem Ertz gebackenen Kuchen zum Verschlingen vorwerffen / darvon sie hernach zerplatzen. Allein dieses gehöret mehr in die geheimen Rathstuben / als auff die Jagt. Rhemetalces fing an: dieser Hirsch hat noch wohl etwas / welches wir als Weideleute zu betrachten haben / nehmlich / daß seine Geweyhe gleichsam mit Mooß und Eppich überwachsen sind / und wohl neunzehn Ende haben / welches er für ein Kennzeichen eines hohen Alters hielte. Malovend antwortete: beydes wäre in Deutschland nichts ungemeines / und hätte er Geweihe mit dreißig Enden gesehen. Hieraus aber wäre der Hirschen Alter nicht zu nehmen / welche zwar die härtesten und fast unter allen Thieren nicht hole Hörner hätten / iedoch /weil selbte nicht an die Hirnschale angewachsen wären / alle Frühlinge abwürffen / und das eine Horn / welches zur Artzney am dienlichsten seyn soll / verscharreten. Ja / sagte Zeno / er hätte diß selbst wahrgenommen / und hätten die unvernünfftigen Thiere zwar denen Menschen viel nützliche Artzneyen gewiesen / nehmlich das Wasser-Pferd das Aderlassen /der Egyptische Vogel Ibis das Klistiren / die Schwalbe und Schlange die Augen-Kräuter / der Storch den Nutzen des Krauts Wohlgemuth / die Natter des Fenchels / die Bären die Artzney der Ameisen / die wilden Tauben des Lorber-Baums / man sehe aber dabey ihre sonderbare Mißgunst. Unterschiedene Vögel versteckten ihre Nester / die Heydäxe verschlinge ihre abgeworffene Haut / daß sie nicht für die fallende Sucht gebraucht würde; und das furchtsamste aller Thiere / welches in der Flucht für Angst wohl sechzig Füsse weit springe / fiele mehrmals lieber in der Jäger Hände / als es seine Geweihe unvergraben liesse. Rhemetalces versetzte: Er hielte diß Beginnen der wilden Thiere mehr für einen blinden Trieb der Natur / als für eine Würckung wahrhaffter Gemüths-Regungen. Zeno antwortete lachende: Ob er die Tauben niemahls habe verliebt / auch nie erzürnet / einen Hund einmahl neidisch / das andere mahl liebkosend gesehen? Ob er die Löwen allzeit brüllen / niemahls kirmeln / die Turteltauben stets girren oder wehklagen gehöret hätte? Rhemetalces versetzte: diese Abwechselungen wären so wenig ein Beweiß eigentlicher Gemüths-Regungen / als diß / daß sie einmahl Speise /das andermahl Geträncke zu sich nehmen. Denn weil wilde Thiere keine Vernunfft hätten / Furcht / Begierde / Mißgunst und dergleichen aber Uberschreitungen[92] der Vernunft-Gräntzen wären; könte in einem Hertzen / welches keiner Tugend fähig wäre / und in einem Kopfe ohne Vernunft / so wenig ein Laster und der Beyfall einer falschen Meynung Platz finden / als diß / was kein Leben hat / sterben. Dannenhero / wenn ein Thier schiene bald Hofnung / bald Grimm / bald Liebe zu erwehlen / wäre es ein blosser Schatten wahrer Gemüths-Regungen. Einem Löwen käme die Eigenschafft des Zornes nicht viel besser zu / als einer Wolcke / wenn sie blitzet. Eine Hinde wäre nicht eigentlicher traurig / als der Monde / wenn er verfinstert würde. Zeno begegnete Rhemetalcen: Er hörte wol /daß er die Stoischen Weisen zu seinem Lehr-Meister gehabt hätte / welche die in dem Hertzen wohnenden Gemüths-Regungen in das Gehirne versetzten / darinnen derselben so wenig / als Einwohner im Monden /zu finden wären. Sie schlügen sich aber selbst / wenn sie Kindern / Narren und vollen Leuten selbige nicht absprechen könten / welche doch weniger Vernunft /als Papagoyen und Elefanten hätten. Denn bey den Kindern wäre sie noch ungebohren / in Narren todt /bey Vollen eingeschlaffen. Die ersten weinten aus Unvernunft umb ihre Tocken so bitterlich / als Oenone umb ihren Paris / und Priamus umb sein Königreich. Sie erschrecken für einer Larve mehr / als Brutus für seinem bösen Geiste. Der Wahnsinnige zu Athen opferte aus eingebildetem Eigenthum / frembder Schiffe halber / sein abgeschnidtenes Haar dem stürmenden Meer und Winde so willig / als es die belägerten Frauen zu Carthago zu Bogen-Sehnen hergaben. Die Vollen zu Syracusa warffen aus geträumtem Schiffbruche mühsamer alles zum Fenster des Schenckhauses hinaus / als der Schiffbruch-leidende Ulysses alles über Bord. Rhemetalces wendete ein: Dieser Art Menschen könte er eben so wenig wahre Gemüths-Regungen / als dem Vieh enthängen / weil ihnen eben so wenig die Wahl ihrer anklebenden Schwachheit /als dem Vieh / ihrer angebohrnen Art zu widerstehen /mangelte. Der Hase und der Hirsch wären allemal furchtsam / der Löwe und Tiger allemal grimmig /und die Tauben könten nichts als immer liebreitzend seyn. Zeno widersprach diß durch diese Frage: Ob er die Hirschen niemals einen Jäger hätte tödten sehen? Ob nicht Ptolomäus sieben paar hoffärtig hertrabende Hirschen an so viel güldnen Wagen geführet / und Mithridates so viel behertzte zu seiner Leib-Wache erkieset habe? Des Sertorius weisse Hindin hätte den Ruhm einer Wahrsagerin erworben / und eine andere in Egypten die Griechische Sprache verstehen gelernet. Hätte nicht Onomarchus mit den zahmen Löwen gespeiset / Antonius sie für seinen Wagen gespannet? Hanno hätte einen / wie ein Lamb / bey der Hand geführt / und dadurch von seinem argwöhnischen Vaterlande ihm seine Hinrichtung zugezogen. Mentor von Syracuse / Elpis aus Samos und Androclus hätten durch ihre Wolthaten sie zu einer empfindlichen Liebe bewogen. Die Turtel-Taube ergrimmete sich wider den Raben / betrübete sich über den Tod ihres Gespielen / trincke nur trübes Wasser / und sitze auff keinen grünen Zweig mehr. Sollen nun diese Thiere keine wahre Gemüths-Regung haben? Sie haben ja alle Sinnen der Menschen / welche ihnen so wol als uns alles annehmliche und verdrüßliche empfindlich machen; ja in unterschiedenen übertreffen sie uns noch. Wer wil sich überreden lassen / daß der Hase für den Hunden nicht aus Furcht fliehe / und das Rebhun sich für dem Habichte nicht aus Schrecken verkrieche? Wer wil an dem Grimme des Löwen zweifeln / wenn für seinem Brüllen die Wälder beben /und tausend Thiere zittern / oder er Spisse und Degen zermalmet / und die Jäger zerfleischet? Rhemetalces fiel ein: Alle diese Bewegungen der Thiere schritten über keine Gräntzen / weil sie keine Vernunft zur Anweiserin / und kein Gesetze zur Richtschnur hätten. Zeno antwortete: Es[93] folgte hieraus nichts anders / als daß die ihren Gemüths-Regungen den Zaum verhängenden Thiere nicht wie den Zügel der Vernunft zerreissen / den Menschen mißhandelten. Unterdessen wären doch beyder Gemüths-Regungen nichts minder / als das Wette-Rennen in einem freyen Felde / und einer umpfählten Renne-Bahn / als der Lauff eines entmanneten und mit einem unwissenden Steuer-Manne versehenen Schiffes seiner wesentlichen Eigenschafft nach einerley. Zwischen beyden Regungen aber wäre kein grösserer Unterschied / als zwischen dem Thun eines wilden und eines zugerittenen Pferdes / eines auff dem Seile tantzenden / und eines andern in der Wüsten mit dem Nasenhorn-Thiere kämpfenden Elefanten. Dem Fürsten Malovend wolte dieser Streit zu lange währen / daher fing er an: Seinem Bedüncken nach wäre nützlicher / seine Gemüths-Regungen so vernünftig zu leiten / daß sie mit denen unvernünfftigen Thieren keine Aehnligkeit hätten / als über ihrer Gemeinschafft oder Unterschiede bekümmert seyn. Fürnemlich aber wäre zu wünschen / daß der Mißbrauch der Vernunfft in den menschlichen Hertzen nicht ärgere Feindschafft als zwischen Schlangen gesamet / und ihre Rachgier nicht schädlichere Waffen erfunden / als die Natur an Klauen / Zähnen und Hörnern denen wilden Thieren mitgetheilet hätte. Nach dem sie aber nicht allein ein gehörntes Thier geschlagen / sondern auch anderer Hörner erwehnet / könte er gegen sie eines seltzamern Hornes / als vielleicht anderwerts einiges Thier haben möchte / unerwehnet nicht lassen / welches vielleicht so wenig unangenehm zu hören / als zu der Jagt ungeschickt seyn würde. Als er nun beyder Fürsten Ohren geneigt zum Anhören vermerckte / fing er an: Es habe ein Fürst aus seinen Vor-Eltern sich in denen von dannen nicht allzuweit entfernten Friesischen Wildbahnen einmal verirret / in selbtem sey eine wolgestalte Wald-Göttin auff einem ihm unbekandten Thiere zu ihm geritten kommen /habe ihm ein überaus artiges Horn dargereicht / und /daß er den darinnen enthaltenen Tranck austrincken solle / ermahnet / da er sein Geschlechte in überaus grosse Würde und Gewalt versetzet wünschte. Der Fürst habe diß Geschirr / welches auch noch in ihres Geschlechts Schatz-Kammer als eine besondere Seltzamkeit auffgehoben würde / angenommen / worauff die Wald-Göttin für seinen Augen verschwunden. Er aber habe sich solches auszutrincken nicht wagen wollen / sondern sich voller Entsetzung Spornstreichs davon gemacht / und das Horn überrücke ausgegossen / wovon dem Pferde / so weit es bespritzt worden / die Haare weggegangen wären. Zeno sagte: Es ist diß in Wahrheit eine ungemeine Begebenheit / und ich möchte dis Horn wol sehen. Malovend vertröstete ihn: Er wolte dazu Anstalt machen; aber er würde so wenig / als alle / die es biß auff gegenwärtige Zeit in Augen-Schein genommen / nicht ergründen können /ob solch Geschirr aus Horn / Ertzt / oder aus was für einem andern Talge bereitet oder gewachsen sey. Diß ist noch seltzamer / sagte Rhemetalces / welches mir die Wahrheit der Geschichte ziemlich beglaubigt /und ich werde nicht ruhen / biß ich diß Wunder-Horn zu Gesichte bekomme. Aber da deine obige Erzehlung von des Kaysers Julius Brücke und Verrichtũg mit der Wahrheit übereintrifft; wie denn diese an dem Orte /wo etwas geschehen / am wenigsten verfälscht bleibt; hat Julius sich keiner so grossen Thaten gegen die Deutschen zu rühmen / noch den Hirschen eine so ruhmräthige Schrifft anzuhängen / noch weniger die Römer so viel Wesens darvon zu machen Ursache gehabt; und ich erfahre nun / daß die Griechen nicht alleine tichten können. Freylich wol! antwortete Malovend. Das Geschrey ist mit den Riesen vergeschwistert / es überschreitet allezeit das rechte Maaß der Wahrheit mit einer Ubermaaß / es gebiehret allezeit Wunder-Wercke oder Ungeheuer / leget[94] der Sachen entweder zu viel zu / oder ni t zu viel darvon / und vermischet das lautere eines Wercks mit einem unechten Beysatze. Hätten die Deutschen bey sich so viel Geschicht-Schreiber / es würden auch des Drusus und anderer Römer Thaten so grossen Ruhm in der Welt nicht haben / als sie daraus machen. Und daher muthmasse ich / es verhalte sich mit ihren alten Wunder-Wercken nichts besser. Zeno fiel ihm bey / und fing an: Die Ferne und das Alterthum wären der scheinbarste Firnß der Unwahrheit / und pflegten nicht nur die Römer / sondern alle andere Völcker / insonderheit die Griechen ihre alte Helden und Thaten / wie die Wald-Götter in des Timantes Gemählde den Daumen des schlaffenden Cyclopen mit langen Stängeln zu messen. Die Eroberung einer mittelmässigen Stadt war bey ihnen ein Wunder-Werck / die Erlegung eines berühmten Räubers machte den Sieger zu einem Hercules. Ja die Würde der Halb-Götter war für Zeiten so guten Kaufs / daß unter den Griechen leicht einer was thun dorffte / umb vergöttert oder unter die Sternen versetzt zu werden. Zu Rom wäre so gar die Hure Flora / bey den Marsen die Zauberin Medea mit einem Tempel verehret worden. Es ginge ja noch wol hin / sagte Marcomir / wenn die Griechen und Römer in Herausstreichung ihres Eigen-Ruhms nur über die Schnure gehauen / nicht aber die Flecken ihrer Ungerechtigkeit anderer Völcker Unschuld / wie die Spinnen ihren giftigen Unflat reinen Blumen anschmiereten. Ich wil der Griechen Eitelkeit / weil sie den Deutschen wenig Leides gethan / unberühret lassen. Die Römer aber haben den Brennus und seine Deutschen bey Auszahlung ihres Löse-Geldes arglistig überfallen / die Stadt Alba / ihr Vaterland / aus blosser Ehrsucht vertilget / die Samniter wider Treu und Glauben hinters Licht geführet. Den dritten Krieg wider Carthago haben sie mit grösserm Meineyd angefangen /als sie den Mohren niemals aufweltzen können. Geitz und Herrschens-Sucht habe ihren Krieg wider den Macedonischen König Philipp angezündet. Dem Antiochus / welchen sie zur Zeit des Africanischen Krieges unter dem Scheine falscher Freundschafft auff ihre Seite bracht / hätten sie gantz Asien disseits des Taurischen Gebürges und zehentausend Talent ohne rechtmässige Ursache abgezwungen. Dem Könige Perses hätten sie in einem Frieden / so lange er lebte /Heil und Sicherheit versprochen / ihn aber bald im Schlaffe erwürget; gleich als wenn dieses Bild des Todes nichts minder ihn aus der Zahl der Lebenden genommen / und ihr Bündniß zerrissen hätte. Den mit leeren Freundschaffts-Schalen sicher gemachten Eumenes hätten sie dem Antiochus verkaufft / den Attalus zum Knechte / und über sein Eigenthum zum Amptmanne gemacht; ja durch Einschiebung eines falschen letzten Willen seinem Sohne Aristonicus seiner Vor-Eltern Reich mit dem Degen abgerechtet /und ihn zum Schau-Gepränge geführt; gleich als von einem guten Vater ein mächtigerer / für dessen Boßheit er sich nicht fürchtete / zum Erben eingesetzt werden könte. Eben so hätten sie des Nicomedes und der Nysa Sohn von Bithinien verdrungen. Daß Crassus aus unsinniger Gold-Begierde des Pompejus und Sylla mit den Parthen getroffenes Bündnüß unglücklich gebrochen / wüsten die Römer selbst nicht genung zu verfluchen. Gegen die Gallier hätten sie eine Ursache vom Zaun gebrochen / und durch Arglist die unüberwindlichen Deutschẽ selbst aneinander gehetzt / um so wol die Uberwinder / als die Uberwundenen zu verschlingen. Gleichwol aber wolten sie niemals das Wasser getrübt / sondern nach ihrer Geschicht-Schreiber Groß sprechẽ / die halbe Welt / entweder durch gerächetes Unrecht / oder durch den ihren Bunds-Genossen geleisteten Beystand erobert haben;[95] Gleich als wenn nichts minder die Schwächern die Mächtigern / als die Tauben die Geyer zu beleidigen /nicht aber insgemein diese sich an jene zu reiben pflegten. Uberdis schrieben sie ihre Fehler und Niederlagen mit so fahler Dinte auff / welche niemand lesen könte; oder schämten sich wol gar nicht ihren Verlust mit Siegs-Geprängen zu verdecken. Weßwegen er nicht zweifelte / daß sie die Niederlage des Varus eben so wol verkleinern würden / als sie des Lollius vertuscht hätten. Alle hörten den eifrigen Marcomir geduldig an / weil sie entweder den Römern selbst nicht gar hold waren / oder eines Gefangenen Schuldigkeit zu seyn hielten / etwas zu verhören. Zeno aber nahm endlich das Wort von ihm / und sagte: Er wolte weder in einem noch dem andern das Wort reden. Alleine Laster würden so lange gefunden werden / als Menschen. Gute und Böse wären unter allen Völckern / wie weisse Leute und schwartze Mohren in der Welt. Die Römer wären von allzu grossem Glücke verblendet worden / bey welchem die klügsten Leute wie die hellesten Augen von der Sonnen Straalen ihr Gesichte einbüßten. Bey anwachsender Gewalt schiene / was vorträglich / auch recht zu seyn / und das Gelücke machte auch die sittsamsten kühn / das zu thun / was man bey niedrigerm Zustande verdammete. Unterdessen wäre das durch das Glücke verderbete Urtheil doch nicht so kräftig / daß man den Lastern nicht ihre Heßligkeit ansehen / und sich seine eigene Fehler zu rühmen überreden lassen solte. Die Eigenliebe hätte in der einen Hand einen Schwa / damit sie fort für fort sich zu saubern bemühet wäre; in der andern aber Kohlen / um andere damit zu schwärtzen; gleich als wenn frembde Besudelung unsern Brandmahlen / wie die finstere Nacht den Sternen einen Glantz zu geben vermöchte. Bey welcher Bewandnüß man ihm von den Römern nicht frembde zu machen hätte / daß sie lieber anderer / als ihre eigene Ankläger seyn / auch ihre eigene Unglücke lieber verhüllen / als durch derselben Eröfnung wie die Wunden durch Abreissung der Pflaster verärgern wollen. Ausser dem würden alle merckwürdige Geschichte insgemein ungleich und durch Ferne-Gläser angesehen / welche von fornen die Sachen vergrössern / von hinten zu aber verkleinern. Ja es wäre eine unabtrennliche Eigenschafft der Erzehlungen / daß selbte mit der Entfernung nicht anders / als die von einem Gebürge abkugelnden Schneeballen ohne ihre Schuld wüchsen. Denn wenn schon Haß oder Gunst sich nicht mit auff die Wag-Schale legten / so hätte doch Glück und Irrthum mit die Hand im Spiele / und strichen dem Wesen einen falschen Firnß an. Auch diß /was an sich selbst groß genung wäre / behielte sein Maaß nicht / sondern der Nahme überwiege die eigene Schwerde. Der grosse Alexander hätte selbst gestanden: Man redete mehr von ihm als wahr wäre. So haben die Deutschen hingegen von ihnen zu rühmen /fing Malovend an / daß sie mehr thun / als man von ihnen saget. Rhemetalces lächelte / mit Beysetzung dieser Worte: Wir haben es leider / und du zwar an deinen eigenen Landsleuten wol erfahren. Aber / Malovend / so viel aus deinen Worten verlautet / bistu deinem Vaterlande nicht gram / was hat dich denn bewogen dich auff der Römer Seite zu schlagen? Malovend zoch die Achseln ein und seuffzete. Sie hätten ihm auch ferner angelegen die Ursache zu eröffnen; es brachten aber die Jäger gleich vier grosse hauende Schweine gejagt / welches ihr Gespräche unterbrach /und sie nach ihren Waffen zu greiffen nöthigte. Zeno warff das förderste mit einem Wurffspiesse / alleine es lieff mit selbtem gleichsam ohne einige Empfindligkeit der Wunden hinweg / so bald es sein Wasser gelassen hatte. Denn ausser dem können sie nicht starck lauffen. Rhemetalces schoß etliche Pfeile auff das andere / sie vermochten aber nicht einst durchzudringen. Malovend aber sprang nach seiner Landes-Art eilfertig vom Pferde / ließ ihm den[96] nechsten Jäger ein Eisen langen / hielt selbtes gegen dem dritten Schweine / welches gantz verblendet darein lieff / und mit diesem Fange steintodt zur Erden fiel. Rhemetalces fing hierüber an: Ich gläube / daß die wilden Schweine in Deutschland keine Augen haben / daß sie sich so selbst auffopffern. Ja / sagte Malovend / wie in der gantzen Welt die Menschen / welche entweder Furcht oder Begierden verblenden. Hiermit gab er dem vierdten Schweine einen gleichmäßigen Fang. Zeno fing hierauff an: Ich sehe wohl / daß Malovend diß Handwerck besser als wir gelernet / sprang hiermit / nach dem er noch unterschiedene grosse Stücke folgen sahe / vom Pferde / welchem Rhemetalces bald folgete. Jener begegnete einem Hauer gleichfalls mit einem Eisen / welches zwar wohl antraff / aber am Holtze in stücken brach / also er mit seinem Degen sich zu beschirmen gezwungen ward. Diesem gelang es noch ärger. Denn das Schwein rennte ihn gar über einen Hauffen / verletzte ihn auch ein wenig in die Hüffte / weßwegen die Jäger etliche der grossen Britannischen Tocken auff sie loß lassen musten. Diese hielten die Schweine bey den Ohren so feste / daß man ihnen die Eisen ohne einige Kunst ins Hertze stossen konte. Nachdem nun wohl zwölff Stück erlegt / fing Zeno an: Ich glaube / daß P. Servilius Rullus aus diesem Forst entsprossen sey / weil er zu Rom mit den wilden Schweinen so grosse Verschwendung an gefangen / und der erste gewest / der iedem Gaste ein gantzes Schwein fürgesetzt. Ja / sagte Zeno / und diese würden auch wohl dem Apicius das Gewichte halten / der keines auffsetzen ließ / welches nicht tausend Pfund schwer war. Malovend antwortete: zum wenigsten hat er diesen Pracht von den Deutschen gelernet / welche bey ihren Hertzogs-Wahlen nicht nur gantze Schweine / sondern grosse Ochsen braten. Zeno aber fiel ein: Er wundere sich vielmehr / daß die deutschen Schweine so wohl ihre Landsleute kenneten / in dem sie nur die Ausländer beleidigten. Malovend versetzte diesen Schertz: vielleicht wären sie so klug oder gütig / als die Tyrintischen Schlangen / die Nattern am Phrat / und die Scorpionen auff dem Berge Latmus / von denen man ihn zu Rom im Ernst bereden wollen / daß sie gegen die Eingebohrnen gantz kirre wären / auch ihnen kein Leid anthäten. Ich begehrte ihrer vernünfftigen Unterscheidung / sagte Rhemetalces / nicht so viel / als auff die Stärcke gegenwärtiger Hunde zu trauen. Zeno fiel ihm ein: Er wünschte / daß diese Gegend noch streitbarere Thiere hegete / um zu versuchen / ob diese Hunde auch Löwen und Elefanten bemeistern könten / wie die /welche der König in Albanien und Sophites in Indien dem grossen Alexander verehret hätten. Ich weiß / sie würden ihren Feind nicht scheuen / antwortete Marcomir. Denn die Gallier holten sie aus Britannien /und brauchten sie wie die Garamanten in Schlachten an statt der Kriegs-Knechte / und die Colophonier stelleten sie Gliederweise in die Spitze des Treffens. Die Cimbrer richteten ihre eigene Hunde darauff ab. Rhemetalces fuhr fort: Ich habe gemeint / meine Nachbarn die Magneten führten nur mit Hunden Kriege. Ja sagte Zeno; brauchte sie nicht König Masinissa zur Leibwache? und noch heute zu Tage ist diß in Africa nicht ungemein. Die Römer selbst haben solche als M. Pomponius Sardinien eingenommen / zu Ausspührung ihrer in öde Oerter geflüchteten Feinde gebraucht. Rhemetalces antwortete ihm: alles diß ist der Hunde Eigenschafft ähnlicher / als daß sie zu Rom auff den Schau-Bühnen die Stelle und Verrichtungen der Gauckler vertreten. Sie sollen uns / rieff Malovend / hier zuversichtlich auch ein nicht unangenehmes Schauspiel fürstellen / und erinnerte sie rückwärts umzuschauen / allwo die Jäger zwey grosse Bären gegen sie auffgejagt hatten. Die sich erschütternden Pferde aber hatten dieser[97] Thiere Näherung schon / ehe sie sie zu Gesichte beko en / angedeutet /weil die Natur beyden einen unversöhnlichen Haß eingepflantzt. Die ausländischen Fürsten wolten etliche von den Britannischen Tocken auff sie loß lassen; Malovend aber meinte / es wäre an einer genug. Denn an den andern Bär würde sich wohl ein einiger Jäger machen. Der loßgelaßne Hund griff alsbald den grösten Bär an / und machte ihm so viel zu schaffen / daß er sich für ihm auff einen Eichbaum flüchtete; nach welchen sie hernach mit Pfeilen so lange zum Ziele schossen / biß er nach vielen empfangenen Wunden herab fiel. Den andern Bär aber griff Alfelsleben / ein von Fußauff gewaffneter Cattischer Edelmann des Fürsten Adgandesters / an; gegen welchen sich der Bär aufflehnte / und als er ihn mit den fördern Klauen umarmete / fiel der Jäger mit allem Fleiß zurücke /und stach ihm ein Messer durch den Bauch ins Hertze / daß er über ihm steintodt liegen blieb. Ehe sich aber dieser unter dem Bären herfürweltzte / fing der ihn begleitende Hund erbärmlich an zu winseln / fiel den todten Bären auffs grimmigste an / und als dieser sich nicht regte / stürtzte sich der Hund in den nechsten See / hätte sich auch darinnen vorsätzlich ersäuffet /wenn nicht der hinzu lauffende Jäger durch sein Zuruffen ihn davon abwendig gemacht hätte. Sie verwunderten sich alle über dieser Begebniß / und sagte Rhemetalces / daß es doch kein ander Thier an Liebe und Treue gegen den Menschen den Hunden gleich thäte. Man hätte mehr als tausend berühmte Beyspiele / daß sie für ihre Herren biß in Tod gefochten / auch nach etlichen Jahren ihre Mörder angefallen und entdeckt hätten. Ja des Eupolites Hund wäre über seinen Absterben erhungert / des Xantippus wäre seinem Schiffe so lange nachgeschwommen / biß er ersoffen /des letzten Darius Hund wäre sein einiger Todes-Gefärthe gewest / des Lystmachus und Pyrrhus hätten sich in ihre brennenden Holtz-Stöße gestürtzet.

Die Verzweiffelung dieses getreuen Hundes war kaum vorbey / als Alfelsleben / der den Bär in Eil ausgeweidet hatte / keine geringe Bestürtzung von sich blicken ließ. Wie nun dieser dem Jägermeister den Verlust seines eisernen Ringes / als die Ursache seiner Bekümmernis andeutete / zohe Zeno einen köstlichen mit Diamanten versetzten Ring vom Finger / und reichte selbten diesem Cattischen Edelmanne /um dardurch seinen Schaden zu ergäntzen. Alfelsleben bezeugte gegen dieser Fürstlichen Freygebigkeit die höfflichste Demut / und weigerte sich dieses Geschencke anzunehmen / anziehende / daß der Werth seines verlohrnen eisernen Ringes durch keinen andern / auch durch den mit einem köstlichen Opal versetzten Ring nicht ersetzt werden könte / welchen der Rathsherr Monius gehabt / und so hoch geachtet / daß er sich lieber damit ins Elend verjagen lassen / als solchen dem geitzigen Antonius abtreten wollen; noch auch um denselben Ring / um dessen Kauff zwischen dem Cöpio und Drusus eine Todt-Feindschafft und ein schrecklicher Krieg erwachsen. Rhemetalces fing an: in was denn die Kostbarkeit dieses Ringes bestanden / weil selbter nur für eisern angegeben würde? Ob selbter eine geheime Krafft wie derselbe Ring in sich gehabt habe / welchen der Königliche Hirte Gyges in einer Höle einer in einem ertztenen Pferde verwahrten Leiche abgezogen; sich damit als wie des Pluto oder der Hölle Helm ebenfals die Krafft gehabt haben soll / unsichtbar und zum Könige in Lydien gemacht hätte? oder ob dieser Ring den Alfelsleben / wie des Phecensischen Fürsten zwey Ringe / durch ihren Klang erinnert hätten: Ob er diß oder jenes thun oder lassen solte? Alfesleben / welcher in dem Eingeweide des Bären seinen Ring bekümmert suchte / gleichwohl aber das eine Ohr bey dem Gespräche dieser Fürsten hatte / antwortete: Wo die Anreitzung der Tugend etwas bessers / als die betrügerischen Künste der Zauberey wäre / würde sein Ring zweiffelsfrey[98] höher als alle erwehnte / ja auch als des Eucrates Ring / darinnen des Pythischen Apollo Bild alle Heimligkeiten ihm entdeckte / und andere zu achten seyn / krafft welcher Timolaus alle Schwerden erheben / durch die Lüffte flügen / iederman einschläffen / und alle Schlösser öffnen wolte. Uber diesen Worten fand Alfelsleben den Ring in einem Darme des Bäres / welchen er mit grossen Freuden dem ihn zu sehen verlangenden Fürsten Zeno reichte. Bey dessen erstem Anblicke er anfing: es ist dieser Ring ziemlich weit / und zum Verlieren gar geschickt. Weil er nun so hoch geschätzt wird / muthmaße ich / dessen Weite werde so wohl als der Ring des dem Jupiter zu Rom geweyhten Hohenpriesters etwas sonderlichs anziehlen; in dem dieser ihn erinnerte / daß er nichts gezwungenes für die Hand nehmen solte. Ja / sagte Marcomir / nichts anders zielet auch dieser deutsche Ring an; daher auch kein Leibeigner solchen bey Lebens-Straffe tragen darff. Uberdiß kömmt auch dieser Ring dem erwehnten priesterlichen bey / daß er mit keinem Steine versetzt ist. Zeno fiel ein: bey andern Völckern aber sind die eisernen Ringe der Leibeigenen Merckmahl /wie die silbernen der unedlen Freyen. Wiewohl beyde sich aus einem verborgenen Ehrgeitze unterstehen denen edlen einzugreiffen / und unter der Farbe oder Schale des Stahles Gold zu tragen. Malovend antwortete: Es ist nicht ohne / daß Eisen und Stahl dem Golde nicht zu vergleichen; sondern vielmehr solche Ringe von eben dem Metalle / worvon insgemein die knechtischen Fessel seyn. Mir ist auch nicht unwissend / daß zu Rom die ersten güldnen Ringe nur die Botschaffter / die Raths-Herren / und die Rathsfähigen Geschlechte / welche nach der Cannischen Schlacht alle ihr Gold in den gemeinen Kasten gelieffert / hernach die Ritterlichen getragen / und daher Mango aus der grossen Menge der abgenommenen güldenen Ringe zu Carthago die Anzahl der erschlagenen edlen Römer erwiesen habe. Durch welches Kennzeichen des Cornutus Knechte des Marius den Cornutus zu ermorden befehlichte Kriegs-Leute betrogen; indem sie unter dem Scheine ihres schon entseelten Herrn einer gemeinen Leiche güldne Ringe angesteckt / und sie für des Cornutus zu Grabe getragen. Wiewohl freylich das Recht güldne Ringe zu tragen hernach auff die Kriegs-Hauptleute / nach diesem auff die außerlesnen Kriegs-Männer / ferner auff die Edelleute / welche viertzig tausend Sestertier in Vermögen zeigen konten / verfiel. Ja endlich steckte Verres /wiewohl mit grossem Unwillen des Römischen Adels / seinem Schreiber / Sylla seinem Schauspieler Roscius / Käyser Julius dem unedlen Laberius / Balbus dem Gauckler Herennius Gallus / Käyser August dem vom Pompejus mit der Schiffs-Flotte übergehenden Mena / und seinem Artzte Musa einen güldnen Ring an; also / daß zuletzt dieses güldne Geschencke nur für ein Zeichen der Loßlassung aus der Dienstbarkeit angenommen ward. Nichts destoweniger ist unläugbar / daß Prometheus / welcher der Ringe Erfinder gewesen seyn soll / einen eisernen getragen / und daß bey denen Spartanern ein eiserner Ring ein Kleinod der Edlen / zu Rom eine Zierde des Königs Numa in seinem ertztenen Bilde war / daß bey denen alten Römern die gleich mit einer güldenen Krone im Siegs-Gepränge einziehenden Uberwinder / und insonderheit Cajus Marius / als der dem König Jugurtha an seinen Wagen gespannet einführte / doch einen eisernen Ring am Finger truge / ja die Römischen Gesandten in ihren Wohnungen nur eiserne ansteckten / die Römer auch noch nur mit dergleichen ihre Bräute beschencken. Ich habe zu Rom selbst zu der Zeit / als Käyser August das Volck in zehn und zehn abtheilte /die Richter in ansehnlicher Zahl sitzen / und in der meisten Händen keine andere als eiserne Ringe gesehen / und hat man mich versichert /[99] daß der Römische Adel keine andere tragen dörffte / wenn sie der Stadt-Vogt nicht mit einem güldenen beschenckt hätte / ungeachtet die von ihnen überwundenen Sabiner lange vorher insgemein an den Fingern und Armen güldene mit Edelgesteinen versetzte Ringe und Armbänder geführet. Endlich mag auch der Käyser so heilig geschätztes Bild zu Rom nichts minder in eiserne / als güldene Ringe geprägt werden. Zeno betrachtete inzwischen Alfeslebens Ring auffs genaueste / fing hierauff an: Ich finde an diesem Ringe weder Kunst noch Kostbarkeit / vermuthlich aber wird er wegen einer verborgenen Ursache ein Ehrenzeichen des deutschen Adels seyn. Vielmehr ein Merckmahl der Schande /versetzte Marcomir. Denn es müssen ihn alle Catten so lange tragen / biß sie einen Feind überwunden /gleich als wenn sie durch solche Heldenthat sich von einem Fessel der Verachtung befreyen müsten. Nach dieser Art darff kein Cherusker und Catte auch für Erlegung eines Feindes weder Haupt noch Bart bescheeren lassen / gleich als wenn er durch ein dem Vaterlande zu liebe gethanes Gelübde das Haar so lange zu tragen verpflichtet wäre. Hertzog Zeno fragte: Warum denn dieser junge Edelmann um den Verlust dessen /was er loß zu werden so sehr wünschte / so bekümmert gewesen wäre? Weßwegen / seiner Meinung nach / er dieses Schmach-Zeichen mehr Ursache in diesen Pfuhl / als Polycrates und Sextus Pompejus ihre Ringe ins Meer zu werffen gehabt zu haben schiene. Marcomir antwortete: Es wäre denen / welchen diese Ringe zu tragen von ihrem Fürsten einmahl ausgetheilet worden / verkleinerlich / wenn sie selbte verliehreten; gleich als wenn sie das Denckmahl ihrer Tugend und versprochenen Tapfferkeit so geringschätzig hielten und ausser Augen setzten. Zu dem wäre der Deutschen Gewohnheit / daß die Fürsten um den Sieg / die Edlen aber für den Fürsten kämpfften / und die Ehrerbiettung gegen ihre Fürsten so groß / daß sie für Gewinn und Ehre schätzten /wenn sie mit einem ihnen gleich schädlichen Gehorsam der Fürsten Befehl befolgten / und aus einer ihnen zu wachsenden Schande ihm Ruhm und Ehre zuschantzen könten. Fürnehmlich aber wäre es dem Alfesleben darum zu thun / daß er in der letzten Schlacht dreyer Gallier und zweyer von ihm erlegter Römer Köpffe eingebracht hätte / und er also folgenden Tag dem Cattischen Hertzoge Arpus diesen Ring als ein Pfand seiner numehr bewehrten Hertzhafftigkeit zurück lieffern solte; worgegen er nach der Deutschen Gewohnheit zum Siegs-Lohne mit einem Schwerdte / einem Bogen / oder einer Rüstung / zuweilen auch wohl mit einem güldenen Ringe / nach des Hertzogs Gefallen und des Siegers Verdienste beschencket würde. Ausser solchen durch Tapfferkeit erworbenen dörffte kein deutscher Rittersmann keinen güldenen Ring tragen. Rhemetalces fing an: es ist diß sehr löblich und dem Carthaginensischen Gesetze nicht ungleich / welches verbot / mehr Ringe anzustecken / als einer Feldzüge gethan hatte. Sonsten wären alle erzehlte Dinge der Tapfferkeit wohlanständige Geschencke. Insonderheit wäre die Verehrung der Ringe in dem tieffsten Alterthume schon bräuchlich gewest. Denn wie diese nicht nur zu Versicherung der Wetten / der Gelübde / der Heyraths-Schlüsse gegeben worden; also habe die Stadt Cyrene einen kostbaren Ring schmieden / das köstliche Kraut Silphium / welches auch unter andern Schätzen dem Delphischen Apollo gewidmet war / darauff prägen lassen / und solchen ihrem Urheber Battus als ein Zeichen ihrer Danckbarkeit; Philip / als er wider die Bysantzier zohe / dem grossen Alexander / dieser auff dem Tod-Bette / als ein Erkäntniß seiner treuen Dienste / oder ein Zeichen des ihm zugeigneten Reiches dem Perdiccas / der krancke August[100] dem Agrippa seinen Ring gegeben. Malovend nahm das Wort von ihm und fing an: Es wäre die Art mit dem Ringe einem die Nachfolge der Herrschafft zuzueignen / oder sonst eine ungemeine Vertrauligkeit anzudeuten / wie Alexander gegen dem Hephestion mit seinem an den Mund gedrückten Ringe gethan / als er ihme Olympiens geheime Schreiben zu lesen gab / auch in Deutschland nicht unbekant / und pflegten die Catten diese eiserne Ringe ihrer Ahnen auffs fleißigste zu verwahren. Sonst wären diese Ringe vielleicht deßwegen stählern / weil bey denen alten Deutschen dieses in der Haushaltung und im Kriege nützlichere Ertzt in grösserm Ansehen / als das Gold / auch dem Kriegs-Gotte zugeeignet gewest. Aus welchem Absehen / und weil die rechte Hand meist die Ausüberin der Tapfferkeit seyn muß / der Daumẽ und mitlere Finger auch der stärckste ist / diese eiserne Ringe auch nur in der rechten Hand / und zwar in oberwehnten zweyen Fingern getragen würden. Da hingegen die meisten Völcker die aus blosser Wollust angenommene Ringe in der müssigern und verborgenern lincken Hand / und in dem Finger neben dem kleinern / gleich als wenn nach der Egyptier wiewohl irrigen Meinung aus diesem Goldfinger eine kleine Ader zu dem vom Golde Stärckung empfangenden Hertzen ginge / trügen / den Daumen und mittlern Finger damit niemahls besteckten. Diese Erzehlung vergnügte die fremden Fürsten überaus / und nachdem Rhemetalces diesen Ring gleichfals wohl betrachtet hatte / fing er an: Ich finde in diesem Ringe gleichwohl noch etwas / was Fürst Zeno nicht angemercket / oder gemeldet; Denn es ist in ihn was gebeitzet / welches ich aber noch nicht recht erkennen kan. Für kein Bild eines Gottes darff ich es nicht annehmen / weil ich weiß / daß die Deutschen mit den Egyptiern dißfals nicht einig sind / welche des Harpocrates und anderer Götter Bilder gar gemein an Fingern tragen. Vermutlich aber wird es iemand berühmtes von dieses Edelmanns Ahnen oder aus seinen vertrauten Freunden seyn. Massen ich in Griechenland und zu Rom diese Gewohnheit wahrgeno en / und bey dem Germanicus den Ring mit des Africanischen Scipio eingeetztem Haupte gesehen /welchen das Volck seinem unwürdigen Sohne / als er sich die Stadtvogtey zu suchen unterstand / abgezogen hat. Käyser Julius hat der gewaffneten Venus Bild /von welcher er nichts minder entsprossen / als seine Aehnligkeit empfangen zu haben vermeinte / getragen. In Griechenland pflegen noch die Nachfolger des Welt-Weisen Epicurus sein Bild in ihren Ringen zu verehren / in ihre Säle zu setzen und auff ihre Trinck-Geschirre etzen zu lassen. Alfesleben antwortete hierauff selbst: Es ist weder eines noch das andere / sondern ein Schild / und darauff das Haupt des Tuisco /zu meiner Erinnerung / daß nichts schändlichers sey als im Kriege den Schild einbüssen; und daß alle edele Gemüther in die Fußstapffen ihres niemahls überwundenen Tuisco zu treten schuldig sind. Zeno fing hierüber laut an zu ruffen: diß ist ein so schönes Sinn-Bild / als dieser junge Ritter tapffer ist. Nichts nicht kan einem einen grössern Zug zur Tugend / als das Anschauen eines berühmten Helden verursachen. Also hat Aristomenes des Agathocles / Callicrates des Ulysses / und Käyser August des grossen Alexanders Bild in ihren Ringen getragen / und Tiberius siegelt schon mit des Augustus. Callicrates hat so gar nach Ulysses Kindern den seinigen ihre Nahmen gegeben /und das Römische Geschlechte der Macer trägt nicht nur in Ringen / in Trinckgeschirren und Waffen; sondern auch das Frauen-Zimmer Alexanders Bild mit Perlen / Gold und Seide gestickt auff ihren Hauben /Kleidern und Zierrathen. Auch hat mir zu Rom Lucius Macro ein vertrauter des Tiberius eine aus Agtstein gearbeitete Schale / als das schätzbarste Kleinod ihres Geschlechtes / gewiesen / in welche[101] vom berühmten Pyrgoteles Alexanders Thaten auffs künstlichste gegraben sind. Rhemetalces / der noch immer den Ring betrachtete / brach ein / und sagte: Ich finde inwendig noch einen in diesen Ring gegrabenen Löwen. Alfelsleben fiel ihm bey / und berichtete / daß die Hertzoge der Catten dieses hertzhafte Thier zu ihrem Geschlechts- und Feld-Zeichen brauchten / und deßwegen alle solche eiserne Ringe damit bestempeln liessen. So führen sie / antwortete Rhemetalces / mit dem grossen Pompejus einerley Merckmahl / weil dieser stets einen mit einem Schwerdte gerüsteten Löwen in einen Sardonich-Stein gegraben am Finger trug / und damit siegelte. Massen dieser Ring dem todten Pompejus auch vom Achille abgezogen / dem Käyser Julius mit dem eingehüllten Haupte überschickt / und damit sein zu Rom ungläublicher Tod bestärcket ward. Zeno setzte bey: Es wäre die Zuneigung gewisser Sinnen-Bilder iederzeit im Brauche gewest. Die Egyptischen Kriegsleute hätten insgemein einen Kefer / als ein Bild der Tapferkeit / weil es keinen Kefer weiblichen Geschlechts gebe / Areus der Spartaner König einen Adler / Darius ein Pferd / Amphitruo den auffgehenden Sonnen-Wagen mit vier Pferden / die Locrer den Abend-Stern / die Könige in Persien das Bild der Heldin Rhodogune mit zerstreueten Haaren /welche bey derselben Aufflechtung eine erlittene Niederlage erfahren / und selbte nicht eher / als biß nach verübter Rache zuzuflechten sich verschworen hat /Clearchus die tantzenden Jungfrauen zu Sparta / welche alle Jahre die Caryatische Diana also verehreten /Sylla die Ergebung des Königs Jugurtha / und zuweilen drey / Timoleon ein Sieges-Zeichen / weil er derogleichen Ring in dem Kriege gegen den Icetes aus dem Looß-Topfe gezogen / Intercatiensis des Scipio Emilianus Sieg über seinen eigenen Vater / Pyrrhus den Agath mit den Musen / August einen Sphinx / Seleucus und seine Nachkommen einen Ancker / Mecänas einen Frosch / Ißmenias das Bild der Amimone in ihren Ringen geführet. Unter diesem Gespräche brachten die Hunde eine grosse Sau aus dem Gesümpfe herfür gejagt / welcher der wegen seines wiedergefundenen Ringes frohe Alfelsleben mit dem Eisen muthig entgegen ging. Zu allem Unglücke aber brach der Stiel entzwey / und Alfelsleben fiel über einen Hauffen. Die schwere Rüstung hinderte ihn geschwinde aufzuspringen die andern aber die Ferne /ihm im Augenblicke Hülffe zu leisten; und also kriegte diese grimmige Sau Zeit / diesen hurtigen Edelmann im Bauche und in der Seite / wo er ungeharnischt war / gefährlich zu verwunden / also / daß die Jäger ihn halb todt in das nechste Jäger-Haus zur Verbindung tragen musten. Wie nun alle hierüber ein sonderbarhes Mitleiden bezeugten / fing Rhemetalces an: Ich sehe gleichwohl aus diesem Beyspiele / daß die aus denen Ringen zuweilen genommene Andeutungen nicht blosse Eitelkeiten seyn / sondern gewisse Geheimnüsse in ihren Kreissen verborgen stecken /wie Polycrates mit seinem Schaden / Timoleon mit seinem Frommen erfahren / weil jenem dadurch sein Untergang / diesem ein herrlicher Sieg wider die Leontiner angedeutet ward. Also sagte Esopus den Samiern mehr denn allzu wahr / als ein Adler ihren Ring / damit der Rath zu siegeln pflegte / mit in die Lufft nahm / und in eines Knechtes Schooß fallen ließ; sie würden unter eines Königs Dienstbarkeit verfallen. Marcomir begegnete ihm: Er hielte den Verlust des Ringes und Alfelslebens Verwundung für einen blossen Zufall; und also auch diese der Ringe wie auch andere eingebildete Andeutungen für Aberglauben. Er gestünde gerne / daß in köstlichen Edelgesteinen / als in welche die Natur gleichsam ihre Kunst und Herrligkeit zusammen gezwänget hat / nichts minder als der Magnet absondere Kräffte in sich hätte / aber nur natürliche und der Vernuft gemässe. Daher er[102] denn für ein bloß Getichte hielte / daß ein in eines Hahnes Magen gefundener Stein den Milo Crotoniates unüberwindlich gemacht habe. Gleicher gestalt wäre ihm unglaublich oder eine Zauberey / daß iemals ein in ein Glas gehenckter Ring gewisse daran gehaltene Buchstaben durch seine Bewegung bezeichnet /und einen Nachfolger im Reiche angedeutet; daß der weltweise Eudamus Ringe bereitet hätte / welche die Gespenster verjagt / die Schlangen-Bisse verhindert /und die Verstorbenen zu erscheinen genöthigt; Moses aber mit einem / seinem Egyptischen Weibe seiner und aller vorhergehenden Vergessenheit beybracht. Weßwegen er auch diß für den ärgsten Aberglauben hielte / wenn etliche Wagehälse aus denen vom Kreutze genommenen Ketten / oder von den Klingen der Scharffrichter ihnen zu allerhand verdächtigem Gebrauche (wie der ruchlose Eucrates gethan haben soll) Ringe schmieden lassen. Rhemetalces versetzte: Keine gründliche Ursache könte er so wenig geben /als die scharffsichtigsten Weltweisen in vielen andern Geheimnüssen. Unterdessen bekräfftigte es die Erfahrung und ihr heutiges Beyspiel. Niemanden wäre iemals ein Stein aus dem Ringe / oder der Ring selbst zersprungen / dem nicht ein Unglück auff dem Nacken gesessen. Woraus allem Ansehen nach geflossen zu seyn schiene / daß die Traurenden / die Fußfälligen / die zum Tode verdammten die Ringe abnehmen /denen Sterbenden aber selbte abgezogen würden; gleich als weñ ihr Leid keines grössern Unglücks Ankündigung aus ihren Ringen mehr zu erwarten hätte. Ihrer viel hätten deswegen umb auff den Nothfall ihrem Leben abzuhelffen / Gifft in ihren Ringen verwahret. Massen Demosthenes dardurch dem vom Antipater abgeschickten Mörder Archias / und Hannibal des Flaminius Kriegsleuten zuvor kommen wären /und der Bewahrer des von dem Camillus dem Capitolinischen Jupiter gewiedmeten Schatzes hätte mit Zerbeissung eines in seinen Ring eingesetzten Steines ihm augenblicklich sein Leben verkürtzt / als Marcus Crassus daselbst zweytausend Pfund Goldes weggenommen. Also durchgraben die eitlen Sterblichen nicht allein die Eingeweide der Erde / und beschinden ihnen so viel Hände / nur daß eines einigen Fingers Glied gläntzend sey / sondern sie mühen sich auch ihre Scharffsinnigkeit zu Beförderung ihres Todes an zugewehren / also / daß wenn in der Tieffe der Erdkugel nur eine Hölle zu finden wäre / diese Kaninichen des Geitzes solche fürlängst untergraben / und / wo nicht Ertzt / doch Schwefel und Gifft daraus geraubet haben würden.

Die Sonne war hiermit schon über den Mittags-Wirbel gelauffen / als Hertzog Herrmanns Jägermeister sie in das unfern davon gelegene Fürstliche Jägerhaus zur Mittagsmahlzeit einlud. Dieses war ein sechseckichtes von gebackenen Steinen aufgeführtes /und mitten in einem lustigen Thiergarten gelegenes Gebäue / darinnen sie bey ihrer Ankunft unten auff einem gepflasterten Boden schon eine fertige Taffel fanden / und in dieser Wildnüß nicht allein den hungrigen Magen mit schmackhafter Kost / als das Gemüthe mit annehmlichem Gespräche sättigten. Wie sie aber im besten Essen waren / erhob sich in einem Augenblicke unter der Taffel ein Geprudel und Geräusche / das Wasser spritzte auch bald darauf so heftig in die Höhe / daß alle an der Taffel sitzende häuffig bespritzet / und darvon auffzuspringen genöthigt waren. Dieses Bad verursachte ein nicht weniges Gelächter / und Zeno fing an: Er hätte in dieser sandichten Fläche keine Wasser-Kunst gesucht. Der Graf von Uffen / des Feldherrn Jägermeister antwortete: Es hätte sie die Natur / keine Kunst an diesen Ort versetzet. Denn es wäre diß der berühmte Boller-Brunn /welcher alle Tage zweymal zwischen den Sand sich versteckte / und so vielmal wieder herfür springe /also nicht anders / als das Meer Epp und Fluth habe. Sie liessen[103] hierauff die Taffel hinweg rücken / umb diesen Wunder-Brunn so viel eigentlicher zu betrachten / und an einem sichern Orte die Mahlzeit zu vollenden. Zeno fing hierauff an: Dieser Brunn ko t mir für / wie der von mir auff der Reise aus Italien besichtigte Fluß Timavus in Histrien / dessen Strom ebenfalls von dem in die unterirrdischen Klüffte sich eindringenden Adriatischen Meere so sehr auffgeschwellet wird / daß er weit über seine Ufer sich ergeust /und selbige Landschafft wässert. Dahero halte ich dafür / daß dieser Boller-Bruñ gleichfalls von dem Aufschwellen des Balthischen Meeres seine Bewegung hat. Rhemetalces warff ein: Was wird aber für eine Ursache zu geben seyn / daß an dem Flusse Bätis ein Brunn / wenn sich das Meer ergeust / ab- und wenn es fällt / wieder zuni t? Daß bey den Helvetiern das berühmte Pfeffer-Bad im Anfang des Mayen Wasser beko t / im Mittel des Herbst-Monats aber selbtes wieder verliert; daß in dem Pyrenischen Gebürge ein Brunn im längsten Tage das Wasser mit grossem Geräusch heraus stöst / und weñ der Tag am kürtzsten / wieder verseuget? Zeno antwortete: Das erstere rührte her von den weiten und verdrehten unterirrdischen Wasser-Gängen / durch welche das eindringende Meer sich so geschwinde nicht durchzwängen kan; das andere aber könte nicht von dem Ab- und Zulauffe des Meeres / sondern / seinem Bedüncken nach / noch von dem zerschmeltzenden Schnee /welcher nach und nach mehr / als die bald abschiessenden Regen / in die Berge einsincke / herrühren. Wie ko ts aber / sagte Rhemetalces / daß es in Pannonien und in Histrien eine See gibt / die des Sommers vertrocknet und besäet wird / des Winters aber schwimmet und Fischreich ist; und daß in Syrien ein Fluß nur den siebenden Tag kein Wasser hat? Dieses muß aus der Gelegenheit des Orts unzweifelbar entschieden werden / versetzte Zeno. Denn es können wol daselbst solche Hölen sich befinden / die entweder den Sommer über / oder auch nur sechs Tage die zusammenrinnenden Fluthen auffzufangen fähig sind; hernach aber selbtes wie ein ausgedrückter Schwa durch gewisse Röhrẽ wider von sich geben müssen. Malovend fiel ein: Sie würden vieler Tage Arbeit bedürfen / die Wunder ausländischer Bruñen und Flüsse zu berühren / wiewol er viel für Gedichte hielte; als: daß in der Insel Cäa ein Brunn den / der daraus trincket / verdüstert / einer in Cilicien lebhafft / der Leontische gelehrt / in Sicilien einer weinend / der ander lachend / einer / ich weiß nicht wo / verliebt machen /einer in der Insel Bonicca verjüngen / der Fluß Selemnius in Achaien aber der Liebe abhelffen solle. Es lidte es auch nicht die Zeit von Deutschlands Wunder-Wassern zu reden; sondern er wolte nur von der engen Gegend nicht verschweigen / daß nahe von dar der Fluß Beche und Lichtenau sich unter die Erde verkriechen / und unfern von des Feldherrn Burg bey der Stadt Tenderium wieder hervor schüssen; wie der Fluß Anas in Hispanien / Lycius in Asien / Tigris in Mesopotamien / Timavus in Histrien / und viel andere auch thun sollen.

Uber diesem Wasser-Gespräche ward die Mahlzeit vollendet / da sie dann in einen über das gantze Gemach gehenden Saal empor stiegen / welcher mit allerhand Zierrathen ausgeputzt war / und rings herumb über den Thiergarten ein lustiges Aussehen auff die häuffig darinnen verschlossenen und miteinander spielenden Thiere eröffnete; worunter viel von Natur wilde Bären / Wölfe / Luchsen / entweder durch Gewohnheit gezähmt / oder ihnen ihre zur Verletzung dienende Waffen benommen waren. Umb den Saal herumb waren in Lebens-Grösse zwölff Helden gemahlet / derer Waffen genungsam andeuteten / daß es Deutsche wären. Zeno redete hiermit den Fürsten Malovend an: Ich habe mir Deutschland viel wilder beschreiben lassen / als ich es ietzt in Augenschein befinde. Und darff ich mich über die[104] Sitten der Einwohner nicht mehr so sehr verwundern / nach dem ich auch in ihren Wildbahnen die wilden Thiere zahmer als anderwerts antreffe. Man hat mich beredet: es wäre allhier ein unauffhörlicher Winter / ein immer trüber Himmel / ein unfruchtbares Erdreich; die Städte hätten keine Mauren / ihre Wohnungen wären Hütten / oder vielmehr Hölen des Wildes / mit derer Häuten sie sich der Kälte kaum erwehren / und mit der Rinde von den Bäumen sich für dem Regen decken müsten; das Feld trüge kein Getraide / die Bäume kein Obst / die Hügel keinen Wein. Ich erfahre numehr aber in vielen Sachen das Widerspiel. Diß Gebäue liesse sich auch wol bey Rom sehen / und auff unsere heutige Mahlzeit hätten wir auch den Römischen Bürgermeister Lucullus / ja den lüsternen Gauckler Esopus zu Gaste bitten köñen. Deñ haben wir gleich nicht von Indianischen Papegoyen das Gehirne / keine Egyptische Phönicopter Zungen / aus dem rothen Meere die Scarus-Lebern / aus dem Britannischen die Austern / vom Flusse Phasis die Phasanen / und Vögel / die reden können / gespeiset /oder in einer Schüssel / ja in einem Löffel eines gantzen Landes jährliche Einkunften verschlungen; so hat man uns doch solch wolgeschmackes Wildpret und Geflügel auffgesetzt / welches Africa / die Mutter der Ungeheuer / nicht der Köstligkeiten / mit allen seinen seltzamen Thieren nicht zu liefern gewust hätte / und uns besser geschmeckt / als jenen Verschwendern ihre unzeitige Gerichte / welche an sich selbst weder Geruch noch Geschmack haben / und nur deßwegen /daß sie kostbar und seltzam sind / verlanget werden. Ist unser Fuß-Boden nicht mit theurem Saffran bestreut / so ist er doch mit wolrüchenden Blumen bedeckt gewesen. Ich sehe wol / sagte Marcomir / daß unser Deutschland einen so geneigten Beschauer beko en / der es bey den Ausländern mit der Zeit in grösseres Ansehen setzen dörfte. Ich gestehe es: Wo mich die Liebe des Vaterlandes / in welchem uns die rauesten Steinklippen schöner als anderwerts die Hesperischer Gärte und das Thessalische Lust-Thal fürkommen / nicht zu einem ungleichen Urthel verleitet /daß bey uns das Erdreich nicht so rauh / der Himmel nicht so grausam / das Ansehen nicht so traurig sey /als es die üppigen oder durch hören sagen verleiteten Ausländer gemacht. Uberdis hat Deutschland von der Zeit her / da die Deutschen mit den Römern in Kundschafft gerathen / viel ein ander Gesichte bekommen /als es für hundert und mehren Jahren gehabt. Die /welche vorhin von nichts als von dem erlegten Wilde und Viehzucht lebten / haben nun gelernt den Acker bauen / fruchtbare Bäume / ja an der Donau und dem Rhein gar Weinstöcke pflantzen. Wir zeugen itzt so viel eßbare Kräuter und Wurtzeln / wir machen unsere Speisen mit so frembden Würtzen an / welche man noch bey unserer Eltern Leben nicht einst hat nennen hören. Alleine ich weiß sicher nicht / ob diese Verbesserung Deutschlands Auffnehmen oder Verderb sey. Ich bin zwar kein Artzt / kein Kräuter- und Stern-Verständiger / ich kan mich aber nicht bereden lassen / der gütigen Natur diese Mißgunst auffzubürden /daß sie einem Lande was entzogen hätte / dessen man so wol zu seiner Gesundheit als Nothdurft unnachbleiblich benöthiget wäre. Warlich die Göttliche Versehung / welche allen wilden Thieren so reichlich ihren Unterhalt verschafft / ist dem Menschen so feind nicht gewest / daß er sein Leben zu erhalten so grosser Kunst und so fernen Zuführung dörffe. Kein Wald nähret so unfruchtbare Bäume / keine Wüsteney so stachlichte Disteln / welche nicht dem Menschen so wol die Nothdurft der Artzney / als der Speise gewehre. Jedermann könne seine Lebens-Mittel allenthalben und umbsonst finden. Mit Pappeln und Goldwurtz hätten sich fürzeiten gantze Völcker ausgehalten / und Könige nicht so verschwenderisch / als itzt gemeine Bürger gelebet.[105] Als die Königin in Carien Ada dem grossen Alexander viel niedliche Speisen geschickt /hätte er ihr zu wissen gemacht / daß die Nacht-Reise ein viel besserer Koch zum Früh-Maale / eine sparsame Mittags-Mahlzeit aber die Würtze seines Abend-Essens wäe. Aber nunmehr baute / nach dem Beyspiele der Sicilier / fast iedermann aus seinem Leibe der vielfrässigen Verschwendung einen Tempel. Diese Lüsternheit und der Uberfluß habe das menschliche Leben allererst so theuer gemacht / und bezahle die Ungesundesten umb hundertfachen Preiß. In welchem Absehen des Zamolxis Meynung allerdings wahr wäre / daß alles Ubel und Gute des Leibes aus dem Gemüthe des Menschen herflüsse. Die Artzneyen / welche die Reichen aus Arabien und Indien kommen liessen / bräche ein Tagelöhner von gemeinen Stauden ab. Und da der Egyptier und anderer Völcker Götter nur die in ihrem Landstriche gewachsenen Früchte ihnen opfern liessen / wäre der Menschen Lüsternheit nach frembden Gewächsen zweifelsfrey eine schädliche Uppigkeit. Ein hungriger Magen nehme alles an /die Natur aber wäre mit dem schon vergnügt / was sie verlangt. Zeno fiel ihm ein: Es wäre keine Feindschafft / sondern ein Geheimnüß der Göttlichen Versehung / daß in einem Lande nicht alles wüchse /wormit sie durch solche Dürftigkeit die entfernten Völcker in ein allgemeines Band und Freundschafft zusammen knüpfte. Es ist diß / antwortete Malovend /eine annehmliche Heucheley unserer Schwachheiten /und ein scheinbarer Fürwand der Wollüstigen. Die Uppigkeit alleine hat uns gelehret ihre Gräntzen überschreiten / und anfangs nach überflüssiger / hernach gar nach schädlicher Kost gelüsten; welche uns vergiftet / da sie uns nähren soll. Man schätzet die Speisen nach dem Geschmacke / nicht nach der Gesundheit; ja man mühet sich nicht ohne empfindlichen Eckel frembder Gewächse Bitterkeit und den Gestanck der von dem äusersten Meere zu uns geschickter Fische zu gewohnen. Wie lange hat man den aus Indien gebrachten Zinober zu Rom unter die Artzneyen gemischt / ehe man erfahren / daß er selbst Gift wäre? Wie viel gemeinen Staub haben die Araber bey der Seuche solcher Sitten den Ausländern für Phönix-Asche und ein bewährtes Gesundheits-Mittel / diß /was in Sperlings-Köpfen gewachsen / für süsses Gehirne des Phönixes verkaufft; der doch niemals als gemahlt in der Welt gewesen ist. Wie viel köstliches gleich auch anderwerts zu finden / so kan ich mich doch schwerlich bereden lassen / daß die in den heissen Mittags- und Morgenländern wachsende Pfeffer /Ziemet / Muscaten und andere brennenden Früchte denen Mitternächtischen Leibern zuschlagen solten. Die Gestirne / welche uns allhier eine absondere Beschaffenheit von anderer Lands-Art geben / flössen denen hier wachsenden Kräutern und anderen eßbaren Dingen gleiche Eigenschafften ein. Dahero müssen sie uns unzweifelbar gesünder seyn / als die / welche mit der Wärmbde unsers Magens und dem Triebe unsers Geblüts keine Vergleichung haben. Rhemetalces setzte hierauff nach: Zeno ist meinem Vaterlande und meines Himmels Einflüssen näher; also scheinets /müste ich auch seiner Meinung näher als andern kommen. Denn da die Natur eine Feindin des Uberflusses wäre / wie Malovend meynte / würde er sie dazu selbst machen / wenn er alle Mittheilung frembder Land-Gewächse verdamte. Sintemal sie in vielen Land-Strichen mehr köstliche Früchte wachsen liesse / als die Einwohner verzehren könten. Ja in vielen unbevolckten Ländern finde man die edelsten Gewächse. Aus den unwirthbaren Sandflächen des grossen Scythiens komme die so nützliche Rhabarber; aus den unbewohnten Stein-Klüfften Asiens der bewehrte Bezoar und der kräfftigste Mosch.[106] Dahero schiene ihm der Anzielung göttlicher Versehung gemässer zu seyn / aus der milden Hand ihres Uberflusses lieber etwas aufsuchen / als selbtes ohne Gebrauch verderben lassen. Und ich weiß nicht / ob in fruchtbaren Ländern gelegene Völcker / welche den göttlichen Segen alleine für sich behielten / nicht schlimmer handelten / als die Phönizischen Kauffleute / welche wol ehe bey reichen Jahren den ihrem Bedüncken nach allzuhäuffig gewachsenen Pfeffer ins Meer geschüttet / wormit diese Wahre nicht zu wolfeil würde. Marcomir hingegen fiel dem Malovend bey und sagte: Es kömt mir für / dieser Uberschuß bestehe nicht auf so festem Grunde; oder der Schluß sey davon auch allzuweit gesucht. Denn mich bedünckt /man schreibe frembden Gewächsen mehr Wunderwercke zu / als man an ihnen befindet; Und es halte unser wunderwürdiger Holunder-Baum der Rhabarbar /unser Hirschhorn und Krebs-Augen dem Bezoar die Wage. Mosch und Zibeth aber ist eine leicht entbehrliche Würtze der Geilheit. Oder da wir selbtem auch nichts gleichwichtiges entgegen zu setzen haben; Geschicht es nicht so wol aus Armuth unsers Erdreichs /als aus unsorgfältiger Unwissenheit unsers eigenen Reichthums / welche mehrmahls Schätze besitzt / die sie nicht kennet. Wenn auch kein Volck nach keinen frembden Gerichten gelüstete / würde iedes seinen Vorrath allerdings aufzehren. In dem aber die Indianer aus Europa Weine verlangen / dieses nach ihren Gewürtzen etzelt / bleibet einem ieden von dem seinigen etwas übrig / welches doch sonst iedes Jahr / oder doch in einem andern bey sich ereigneten Mißwächsen aufginge. Da aber sich auch irgends ein warhafter Uberschuß ereignete / rühret er durch blossen Zufall und durch eigene Verwahrlosung der unersättlichen Menschen her. Zeno brach ein: Wie soll ich begreiffen / daß die Unersättligkeit als eine Mutter des Mangels einen Uberfluß nach sich ziehen solle? In alle Wege /versetzte Malovend. Wenn der Mensch sich mit dem seinen oder der Genügligkeit vergnügte / würde Geitz / Ehren-Ruhm und Herschenssucht so viel Völcker nicht vertilgen / so viel Länder nicht Volck-arm ma chen / und die Vergrösserung des menschlichen Geschlechts hindern; welches von der gantzen Welt Zuwachs selten was übrig lassen würde. Zugeschweigen: daß man aus frembden Ländern nicht so oft die Nothdurfft als den Zunder zu Wollüsten holet. Wie viel mahl hat Rom und Gallien aus Mangel Getreydes für Hunger geschmachtet / da es an Würtzen / Datteln /Indianischen Nüssen / Syrischen Balsamen / Perlen /Edelgesteinen / Purpur und Helfenbein / und andern zur Uppigkeit dienenden Sachen einen Uberschuß gehabt? Eben jener Mangel / fuhr Zeno fort / überweiset dich / daß ein Land dem andern auch in unentbehrlichen Sachen müsse behüflich seyn. Du hast Rom gesehen; Kanst du nun glauben / daß das schmale Welschland dieser Welt Volck genungsam Brodt geben / und man ihm seine Kornhäuser Egypten und Sicilien verschliessen möge! Malovend fragte alsofort: Ob die Natur durch ihre Fruchtbarkeit / oder nicht vielmehr Ehrgeitz / Wucher und Wollüste sechzig mahl hundert tausend Menschen in den engen Creyß des grossen Roms zusammen gezogen? Weist du aber / fuhr Rhemetalces heraus / daß Noth und Hunger deine Cimbern unter dem Könige Teutobach gezwungen in Welschland und Gallien einzubrechen /an das schwartze Meer sich zu setzen / ja gar in Asien überzugehen? Malovend antwortete ihm: Mehr das Wasser als der Hunger. Jedoch wil ich endlich wol glauben / daß ein Volck in gewissen Dingen mit dem andern Gemeinschafft haben müsse; Auch daß die Natur ein Theil der Welt für andern Ländern auskommentlicher versorget habe / und daß diß / was die Natur ohne des Menschen Zuthat selbigem liefert /nicht aber der unvergnüglichen[107] sterblichen Gemächte und Erfindungen endlich mitzutheilen sey. Wenn die Natur so selzame Vermischungen der Speisen mit Ambra / so frembdes Geträncke von Zucker / ausgepresten Beeren und Granatäpfeln / die Abkochung allerhand Balsam und Biesamkuchen; Die Aufbauung grosser Alabasterner Paläste / und Bergen oder Städten gleichsehende Gefilde / für nöthig befunden hätte /würde die / welche so vielerhand Speisen wachsen läst / die in den Trauben so köstliche Säffte kochet /die das grosse Gewölbe des Himmels / die Wunderhäuser des Gestirnes / die unterirrdischen Hölen / die geheimen Wasserleitungen des Meeres und der Flüsse / die Adern der Brunnen gebauet / auch diß / was die schwachen und alberen Menschen ihr nachaffen / zu bauen mächtig und vorsichtig genung gewesen seyn. Die Vorwelt hat ohne Bildhauer und Steinmetzer ruhiglich leben können. Es war die glückseligste Zeit /als noch kein Baumeister war / als niemand Zügeln brennte und über dem Steinschneiden schwitzte / da man die Decken nicht vergüldete / den Boden nicht mit Marmel pflasterte / die Wände nicht mit Persischen Teppichten behing; Da man auf Grase / nicht auf künstlicher geneheter Seide / oder gewebter Baumwolle saß / sondern aus vier Gabeln und vier Stangen und qverübergelegten Aesten in einer Stunde ein gantz Hauß bauete; Da Mitternacht sich mit wenigen Schoben für aller Kälte / das bratende Mohrenland in gegrabenen Hölen sich für aller Hitze beschirmete; Da man ohne der Serer Handlung / oder der Würmer Gespinste / ohne Tödtung der Purpur-Schnecke sich mit Hanf und Häuten kleidete; Da man sich mit Piltzen und gemeinen Baumgewächsen vergnügte / aus lautern Brunnen und unverdächtigen Bächen tranck. Zeno brach ihm ein: Er machte die Natur zur Stiefmutter gegen dem Menschen / da sie doch auch die wilden Thiere für eine so gütige Versorgerin erkennten. Diese wären alsbald / wenn sie das Tagelicht erblickten / bekleidet / ihrer selbst mächtig / und es wisse von sich selbst eine Biene die Kräuter zu unterscheiden / woraus sie Gifft oder Honig zu saugen habe. Ein Hirsch wisse mit was für einem Kraute er sich nach der Geburt reinigen solte. Das wilde Schwein wisse / sich mit Eppich / die Schlange mit Fenchel / der Bär mit Ameissen / der Elefant mit Oelbäumen / die Holtztaube mit Lorberblättern zu heilen. Der Adler sehe / der Geyer rüche / der Affe schmecke / der Maulwurff höre / die Spinne fühle besser und schärffer als der Mensch. Solte nun deßwegen die Natur diesem unholder als jenem seyn? Nein sicher! Denn die Vernunfft / als das eigentliche Kleinod des Menschen / welches ihn allein den Göttern ähnlich macht / übertrifft und vertrit alle andere Fürtreffligkeiten der Thiere / die Stärcke des Löwens / die Schönheit des Pfauen / die Geschwindigkeit der Pferde. Diese muß der Mensch zu seiner Unterhaltung und Wohlstande nichts minder anwenden; Als das Cameel seinen Rücken / der Hund seine Füsse / der Ochse seine Lenden / die Spinne ihre Kunst / die Ameiß ihren Fleiß / die Nachtigal ihre Stimme nicht müßig seyn läst. Die Natur / sage ich / hat uns die Vernunft deßwegen eingepflantzt: daß wir unser Leben dadurch für allen andern Geschöpffen nicht nur tugendhafft /sondern auch glückselig machen solten. Diese hat den Hammer / die Säge / die Axt / die Kelle / die Spille /den Weberstul und tausend andere Werckzeuge erfunden: Daß man Häuser gebaut / Wolle gesponnen /Seide gewebt / Speisen gekocht / Artzneyen bereitet /durch die Schiffarthen ein Ende der Welt mit dem andern vereinbart / und das dürfftige Leben mit tausendfachem Uberflusse beseligt hat. Eine elende Glückseligkeit! rieff Marcomir / welche den Leib mästet / das Gemüthe bebürdet / und die Seele besudelt.[108] Freylich wohl zeucht die Gemeinschafft mit frembden Völckern / die Erfindung so vielerley Künst eden Gliedern eine grosse Gemächligkeit / der Tugend aber einen unschätzbaren Verlust zu. Jemehr das Glücke und die Natur dem Leben liebkoset / ie in gefährlichern Zustand versetzt sie es. Was in Rosen verfaulet / wird in Nesseln erhalten. Die im Elende tauren /werden von Glückseligkeit verderbet. Daher ist die Natur daselbst / wo sie raue Klippen / kalte Lufft /sandichtes Erdreich geschaffen / eben so wenig für grausam zu schelten / als die Mütter zu Sparta / die ihre Söhne abzuhärten selbte für dem Altar der Orthischen Diana biß auffs Blut / zuweilen auch auff den Tod peitschen lassen. Die Tugend will durch keine weiche Lehre begriffen seyn. Ein Feldherr stellt den ihm liebsten Kriegsknecht an die gefährlichste Spitze; und den schätzen die Götter am würdigsten / an dem sie versuchen / was ein Mensch zu erdulten fähig sey. Von guten Tagen zerfliessen nicht allein unsere Gemüther / sondern die Wollüste reissen uns auch gleichsam die Spann-Adern aus unsern Gliedern. Wen in dem Glase-Wagen nie keine rauhe Lufft angegangen / wer die Hand nie in ein kalt Wasser gesteckt /den Fuß nie auff die blosse Erde gesetzt / der kan auch ohne Gefahr nicht einen mäßigen Wind / ein geringes Ungemach vertragen. Was man aber am härtesten hält / wird das tauerhaffteste. Der öfftere Sturmwind befestigt die Wurtzeln und Aeste der Eichbäume / weñ die in windstillen Thälern wachsende Pappeln morsch bleiben. Eines Schiffers Leib verträgt ohne Empfindligkeit die schlimmste Seelufft. Der Pflug härtet des Ackermanns Hände / die Waffen des Kriegsmanns Armen ab; das offtere Wetterennen macht eines Läuffers Glieder behende. Wie gesund und wohlgewachsen sind die Scythen / und andere Nord-Völcker / die in holen Bäumen wohnen / sich mit Fuchs und Mäuse-Fellen decken / mit Vogel-Federn kleiden / mit Eicheln speisen. Wie hoch steigen in ihren Geheimnissen die Persischen Weisen / welche / um zu den tieffen Nachsinnungen desto geschickter zu seyn / nichts als Kreßicht assen? Wie viel besser stand es zu Rom / da das Capitol unvergoldet /und nicht so ansehnlich als itzt des Lucullus Vorwerck / und des Messala Fischhälter / da ein Ochse nicht so theuer als itzt ein Fisch war / da die Samnitischen Gesandten den grossen Curius aus einem höltzernen Nappe gebratene Rüben essen fanden / und er so wenig von ihrem Golde als ihren Schwerdtern zu überwinden war / da der Zerstörer des Schatzreichen Carthago Publius Scipio nicht einen Scherff von ihrem Reichthume mit seinẽ Armuth vermischen wolte / da Lucius Emilius der Uberwinder des Königs Perses und Macedoniens die im Königlichen Schatze gefundene sechs tausend Talent nicht einmahl anzusehen würdigte / ob er schon seinen Söhnen so wenig verließ / daß sie seiner Ehfrauen die zugebrachten fünff und zwantzig Talent nicht erstatten konten / als itzt / da Freygelassene auff Helffenbeinernen Tischen speisen / da einem vollbrätigen Ausgeschnittenen kein Vogel und Fisch schmeckt /keine Blume reucht / als zur Unzeit; da einem lüsternen Gauckler Meer und Lufft zu arm sind neue Speisen genug zu geweren / da ein verfluchter Pollio seine Murenen mit Menschen-Fleisch mästet / da ein Tullius um einen höltzernen Tisch ein gantzes Vermögen gibt / da ein Raths-Herr aus nichts als edlen Steinen /Porcellan oder Cristallen / denen die Zerbrechligkeit ihren Preiß giebt / trincken mag / da die geile Julia an iedem Ohre drey reiche Erbschafften hängen hat / und weder dem Leibe noch der Scham dienende Kleider trägt / in welchen zu schweren nöthig wäre / daß sie nicht nackt gehe / und darinnen sie ihren Ehbrechern nicht mehr im Schlaff-Gemache weisen kan / als sie auf öffentlichen Plätzen zur Schau feil trägt. Da man jährlich wohl zwantzig Tonnen Goldes den Serern für Würtzen und Steine schickt /[109] da ein Fürst zum Begräbnisse seiner Ehebrecherin mehr Weyrauch und Balsam verbrauchet / als ein Jahr dessen in der Welt wächst. Wir Deutschen wusten nichts als von güldner Freyheit / konten die Laster nicht neñen / und die wir itzt den Römern nachthun / als wir auff Rasen Tisch hielten / und in Stroh-Hütten wohneten / da wir die Eingeweide unserer Gebürge nicht durchwühleten /und die geitzigen Fremden in den Adern Gold zu suchen veranlaßten / da wir bey Entzündung unserer Wälder Ertzt gefunden hatten. Urtheilet diesem nach /was dieser Herrligkeit für Elend / wie viel diesem Weitzen Spreu anklebe; und gläubet / daß wie die Natur keines Künstlers darff / die nöthigen Sachen gemein / die üppigen sauer zu erlangen sind / also die Natur Gott und der Tugend nicht unsers Wollebens halber den Menschen so tieffsinnig gemacht / und den Verstand verliehen habe. Fürst Zeno lächelte / und wendete sich zum Rhemetalces / meldende: Ich sehe wohl / Marcomir ist ein Weltweiser von der Secte des Zeno / und er würde mit dem Diogenes schon den Becher wegwerffen / wann er iemand aus seinem Hand-Teller trincken sehe. Allein ich lasse mich nicht bereden / daß die Götter die Tugend zur Straffe des Leibes in die Welt geschickt haben / daß der Schluß der Vernunfft auff eigenes Ungemach ziele / daß die Wollust alleine des Viehes Gut sey / daß das Wesen der Tugend in Bitterkeit bestehe / daß sie nichts als Wasser trincken / auff Disteln gehen / im Siechhause liegen und in Begräbnissen wohnen dörffe. Sondern ich bin vielmehr der Meinung / daß der Gebrauch von dem Mißbrauche zu unterscheiden / die Rosen nicht zu vertilgen sind / weil die Spinne Gifft draus sauget /und die Artzneyen nicht zu verbieten / weil die Boßhafften selbte zur Vergifftung mißbrauchen / ja daß es ein Theil der Weißheit sey / sich der unschuldigen Wollust ohne Laster gebrauchen. Und / wie es nicht vermuthlich / daß die Natur so viel köstliche Sachen entweder umsonst / oder nur zur Ergetzligkeit der Boßhafften geschaffen; also ist die Reinigkeit solcher Dinge nicht wegen Unmäßigkeit der Verschwender zu verdammen. Mecenas lag allerdings tugendhafft auff Damasten und Sammet / und versteckte seine Klugheit mit grösserm Nutzen des gemeinen Wesens unter den Schatten seiner kostbaren Lustgärten / wenn er den Käyser August von dem rauhen Weg der strengen Gerechtigkeit und Blutstürtzung abhielt / und mit vielerley Kurtzweilen ihn zu einer sanfften Herrschafft anleitete / wenn er mit seinen Wolthaten ihm die Welt zum Schuldner machte / mit seiner Auffrichtigkeit verursachte / daß der vermummte Hoff seine Larven weglegte / mit seiner Freygebigkeit die Begierde der Geitzigen überlegte / wenn er sein Haus mit kostbaren Gemählden / mit künstlichen Bildern aus Corinthischem Ertzte / mit Cristallinen Geschirren nicht zu seiner Hoffart Abgötterey ausputzte / sondern daß er dem / welcher etwas dran lobte / was zu verehren hatte. Womit er sicherlich tugendhaffter verfuhr / als jener Weltweise / der alle Menschen zu ihren eigenen Feinden machen wolte / ihnen selbst nicht allein nichts gutes zu thun / sondern ihnen Durst / Hunger /Frost / Marter / ja Strick und Messer einlobte. Alleine nachdem uns Marcomir so viel gutes von dem alten einfältigen Deutschlande rühmet / diese zwölff Bilder aber grösten theils nicht dieser Zeit Kinder zu seyn schienen / so wünschten wir wohl von ihrer gerühmten Glückseligkeit Wissenschafft und Theil zu haben. Es sind / antwortete Malovend / zwölff oberste Feldherren Deutschlands / und zwar alle Hertzog Herrmanns Voreltern; So viel ihrer kein Fürstliches Geschlechte aus seinem Hause zu zehlen hat. Und ich muß gestehen / daß ob wohl die Cherusker Hertzoge meinem Geschlechte / daraus ich entsprossen / stets auffsätzig gewest / doch ihre Thaten für andern ruhmwürdig zu achten sind. Zeno fing hierauff an:[110] Es ist löblich / die Tugend auch an seinen Feinden loben /und ist derogleichen Zeugnis so viel mehr von der Heucheley / und dem in selbter verborgenen heßlichen Laster der Dienstbarkeit entfernet. Hingegen ist auch der glaubwürdigsten Freunde Urtheil verdächtig / weil selbtem auch wider ihren Vorsatz wo nicht eine Heucheley / doch eine zu gütige Gewogenheit anhänget. Diesemnach wir denn so vielmehr von ihnen die Geschichte / und zwar aus keines andern Munde zu vernehmen begierig sind. Malovend antwortete: Er würde dieser Helden Verdiensten und des Zeno Sorgfalt ein Genügen zu thun zwölff Monat zur Erzehlung bedürffen. Jedoch wolte er hiervon einen Schatten und nicht vielmehr / als der Mahler allhier gethan / von ihnen entwerffen. Als nun beyde ihre Begierde anzuhören mit Stillschweigen zu verstehen gaben / hob Malovend an: Wir Deutschen sind insgesamt vom Ascenatz entsprossen / welcher mit seinen Nachkommen im kleinern Asien den Sitz gehabt / von dem die Phrygier / Bithynier / Trojaner und Ascanier / wie auch die Reiche Ararath / Minni und Ascenatz den Ursprung haben. Hertzog Tuisco hat mit einer grossen Menge Volcks theils über das enge / theils das schwartze Meer gesetzt / und sich aller Länder zwischen dem Rhein und der Rha bemächtigt. Ihm ist im Reiche gefolgt Hertzog Mann / Hertzog Ingevon / und Istevon /mit welchen sich Deutschland in viel Hertzogthümer zu theilen angefangen / sonderlich da zugleich die um das Caspische Meer und die Meotische See wohnenden Cimbrer / für der Macht der Scythen / mit welcher ihr König Indathyrsus die halbe Welt überschwemmete / sich flüchteten / und theils in klein Asien / als ihr altes Vaterland / theils aber unter dem Fürsten Gomar / meinem Uhranherrn durch die flachen Sarmatischen Felder sich an der Ost-See niederliessen. Ungeachtet dieser Theilung / erwehlten die deutschen Fürsten unter ihnen ein gewisses Haupt / welchem sie zwar nicht als einem vollmächtigen Könige unterthänig waren / gleichwol aber in ihren selbsteignen Zwistigkeiten / und wann sie mit andern Völckern in Krieg verfielen / sich seiner Vermittelung und Heerführung unterwarffen. Anfangs bestand diese Wahl bey denen gesamten Fürsten / hernach aber ward solche wegen mehrmahliger Zwytracht und Langsamkeit siben Fürsten heimgestellt. Aus den Cherustischen Hertzogen ist Hermion der erste / der zu dieser Würde kam / und auch hier in den Gemählden. Sechs Fürsten gaben ihm wegen seiner Großmüthigkeit / und zwar derer drey gegen Verlobung seiner wunderschönen Tochter einmüthig ihre Stimmen / wie es ein Sternseher vorher dem Könige Istevon / an dessen Hofe er erzogen worden war / wahrgesagt hatte; der einige Hertzog der Qvaden Atcoroth / der vom Hercinischen Gebürge an alle zwischen der March / der Weichsel und der Teiße gelegene Länder beherrschte / lag wider die Noricher zu Feld und wohnte der Wahl nicht bey. So bald dieser solche Erhöhung vernahm / gab er sein Mißfallen mit vielen ungleichen Bezeugungen an Tag; ja ließ sich selbst für einen Obersten Feldherrn Deutschlandes ausruffen; ungeachtet er vorher diese ihm angetragene Würde / auf Einrathen seines obersten Cämmerers / ausgeschlagen hatte. Denn weil Fürst Hermion für etlichen Jahren in des mächtigen Atcoroths Diensten gelebt hatte / und sein oberster Marschall gewest war / schiene es ihm verkleinerlich zu seyn /den numehr als sein Haupt zu verehren / dem er vorhin zu befehlen gehabt hatte. Hingegen konte seine Tochter E a ihre Freude kaum verdecken / als welche sich in Hermions Sohn den Fürsten Marß verliebt /und ihm heimlich die Ehe versprochen hatte. Hermion ward mit grossem Gepränge / ungeachtet des Atcoroths Widersetzung / zum Feldherrn ausgeruffen / es traff sich aber / daß der Reichsstab unversehens vermißt ward / auff welchem die Fürsten dem Feldherrn die Pflicht zu leisten gewohnt waren. Als diese nun dem Hermion selbte abzulegen anstunden / entblössete er seinen Degen / mit diesen[111] Worten: Sehet dar / ihr großmüthigen Helden / den Stab / auff welchen unser und alle Reiche gestützt werden müssen. Worauff ihm alle ohne Widerrede den Eyd der Treue leisteten. Hermion aber / der für ärgste Schande hielt /sich zwar in der Würde / nicht aber in genugsamen Ansehen zu schauen / empfand des Atcoroths Verachtung in der Seele / und / nachdem die damals zu Deutschland gehörigen Noricher sich beym Hermion beweglich beschwerten / daß der Qvaden Hertzog /nachdem die Gallier ihren letzten Fürsten Durnacin hingerichtet hatten / unter dem Vorwand eines ihm mit seiner ersten Gemahlin Garramis zugebrachten Heyrathguts / und der von seinem überwundenen Feinde König Aleb eroberter Kriegs-Beute / ihnen mit unrechter Gewalt viel Landschafften abgenommen / ja biß an die Mure / den Inn und das Adriatische Meer sich feste gesatzt hatte / dieser auch auff Hermions Befehl das gewonnene nicht abtreten wolte / führte er wider die Qvaden mit Hülffe der Rhetier seine Heerspitzen. Hermion und Bato der Rhetier Hertzog geriethen bey der Stadt Vindobon mit dem Atcoroth in eine blutige Schlacht / und nachdem sein Bundgenosse Fürst Rangolbebet mit seinen Bastarnen und Daciern zum ersten schimpfflich die Flucht gab / vermochten die Qvaden nicht länger zu stehen / das gantze Heer ward auffs Haupt geschlagen / und Atcoroth selbst entrann mit Noth in Vindobon / darinnen ihn seine Gemahlin und Kinder Hermion rings um starck belagerte. Atcoroth muste diesem nach bey so verzweiffeltem Zustand in einen sauren Apffel beissen /und dem Hermion nicht allein unter einem Zelte / dessen künstliche Seiten-Wände bey solcher Demüthigung wegfielen / fußfällig werden / sondern auch drey Fahnen mit dreyen Ländern in des Hermions Hände lieffern / dem Fürsten Mars seine schöne Tochter Emma verloben / den Landstrich zwischen der March und der Wage zum Brautschatze / dem Fürsten Bato sein Wahlrecht und ein Stücke Landes an der Donau abtreten / und also den Frieden theuer genug kauffen. Alleine seine Gemahlin / die Herrschenssüchtige Kunigundis / eine Tochter des mächtigen Königs der Reußen und Bulgarn / welcher sich einen Herrn des gantzen schwartzen Meeres schalt / ward über diesen Verlust in verzweiffelte Verbitterung gesetzt / lies auch nicht ab / biß sie theils mit Liebkosen / theils mit Fürbildung des unablöschlichen Schimpffes / wel che nicht nur ihm und den streitbaren Qvaden / sondern auch ihrem mächtigen Vater zuwüchse / den Hertzog Atcoroth zum Friedensbruch veranlassete. Ja diese hitzige Mutter verdammte ihre dem Printzen Mars verlobte Tochter Emma nebst zehn andern Jungfrauen Fürstlichen Geblüts in eine Wildniß auff dem Carpatischen Gebürge / allwo eine Anzahl der Göttin Hertha geweiheter Jungfrauen beschlossen waren / zu Gelobung ewiger Jungfrauschafft; dem Fürsten Mars aber ließ sie heimliches Gifft beybringen / wodurch er in grosse Gefahr des Lebens und in Verlust des einen Auges versetzt ward. Hermion und sein Sohn Mars begegneten mit ihren Cheruskern und Rhetiern dem Atcoroth und dem Fürsten Rangolbebet / welche mit einem viel mächtigern Heere nicht allein im Anzuge waren / sondern auch unterschiedene fürnehme Kriegs-Obersten des Hertzog Hermions bestochen hatten. Beyde traffen auff einander bey der Festung Medoslan mit fast verzweiffelter Tapfferkeit. Hermion als er seinem umringten Sohne zu helffen wie ein Blitz in die Hauffen drang / ward von einem zu diesem Ende vom Atcoroth mit vielen Verheissungen angefrischtem Qvadischen Ritter Nahmens Thurn (welchen Hermion hierüber zwar gefangen kriegte / aber seiner Tapferkeit wegen in allen Ehren hielt) vom Pferde geworffen und in eusserste Lebens-Gefahr gestürtzt; gleichwol verthäidigte er sich zu Fusse so hertzhafft / biß ihn und seinen Sohn endlich die seinigen / und insonderheit die[112] Tapferkeit des Ritters Regensperg aus so äuserster Gefahr entrissen. Ja weil die Dacier abermahls zum ersten die Flucht gaben /und Milota / ein von dem Atkoroth beleidigter Qvadischer Herr / aus Rachgier sich mit einem Theile des Heeres zum Hermion schlug / die Kwaden aber in der Cherusker Heergeräthe / solches gleichsam nach schon erlangtem Siege zu plündern / einfielen / wurden sie wieder biß auffs Haupt geschlagen / Atkoroth zwar vom Ritter Emerwerck mit einer Lantze vom Pferde gerennt und gefangen / aber von zweyen Marcomannischen Rittern / derer Bruder er enthaupten lassen / durchstochen. Die Städte Eburodun / Eburum und Kalmnitz ergaben sich dem Sieger; die Fürstin Künigundis ward in einem festen Berg-Schlosse belägert / und es schiene numehr mit ihr und dem Qvadischen Reiche geschehen zu seyn / als ihre Tochter Emma / welche aus ihrer Bestrickung in dem Carpathischen Gebürge entkommen war / in dem Lager ankam / dem Hermion zu Fusse fiel / und durch des Fürsten Mars Vorbitte für ihre Mutter Begnadigung erlangte. Der Vergleich ward durch die Heyrath zwischen dem Hertzoge Mars und der Fräulein Emma /die ihm alle vom Atkoroth eroberte Länder zum Heyrath-Gute einbrachte / vollzogen. Hingegen heyrathete des Atkoroths Sohn und Stul-Erbe Valuscones des Hermions Tochter Jutta / die Königin Künigundis aber den schönen Ritter Berg-Rose. Hernach überwand er auch die Sequaner / allwo ihm aber in einer Schlacht gleichfalls das Pferd erstochen / und er mit vollem Küraß in eine See zu sprengen gezwungen ward / biß ihm der Ritter Hanau zu Hülffe kam. Dieser Held hat zum ersten die Weiber gelehrt die Waffen führen / und die Gewohnheit eingeführt / daß der Mann seinem Weibe ein gesatteltes Pferd / eine Lantze und Degen zum Mahlschatze liefern müssen. Also ist Hermion der Grund-Stein der hernach so hoch gestiegenen Cheruskischen Herrschafft.

Nach Hermions Absterben ward zwar Suasandufal / ein Fürst der Tencterer zum Feldherrn erwehlet /nach dem er aber von dem Könige der Russen Geld nahm / selbtem gegen die Sarmater im Kriege beyzustehen / welches die Deutschen ihnen für verkleinerlich hielten / wieder abgesetzt / und Hertzog Mars /der andere in diesen Gemälden / von fünf der wehlenden Fürsten zu solcher Würde erhoben. Suasandufal ward hierüber so erbittert / daß er entweder seine Hoheit behaupten / oder sein Blut aufopffern wolte. Als nun beide mächtige Kriegs-Heere in der Nemeter Gebiete auf einander traffen / drang Suasandufal gantz verzweiffelt durch die geharnischten Hauffen gleich wie ein Blitz durch / biß er persönlich auf den Fürsten Mars traf / selbten auch nichts anders als ein ergrimmter Löw anfiel. Dieser verletzte zwar den Mars in Arm / Mars aber schlug mit einer vorsichtigen Geschwindigkeit seinen Streitkolben dem Suasandufal so starck ins Antlitz / und verletzte ihn bey das lincke Auge / daß er vom Pferde stürtzte; Worauf sein Eydam / ein streitbarer Ritter / Nahmens Oetingen /ihm einen so tieffen Hau in Hals versetzte / daß er mit dem ausspritzenden Blut und Galle seine Seele ausbließ. O ein herrlicher Sieg! rief Rhemetalces / wo man mit Schlagung einer Ader so viel Blutstürtzung abwendet / und auf dem Leichensteine eines mit eigner Hand erlegten Feindes seine Herrschafft befestigt! Ja / fuhr Malovend fort / wenn sonderlich die Tapfferkeit des Sieges mit Barmhertzigkeit gekrönet wird /wie Hertzog Mars that / welcher hierauf alsofort keinen Menschen mehr zu erschlagen verbot. Zeno fiel ein: diß ist der gröste Sieg / sich dergestalt selbst zu überwinden / und seinen Stul nicht auf Furcht sondern Liebe bauen / wormit die Unterthanen für ihrem Fürsten / wenn sie ihn erblicken / sich nicht als für einem blutgierigen Panther-Thiere verkrichen / sondern selbtem als einem wohlthätigen Gestirne[113] Augen und Hertz zu neigen. Diß begegnete diesem Uberwinder / sagte Malovend. Denn die sich ergebenden Feinde richteten ihm auf der Wallstadt eine prächtige Siegs-Seule auf; Und weil Hertzog Mars sich der durch die Wahl ihm aufgetragenen Würde enteuserte / in dem zwey auf des Suasandufals Seiten stehende Fürsten dazu nicht gestimmet hatten / kamen sie alle noch einmahl zusammen / und erklärten ihn einmüthig zu ihrem Haupt und Obersten Feldherrn. Alleine Hertzog Mars wolte auf einmahl sein Geschlechte allzu mächtig / ihm die Qvaden und Hermundurer unterthänig machen / und seines Vettern des Hertzogens der Alemannier Hertzogthum an sich ziehen; Welches diesen veranlassete / daß als er bey Ubersetzung des Flusses Ursa seine Gelegenheit ersahe / ihn im Gesichte seiner auf der andern Seite des Stroms zurücke bliebener Söhne und Hofleute mit Hülffe dreyer mitverschwornen Edelleute tödtete. Dessen Hertzogthum aber ward dennoch des Mars Söhnen zu theile. Also ist die Herrschenssucht eine rechte Flamme / derer Unersättligkeit von dem erlangten Uberflusse wächset / endlich aber doch zu einer Hand voll Asche wird.

Hierauf wurden neun andere Fürsten zu Obersten Feldherrn erwehlet. Denn ob schon etliche Cridifern des Hertzogs Mars Sohn gegen Dulwigen den Hertzog der Vindelicher erkieseten / ward er doch in einer blutigen Schlacht / darinnen er mit eigner Hand funfzig streitbare Männer erlegte / von Hertzog Dulwigen gefangen.

Nach hundert und dreißig Jahren kam der Cheruskische Stamm wieder zu solcher Würde / ist auch biß itzt dabey blieben. Denn es ward Hertzog Vandal Oberster Feldherr der dritte allhier in der Reye. Ja seine Tapfferkeit machte ihn im eben selbigen Jahre zu einem Fürsten der Pannonier und Marckmänner. Und ob wohl einige Marckmännische Herren / welche in ihrem Gottesdienste der Eubagen auf den Gründen der Natur befestigten Meinungen / mehr als der Druiden geheimen Offenbahrungen / denen Vandal zugethan war / beypflichteten / ihn verworffen / seine Vertheidiger von einem Thurme herab stürtzten / und den Sarmatischen Fürsten Micasir zu ihrem Fürsten berufften / so schlug er doch diesen mit Hülffe des Hertzogs der Hermundurer auffs Haupt / also daß die Sarmater ihn umb Friede bitten / die Scythen auch /welche in Pannonien eingefallen waren / für ihm zurücke weichen musten. Aber seine Herrschafft endigte sich nach zweyen Jahren mit seinem frühzeitigen Tode. Als Malovend mit diesen Worten ein wenig verbließ / setzte Fürst Zeno bey: Dieser Held dienet uns zu einem Beyspiele / daß allzugrosses Glücke so geschwinde / als die zwischen den Bergen zusammenschüssenden Regen-Fluthen / vergehen; und daß Fürsten / welche der Himmel mit so häuffigen Siegen überschüttet / sich denen fallenden Luft- und Schwantz-Gestirnen vergleichen / welche zwar mit ihrem Blitze den Glantz der ewigen Sternen wegstechen / in kurtzem aber in Asche zerfallen.

Diesem folgte in solcher Würde / fuhr Malovend fort / der hier in der vierdten Stelle stehende Hertzog Ulsing / dessen Mutter Cimburgis / eine Sarmatische Fürstin / mit flacher Hand einen eisernen Nagel in die Wand schlagen konte. Dieser Herr war in der Stern- und Meß-Kunst erfahren; er befließ sich die Heimligkeiten der Natur zu erforschen / und aller guten Künste Meister zu seyn / derer Friede und Ruhe / wozu ihn eine Zuneigung trieb / bedürftig sind. Seine fernen Reisen hatten ihm eine ungemeine Klugheit zuwege gebracht / welche er für die eigentliche Kunst eines Feldherrn hielt. Dahero mangelte es ihm nie an klugẽ Rathschlägen / welche sonst meist bey Unglück einem entfallen. Er zohe denen heftigen und grossen Ruff nach sich ziehenden Entschlüssungen die vorsichtigen für /[114] als durch welche eine Gewalt sicherer behauptet würde. Denn er hielt es für eine Schwachheit / nach Art der verwegenen Schiffer / die bey ärgstem Sturme aus dem Hafen sich auff die hohe See wagen / sich mit tapfern Thaten wollen sehen lassen / umb ihm nur einen grossen Nahmen zu machen / wenn schon das gemeine Wesen in Unruh / das Reich in Gefahr gesetzt wird. Gleich als wenn die Tugend nur in Kriegs-Künsten / das Ampt eines Fürsten in der Beschäfftigung der Tieger und Raub-Vögel bestünde / und ein unsterblicher Nachruhm mit friedsamer Beobachtung des gemeinen Heils keine Verwandnüß hätte. Diesemnach die besten Fürsten iederzeit die Ruhe ihrer Völcker der Eitelkeit vieler Siegs-Bogen fürgezogen / und zwischen dem Ambte eines Fürsten und eines Kriegsmannes einen vernünftigen Unterscheid gemacht /hierdurch aber nicht nur Ehre genung bey den Nachkommen / sondern auch Liebe bey den Lebenden erworben hätten. Auff diese Art beschützte Ulsing seine Herrschafft drey und funfzig Jahr wider viel gefährliche Anschläge / verursachte / daß viel mächtige Häupter / und insonderheit der Scythische König von dem Flusse Jaxartes und Paroxamisus ihn mit Gesandschafften und Geschencken ehrten; ja durch die seinem Sohne Alemann zu wege gebrachte Heyrath mit der Tochter des alten Carnutischen Hertzogs Vercingentorichs / und daß ihn die Deutschen noch bey seinen Lebetagen zum Feldherrn annahmen /machte er ihn grösser / als sich keiner seiner Vorfahren durchs Schwerdt. Also vergrösserte Ulsing sein Haus und Reich durch Klugheit mit besserm Rechte und Bestande / als viel andere Fürsten / die mit blutiger Aufopferung etlicher hundert tausend Menschen /Erschöpfung ihrer Schatz-Kammern / Verarmung ihrer Unterthanen / mehrmals nicht hundert Faden Land gewinnen. Dahero denn mit dem Nahmen des Friedens kein träger Müssiggang bekleidet / weniger bey seinen steten Kriegs-Ubungen die Gemüther weibisch und schläfriger gemacht / hingegen die Tugend und guten Künste in Auffnehmen / gesetzt wurden. Weßwegen er alleine so viel Kräntze von Oel-Zweigen / als ihrer seine Vorfahren von Lorber-Bäumen /verdiente. Als Malovend über dieser Erzehlung Athem schöpfte / fing Zeno an: Ich gestehe / daß die meisten Völcker kriegerisch geartet / und die edlesten Gemüther so voller Feuer sind / daß sie so wenig als Scipio vom Hannibal die wichtigen Ursachen Friede zu machen annehmen / sondern vielmehr alles auff die Spitze der Waffen zu setzen / nichts weniger für ihre Pflicht / als für Ehre / schätzen. Gleich als wenn die Zeit / als die Räuberin ihrer eignen oder geschenckten Güter / zu unvermögend wäre / dasselbe geschwinde genung zu zernichten / was sie reiff zu machen keine Mühe gesparet hat. Alleine / wenn man Krieg und Friede auff eine Wag-Schale legt / es sey gleich jener so vortheilhafftig / dieser so schlecht als er wolle /müsten auch die / welche gleich vom Kriege ein Handwerck machen / und auff desselben Ambosse ihr Glücke schmieden wollen / dem Friede den Ausschlag des Gewichtes zugestehen. Denn nach dem die Vollkommenheit des Krieges insgemein in Einäscherung der Länder / in Vertilgung des menschlichen Geschlechts bestehet; also seine Eigenschafft nicht nur dem rechtmässigen Besitzthume zuwider / und der ärgste Feind der Natur und des Himmels ist / in dem so denn die Väter ihre Eltern begraben / die Gerechtigkeit der Gewalt zum Fuß-Hader dienen muß / kein Gesetze für dem Geräusche der Waffen gehöret wird /womit Marius seine Verbrechen wider das Vaterland entschuldigte; sondern auch kein Sieg so reich ist /daß er die Unkosten und den Schaden des Krieges ersetzen könne / vielmehr aber Boßheit und Frö igkeit nach einem Richtscheite gemessen / ja die Tugend selbst übel zu thun / und die Treue ungehorsam zu seyn genöthiget wird; so ist fast wunderns werth / daß[115] man der Tapferkeit die Ober-Stelle unter den Helden-Tugenden eingeräumt habe; welche man billich nur für eine Werckmeisterin der eisernen Zeit solte gelten lassen / wie der Friede das Kleinod der güldnen ist /welcher als ein Göttliches Geschencke vom Himmel kommen / dessen Fußstapfen von Oele trieffen / und dessen Flügel eitel Segen von sich schütten / welcher umb die Welt mit Uberflusse zu erquicken die Hände an den Pflug und Wein-Stock legt / und der Handlung alle Gebürge und Seen öffnet. In welchem Absehen die Egyptier den Frieden in Gestalt eines jungen mit Weitzen-Aehren / Rosen und Lorber-Zweigen gekrönten Schutz-GOttes mahlen / und darmit seine Glückseligkeiten abbilden. Weßwegen auch die / welche wider den Frieden eine eingewurtzelte Gramschafft im Hertzen hegen / zu bekennen genöthigt werden / daß der Krieg an sich selbst nichts gutes / sondern eine Kranckheit des gemeinen Wesens / der Friede aber desselbten Gesundheit / jener ein Sturm / dieser ein Sonnen-Schein des Glückes / und wenn der Krieg nicht umb den Frieden zu befestigen angefangen würde / solcher kein vernünftiges Beginnen / sondern eine Raserey der wilden Thiere sey / derer keines doch so blutgierig / als der unversöhnliche Mensch wider seines gleichen wütet. Wohin die alten Griechen sonder Zweifel gezielet / als sie der klugen Pallas zwar Helm und Waffen / aber zugleich den Oel-Baum / als das Zeichen des fruchtbaren Friedens / zugeeignet /dem streitbaren Achilles auch den friedfertigen Palamedes für Troja an die Seite gesetzt haben. Und bey den Römern hat die fünfte Legion nur deßhalben eine Sau zum Kriegs-Zeichen geführet / weil man dieses unsaubere Thier denen Friedens-Handlungen zu opfern pfleget. Daher als die Stadt Athen dieses Absehen des Friedens insgemein außer Augen gesetzt / und niemals / als in Trauer-Kleidern /wenn nemlich selbte / nach der Gewohnheit der stündlich veränderlichen Waffen / grosse Niederlagen erlidten / Friede gemacht / sie ihr Phocion mit Rechte gescholten / und Rom den Regulus billich verflucht hat / weil er so hartnäckicht der darumb stehenden Stadt Carthago den Frieden zu geben widerrieth / sich aber dadurch in grausamste Pein / sein Vaterland in tausenderley Unglück stürtzte. Wie denn das kriegerische Sparta / welches den Krieg nicht für den letzten / sondern für den ersten Streich des Rechtes und den Kriegs-Gott in Band und Eisen angeschlossen hielt / wormit er nicht von ihnen entfliehen möchte; nichts minder das unruhige Athen / welches ein ungeflügeltes Siegs-Bild für seinen Schutz-Gott verehrte / zu gerechter Rache von diesem ihrem Schoos-Kinde in die Römische Dienstbarkeit geliefert worden. Woraus ich den Römern nichts bessers wahrsagen kan / weil sie anderer Völcker Laster und Blutstürtzungen nicht nur für ihr Glücke / sondern wenn sie anderwerts den Saamen der Zwytracht angewehren / für grosse Klugheit halten. Denn ob wol insgemein geglaubet wird / daß bey langer Ruh nichts minder die Tugend weibisch / als das ungenützte Eisen rostig werde / weßwegen Scipio Nasica so sehr die Zerstörung der Stadt Carthago / als des rechten Wetz-Steins der Römischen Tapferkeit widerrathen; so ist doch diß eine auff diesen Irrthum gegründete Meynung / samb der Friede die Waffen zu unterhalten gar nicht fähig wäre / und er nach Anleitung einer alten Römischen Müntze die Waffen alsofort zerschmeltzen müste; Da doch derselben Ubung gar wohl beym Frieden geschehen kan und muß; und die streitbaren Gemüther sich / wie die Deutschen / in ausländischen Kriegen können sehen lassen / ohne welche in der Welt fast kein Fürst eine Leibwache hat / noch einigen Krieg führet. Vielmehr[116] aber sind die Friedens-Künste zu Befestigung eines Reiches dienlich; Massen denn Sparta acht hundert Jahr geblühet /ehe es seinen Kriegs-Ruhm und damit auch seinen Untergang verdienet hat. Endlich verdienet auch die Beysorge / daß der Pöfel beym Frieden schwürig / das Volck wollüstig / der Adel wegen Mangel hoher Beförderung unmuthig würde / nicht / daß man dem Kriege zu- dem Frieden ablegen solle. Sintemal so denn nichts minder der Gehorsam als das Wachsthum eines Reiches in der besten Vollkommenheit ist; Weil die / welche etwas zu verlieren haben / für Aufstand und Unruh Abscheu tragen; Die Unvermögenden aber bey allgemeinem Schiffbruche sich von den Stücken des gemeinen Wesens zu bereichern vermeinen. Wenn aber auch aus allzulanger Ruh ein Schaden erwachsen wil / ist einem Fürsten nichts leichter / als dem Müßiggange einen Rocken zu finden / woran er sich zu tode spinne und der Neuerungen vergesse. Wie ich denn dafür halte / daß die Egyptischen Könige ihre unnütze Spitzthürme nicht so wohl ihrer Begräbnüsse halber / weniger aus Aberglauben / daß selbte den Menschen eine Leiter in Himmel / den Göttern auf die Erde seyn / oder ihr Gedächtniß für einer besorglichen Ubergiessung der Welt verwahren solten; Sondern vielmehr um ihre müßige Unterthanen zubeschäfftigen erbauet haben. Gleichergestalt ist glaublicher: Daß die kostbaren Irrgärte in Creta und Italien zu eben diesem Ende / nicht aber der Erbauer Schätze zu zeigen / und der Nachbarn Mißgunst zu erregen / so kostbar aufgethürmet worden.

Malovend pflichtete in allem dem klugen Zeno bey / und erwehnte: Daß der Feldherr Ulsing um sein Volck so viel besser in Pflicht und arbeitsam zu erhalten / und dadurch dem Armuthe / daß es seinen Unterhalt verdienen könne / Gelegenheit zu verschaffen /viel ansehnliche aber nützlichere Gebäue / denn vieler Fürsten thörichte Wunderwercke gewest wären / in Grund gelegt hätte. Sintemahl ohne den sichtbaren Nutzen alle Gebäue der Fürsten aberwitzige Erschöpffungen der gemeinen Schatzkammer / fluchwürdige Bürden der Unterthanen / und schnöde Merckmaale geschwinder Vergängligkeit wären. Diesemnach denn die drey Wassergraben / welche ein Arabischer Fürst aus dem Flusse Coris / um seine Sandwüsten anzuwässern / geleitet; Des Selevcus Anstalten das rothe- und Mittel-Meer / wie auch die Euxinische und Caspische See zu vereinbaren; Ingleichen die vom Pyrrhus und Marcus Varro fürgehabte Zusammenbindung Italiens und Griechenlands über das Adriatische Meer / des Darius und Xerxes zwey Brücken über den Hellespont / der Römer Meer-Tämme für dem Lilybeischen Hafen vielmehr Ruhms verdienen / als die Verschwendung desselben Meders / der das Ecbatanische Schloß aus silbernen Ziegeln mauren / und Memnons / der zu der Burg in Susa an statt des Eisens lauter Gold verbrauchen lassen. Weßwegen auch des grossen Alexanders bey so vielem Glücke ungemeine Mässigung kein geringes Lob verdienet; In dem er des Werckmeisters Vorschlag anzunehmen nicht gewürdigt / welcher aus dem Berge Athos Alexanders Bild zu hauen sich erboten / welches / wie ein Opfer-Priester / mit der einen Hand aus einer grossen Schale einen Fluß ausschütten solte / worvon zwey darunter gebauete Städte beströmet werden könten.

Rhemetalces fing hierüber an: Es hätte der Erzehlung nach der Feldherr Ulsing alles so vernünfftig eingerichtet / daß er seines Glückes wohl werth gewest. Ihn wunderte aber hierbey nicht wenig / daß er als ein so kluger Fürst / der mit so vielen Eitelkeiten angefüllten Sternseher-Kunst beflissen / und bey dieser unglückseligen Wissenschafft eine so vergnügte Herrschafft[117] geführet. Sintemal sie warhafftig eine Weißheit der Abergläubigen wäre / und der Schatten des Unglücks dieselben für andern verfolget hätte / die von dem Lichte der Gestirne am meisten erleuchtet zu seyn sich eingebildet haben. Wie denn Zoroaster /welchen die Sternseher für ihre Sonne hielten / vom Ninus; Pompejus / der auf diese Kunst wie auf / einen Ancker sich verlassen / vom Kayser Julius / als dem kühnesten Verächter dieser und anderer Wahrsagungen / überwunden; Ein Celtiberischer König / welcher die tiefsten Geheimnüsse des Himmels erforschet und beschrieben / von seinem auf der Erde mehr aufachtsamen Sohne des Reichs entsetzet / und der so genau-eintreffende Thrasyllus auf des Tiberius Befehl getödtet worden. Malovend begegnete dem Rhemetalces: Hertzog Ulsing hätte von nichts weniger gehalten / als von der eingebildeten Wissenschafft aus den Sternen der Menschen künfftige Glücksfälle zu erkiesen; sondern er hätte allein des Gestirnes Stand / ihre Bewegungen und Eigenschaften erlernet; Welche Wissenschafft einem Fürsten / der einen über den Staub des Erdbodens sich empor klimmenden Geist besitzen soll / nicht nur wohl anstehet / sondern auch mehrmahls grossen Nutzen bracht hat. Wie dann Palamedes die Griechen bey Troja / Alexander für der Schlacht bey Arbelle sein Kriegsvolck / welches bey einer Mondenfinsternüß in grosses Schrecken verfiel /mit Auslegung der natürlichen Ursachen mercklich aufrichtete / andere sich dieser Begebenheit zu Stillung des Auffruhrs meisterlich bedienten. Auch ist niemand so unwissend / daß unterschiedene Gefangene / durch Ankündigung bevorstehender Finsternüsse / bey denen barbarischen Völckern ihnen gleichsam ein göttliches Ansehen gemacht / und dadurch sich aus ihren blutdürstigen Händen errettet haben. Fürsten begreiffen hiermit auch die Gelegenheit ihrer und anderer Länder; Die bevorstehende Witterung / und aus der Bewegung der Sonne viel vernünfftige Richtschnuren ihrer Herrschafft. Hingegen hat Nicias und Sertorius aus Unwissenheit der Gestirne und des Windes grosse Niederlagen erlitten. Archelaus ist für einer Sonnenfinsternüß so erschrocken / daß er seinem Sohne die Haare abscheren lassen / und sich für der gantzen Welt verächtlich / Kayser Julius aber durch Auslegung der himmlischen Richtschnuren und Einrichtung der Jahres-Zeiten sich berühmter gemacht /als durch seine dem Erdboden fürgeschriebene Gesetze.

Unser Ulsing aber starb mit nicht minderm Ruhme / im hohen Alter / zu grossem Leidwesen gantz Deutschlands / sonderlich weil er ihm noch vorher muste einen Schenckel ablösen lassen. Zeno fügte hier abermahls bey: Dieser Fürst dienet uns zum Merckmahle / daß die Glückseligkeit sich niemanden ohne vorbehaltene Ehscheidung vermähle; und das Verhängniß einem gar an Leib komme / wenn jene der Vorsichtigkeit ein Bein unterzuschlagen nicht vermocht hat. Ich weiß nicht / sagte Rhemetalces / ob man hierinnen dem Verhängnisse / oder nicht vielmehr den Aertzten die Schuld beymessen solle / derer Unwissenheit durch unsere Hinrichtung sich erfahren / ihre Verwegenheit aber sich zur Halsfrau über unser Leben macht. Diesemnach ich diesem klugen Fürsten wohl das Glücke wünschen wolte: Daß er von eines edlen Feindes Waffen in einem hertzhafften Gefechte fürs Vaterland einen schönern Todt erlanget / und nicht einem unvermutheten Streiche seines Feindes dem Schermesser der grausamen Aertzte seine furchtsame Glieder hätte hinrecken dörffen. Alleine das mißgünstige Glücke gönnet insgemein den tapffersten Helden nicht / daß sie auf dem Kriegsfelde / als dem herrlichsten Ehren-Bette ihren Geist in dem Gesichte so vieler Tausenden ausblasen; sondern der Tod hält es vielmehr für einen nicht geringen Sieg / wenn er die grösten Lichter der[118] Welt durch Kinder-Blattern /durch eine übelgeschnittene Wartze / oder Hüner-Auge und dergleichen schlechte Zufälle auslescht.

Malovend fuhr fort / und sagte: Die Deutschen haben insonderheit von einer blutigen Bahre auch stets mehr als einem madichten Siech-Bette gehalten /auch lieber etwas mit Blute / als mit Schweiß oder durch kluge Räncke behauptet. Dahero schlug der fünffte Feld-Herr Hertzog Aleman seinem Vater nicht nach. Er war behertzt und verwegen / führte auch stets einen lebendigen Löwen an der Hand / ja zu Isiniska riß er einem sechsjährigen Löwen den Rachen auff /zohe ihm die Zunge heraus; der Löw aber blieb für ihm entweder aus Schrecken oder Ehrerbietung wie ein Lamm stehen. Bey den Eburonern erstach er einen über ihn springenden Hirsch / bey den Rhetiern einen wütenden Bär / und auff denen ihm überaus beliebten Jagten erlegte er viel hauende Schweine und andere grimmige Thiere mit seinem blossen Degen. Weßwegen die Griechen ihn hernach den deutschen Hercules genannt. In den steilen Gebürgen hat er sich nach Gemsen und Steinböcken offt so weit verstiegen / daß er keine Rückkehr gewust; mehrmals haben ihn die abkugelnden Steine und der abschiessende Schnee in höchste Lebensgefahr gesetzt. Merckwürdig ist von ihm / daß als er einst auff der Jagt auff der Erde geschlaffen / ihn eine Heydäx ans Ohr gebissen und erweckt habe / als in seinen eröffneten Mund eine Schlange kriechen wollen. Ist diß wahr / sagte Zeno /so müsten die Heydäxen ihrer selbst und ihrer Jungen mehr als der Menschen vergeßlich seyn. Man hält es für kein Gedichte / antwortete Malovend / und deßwegen soll er eine güldene Heydexe zum Gedächtnisse am Halse getragen haben. Er war ein Meister in Zweykampff und Turnieren / in den Schlachten fochte er selbst in der Spitze. Er bewältigte sich der Menapier und Noricher / zwang die abtrünnigen Marnier und Nervier / nachdem ihn der tapffere Fürst der Hermundurer Treball / sein und Deutschlands rechter Arm / aus ihren Händen errettet hatte. Er schlug viel tausend Gallier. Mit den Lepontiern führte er einen blutigen aber unglücklichen Krieg. Die Bataver aber schlug er auffs Haupt / und nahm ihnen ihr gantz Gebiete / ausser etliche in Pfützen ligende Oerter ab. Es ist ein grosses Glücke eines Reiches / sagte Zeno /wenn friedsame und kriegerische Herrscher in selbtem mit einander abwechseln. Denn so denn verlernen die Kriegsleute nicht die Ubung der Waffen / der Adel behält seine Freyheit und Ansehen / die grossen Verdienste bleiben nicht nach / noch ohne Belohnung /und die im Kriege entkräffteten Länder erholen sich wieder bey der Ruh; ja auch diß / was man durch die Waffen gewonnen / beraset im Frieden am besten. Diesem nach denn Rom deßhalben augenscheinlich gewachsen / daß nach dem hitzigen Romulus der sanffte Gesetzgeber Numa gefolget. Daß hierauff der kriegerische Tullus die Waffen und die Gemüther dieses streitbaren Volcks geschärffet / und diesen der Baumeister Ancus abgelöset; die Pracht des Tarqvinius aber nicht nur dem / was Ancus gebauet /sondern auch denen Obrigkeiten ein Ansehen gemacht. Servius hat hernach durch angelegte Schatzung denen Römern ihre vorher unbekandten Kräffte gezeiget / und der hoffärtige Tarqvinius durch seine Grausamkeit diese Wohlthat gethan / daß das Volck das unschätzbare Kleinod der Freyheit liebzugewinnen angefangen. Es ist wahr / fuhr Malovend fort; /Aber der Cheruskische Stamm hat insgemein dieses Glücke gehabt / daß desselbten streitbarste Fürsten zugleich Meister in den Friedens-Künsten gewest /und insonderheit durch glückliche Heyrathen sich vergrössert haben; Also daß dieser Stamm den Liebes- Stern in Warheit für seinen Glücks-Stern rühmen kan. Massen denn auch dieser Feldherr Alemann seinem Sohne Hunnus Diumfareds des Britannischen[119] Königs Tochter vermählte / welcher mit seiner Schiffarth der grossen Tritonischen oder Atlantischen Eylande bemächtigt hat. Das selbige Eiland / fragte Rhemetalces / von welchem Plato erzehlet / daß es auserhalb der Seulen Hercules liegen / und grösser / als Asien und Africa zusammen / seyn solle? Ich halte es dafür /sagte Malovend / denn seine Gelegenheit und Grösse trifft mit ihm ein. Aber sagte Zeno / wird die Erfindung nicht der Stadt Carthago zugeschrieben? Ich erinnere mich aus den alten Geschicht-Schreibern: daß nach dem die Carthaginenser ihr Gebiete biß an das Philenische Altar und in Spanien erstrecket / sie ausserhalb der Gaditanischen Meer-Enge (welche sie stets mit einer Schiffs-Flotte besetzt gehalten / und ausser selbtem alle betretende Frembden ersäufft) insgemein nach den Inseln Cassiterides geschifft hätten. Von dar wäre ein Schiff durch Ungewitter viel Tagereisen weit auff ein grosses Eyland verschlagen worden / welches hernach durch ihre Fruchtbarkeit / gesunde Lufft / Anmuth / Schiffreiche Flüsse viel Carthaginenser dahin / und ihr sandichtes von der Sonne und steter Kriegsfla e brennendes Vaterland zu verlassen gelockt hätte; also daß die Suffetes in Sorgen gerathen / es würde Carthago dieser daselbst so groß gemachten Herrligkeit und der stets beliebenden Neuigkeit halber gar öde gelassen / und ihr Reich dahin versetzt werden. Weßwegen sie nicht allein bey Lebens-Straffen fernere Schiffarth dahin verboten / sondern auch den Hanno mit einer Kriegs-Flotte dahin geschickt / welcher die daselbst niedergelassenen Carthaginenser auff die Schiffe gebracht / und ungeachtet ihres erbärmlichen Wehklagens / daß sie die kaum gekostete Süßigkeit dieses neuen Vaterlandes verlassen solten / zurück geführet hätte. Ausser allem Zweiffel /antwortete Marcomir / sind die Carthaginenser dahin ko en / sintemal man daselbst hin und wieder Helffenbein / da doch daselbst keine Elephanten sind / gefunden hat; und es ist bekandt / daß die Römer zu Carthago noch in dem Tempel des Esculapius zwey Häute von daselbst gefangenen rauchen Weibern gefunden / welche eben derselbe Hanno / der gantz Africa umschifft / alle Meere durchforscht / also leicht das Atlantische Eyland finden können / zum ewigen Gedächtniß auffgehenckt. Ja man glaubt numehro festiglich / daß der Carthaginenser Vor-Eltern die Phönicier noch lange Zeit vorhero hinter diese Eylande (die nichts minder als das Libysche Gebürge und das grosse Meer von dem Phönicischen Könige Atlas den Nahmen bekommen) in das grosse Reich Kekisem /und dieselben mittägichten Länder / die von dem Färbe-Holtze theils berühmt sind / theils gar den Nahmen haben / worvon der Egyptische Priester Santes dem Solon so viel zu erzehlen gewust / gedrungen; als wo biß an die Sudische Meer-Enge man von ihnen viel Kennzeichen seit der Zeit angetroffen. Insonderheit haben die Britannier noch in dieser neuen Welt solche Riesen-Gebeine ausgegraben / die niemanden mehr als den Phönicischen Enackitern und Chettern ähnlich gesehen. Von diesen Riesen erzehlen noch itzige Einwohner / daß ihre Vor-Eltern durch göttlichen Beystand mitten durch die See für ihren Feinden trocken geführet worden / und aus den Morgenländern übers Meer dahin kommen wären / prächtige Gebäue und noch sichtbare Brunnen daselbst gebauet / endlich durch ihre abscheuliche Laster vom Himmlischen Feuer ihre Vertilgung erholet hätten. Zeno verwunderte sich / und meldete: Er könte nicht begreiffen /warum und wie sie in so sehr entfernte Länder gerathen? Ob sie die Sonne auff ihrem Wagen mitgenommen? Malovend versetzte: zum minsten hat ihnen so wohl die Sonne als andere Gestirne den Weg gewiesen. Wie denn auch oberwehnter König Atlas für des Himmels Sohn / des Saturnus Bruder / und für den Erfinder der Sternkunst gehalten /[120] und geglaubt wird: daß er / oder sein Bruder Gadir zum ersten / die Phönicier aber mehrmahls / insonderheit unter dem Könige Hiram aus Idumäa / und mit ihm die Juden dahin gefahren. Die Phönicier hatten auch den Nordstern zum ersten zum Leitstern ihrer Schiffarth erkieset. Die Ursachen liessen sich auch leicht errathen; nachdem die Phönicier den Nothzwang ihrer Flucht aus ihrem Vaterlande / woraus sie vorher in Egypten / Persien /Bactrian / über den Ganges und Indus / und das Caspische Meer in Indien und zu den Scythen Volckreiche Heere geschickt hatten / selbst bey der Stadt Tingis in eine marmelne Säule gegraben / nehmlich sie hätten für dem Antlitze des Räubers Josua entlauffen müssen. Ob sie nun zwar gantz Africa überschwemmet / in Spanien Gades / in Gallien Maßilien / die Balearischen / wie auch die Hesperischen und Caßiterischen Eylande bebauet / so haben sie doch daselbst nicht immer festen Fuß setzen können; Sondern es haben die Pharusier und Nigriten in Mauritanien alleine 300. ihrer Städte eingeäschert / und sie die berühmten sieben glückseligen Inseln / die man von den Cananeern hernach die Canarischen geheissen / zu bebauen / hernach gar hinter der berühmten Insel Cerne / durch das von Schilf und Kräutern gantz überwachsene Atlantische Meer neue Länder zu suchen gezwungen / worvon diese glückseligen Eylande selbst so leer und wüste stehen blieben / daß die Nachkommen so gar nichts mehr vom Gebrauche des Feuers gewüst. Diese Phönicier und Gaditaner waren ebensfalls schon gantz Africa zu umbschiffen gewohnt / derer zerscheiterte Schiffe mehrmals auf der Mohrenländischen Küste bey dem Eingange des rothen Meers gefunden / und aus dem Zeichen eines Pferdes für Gaditanische erkennet / ja von dem Egyptischen Könige Necko die Schiffarth aus dem Nil biß in das rothe Meer gewiesen worden. Der Weg nach dem eusersten Eylande Thule war ihnen eine gebähnte Strasse; nach dem die zwey Tyrier Mantinias und Dereyllides dahin verschlagen worden / wie die in ihren Gräbern zu Tyrus gefundene Cypressen-Taffeln und des Antonius Diogenes Anmerckungen hiervon sattsames Licht geben. Also ihre Reise nach dem Atlantischen Eylande für kein solch Wunderwerck zu halten / in dem man von den glückseligen Inseln bey gutem Winde in funfzehn Tagen unschwer dahin segeln kan. Die Britannier haben diese Länder eben so reich von Golde und Silber / wie sie Silenus schon dem Midas beschrieben / ja unterschiedene ausgeleerte Ertzt-Gruben / und aus den Adern gehauenes Gold /(worvon doch die Innwohner daselbst nichts gewust /sondern das Gold aus den Flüssen gefischt) nichts minder so dicke Bäume / die sechszehn Menschen kaum umklaftern können / und der Phönicier runde Bauart gefunden. So diente auch für die Phönicier zum Beweise: daß beyde Völcker des Königs Füsse zu küssen / die Haare biß auf den Würbel abzuschneiden / die Leichen an der Sonne auszudörren / und in Häusern zum Gedächtnisse aufzusetzen / die Jungfrauschafften ihrer Bräute den Königen aufzuopffern /das Hundefleisch für köstliche Speise zu halten / den Gott Cham oder Chambal unter der Gestalt eines schwartzen ein Weib abbildenden Steines zu verehren / selbtem ihre Kinder beym Feuer zu opffern / beym Beten die Hand auf den Mund zu legen / und aus ihren Gliedern Blut zu lassen / bey Verehrung ihrer Götter übers Feuer zu springen / der Sonnen in Gestalt eines Löwen zu dienen gewohnt gewesen / beyde auch die Mitternächtischen Gestirne mit einerley Nahmen genennt / die letzten Erfinder der neuen Welt solche in Sitten und natürlichen Dingen aufs genaueste befunden haben; wie die Alten das Atlantische Eyland abgemahlt. Rhemetalces fing hierauf an: Dieses sind sicher scheinbare Kennzeichen / daß die Phönicier dahin gesegelt;[121] aber sollen diese wol allein in solche Länder kommen seyn? Sie rühmen sich es / sagte Marcomir / und haben deswegen den Hanno unter ihre Götter gezehlet / auch sein Bild in die Tempel gesetzt. Ja er selbst ließ eine Menge lehrsamer Vögel abrichten und hernach fliegen / welche ihn in der Lufft für einen grossen Gott ausschryen. Jedoch streiten die Egyptier und Scythen mit ihnen ums Vorrecht. Von jenen ist bekandt / wie die Egyptischen Priester sich gegen den Solon gerühmt haben sollen: daß Osiris damals schon für neuntausend-Jahren die Verwaltung Egyptiens seiner Isis überlassen / die gantze Welt durchzogen / endlich auch sich dieses Atlantischen Eylandes bemächtigt / und daselbst seinen Enckel Neptun zum Könige hinterlassen haben solte. Ferner sollen zu Thebe an einem Obeliscus / unter dem Verzeichnüsse der Länder / welche Sesostris und Osmandua beherrschet / auch diese fernen Abendländer begriffen gewesen seyn. Welche Sage nicht allein der Räuber-Inseln Einwohner daselbst gegen den Allamegan bestätigt haben / sondern der Egyptier Buchstaben / welche theils allerhand Thiere / theils verworrene Knoten und Schneckenhäuser abbildeten / kommen auch mit der Schrifft in Kokisem nicht wenig überein. Dieser Meinung dient nicht wenig zum Behelff: Daß / ob wol die gar alten Egyptier das Meer den Schaum des Typhan und das Verderben genennt /die Schiffer für wilde Menschen / die Fische für Merckmahle des Hasses gehalten / sie dennoch hernach der Schiffarth sich sorgfältig beflissen. Nach dem auch Ptolomeus Evergetes von einem gestrandeten Indianer die Strasse nach Indien erfahren / hat so wol er als seine Gemahlin Cleopatra unterschiedene Flotten dahin ausgerüstet / welche durch die Meer-Enge zwischen Abalites und Ocelis um das von dem Gewürtze den Nahmen habenden Vorgebürge nach der grossen Elephanten Insel Menuthesias und der berühmten Handelstadt in Africa / nach Taprobana /nach der Stadt Ganges / in den güldenen Chersonesus / ja biß zu dem eusersten Eylande Jamboli gefahren /und viel köstliche Waaren nach Arsinoe zurück gebracht. Der flüchtige Eudoxus ist für dem Könige Latirus aus dem Arabischen Meere biß nach Gades gesegelt. Nichts minder wäre ein von dem Egyptischen Könige Nechus aus der Handelstadt Aduli im rothen Meere abgeschicktes Schiff / nach dreyjähriger Fahrt umb gantz Africa in den Canobischen. Mund des Nilus eingelauffen. Alleine wie für Zeiten die Scythen denen Egyptiern in ihrem Zwist um ihr Alterthum aus wichtigen Ursachen abgewonnen; Also rühmen sich auch die Hunnen / Fennen / Hellusier / Oxioner / Satmaler / Fanesier / Chadener / in der eussersten Mitternacht / über dem Berge Sevo bey dem grossen Meer-Nabel wohnenden Deutschen und die Hyperborischen Scythen: daß sie von der Nordspitze Rubeas aus dem Eylande Carambutze und Oone / aus dem Glessarischen Eylande / aus Thule und Kronen über das gefrorne Amalchische und Sarmatische Meer gelauffen /die Tauten und Mansen auf ihren Inseln überwältigt /hernach in das östliche Nordtheil dieser neuen Welt /darinnen wie bey den Scythen Elend-Thiere und weisse Bären / die Anbetung der Sonnen und das Essen der rohen Speisen angetroffen wird / besonders durch Hülffe ihrer schnellen Rennthiere / und derer geschwinde Hirschen überlauffender Hunde / gedrungen wären / endlich sich sehr weit gegen Sud gezogen hätten. Dahero die Einwohner im Vaterlande des rothen Färbeholtzes den Hyperboriern / ihre Sprache der Fennischen nicht wenig gleiche sey. Die Ursachen wären theils ihre Geburtsart und Gewohnheit / da sie nemlich nirgends lange zu rasten / auch stets innerliche Kriege zu hegen pflegten / theils / daß ihr Vaterland ihrem fruchtbaren Volcke zu enge werden wollen / welches dahero sein Reich nach Uberwindung des Königs Vexoris biß an Egypten ergrössert / und Asien dreymal eingeno en hätte. Zeno fing hierauf an: Er erinnerte sich nun auch dessen / was er in Morgenland[122] von den Ost-Scythen gehöret / wormit er deßwegen so lange zurück gehalten / weil ihm unglaublich geschienen / daß das Atlantische Eyland so weit und ferne sich erstrecken solte. Nachdem er aber hörte: es wäre grösser als Asien und Africa / hielte er es eben für das von den Ost-Scythen ihm beschriebene Land. Diese rühmten sich nun: daß ihre Voreltern hinter Caoli denen Zipangrern und Goldreichen Chrysen in das westliche Nord-Theil dieser Welt / welches entweder zusammen reichte / oder / welches glaublicher / nur durch eine schmale Meer-Enge bey dem Asiatischen Land-Ecke Tabin getrennet wäre / und mit ihnen die in beyden Theilen gemeinen Hirsche /Bären / Löwen / insonderheit aber die wunderschönen Vögel einen Weg gefunden hätten. Ihr erster Zug wäre dahin geschehen von den Tabinern / Apaleern und Massageten / welche für den Scythischen Menschen-Fressern in diese neue Welt sich gerettet / und von den Seren an biß an das Vorgebürge Tabin Scythien wüste und öde gelassen hätten / derer Nachkommen daselbst noch die Tambier / Apalatker und Massachuseten genennet würden. Das andere mal wären die wilden Moaln / Ungern / Alanen / Avaren dahin eingefallen / und daselbst ihre Sitten eingepflantzt / daß nemlich die Chichimecken / Pileosonen / Cherignanen und andere Menschen-Fresser keine Bärte / und nur im Hintertheil des Kopfs einen Pusch Haare trügen /des Jahres nur einen Feyertag hielten / nur in beweglichen Hütten wohnten / Pfeile aus geschliffenen Steinen und Fischbeine brauchten / viel Weiber nehmen und in die Blut-Freundschafft heyratheten / ihre Leiber und Antlitze mit Löwen / Drachen und Vögeln bemahlten / den Gefangenen die Haut und Haare vom Kopfe ziehen / ihre veralteten und erkranckenden Eltern und Geschwister tödteten und essen / oder den wilden Thieren fürwürffen / ihrer Feinde gefangene Weiber nur zum Kinder-empfangen leben liessen /wormit sie entweder die neugebohrnen / oder noch zur Unzeit ausgeschnittenen Früchte zu ihrer unmenschlichen Speise bekämen; daß viel die todten Leichen wider die Kälte in Peltze hülleten / in ihre Gräber Essen setzten / den verstorbenen Fürsten zu Ehren ihre Knechte / Gesinde und Gefangenen / derer Zahl sich mehrmals auff viel tausend erstreckte / schlachteten / ihre Bündnüsse mit Blute aus der Zunge und der Hand bestätigten / ihre Bräute andere vorher entehren liessen / Menschen-Blut trincken / sich mit vielerley Federn schmückten / daß sie einen Schöpfer der Welt anbeteten / nebst dem aber die Gestirne / Feuer /Wasser / Erde und den Wind verehrten / bey ihrer Sebel und dem Winde schwüren / die Pipeles / ein in Stein gehauenes Weib / so / wie am Flusse Carambutzis geschehe / mit Blute von geopferten Thieren bespritzten und selbtes ihnen wahrsagen liessen; endlich ein Stück Tuch zum Kennzeichen ihres Reichs auffhenckten. Rhemetalces fiel dem Zeno hiermit in die Rede und sagte: Die Ubereinstimmung so seltzamer und theils unmenschlicher Gebräuche wäre schwerlich einem miltern Volcke / als den rauhen Ost-Scythen / zuzueignen / und dahero ein glaubhaffter Grund / daß diese ehe als die West-Scythen und Phönicier sich in diese Länder versetzt hätten. Ja / antwortete Malovend / aber für die Phönicier streiten /wo nicht grössere / doch gleichwichtige Ursachen /und der grosse Unterschied / wie auch der unglaubliche Umbschweiff dieses Eylandes beredet mich festiglich / daß vielerley Völcker darein gewandert sind. Denn die im Reiche Kokisem blühenden Künste der Weber- und Seidenstückerey / der Goldarbeitung / die Bau-Kunst / die tugendhaften Sitten sind unzweifelbare Andeutungen / daß sie nicht von den rauhen Scythen entsprossen / sondern die ihnen in allem fast gleichende Serer / die Einwohner über dem Berge Imaus / die Zipangrier dahin müssen kommen seyn. Sintemal die im Reiche Kokisem selbst berichten /daß für 400. Jahren noch daselbst die wilden Chichimeken gewohnt / die aber welche die Mittags-Länder bewohnen /[123] und selbte die vier Ende der Welt heissen / fürgeben: daß für eben so weniger Zeit alldort kein Acker-Bau / keine Städte / kein Gottes-Dienst / kein Gesetze gewest / sondern die Menschen bey den Thieren in Hölen gewohnt / Wurtzeln und Menschen-Fleisch gefressen / und mit Baum-Rinden sich gekleidet hätten. Es habe aber ihr Vater die Sonne seinen Sohn Manco und Tochter Coya zu ihnen geschickt /diese wären zu erst beym See Teticaka ankommen /hätten bey dem Hügel Huanacaut die Haupt-Stadt Cutzko gebaut / und das Volck besser zu leben gelehrt. Dieser Manco ist der erste Inga / und allem Ansehn nach ein Frembder aus dem wolgesitteten Asien gewest / weil er und die Ingen seine Geferten eben wie die Serer weitausgespannte durchlöcherte Ohren gehabt / eben so prächtig als jene gebaut / und ihre Könige auffs demüthigste zu verehren eingeführt; also / daß auch sein Speichel von einem ihrer Fürsten mit grosser Ehrerbietung auffgefangen würde. Massen denn auch die Epiceriner in Canada / wie auch die Quantulkaner von weit gegen Westen entlegenen dahin kommenden in eitel Seide gekleideten Kauffleuten / und daß bey Quivira mit Gold und Silber hinten gezierte Schiffe / dergleichen die Zipangrier und Serer führen / gesehen worden / die Californier von bärtichten in einer andern Welt wohnenden Leuten zu erzehlen gewüst. Auch hätten die / derer See-Macht einst gantz Ophir / alle Ost-Indische Inseln biß an den Persischen See-Busen und das gröste Theil Scythiens beherrschet / biß sie bey Taprobana auf einmal achthundert Schiffe eingebüsst / durch das friedsame Meer /bey denen daselbst steten Winden / gar leicht in Kokisem und das so genante Land der vier Welt-Ende überschiffen / die Zipangrier aber auf das an der neuen Welt hangende Land Sesso noch leichter kommen können. Ja die Aricier und Icenser solten selbst aus dieser neuẽ Welt auf Schiffen / darauf die Segel Häute von Meer-Wölffen gewesen / in Ost-Indien gereiset seyn. Die Zeit / da die neuen Bewohner des Reichs Kokisem in die neue Welt angelendet / trifft auch mit derselben ein / da Uzou / der grosse Scythen König / zwischen dem Caspischen Meere / dem Flusse Jaxartes und dem Berge Imaus / über diß Gebürge gesetzt / und an dem Strome Oechardus / Bautisus die Rhabbaneer und andere Nördliche Ost-Völcker überwunden hat / derer flüchtiger König Tepin sich mit tausend Schiffen in entfernte Länder geflüchtet / wel che Menge Volcks nirgend bessern Raum als in dieser neuen Welt gefunden / und ein grosses Theil dem in sieben Völcker zertheilten Gebiete der Novatlaker abgegeben hat. Massen denn auch der letztere König dieses Volcks / den unser Feldherr Marcomir gefangen bekommen / selbst auch diese Ankunfft seiner Voreltern aus entfernten West-Ländern / ihre Anländung an dem Californischen Gestade / und ihre Uberkunft / in ausgehölten Bäumen über den See-Busen in das Land Astatlan erzehlet hat. Nichts minder haben ihn etliche daselbst gewesene Britannier versichert /daß diese Frembdlinge in diesen Ländern hohe marmelne Thürme / grössere und schönere Palläste / als in Europa wären / gebauet hätten / ihr Feder-Mahlwerck aber wäre ein Wunder in frembden Augen. Zeno bestätigte es mit der Scythen und Serer Berichte / und setzte bey: Ihr König nennte sich wie der Serische einen Herrn der Welt / einen Sohn des Himmels und der Sonnen; Beyder Zierrathen und Wappen wären Drachen / Schlangen und ein Regenbogen; beyde Völcker drückten mit Mahlwerck und Sinnen-Bildern aus / was andere mit der Schrifft. Malovend setzte hierauff als etwas merckwürdiges bey /daß sie / als Hertzog Marcomirs Volck zu ihnen kommen / gefragt: Ob sie nicht von Osten kämen? weil ihnen ein berühmter Jucutaner Chila Cambel / und ein ander den Mechoakanern geweissaget: Es würde ein frembdes Volck aus Morgenland sie überziehen. Rhemetalces fing hierauff an: Ich vernehme aus dieser Erzehlung / daß die Britannier diese neue Welt mehr als[124] für diesem einiges Volck erkundigt / und daß solche unter der Deutschen Herrschafft bestehe. Dahero muß ich meine Gedancken ändern. Sintemahl ich die Atlantische Insel zeither für so wesentlich / als die Länder im Monden gehalten / von denen darhinter liegenden andern Ländern aber das minste gehöret. Nunmehr / sagte Malovend / ist nichts gewissers; ja es haben seit der Zeit die Britannier und Bataver nebst unsern Friesen gegen Sud noch eine dritte Welt entdecket / welche an einem Ende durch zwey Meer-Engen von der neuen Welt und dem so genennten Feuer-Lande abgeschnitten wird / in der man aber noch zur Zeit nichts als die steilen Ufer und etliche wilde Menschen erkundigen können. Zeno fing hierauff an: Wer aber hat den Britanniern den ersten Weg dahin gewiesen / und wie sind die Bataver und Friesen dahin kommen? Der allgemeine Wegweiser /nehmlich das Ungewitter / antwortete Malovend / ist es bey dieser letztern Erfindung ebensfalls gewest. Ich erinnere mich nun / antwortete Rhemetalces / daß ich zu Rom gehöret / es habe ein deutscher Fürst dem Landvogte in Gallien Q. Metellus etliche fremde Menschen verehret / welche mit einem Schiffe aus dem grossen Atlantischen Eylande in die Deutsche Nord-See getrieben worden. Malovend versetzte: Diß ist Hertzog Herrmañs Vater gewesen / welcher sie vorher von dem Hertzoge der Friesen bekommen. Er hat aber ihre ungefährliche Anlendung den Römern nur weiß gemacht / weil selbige Menschen die dahin fahrenden Friesen mit heraus gebracht. Unterdessen bleibet gleichwohl wahr / daß auff dem Meere die Schiffe so weit können verschlagen werden. Sintemahl schon für mehr als fünff hundert Jahren bey der Stadt Treva Atlantische Einwohner angeländet sind /und andere dergleichen von den Galliern im Aqvitanischen Meere auffgefangen worden. Gleicher gestalt hat Nocol ein Ligurier / der bey den Britaniern den Ruhm der letzten Erfindung darvon getragen /Nachricht von dieser neuen Welt von einem auff der Hibernischen Küste scheiternden Iberier / der durch Sturm auff die Britannische Insel gediegen / erfahren. Diese Britannier haben sie zwar nichts minder als vor Zeiten die von Carthago für allen andern Völckern möglichst verschlossen; aber nachdem die Bataver und Friesen mit den Britanniern gantzer achzig Jahr Krieg geführet / und ihnen im grossen Meere viel daraus kommende Silberschiffe weggeno en / haben sie hierdurch den Schlüssel und den Weg auch in diese neue Welt gefunden / und sich vieler grossen Länder bemächtigt. Es rühmen sich aber unsere Cimbern /daß mehr als 300. Jahr für dieser letzten Entdeckung nach Absterben ihres Fürsten Güneths sein Sohn Madoch / aus Verdruß der mit seinen Brüdern entsponnenen kriegerischen Zwytracht / mit etlichen Schiffen diese itzt wieder neue Welt erkundigt / ja zweymahl wieder zurück kommen sey / und immermehr seines Land-Volcks dahin geführet habe. Die Warheit dessen wird dadurch bestärcket / daß noch itzt die Gnahutemallier diesen Madoch Zungam als einen grossen Helden und Halb-Gott verehren. Nichts weniger bescheinigen unsere Sitonier / die das Nord-Gebürge Sevo an dem grossen Weltmeere bewohnen / daß ihrer ein groß theil schon für acht hundert Jahren für dem Wüteriche Harsager sich auff das Eyland Thule gerettet / von dar über eine Meer-Enge in Kronien oder Grönland / und aus diesem theils zu Lande / theils über einen See-Busen in die Nord-Länder der neuen Welt kommen wären. Ich wundere mich / hob Rhemetalces an / daß in dieser Mitternacht nicht nur die Atlantische Insel sondern auch fernere und grössere Länder so gar kein Geheimniß sind / da doch wir und die Römer selbst solche für eitel Träume haltẽ / oder doch der Egyptischen Priester Bericht geglaubt haben / daß die Atlantische Insel durch ein Erdbeben und eine grosse Ergiessung der Wasser vom Meere verschlungen worden sey. Malovend versetzte: Es sey nicht zu verwundern / daß dieselbten[125] Völcker / die nicht selbst dahin kommen / so wenig davon wüsten /weil wegen derselben grossen Reichthums / in dem man so viel Edelgesteine und Perlen in den Bergen und Ufern / so viel Gold im Sande / ja gantze Berge voll Silber daselbst finde / alle Völcker iederzeit andern die Mittheilung dieser Schätze mißgegönnet. Der berichtete Untergang sey nicht gäntzlich ein Gedichte; Sintemahl die grosse Atlantische Insel zwar nicht gar wie die Phönicier und Carthaginenser die albere Welt zu ihrem Vortheil beredet / doch gutentheils zu Grunde gegangen / und in viel kleine unter und um den himmlischen Krebs-Strich liegende Eylande zertheilet worden. Dieses sey in der grossen Erdkugel nichts neues / und wären so wohl die gegen dem Coryschen Vorgebürge und dem Eylande Taprobana Sudwerts liegende 11000. Inseln für Alters ein zusammen hangendes Erdreich gewest. Diese neue Welt wäre auch dergleichen Uberschwemmungen offters unterworffen / nachdem selbte unterschiedene so grosse Flüsse hätte / deren einer die Erde zu ersäuffen groß genug schiene / und gegen welche die Donau / der Ganges /der Rhein und Phrat für kleine Regen-Bäche anzusehen wären. Solten gleichwohl die Griechen und Römer / fing Zeno an / dieses Geheimniß nicht ergrübelt haben? Für beyde streitet / daß ihre Weltweisen aus der Runde des den Monden verfinsternden Schattens / aus dem unterschiedenen Auffgange der Sonnen / und aus der Umweltzung des gestirnten Himmels um den unbeweglichen Angelstern / die Runde der aus Erden und Meer bestehenden Kugel erwiesen / und geglaubt haben / daß auff selbter die Menschen seitwerts wohneten / und uns die Füsse kehrten. Weil nun die insgemein kundige Welt nicht einmahl die Helffte solcher Kugel begreifft / hätten sie ihnen leicht die Rechnung machen können / daß das andere gröste Theil nicht eitel Wasser ohne Land / solche Länder aber nicht gantz unbewohnt seyn könten. Absonderlich kommet den Griechen zu statten / daß sie mit der Stadt Carthago mehrmahls in vertraulichem Bündnisse gelebt / daß Menelaus schon durch das Mittel-Meer um gantz Africa gesegelt / Indien besichtigt und nach acht Jahren erst wieder nach Hause ko en seyn solle. Die Könige Selevcus und Antiochus haben hinter der Caspischen See die Flüsse Rha / Carambucis und unterschiedene Ufer des Mitternächtischen Weltmeeres entdecket. Nearchus und Onesicritus des grossen Alexanders Kriegs-Häupter das Indische und Persische Meer vom Einflusse des Ganges um das Corysche sich weit gegen Sud erstreckende Vorgebürge biß zum Phrat ausgeforschet / nachdem Alexander selbst auff dem Fluße Indus ins Meer gefahren / selbtes mit hineingeworffenen güldnen Geschirren versöhnet /auff dem eusersten Eylande Cilluta der Thetys ein Altar gebauet und geopffert hatte. Ja Nearchus wäre gar um Africa herum und durch die Gadische Meer- Enge in Macedonien eingelauffen. Homerus hätte schon von glücklichen Eylanden / vom Atlandischen Meere und der Insel Ogygia zu singen gewust. Die Römer aber haben das unwirthbare Gebürge des Caucasus und die Caspischen Pforten nicht aufzuhalten vermocht / daß sie nicht meiner Vor-Eltern Pontisches Königreich / das gegen den grossen Cyrus / den schlauen Philip / den grossen Alexander / den Sopyrion so grosse Thaten ausgerichtet / ihnen dienstbar gemacht. Sie haben auch alle Heimligkeiten der Stadt Carthago und darunter insonderheit die berühmten Schiffarths-Beschreibungen des Hanno und Himilco /wie nichts minder die Schrifften des Pyneas von Maßilien / der von den Seulen Hercules biß an den Fluß Tanais alle Länder durchsuchet / in ihre Hände bekommen / alle ihre Schiff- und Boots-Leute zu Sclaven gemacht; Mit dem Könige Juba / der so offt in die glückseligen Eylande geschifft / so gute Kundschafft /ja selbst in der Schiffarth so grosse Erfahrung gehabt.[126] Sintemahl bekandt ist / daß die Römer gegen Mitternacht biß ins weiße Meer in das Vorgebürge Rubeas /und biß in die Insel Thule / gegen Mittag um gantz Africa gesegelt. Cälius Antipater ist schon von Ulyßipo biß in das innerste Mohrenland gefahren; Als noch für wenig Jahren des Käysers Augustus Enckel Cajus auf dem rothen Meere zu thun gehabt / sind daselbst kenntbare Stücke von zerscheiterten Gaditanischen Schiffen / die um gantz Africa müssen gelauffen seyn / angestrandet. Ein freygelassener des Annius Plocanus / der den Zoll auf dem rothen Meere vom Käyser im Bestande gehabt / ist in funfzehn Tagen bis in den Hafen Hippuros des Eylands Taprobana gesegelt. Zum Sertorius in Spanien sind Schiffleute aus den glückseligen Inseln kommen / die ihm das Land und desselben Einwohner dergestalt gelobet / daß er dahin zu fahren und sein Leben darauf zu endigen bey sich beschlossen. Des itzigen Käysers Landvogt in Egypten hat noch alle Jahr hundert und zwantzig Schiffe in Indien geschickt. Ja da Publius Crassus die viel weiter entlegenen Caßiterischen Eylande entdecket; Welche zienreiche Länder die Carthaginenser so sorgfältig für ihnen verbargen / daß sie einem Phönicischen Schiffer gerne allen Schaden ersetzten / der / um einem ihm folgenden Römischen Schiffe nicht den Weg dahin zu weisen / mit Fleiß an Africa strandete /scheinet ungläublich / daß sie von dar nicht eben so wol als die Phönicier in die Atlantischen Inseln solten gedrungen seyn. Zugeschweigen / daß Elianus Selenus / in seinem Gespräche mit dem Phrygischen Könige Mydas / ein Eyland von Grösse / Einwohnern /Sitten und Reichthum dergestalt beschreibet / daß kein Ey dem andern / als selbtes dieser neuen Welt ehnlich seyn kan. Ja weil die Hesperischen Eylande /der Alten Beschreibung nach / viertzig Tagereisen entfernet seyn sollen; müssen sie nothschlüßlich dieselben / welche für dem festen Lande dieser neuen Welt liegen / nicht aber die glückseligen seyn / von denen die Gorgonischen nur sieben Tagereisen entfernet sind. Und ich erinnere mich zweyer in Ertzt geetzter und in des Mecenas Bücher-Saale befindlicher Taffeln / derer eine der Milesische Amaximander / der zum ersten sie erfunden haben soll / die andere Aristagoras gemacht / und dem Fürsten Cleomenes zu Sparta geschenckt / die dritte Socrates gefertigt / und dardurch dem so reich begüterten Alcibiades den engen Umkreiß Griechenlands / und den unsichtbaren Sonnenstaub seiner engen Landgüter zu Mäßigung seines Hochmuths eingehalten haben soll. In diesen habe ich gegen Africa über grosse Eylande und feste Länder / wiewohl etwas tunckel vermerckt gesehen. Malovend brach ein: Sollen die Landtaffeln / die ich für gar was neues gehalten / gleichwohl so alt / auch diese des Mecenas nicht etwa neue Nachgemächte seyn? Zeno antwortete: Ich zweiffele weder an einem noch dem andern. Denn Mecenas ist in Kenntnüssen der Alterthümer so erfahren gewest / daß er ihm nicht leicht hat etwas auf binden lassen. Griechenland hat auch nichts so seltzames und werthes besessen / dessen sie diesen grossen Freund der gelehrten Welt nicht würdig geschätzt / oder zum minsten durch eine gegen ihm ausgeübte Freygebigkeit ihnen nicht hätten des Käysers Gnade zuziehen wollen. Zumahl auch die / welche den Mecenas mit etwas beschenckten / mehr Wucher trieben als Verlust litten; Weil der Genüß dessen / was er besaß / fast aller Welt gemein / und seine Vergeltung stets zweymahl überwichtig war. Die Landtaffeln aber sind so alt / daß man insgemein glaubt / es sey der von dem Eolus dem Ulysses verehrte Sack / darinnen die Winde verschlossen gewesen seyn sollen / nichts anders als ein Widderfell gewesen / darauf der Abriß des Mittelländischen Meeres / seiner Klippen und Winde gestanden. Malovend begegnete ihm: Es lässet sich nach eines[127] Dinges Erfindung vielerley leicht muthmassen / und nach dem Ausschlage auch Träume zur Wahrheit machen. Ich gläube auch wol / daß die Griechischen Weisen ihnen von unbekanten Ländern in dem Gehirne und auff dem Papiere mancherley Abrisse gemacht / gleichwol aber darvon keine Gewißheit erlangt / weniger solche selbst betreten / oder nur ins Gesichte bekommen haben. Der Römer wegen ist über obiges noch beyzusetzen / daß man in der neuen Welt die Römischen Nahmen Titus und Paulus / ja in einer Silber-Gruben eine Müntze des Kaysers Augustus gefunden. Alleine beydes ist Zweifels-frey von den Britanniern oder Batavern vorher dahin bracht worden / und kein einiger gewisser Fußstapfen von einem Römer daselbst anzutreffen / derer keiner auch / wie ruhmräthig sie gleich sonst sind / das minste hiervon zu melden weiß. Ja ich habe mir selbst zu Rom sagen lassen / daß die Römer zwar nach Anleitung der vom Hanno verfasseten fünfjährigen Reise-Beschreibung etliche Schiffe ausgeschickt / welche aber das wenigste gefunden / weßwegen man hernach seinen Ruhm für ein eiteles Getichte gehalten hat.

Rhemetalces fing an: Ich bin selbst der Meynung /daß weder Grieche noch Römer einigen Fuß in diese andere Welt versetzt habe / weil beyde ruhmräthige Völcker entweder hiervon gantz stumm sind / oder allzumässig und zweifelhafft darvon reden. Mit was für Sorgfalt haben die Griechen nicht auffgemerckt /daß Dedalus die Sege / den Hobel / das Bleymaß /Theodor von Samos das Richtscheit / den Drechsler-Zeug und den Schlüssel / Perdix nach Anleitung eines Kinnbackens von einer Schlange den Zirckel / Penthasilea die Axt / die Beotier zu Cope das Ruder / Isis oder Icarus die Segel / Dedalus die Segel-Stange und den Mast-Baum / Piseus die Schiffs-Schnautze / Griphon der Scythe die eisernen Spitzen / die Tyrrhener den Ancker / Anacharsis die Schiff-Hacken / Tiphys das Steuer-Ruder / Neptun die Schiffs-Thürme / Glaucus oder vielmehr der erste Schiffer Saturn die Schiffs-Kunst / Proteus das Wassertreten / die Phönicier die Erkiesung beyder Angel-Sterne / Hippius Tyrius die Last-Schiffe / die Phönicier den Kahn / die Illyrier das Both / die Cyrener die Renn- die Salaminer die Pferde-Schiffe erfunden haben. Die Römer wissen nicht sattsam heraus zu streichen / daß Duillius die anfässelnden Schiff-Tröpfen / Aprippa die alle Mast-Tauen durchschneidende eiserne Hacken und Sicheln zu seinem Siege erdacht habe. Wie solten sie denn die Erfindung einer neuen Welt verschweigen? Wie viel Wesens haben die Alten nicht von ihren geringen /oder kaum mittelmässigen Schiffarthen gemacht? Daß der Egyptische König Vexoris über das schwartze Meer biß zu den Scythen / Tanais der Scythen König aus der Meotischen Pfütze biß an den Nil / Memnon aus Mohrenland in Phrygien gesegelt / wäre ein Wunder-Werck der Vor-Welt gewest. Dannenhero sie auch die Welt zu überreden gesucht / daß Sonne und Mond nicht auff Wagen / sondern auff Schiffen ihren Lauff vollführten / die Geschöpfe von der Feuchtigkeit gezeugt und genähret würden. Weßwegen auch nicht nur in Egypten / sondern auch zu Rom der Isis Schiffe zum Gedächtnüsse ein jährliches Feyer begangen würde. Das mit einem geflügelten Pferd bezeichnete Schiff des aus Griechenland in Lycien fahrenden Bellerophon hat verdient / daß der Aberglaube sein Kenn-Zeichen nichts minder als das an dem Colchischen Ufer gewesene Schiff der Argonauten unter die Gestirne versetzt. Nicht nur Jason ihr Haupt erwarb den Nahmen eines Beschirmers der Griechen wider die See-Räuber / und das Vorrecht / daß er alleine sich langer Schiffe bedienen dorfte; sondern das wenige vom Phrixus in ein Widder-Fell eingehüllte Gold ward für einen güldnen Widder / der Steuer-Mann Tiphys für einen Halb-Gott / sein Nachfolger Anceus[128] für des Neptunus Sohn / und der stumme Mast-Baum für einen Redner ausgeruffen. Das zerbrochene Schiff Argos ward auff der Corinthischen Land-Enge dem Meer-Gotte zu einem Heiligthum gewiedmet / und darbey jährlich von gantz Griechen-Lande Lust-Spiele gehalten. Bacchus / welcher von der Stadt Nysa aus Arabien biß in Indien schiffte / spannte an seinen Siegs-Wagen Tiger an; Gleich als ob er mit Bezwingung etlicher Völcker die Natur selbst bemeistert hätte / und richtete an dem Munde des Ganges auf zwey Bergen so viel Säulen auf / als wenn daselbst das Gräntzmaal aller Schiffarthen wäre. Die Araber und Phönicier preisten ihn für den Urheber der Schiffarth und Kauffmannschafft; für einen Lehrmeister des Sternen-Lauffs / und verneuerten das Gedächtniß seiner dreyjährigen Reise mit einem jährlichen Feyer. Weil aber Hercules sich aus den engen Ufern der Mittelländischen See wagte / oder auch nur das Eyland Gades erreichte / schämte sich Griechenland nicht zu tichten: daß er daselbst beyde Meere zusammen gegraben / und die Berge Calpe und Abila nicht so wol zu seinen Ehren-Säulen / als zu Gräntzmaalen des Erdbodens / und der verwegenen Schiffer aufgerichtet hätte. Ulyssens weltberühmte Umirrungen blieben in dem Umkreisse des Mittel-Meeres. Denn daß er nach seiner Heimkunfft vom Neoptolemus wieder vertrieben / von ihm am Einflusse des Tagus die Stadt Ulyßipo gebaut / Britannien und Deutschland befahren worden sey / ist einer Griechischen Erfindung sehr ehnlich. Malovend brach ein: Ich muß den Griechen hierinnen das Wort reden / weil wir Deutschen aus glaubhaften Merckmaalen darfür halten / daß Ulysses auf den Rhein kommen sey / und an dessen linckem Ufer bey den Tenckterern die Stadt Aschburg gebauet habe. Ja auf der Deutschen und Rhetischen Gräntze ist so wol Ulyssens Grab / als ein ihm und seinem Vater Laertes aufgerichtetes und mit Griechischer Schrifft bezeichnetes Altar noch heute zu sehen. Aber freylich ist von Gades / aus Deutschland und aus Britannien noch weit in die Atlantischen Eylande. Rhemetalces setzte bey: Die so weit herrschenden Persier sind noch nicht so weit kommen als die Griechen. Nach Indien haben sie sich an ihrem eigenen Ufer finden müssen. Das Caspische Meer hat ihnẽ keine weitere Farth / als in etliche Flüsse verstattet. Darius / welcher aus der Euxinischen See bis an den Ister geschiffet / und eine Brücke darüber gebauet / ist noch fast am weitesten kommen. Die Jüdischen Schiffarthen haben in der Ost-Seite von Africa / an dem Praßischen Vorgebürge den Monden-Bergen gegen über auf dem Eylande Menuthesias / Tapabran und dem güldnen Chersonesus sich geendigt. Wiewol auch zuweilen ein oder ander Schiff fernere Reisen gethan haben mag / ist selbtes mehr aus Zwange des Sturmes als aus Willkühr der Menschen geschehen. Zumahl die meisten Völcker auch nur an den See-Ufern / und zwar auch nur des Tages hinzurudern sich getrauet; biß endlich sie aus dünnen Fellen / dergleichen die Veneter in Gallien noch brauchen / hernach aus wöllenem Gespinste / endlich aus Leinwand biß auf zwölf Segel ausgespannet / sich auf das hohe Meer gewaget / und des Tages die Sonne / des Nachts den gestirnten Bär zum Wegweiser erkieset haben. Malovend setzte bey: Es wäre schwerlich ein Volck iemahls in der Schiffarth so gut als die Deutschen und Britannier erfahren gewest; daher sie sich über das grosse Welt-Meer nicht hätten trauen dörffen. Uberdiß taugten die Sternen / als bey trübem Wetter verschwindende Zeichen alleine eben so wenig / als der Alten kleine / schwache und langsame Schiffe in die Atlantischen Länder zu reisen. Denn es wäre bekandt / daß Semiramis zwey tausend Schiffe auf Camelen in Indien tragen lassen / welcher König Starobates vier tausend nur aus Indischem[129] Rohr gemachte entgegen gesetzt. Die Scythen schwärmen auf so kleinen Schiffen herum / daß sie sie des Winters auf den Achseln in die Wälder tragen und darinnen wohnen. Ja der Argonauten so berühmtes Schiff soll so klein gewesen seyn / daß sie es von dem Ister in die Adriatische See / oder von der Tanais in das Nordliche Welt-Meer über Land auf den Achseln getragen haben sollen. Käyser August hat nach der Schlacht bey Actium aus dem Hafen zu Schömis seine Schiffe auf Wagen fünf tausend Schritte weit / auf die andere Seite des Peloponnesus / und Cleopatra die ihrigen aus dem Mittel-Meere ins rothe / drey hundert Stadien weit / führen lassen. Dionysius in Sicilien solte das erste Schiff mit fünf Rudern in einer Reyhe gebauet haben. Die Römer hätten beym ersten Punischen Kriege nicht einmahl ein solch Schiff gesehen gehabt / sondern der Bürgermeister Appius von einem an Italien gestrandeten Schiffe der Mohren ein Muster zu seinen neuen nehmen / und seine Ruderer zu Lande im Sande hierzu üben müssen. Duillius hätte das von dem hernach gecreutzigten Hannibal eroberte Schiff des Königs Pyrrhus mit sieben Rudern in einer Ordnung für ein Meerwunder den Römern gewiesen. Dem Eroberer Siciliens Luctatius hätte man zu Ehren auf eine silberne Müntze ein fünfrudrichtes Schiff / als einen grossen Werckzeug seines herrlichen Sieges / gepräget. Zeno versetzte: Seiner Meinung nach hätte es andern Völckern / und zwar auch den Alten / an grossen und starcken Schiffen nicht gefehlet. Die Anfangs aus Semden / oder Bintzen geflochtene / oder aus Baumrinde / holen Bäumen oder Leder gemachten Kahne und Flössen / hätten sich von Jahre zu Jahre verbessert. Erictetes hätte die zwey / Amimocles die drey /die Athenienser die vier / Nesicthon von Salamine die fünf / Zerazoras die sechs / Mnesigethon die acht- und zehnrudrichten Schiffe erfunden; Der grosse Alexander noch vier / Ptolomeus Soter noch fünf Reyhen darzu gesetzt. Der Städtestürmer Demetrius wäre biß auf dreißig / Ptolomeus Philadelphus auf viertzig /Philopater auf funftzig Ruder-Ordnungen kommen. Uberdiß hätten ihre Vorfahren schon so starcke Schiffe gebaut / daß man hohe Thürme drauf setzen / und von selbten der Wasser-Städte Mauren übersteigen können. Fürnehmlich aber wäre des Sesostris dem Osiris gewiedmetes / auswendig mit Golde / inwendig mit Silber überzogenes zwey hundert achtzig Ellen langes Schiff / wie auch des Philopators eben so langes / acht und dreißig Ellen breites / und vom Hintertheile nur biß ans Wasser drey und funftzig Ellen hohes Schiff berühmt / welches mit vier tausend Ruderern / mit vier hundert Handlangern / und vier tausend Kriegsleuten besetzt / auch mit zwölf-elligen Bildern vieler Thiere gezieret gewest. Sein Lust-Schiff mit zweyen Hinter- und Vörder-Theilen wäre nicht viel kleiner / aber viel kostbarer gewesen / weil fast alles Holtz Cedern / die Säulen der Gänge und die Bette aus Cypressen / das Pflaster und die Stüle aus Helffenbein / an statt des Eisens eitel vergüldetes Ertzt / die Knöpffe der Corinthischen Säulen aus Golde / der neuntzig Ellen hohe Mast mit seidenen Segeln und purpurnen Seilen ausgerüstet / und auf diesem schwimmenden Königs-Schlosse so wol ein prächtiges Heiligthum des Bacchus / als der Venus /wie auch eine Höle voller marmelner Bilder von seinen Ahnen gestanden. Noch ein grösser Wunderwerck soll das vom Archimedes gebaute Schiff Syracusa gewest seyn / welches Hiero dem Ptolomeus schenckte. Es hatte drey Mastbäume / zwantzig Reyhen Ruder /sechs hohe Thürme / einen eisernen Wall / unzehlbare Zimmer / Badstuben / Pferde-Ställe / einen fischreichen Teich / etliche schöne Gärte / etliche[130] grosse Schleudern / und darunter eine / welche Steine von drey hundert Pfunden und funfzehn-elligte Pfeile warff. Das darauf befindliche Heiligthum der Venus war mit Agath gepflastert / die Thüren von Helffenbein / und alles voller Bilder und Säulen. Der andern Zimmer Pflaster waren kleine vielfärbichte Kieselsteine / welche die gantze Geschichte von Troja abbildeten. Dionysius flohe aus Sicilien auf einem Schiffe /darauf sechs tausend Menschen Raum hatten. Lucullus bauete ein so grosses / darauf man jagen konte /und Käyser Julius eroberte in der Pharsalischen Schlacht eines / darauf ein gantzer Wald fruchtbarer Bäume stand. Nichts minder ist die Grösse der Schiffe ausser Augen zu setzen / darauf Käyser August den nach Puteoli versetzten Spitz-Pfeiler des Königs Mesphees und einen andern wohl hundert Ellen langen des Königs Senneserteus oder vielmehr des Psammirtaus nach Rom gebracht und auf den grösten Platz gesetzt hat. Nichts weniger hat es denen Alten an geschwinden Schiffen nicht gefehlet; und ist insonderheit des Annibals von Rhodis und ein ander Carthaginensisches berühmt / welches vielmahl der Römer gantze Schiffs-Flotte ausgefodert / und durch seine Flüchtigkeit geäffet hat. Rhemetalces fing an: Ich bin ebenfalls der Meinung / daß hieran das Hindernüß der so fernen Schiffarth nicht liege; Ob ich wohl weiß /daß der Deutschen und Gallier Schiffe aus eitel eichnem Holtze / und zwar mit Fleiß wider Sturm und Wellen sehr starck gebauet / die Ancker an eiserne Ketten gehenckt / die Segel aus zusammen geneheten Häuten wilder Thiere gemacht sind. Alleine weil ich aus Malovends Reden so viel abnehme / daß sie nebst dem Gestirne noch andere Richtschnuren ihrer Schiffarth haben / mögen sie es solchen Vortheils halber vielleicht andern Völckern zuvor thun. Massen man denn insgemein glaubt: daß die Carthaginenser dergleichen Kunst gehabt / und die Serer solche noch haben. Es ist wahr / sagte Zeno: Denn die Serer wissen durch die Wendung eines gewissen Steines auch in dem untersten Schiffe und bey stockfinsterer Nacht ihre Farth / wohin sie gehe / zu erkiesen. Aber mögen wir das Geheimnüß der Deutschen nicht wissen? Malovend versetzte: Ich bin wohl weder unter den Fischen noch dem Meerschweine gebohren / und also auch von Natur kein geschickter Schiffmañ; iedoch meine ich ihnen etwas zu eröffnen / welches zweiffelsfrey auch vielen derer verborgen ist / die gleich ihnen in einen Edelstein ein Schiff mit einem verdreheten Vordertheile und ausgespannten Segeln schneiden lassen / wenn die Sonne im Löwen / Mars und Saturn aber gegen Mittag stehet / und solchen als einen Glücksstein an dem Finger tragen. Unsere Friesen / sagte er / schmieden mit ihrem gerade gegen den Mittag gekehrten Antlitze eine stählerne Nadel / und ziehen den glüenden Drat auf dem Ambosse unter den Hämmern recht gegen sich und Mitternacht. Dieselbe Spitze hat hernach diese geheime Krafft / daß / wenn man die Nadel in der Mitte feste / iedoch zum umwenden geschickt macht / sie sich allezeit gegen Mitternacht wendet / und also ein richtiger Wegweiser der Schiffer ist. Rhemetalces und Zeno wunderten sich über diesem Geheimnüsse nicht wenig / und fragte dieser: Ob die Krafft dieser Nadel aus natürlichen Ursachen oder aus Zauberey herrührte. Malovend antwortete: Er hätte das letztere gute Zeit geglaubt / weil die Friesischen Schmiede ihn versichert hätten / daß wenn sie die Nadeln ohne Vorsatz der Spitze einem solchen Zug einzuverleiben schmiedeten / sie auch solcher Krafft nicht fähig würden; Gleich als wenn die menschliche Einbildung eine Botmässigkeit über die Gestirne hätte / daß sie dem Ertzte gewisse Würckungen einflössen müsten. Nach dem er aber hätte wahr genommen / daß alles ausgekochte Eisen / ohne Absehn des Schmeltzers / zweyerley Stücke in sich habe / derer etliche dem[131] Nord / etliche dem Mittage geneigt wären / und daher die entweder in die Lufft gehenckte / oder auff dem Wasser schwimmende Eisenfädeme sich beständig mit dem einen Ende gegen Mitternacht / mit dem andern gegen Sud lenckten / glaubte er festiglich / daß dieser Zug aus einem verborgenen Triebe der Natur / nicht aber aus Zauberey herrührte.

Beyde ausländische Fürsten bezeigten sich über dieser merckwürdigen Nachricht sehr vergnügt; Rhemetalces aber fing an: Wir sind unvermerckt aus diesem Forste auffs Meer und aus Deutschland in eine neue Welt gerathen / also weiß ich nicht / ob wir nicht Zeit zur Rückkehr haben / da wir heute nicht gar hier verbleiben wollen. Malovend versetzte: Es ist so wenig ohne Ursache geschehen / als dieser sechste Feldherr der grosse Marcomir gemahlet ist / daß er mit iedem Fusse auff einer Weltkugel stehet / und in ieder Hand eine Sonne trägt. Denn weil sein Vater Hunnus noch für dem Groß-Vater starb / erbte er von seiner Mutter alle Britannische Reiche und die Atlantischen Eylande / nach des Groß-Vatern Tode aber die Deutschen und etliche Gallische Hertzogthümer und die Würde ihres Feldherrn. Dahero sagte man von ihm / er beherrschte eine zweyfache Welt / und in seinem Gebiete ginge die Sonne nicht unter. Ja seine Herrschafften waren so groß / daß er seinen Bruder mit dem Reiche der Noricher betheilte / der ohne diß mit seiner Gemahlin des Königs Lissudaval Tochter der Boyen und Qvaden Hertzogthümer überkam. Das Verhängniß hatte dem Marcomir gleichsam zwey irrdische Neben-Sonnen / nehmlich den Salomin der Scythen / und den Usesival der Gallier und Cantabrer König entgegen gesetzt / wormit er durch beyder Verdüsterung so viel herrlichern Glantz erlangen möchte. Usesival drang nicht allein über den Rhein / sondern auch in Hibernien / eroberte Farnaboja / Olamin und Carjoma; sondern er erregte auch wider ihn den Hertzog der Hermundurer und Catten / ja auch das Haupt der Druyden / unter dem Vorwand / daß er die Barden und Eustachen zum Untergange der alten Druyden in Deutschland hegete. Alleine der Feldherr Marcomir schlug die Gallier etliche mahl biß auffs Haupt / eroberte alle abgenommene Plätze / bemächtigte sich aller Landschafften zwischen der Maaß / eroberte die Vesontier und Caturiger / kriegte in einer blutigen Schlacht bey Zitin den König Usesival / an der Elbe der Hermundurer und Catten Hertzog / wie auch das Haupt der Druyden gefangen. Den Scythischen König Salomin / der seinen Bruder bey einem von dem Fürsten Jazapol in Pannonien erregten Auffruhre die Städte Carpin und Bregentio erobert hatte / trieb er von Belägerung der Stadt Vindomana mit grossem Verlust weg. Ja als Salomin den König in Colchis Aßemules aus seinem Reiche vertrieb / dieser aber zum Marcomir seine Zuflucht nahm / schiffte er über das schwartze Meer / erlegte den neu eingesetzten Fürsten Barsabosar / eroberte die Haupt-Stadt Phasia / und befestigte darinnen den Aßemules. Hinter der Atlantischen Insel ließ er auff zwey erhobene Stein-Felsen zwey grosse Colossen aus Ertzt / einen der Sonnen / den andern dem Monden zu Ehren auffrichten / und zur Andeutung / daß ihm seine Reichs-Grentzen noch viel zu gedrange wären / mit göldner Schrifft darauff etzen: Der Zirckel der Sonnen ist der Tugend zu enge / und des Monden zu niedrig. Dieser Uberschrifft / sagte Zeno / klebt sicher mehr Hochmuth an / als den Thränen des grossen Alexanders / der darum geweinet haben soll / daß mehr nicht als eine Welt zu seiner Besiegung verhanden sey. Malovend versetzte: Derogleichen Auslegung hat Marcomir schon selbst verschmertzen müssen / indem einige über seine Seulen einen Krebs gesetzt mit der Uberschrifft: [132] Auch die Sonnen gehen den Krebs gang; Andere eine Schnecke / die ihr Schnecken-Haus trug mit dem Beysatze: der Atlas träget nicht allein seinen Himmel. Aber Marcomir hat nicht Ursache sich seiner Schrifft zu schämen / sondern vielmehr seine Siege des grossen Alexanders fürzuziehen. Denn er erfand und eroberte die überaus grossen Länder Kokisem und Rupe / in welche man alle von den Griechen iemahls bezwungene Königreiche setzen kan. Er kam biß an das andere Gestade des grossen Ost-Meeres / und erlangte diß / wornach der unersättliche Alexander vergebens seuffzete. Er entdeckte das Silbervolle Gebürge Opisot / erfüllte Britannien mit Golde / und die Welt mit Perlen. Rhemetalces fiel hiermit geschwinde ein: Ich sehe wohl Malovend ist zeitlich unser Meinung worden / und er rühmet nunmehr / was er für kurtzer Zeit verworffen. Dahero würde er schwerlich seinem Marcomir eine solche Schand- und Fluch-Seule auffrichten / wie Technas in dem Thebanischen Tempel dem Könige Menis /darum / daß er bey denen vor dürfftigen Egyptiern den Gebrauch des Geldes eingeführet hatte. Zeno fing hierauff an: Ich lerne in Deutschland mehr / als ich iemahls zu Rom erfahren / und bin so vielmehr begierig von dem sonst so sparsamen Malovend die Beschaffenheit dieser so reichen neuen Welt zu vernehmen; insonderheit: ob man darinnen auch ansehnliche Städte / wie bey uns / finde? Malovend antwortete: in der Menge und Festigkeit zwar nicht / aber an Grösse und Beqvemligkeit geben sie den unsrigen nicht nach /und hätte Marcomir eine in einer saltzichten See gebauete erobert / welche ihrer Beschreibung nach der Stadt Rom wenig nachgeben müste / weil sie sechzig tausend Häuser hätte / und alle Jahr ihrem Abgotte sechs tausend ihrer Kinder schlachtete. Wie nun Zeno und Rhemetalces hierüber ihre Verwunderung mercken liessen / sagte Malovend: diese Stadt wäre von Marcomirn noch unglaublich vergrössert und verbessert worden. Aber / sagte Zeno: ist denn die abscheuliche Abschlachtung der Menschen auch über das grosse Meer gesegelt / und bey diesen fremden Völckern eingewurtzelt? Malovend antwortete: In allewege /und zwar nirgends mehr als allhier / wo man Kinder zu tausenden schlachtet / und da es gantze Völcker giebt / welche wenig anders als Menschen-Fleisch speisen. Jedoch wäre diß von diesen wilden Leuten nicht so sehr zu verwundern / weil sie vermuthlich nicht allein die Carthaginenser in dieser Grausamkeit zum Wegweiser gehabt / sondern auch solche bey denen Völckern / die für die sittsamsten wolten angesehen seyn / eingerissen wäre; und noch darzu für ein Gottesdienst gehalten würde. Sintemahl die Phönicier dem Saturn die Stadt Heliopolis der Juno / die Blemies der Sonne / andere andern himmlischen und vermeinten gütigen Göttern ihre liebsten Kinder schlachteten; da doch diese Greuel-That denen höllischen Geistern zu abscheulich seyn solte / welchen die grausame Königin in Persien Amestris und andere nur fremde Menschen geopffert hätten. Wie aber der Römische Rath den Griechen die Menschen-Opfferung abschaffte / und die Vestalischen Jungfrauen an derselben statt alle Jahr dreißig aus kleinen Baum-Ruthen geflochtene Bilder in die Tieber werffen /Amasis an statt der Menschen-Verbrennung in Egypten Wachs-Kertzen anzünden ließ; also hat auch Marcomir durch Einführung der Druyden und ihres itzt sanfften Gottesdiensts diese neue Welt von ihren unbarmhertzigen Göttern und dem grausamen Aberglauben erlediget. Marcomir fing hierüber an: In Warheit Marcomirs Thaten sind den Siegen der männlichen Semiramis und des grossen Cyrus fürzuziehen. Malovend bestätigte es und meldete /[133] daß auch die Deutschen diesen Marcomir für ihren andern Hercules hielten / und die Cherusker wären selbst miteinander zwistig / ob sie dem grossen Hermion / dem Uhrheber ihrer Hoheit / oder dem Marcomir den Vorzug enträumen solten. Rhemetalces sagte: Es ist so schwer zu einem grossen Reiche / als in die Tieffe des Meeres einen Grund legen / gleichwol aber hat beydes kein solch Ansehen / als was hernach mit minderer Müh in die Luft gethürmet wird. Hingegen lässet sichs leichter weiter gehen / wo der von den Vorfahren gezogene Faden einen leitet / und der Eltern Fußstapfen einem den Weg weisen. Ja / sagte Zeno / die Uhrheber eines Reichs behalten insgemein wohl den Ruhm / und zwar billich; wenn aber der Anfänger nur einen Entwurff zum Zwerge gemacht hat / hingegen der Nachfolger hernach einen Riesen bildet / oder ein durch seine Veralterung gleichsam verfallenes Reich wieder ans Bret bringet / ist dieser mehr / als jener / für den Uhrheber eines Reichs zu rühmen. Dahero auch die Römer dem Kayser August diese Ehre zueigneten /und ihn Romulus zu nennen entschlossen waren. Marcomir brach ein: Ich halte diesen Ruhm für ein Urthel der heuchelnden Dienstbarkeit / und den August wol für einen / der durch seine Künste die Römische Freyheit zu Boden getreten hat / nicht aber dem Romulus gleiche / noch für einen Uhrheber selbigen Reiches. Sintemal er zwar unzehlbare Römer abgeschlachtet /das Reich aber wenig oder nichts vergrössert; auch alle seine Siege durch den Antonius / Agrippa / und andere ihn vertretende Krieges-Helden erhalten hat. Da aber die Gewalt des Raths ihm alleine zueignen eine so grosse Sache wäre; warumb wäre nicht vielmehr Sylla oder Kayser Julius über ihn zu stellen? Malovend fiel ihm bey / und meynte: daß unter allen Römern keiner an Helden-Thaten dem Julius zu vergleichen wäre; ja er glaubte / daß er den Nahmen des grossen für Alexandern verdiente. Rhemetalces fing an: Sein Stamm rührte zwar vom Lysimachus des grossen Alexanders Feldhauptmanne her; aber die Thracier und Macedonier wären einander niemals hold gewest / und Lysimachus hätte auch den Pyrrhus aus Macedonien gejagt; also seine Meynung hoffentlich niemanden verdächtig seyn würde. Diese aber ginge dahin / daß Julius Alexandern nicht das Wasser reichte. Zeno lächelte / und fing an: Es liesse sich zwar über zweyen so berühmten Helden schwer den Ausschlag geben / und wäre diß ein berühmter Zwist der Römer und Griechen; gleichwol aber hielte er unvorgreifflich den Julius / wo nicht höher / doch Alexandern auffs wenigste gleich. Rhemetalces antwortete: Die Götter hätten durch den Traum seiner Mutter Olympia / durch die in seiner Geburts-Nacht geschehene Einäscherung des Ephesischen Tempels / und andere Wunder / schon Alexanders künftige Grösse angedeutet. Kayser Julius hätte Alexandern selbst die Ober-Stelle enträumet / da er bey seinem Bilde zu Gades bittere Zähren vergossen / weil er in dem Alter / da Alexander schon die Welt bezwungen gehabt /noch wenig ruhmbares gethan hatte. Zeno versetzte: Wenn aus Träumen und Wahrsagungen etwas zu entscheiden wäre / würde auch für den Julius anzuziehen seyn / daß er seine Mutter beschlaffen zu haben geträumet; welches für die Uberwältigung der allgemeinen Mutter der Erde ausgelegt worden. Sonst wäre zwar Alexander jenem in den Jahren zuvor kommen; hingegen habe dieser seine Langsamkeit / wie die langsame Aloe-Staude / welche in einer Nacht einen höhern Blumen-Stengel / als die Ceder in etlichen Jahren / treibt / mit Grösse seiner Wercke einbracht. Die sich langsam auffthuenden Gewächse und Gemüther wären besser oder zum minsten tauerhafter /als frühzeitige Früchte und sich übereilende Geister. Ihr Lauff gleichte den Schwantz-Gestirnen / die alle Gestirne überlieffen / aber gar bald eingeäschert würden / wie es Alexandern ebenfalls begegnet wäre. Jedoch wäre Julius nicht deswegen / daß er sich so langsam auffgethan hätte / sondern weil er vorher viel[134] dem Alexander nicht im Wege stehende Schwerigkeiten überwinden müssen / etwas zurück blieben. Dannenhero denn die dem Julius von der Tugend ausgepreßte Thränen / so wenig als die / welche Alexander bey Lesung des Homer über den Thaten Achillens vergossen hätte / seinem Ruhme abbrüchig seyn könten. Hätte Alexander über den Siegen seines Vaters geeifert; so hätte Julius über dem Glücke des Sylla geseufzet / von welchem dieser wahrgesagt / daß dieser Jüngling mehr als einen Marius im Busem stecken hätte. Beyde wären zwar Liebhaber der Gelehrten gewest / und hätten den Wissenschafften obgelegen. Wie hoch hätte nicht Alexander den Aristoteles geschätzt / und des Pindarus wegen hätte er nicht nur bey Eroberung der Stadt Thebe seiner Nachkommen Häuser / sondern auch die Bürgerschafft erhalten. Aber hierinnen wäre ihm Julius weit zuvor kommen. Er hätte die Weltweißheit nicht nur geliebet / sondern ihm nütze gemacht. Bey dem Begräbnüsse seiner Mutter Julia / bey der Verklagung des Dolabella / bey Loßbittung der Catilinischen Mit-Verschwornen hätte er mit seiner Beredsamkeit grosses Ansehen erworben. Was er des Tages rühmlich gethan / hätte er des Nachts zierlich geschrieben. Rhemetalces antwortete: Alexander wäre ebenfalls gelehrt und beredsam gewest / aber sie sehen beyde hier nicht als Weltweisen /sondern als Kriegs-Helden an. Zeno fragte: welcher Held ohne die Welt-Weißheit zur Vollkommenheit kommen könte? Diese wäre der Leit-Stern der Tapferkeit / und die Mutter der Vergnügung. Aber / sagte Rhemetalces: Ist dieses eine wahrhaffte oder verfälschte Weißheit / wenn Julius nur des Epicurus wollüstige Meynungen fasset / wenn er weder Götter noch die Unsterbligkeit der Seelen glaubt / und bey Belägerung Marsiliens an einen ihm am Wege stehenden Baum / den die Druyden von viel hundert Jahren her den Göttern eingeweihet / die Kriegsleute aber selbten nur anzurühren Abscheu hatten / zum ersten die Hand und die Axt anlegt? Welchen Unglauben er aber mit seinem Tode gebüsset / als er seinen und seiner Calpurniä Unglücks-Traum / des Spurinna und anderer Priester Warnungen verächtlich in Wind geschlagen. Hat sich Julius nicht in stetigem Schlamme der Geilheit geweltzet? des Sulpitius / des Gabinius /des Crassus / Pompejus / Bogudes und Brutus Ehbette durch Ehbruch beflecket? Hat er nicht mit Cleopatren Ehre / Leben und Vaterland in Gefahr gesetzt? und das Beginnen mit dem Nicomedes läst sich kaum sagen. Also ist das scheinbare Gute am Julius nicht so wol Tugend / als ihre Larve gewest; welche so vielmehr schädliches Gifft an sich hat / ie näher sie der Tugend ko t / weil sie so denn / wie die sich mit schönen Sternen deckenden Schlangen / desto mehr Unheil zu stiften vermag. Rhemetalces meynte: Es würde so wol in einem als dem andern ihm zu viel beygemessen / und Er hätte sich niemals wie Alexander für Jupiters Sohn und selbst für einen Gott ausgegeben. Das letztere aber wäre die gemeine Schwachheit der Helden / welche Alexandern ebenfalls in seiner gegen die Barsine / Roxane und Thais / ja gar gegen den Bagoas geschöpften Brunst befallen hätte. Rhemetalces versetzte: Die Betheuerung seiner Mutter / der Glaube seines eigenen Vaters / die Heucheley der Ammonischen Priester / der Wahn damaliger Zeit / und das übermässige Glücke hätte Alexandern leicht bereden können / daß sein Ursprung aus dem Himmel wäre / dessen Götter damals so viel sterbliche Söhne auf Erden hatten / wo es anders nicht eine Staats- Klugheit war / bey denen abergläubischen Völckern sich durch solchen Ruhm in desto grösser Ansehen zu setzen. Zeno brach ein: Sie schritten von ihrem gantzen Zweck ab / wenn sie dieser zweyen grossen Helden Ruhm durch Erzehlung ihrer Gebrechen verdüsterten / derer Verdienste einen solchen Glantz hätten / daß selbter so wenig / als die Sonne ihre Flecken /und die über den Monden erhobene Gestirne ihren Schatten sehen liessen. Ein grosser Geist hätte keinen einkommentlichern Haushalter als die Freygebigkeit /und keine schönere Gemahlin als die Freundschafft.[135] Julius aber habe mit seinen Geschencken nicht nur das Römische Volck und das Kriegs-Heer / sondern auch frembde überschwemmet / Rom und andere Städte mit kostbaren Gebäuen gezieret / und ausländischen Königen die Gefangenen zu tausenden frey gelassen. Julius hätte zwar mit niemanden so gar vertraute Freundschafft / wie Alexander mit dem Ephestion und dem Craterus gepflogen / iedoch hätte er mehrmals des Königs Micipsa Wort im Munde gehabt / daß gute Freunde eine sichere Hülffe / als Heere und Schätze wären / und daher unter freyem Himmel geschlaffen / wormit sich Oppius des engen Wirths-Hauses bedienen könte. Seinen Freunden hätte er das gröste Unrecht verziehen; seine Freundschafft wäre niemanden so gefährlich gewest / als Alexanders / der dem Clitus und andern vertrautesten das Licht ausgelescht / ja aus blossem Verdachte den hochverdienten Parmenio und unschuldigen Philotas vorher auf die Folter gespannet hätte. Es ist wahr / sagte Rhemetalces. Aber ist das zu seiner Tochter Gedächtnüsse dem Volcke gegebene Mahl / sind die bey erlangtem Bau-Ambte auffgewendete Unkosten nicht mehr eine Verschwendung? Hat er durch seine Begabung den Curio und andere nicht bestochen / und ihnen die gemeine Freyheit abgekaufft? Alexander hingegen schenckte aus einer blossen Großmüthigkeit denen / von welchen er nichts als eine Dancksagung zu gewarten hatte; Mahler / Bildhauer / Tichter und Weisen ließ er in den Schätzen des überwundenen Morgenlandes theil haben. Und diß / was er seinen besiegten Feinden dem Porus und Taxiles gab / waren grosse Königreiche. Alexander hätte im Eifer / welcher bey den Gütigsten meist am feurigsten wäre / zuweilen sich übereilet; aber diese Scharte hernach durch gantze Meere voll Wolthaten und Bereuungs-Thränen ausgewetzt; und / wenn es der weise Calisthenes und das seufzende Heer nicht verwehret / sich selbst durch Enthaltung vom Essen zu Tode gegrämet. Ja er hätte bey strengem Froste einem halb erfrornen Kriegsknechte seine Königliche Sänfte abgetreten / und ihn daselbst wieder zu rechte bringen lassen. Den Achilles hätte er bey seiner Säule glückselig gepriesen / daß er am Patroclus so einen treuen Freund gehabt hätte. Marcomir brach ein: Er hielte dafür / daß Julius zu Rom / und Alexander in Griechenland die Ober-Stelle verdiente / und daß beyde /wie die Sonne / wenn sie mit dem Monden den Kreiß verwechseln solte / anderwerts nicht so hoch würden kommen seyn. Alexanders gar zu grosse Freygebigkeit würde sich selbst unzeitig / ihn bey Zeite dem Römischen Rathe verdächtig / sein hoher Geist ihn geschwinde zu einem Catilina oder Manlius gemacht /seine Empfindligkeit dem Sylla die Stirne zu bieten veranlast; der behutsame Julius aber nimmermehr mit fünff und dreissig tausend Mann und mit siebentzig Talenten den grossen und reichen König der Persen /für dessen einigem Land-Vogte Griechenland zitterte /anzugreiffen / und Asiens Eroberung gewagt / sondern vorher sich seiner zweifelhaften Nachbarn versichert; seine Gräntze an dem Flusse Granicus behauptet / seine Sorgfalt in der Nacht für der Schlacht bey Arbelle nicht so feste geschlaffen haben. Sein Kummer eines zweifelhaften Ausschlages / welcher dem Pompejus so offt den Frieden anbot / hätte des Darius angebotene Tochter mit sechs Ländern unfehlbar angenommen. Und deswegen meynte ich diesen Streit unvorgreifflich dergestalt zu entscheiden / daß Julius ein wenig mehr Gehirne / Alexander aber ungleich mehr Hertze gehabt habe. Rhemetalces versetzte: Das letzte ist ausser allem Zweifel. Denn / in was für Gefährligkeiten hat sich Julius gewaget? Die Geschwindigkeit der Nervier / und die Noth bey Alexandria setzten ihn wider seinen Willen in einen zweifelhaften Stand. Und hätte ihn Labienus beym ersten nicht entsetzt / wäre es umb ihn geschehen gewest. Alexander[136] aber ist mit einem Löwen-Muthe der Gefahr mehrmahls vorsätzlich entgegen gegangen / und hat ohne weniger Schrecken als Brutus dem Tode das blaue in Augen gesehen; Da hingegen Julius insgemein das gewisse gespielet / und so wenig als Parmenio in der grossen Schlacht mit dem Darius alles auf die Spitze gesetzt / weniger sich alleine in die Stadt der Maller unter so viel tausend Feinde gestürtzt haben würde. Alexander wäre allhier und sonst unterschiedene mahl / Julius aber niemahls gefährlich verwundet worden. Zeno brach ein: weil ein Vernünfftiger niemahls / als in unvermeidlicher Noth / in der Verwegenheit / wie kluge Aertzte bey verzweiffelten Kranckheiten aus gefährlicher Artzney sein Heil suchen solte / wüste er nicht: ob Alexander seiner Kühnheit / oder Julius seiner Vorsicht halber mehr zu rühmen wäre. Wiewohl dieser unter den See-Räubern / beym Ungewitter / und / ungeachtet aller Unglücks-Zeichen / fürgenommener Schiffarthen gleichfalls erwiesen / daß keine Furcht in seinem Hertzen Raum hätte. Rhemetalces begegnete ihm: Die Verwegenheit wäre das Saltz der Tapfferkeit / und ohne derselben Beysatz wäre kein Held ein grosser Eroberer worden. Alexander aber hätte in zwölf Jahren mehr Landes / als die Römer in siebenhunderten / und alle vorige Reiche in mehr als Tausenden gewonnen. Ja / sagte Zeno: Aber er hat mit den Weichlingen des wollüstigen Asiens zu kämpffen gehabt. Rhemetalces antwortete: Und Julius mit den reichen und feigen Galliern / welche weder Waffen noch Schlacht-Ordnung verstanden. Diese hat er alleine bezwungen; Denn alles andere des Römischen Reichs war ein Gewin der Scipionen / der Meteller /des Marius / des Sylla und des Pompejus / welche in sechs hundert Jahren zusammen gewachsene Macht ihm wenig Stunden der Pharsalischen Schlacht zueigneten. Alexander aber hatte in Persien und Indien mit keinen Weibern zu thun / sondern mit Völckern /derer eines nur den Crassus erschlagen / den Antonius überwunden / und das noch itzt der Römischen Macht das Gewichte hält. Und es kan so wohl für Alexanders Klugheit als seine Tapfferkeit kein herrlicher Merckmaal seyn / denn daß alle seine Kriegs-Obersten / die aus seiner Schule kommen / grosse Kriegs-Helden und kluge Könige worden.

Zeno fing an: Er gestünde gerne / daß Alexanders Thaten mehr Glantz hätten / aber des Julius nicht wenigern Kern. Jenen hätte er als ein Bürger zu Rom mehr verstecken / und das Gold seiner Vermögenheit mit was unansehnlichem überfirnßen müssen. Sein Krieg wider den Petrejus und Afranius in Spanien wäre ein Begriff der vollkommensten Kriegs-Wissenschafft; Die Belägerung der Stadt Alesia ein Wunderwerck / und ein Muster / davon alle nachfolgende Belägerungen nur Stückwercke entlehnen; Die Schlacht bey Munda wäre die schärfste Prüfung seiner Hertzhafftigkeit gewest. Ich gestehe / antwortete Zeno / mit dem Redner Tullius / daß Julius der erste unter den Römern sey / aber Alexander sicherlich unter den Helden insgemein. Julius beobachtete sorgfältig die sichere Mittel-Bahn; Vernunfft und Vortheil waren seine Wegweiser / wie Alexanders die Ehre und seine Neigung. Alles sein Absehn ging über die gemeinen Schrancken. Er hielt es für eine Schande mit Ohnmächtigen kriegen. Auf der Jagt fällete er nichts als Löwen / und er war niemahls unerschrockener / als wenn andere aus Zagheit verzweiffelten / oder auch die behertzten aus anderer Schwachheit sich verlohren. Die wildesten Barbarn verehreten ihn / und die Uberwundenen liebten ihn mehr / als sie ihn vorher gefürchtet hatten; ja er hatte weniger zu thun mit ihrer Erlegung / als es ihn Mühe kostete / sie für Unterthanen anzunehmen; und mit einem Worte: Er war zu einem Herrn der Welt gebohren. Malovend fing an: In Warheit alle[137] entfernte Völcker / welche nur seine Thaten erzehlen hören / und darunter auch unsere Deutschen und Gallier / haben ihn durch Gesandten zu Babylon dafür verehret; Und der weltberühmte Hannibal hat ihm die erste Stelle unter allen Helden eingeräumt. Zeno fiel ein: ja / und nach dem Pyrrhus hat Hannibal ihm den dritten Platz zugeeignet. Alleine als ihn Scipio gefragt: wo er sich hinstellen wolte / wenn er den Scipio überwunden / hätte Hannibal sich über alle zu setzen vermeinet. Da nun aber Julius dem Scipio vorginge / könte nach Hannibals Urthel Alexander nicht dem Julius vorgezogen werden. Marcomir nahm wahr / daß dieser Einwurf eine Gelegenheit zu einem neuen Zwiste geben würde; daher er / um selbten zu unterbrechen / anfing: Es würde Malovend seines Marcomirs drüber vergessen / welcher Alexandern und dem Julius den Lorberkrantz nicht wenig zweiffelhaft machen würde / wenn die Zeit und die ihm als einem Deutschen dißfalls gebührende Bescheidenheit ihn von einer umständlichen Vergleichung nicht zurücke hielte; die aber aus Malovends Erzehlung unschwer zu machen wäre. Es hätte iedwedes Volck und eine iegliche Zeit Beyspiele der Tugend / welche Frembden und der Nachwelt ein Licht zu geben würdig wären. Er wüste aber nicht / ob die Mißgunst oder das Verhängnüß Schuld daran wäre / daß man neue und einheimische Sachen mit unachtsamen Augen übersehe / und nur alte und frembde hoch hielte. Er stellte dem Zeno und Rhemetalces alleine zu bedencken anheim: daß Marcomir viertzig Schlachten gewonnen /und siebentzig Kriege geendigt habe; daß er sechs mahl in Britannien / sieben mahl in Sarmatien / zwey mahl in Colchis / vier mahl in Gallien / zehn mahl in Pannonien gewesen / und eilf mahl übers Meer gefahren sey. Wo aber für etwas sonderlichs zu schätzen wäre; wenn ein Fürst durch Gemüths-Mäßigung seiner Herrschafft ehe / als das Verhängnüß / ein Ziel steckte / so würde Marcomirs Beschluß / welcher alle Wercke krönete / dem Alexander und Julius auser zweiffel den Vortheil abrennen. Denn jener wäre von seinen Freunden durch Gifft / dieser durch das kalte Eisen aufgerieben worden / als beyder unersättliches Gemüthe noch nach grössern Dingen dürstete / und ihr Kopff mit vielen Chimären schwanger ging. Der Feldherr Marcomir aber hätte für die höchste Glückseligkeit gepriesen / wenn einer als ein Fürst gebohren würde / als ein Held lebte / und als ein Weiser stürbe. Dannenhero hätte er nach Besiegung aller seiner Feinde sich selbst überwunden; und nach dem er so gelebt / daß es niemanden / als die Feinde des Vaterlands / gereuen dorfte; auch so lange / daß er zu Verewigung seines Nahmens den minsten Beysatz der Zeit bedorfte / bey noch hurtigen Leibes- und Gemüths-Kräfften Würde und Herrschafft nieder gelegt. Seine Siegs-Gepränge verwechselte er mit einer andächtigen Einsamkeit / seine Reichs-Sorgen mit einer Betrachtung irrdischer Vergängligkeit. Die Nachsinnung über der Unsterbligkeit der Seelen / war zugleich seine Erlustigung und Ehrsucht.

Diese letztere Entschlüssung / fing Zeno an / halte ich für eine grössere Hertzhafftigkeit / als seine vorgehende. Denn ob schon kein Ort oder Stand zu finden / darinnen ein tugendhaffter Geist nicht eben so wohl als Diogenes in seinem Fasse seine Vergnügung antreffen / und ihm eine annehmliche Einsamkeit bauen könte; so erfoderte doch die Kunst wohl zu sterben nichts minder Zeit und Sorgfalt / als das Leben. Diese aber so lange an sich kommen lassen /biß die Ohnmacht des Alters und das Gespenste des Todes uns überfalle / wäre die schädlichste Schlaff-Sucht. Sintemahl beydes den Menschen in einem Augenblicke / wie die Nächte die Nachbarn beyder Angelsterne mit einer kohlschwartzen Finsternüß überfiele; Niemand aber[138] wie die Schlangen mit ihrer Haut die Schwachheiten des Alters abstreiffen könte. Die menschliche Vermessenheit aber bildete ihr insgemein noch eine Last voll Kräffte zu haben für / wenn sie kaum noch ein Loth besässe. Daher könten ihrer so viel keine Erlassung der Arbeit von ihnen selbst erlangen / die ihnen gleich die Freyheit des Alters und die Gesetze des Vaterlands enträumten. Die Ehrsucht lobte ihnen für eine grössere Süßigkeit ein an der Kette liegen und andere anbellen mögen / als seiner Freyheit geniessen / und keine Sclaven in seiner Gewalt haben. Dahero sicher ein überirrdischer Trieb zu seyn schien Purpur und Scharlach von sich werffẽ /und sich mit Haar und geringer Wolle decken / seine Augen von dem Schimmer der schütternden Diamanten und Rubine abziehen / und auff die Asche der Todtengräber werffen. Rhemetalces setzte bey: er hielte dafür / die Götter hätten das Hertz in den menschlichen Leib zu einem Uhrwerck gesetzt / welches mit iedem Schlage den Menschen unauffhörlich seiner Sterbligkeit erinnern solte. Und die / welche sich über Behertzigung ihrer Eitelkeit erlustigten /kämen ihm für wie die Schatzgräber / welche sich erfreueten / wenn sie auff die Scherben der zerbrochenen Todten-Töpffe kommen. In Warheit / sagte Zeno. Denn beyde sind dem gesuchten Schatze sehr nahe /diese dem Irrdischen / jene der Entbürdung ihrer in dem Siechhause ihrer krancken Glieder angepflöckten Seele. Es ist nicht ohne / sagte Marcomir / daß die Hoffnung dieser Entbürdung ein grosser Trost der Elenden / und ihre Seufftzer alleine nach dem Tode als dem Hafen aller Bekümmerniß gerichtet seyn. Aber unsern in fast unveränderlichem Glücke lebenden Marcomir muß etwas grössers als die mehrmahls kleinmüthige Begierde zu sterben zu seiner Entschlüssung bewegt haben. Wer wolte gläuben / daß ihrer so viel / welche in blühenden Jahren / im Uberflusse des Vermögens / bey unerschöpfften Kräfften /im Angesichte des sie anlachenden Glückes / sich der weltlichen Ergetzligkeiten darum entschlagen solten /weil sie in den abscheulichen Tod so verliebt wären /daß sie den süssen Genüß des Lebens für ein Gespenste ansehen / und für der lockenden Wollust einen Eckel haben solten? Dannenhero die wahre Ursache schwerlich in den Scherben der stinckenden Todten-Töpffe / sondern vielmehr in was himmlischem zu suchen sey. Denn nach dem zwar unser Leib aus der Erde / unsere Seele aber / nach der meisten Weisen Meinung / aus dem Gestirne oder vielmehr / wie wir Deutschen glauben / von GOtt seinen Ursprung hat; hegt sie gegen diesem ihrem Brunnen eine nicht geringere Neigung / als die Sonnenwende gegen die Sonne / die Africanischen Ziegen gegen dem Hunds- und der Magnet gegen dem Nördlichen Angel-Serne / wenn anders diese heilige Regung nicht durch irrdische Verleitung / wie der Magnet durch Knobloch / entkräfftet wird. Dieses wäre die Liebe GOttes / welche die Seele so vergnügte / daß ihr alle andere Wollust zu Wermuth / alle andere Pracht zu Staube würde. Alle andere Gestirne verschwinden für der Sonne der Gottheit / welche ohne Verwendung einigen Blicks der Mensch sein Lebetage anzuschauen geschaffen wäre. Diese Liebe wäre der Geist des Lebens / und ohne sie das von andern Reitzungen lodernde Hertz kalt und todt. Sie wäre das Feuer des Weyrauchs und der Opffer / ohne welches jener die Lufft stinckend machte / diese sie mit Rauche schwärtzten / und die Erde mit Blute besudelten. Ja weil die Liebe den Liebenden mit dem Geliebten gäntzlich vereinbarte / so erlangte sie mit der Umarmung Gottes das Besitzthum aller seiner unbegreifflichen Reichthümer. Seine Gemeinschafft theilte ihr alles mit und verwandelte alles böse in das Beste. Das Armuth wäre ihr Reichthum /die Kranckheiten gäben ihr Stärcke / das Gifft diente ihr zur Artzney und der Tod zur Unsterbligkeit /[139] als dem wahren Zwecke dieser Liebe / und der ewigen Glückseligkeit einer reinen Seele. Diese Süßigkeit würckte eine Vergessung aller andern vergänglichen Schätze. Alle vorige Absehen verrauchten; Das Glücke verachtete sie als eine Närrin / die Wollust stincke sie an. Alle ihre Gemüths-Kräfften eignete sie GOtte zu; und wenn ihre Siegs- und Königs-Kräntze / alle Gold-Adern und Edelgesteine nicht zu verächtlicher Sand wäre / würde sie selbte zu seinem Dienst einweyhen. Hingegen wären alle ihre zu GOttes Verehrung geschehende Bemühungen leichte. Wenn sie an der Ramme zöge / deuchtete sie es ein Spiel zu seyn. Denn seine Güte gäbe seiner Ohnmacht Kräffte / und erleichterte die Last ihrer heiligen Arbeit. Seine Barmhertzigkeit labte ihre Hitze / ihr Schweiß würde zu ihrer Erqvickung / der Dornen-Weg der Tugend verwandelte sich in weiche Rosen / und ein Tropffen seines Trost-Balsams heilete alle Schmertzen. Die rauhe Höle ihrer erwehlten Einsamkeit gefiele ihr besser / als die von Porphir und Golde gläntzenden Schlösser; die wilden Kräuter wären ihr eine süssere Kost / als die verschwenderische Taffel eines Apicius / die Galle verliere auff ihrer Zunge die Bitterkeit /aus einer Hand voll Meer-Wasser trincke sie etwas süsseres als die Milch wäre / die vorher ihre irrdische Lippen aus den Brüsten der Wollust gesogen hätten. Diese Flamme hätte nun auch die der Eitelkeit abgestorbene Seele des Feldherrn Marcomirs angefeuret: daß seine Andacht weder in dem greissen Alter noch im Tode erkaltet wäre / daß er die Nächte mehr der Verachtung der Ehrsucht / als dem Schlaffe / die Tage aber in Betrachtung der unerschaffenen Sonne zugebracht / und endlich mit Freuden sterbende die Unsterbligkeit seiner Seele begierlich umarmet / und mit seinen halb todten Lippen schon den Vorschmack eines bessern Lebens gekostet hätte.

Zeno und Rhemetalces hörten gleichsam verzückt Marcomirn als einem Wahrsager zu. Nach einer Weile aber fing jener an: diese Geheimnisse wären zwar für ihn zu hoch und er wäre ein Kind in dieser Weißheit. Es schiene aber freylich wohl bey Marcomirn eine überirrdische Leitung zu seyn / welcher Erklärung er ihm mit Gelegenheit auszubitten vorbehielte. Ausser dem könten seines Erachtens sich auch niedrige Ursachen ereignen / eben so wohl Zepter und Krone wegzulegen / als Sosthenes und andere viel sie anzunehmen verschmähet hätten. Ja es dünckte ihm eine ruhmswürdige Klugheit zu seyn / wenn ein Fürst die schwere Last der Herrschafft von seinen Schultern weltzte / ehe sie der Tod ihm aus den Händen risse / seine Lebens-Geister erkalteten / und die Gemüths-Kräfften wegfielen. Denn wie das greisse Alter durchgehends einem lecken Schiffe und faulen Hause ähnlich wäre / also liesse sich von einer zitternden Hand das Steuer-Ruder eines Reichs übel führen / von trieffenden Augen die verborgenen See-Klippen / die abwechselnden Winde / die fernen Sturm-Wolcken / die Ungewitter andeutenden Gestirne / welche niemahln in dem gefährlichen See-Busem einer Herrschafft mangelten / nicht erkiesen; auch von tauben Ohren das Gebelle Seyllens und Charybdens nicht bey Zeite hören. Ein allzu alter Fürst würde gleichsam wieder zum Kinde / er gläubte allen Hoff-Heuchlern. Die Boßheit leitete ihn wie ein kleiner Mohr einen grossen Elephanten. Die Diener sündigten ohne Furcht / liessen ihnen auch noch wohl ihre Verbrechen belohnen. Die gebrechlichen Weiber würden selbst sein Meister. Ein Beyspiel alles dessen hätte man an dem vorhin so klugen und glücklichen Käyser Augustus für Augen. Livia spielte mit ihm / wie mit einem Papegoyen / zwinge ihn zu Verstossung seiner Bluts-Verwandten /[140] zur Verbannung seines einigen Enckels Agrippa auf die Insel Planasia / und seiner Tochter auf die Insel Pandateria; Dringe den Tiberius hingegen ihm zum Sohne und unzweifelbaren Nachfolger im Käyserthum ein; also / daß der / welcher vorhin mehr als eine Welt klüglich zu beherrschen fähig geachtet worden / itzt seines Hauses nicht mächtig wäre. Daß auch das Glücke / als eine Buhlerin der Jugend / ihn verliesse / hätten sie in itziger Niederlage erfahren. Der für Jahren ein Wunder des Volcks gewest / wäre itzt ihr Gelächter. Die Unterthanen hielten seine Befehle verächtlich / die Feinde seine Gewalt geringe. Die durch frembde Einfälle beschädigten Länder liessen ihre Liebe sincken / die bey seines gleichen insgemein / bey Fürsten aber allezeit vom Nutzen gebohren / von der Hoffnung unterhalten wird. Die untergedrückten Freunde würden ihm gram / die Staats-Diener / weil sie mehr wenige Zeit übrig zu haben meinten / griffen wie die Habichte desto unverschämter in den gemeinen Schatzkasten / die freygelassenen verkauften die Rathsstellen / die Knechte machten ihren Herrn ihnen dienstbar / und alle beteten die aufgehende Sonne noch in ihrer düsternen Wiege an. Allen diesen Spott und Schaden hätte Augustus verhütet / wenn er wie Marcomir seine Herrschafft nur für etlichen Jahren abgetreten / und sich den Mecenas hiervon nicht hätte ableiten lassen. Marcomir fing hierauf an: die freywillige und aus irrdischen Ursachen herrührende Abdanckung sey bey grossen Fürsten ein so unbekandtes Wunderwerck / daß er sich keines merckwürdigen Beyspiels erinnerte / auch nicht glaubte / daß es iemahls des Augustus Ernst gewesen wäre. Solte sich doch Marcomirs Sohn und Erbe Hippon einst haben verlauten lassen / daß sein Vater die Ablegung Cron und Zepters noch für der Sonnen Untergang bereuet hätte; ungeachtet seine Entschlüssung gewiß aus hi lischer Regung geschehen / er auch in seiner Einsamkeit nicht einst nach seiner Stul-Erben Verrichtungen gefragt; sondern seine Hände mit Pflantzung eines Gartens / seine Gedancken aber mit Nachsinnen über der Seelen Unsterbligkeit beschäfftigt; ja noch bey seinem Leben sein eigen Begräbniß-Feyer angestellt hätte.

Rhemetalces fragte hierauf: Ob sein Sohn Hippon der siebende unter den Gemälden / und folgender Feldherr gewest wäre? Nein / antwortete Malovend /wiewohl Hippon ein so kluger Fürst war / daß wenn Marcomir schon wie der grosse Alexander den besten / oder wie Pyrrhus den / welcher den schärfsten Degen haben würde / zum Reichsfolger erkläret hätte / er sonder das Recht seines Geblüts diese hohe Würde zu bekleiden würdig gewest wäre. Denn es wäre Ingram /Marcomirs Bruder / der siebende unter den Gemälden / ein Herr hohen Verstandes / grossen Gemüths und unerschöpflicher Gütigkeit an seine Stelle kommen; weil die Fürsten Deutschlands / um künfftiger Zwytracht vorzubeugen / ihn schon für dreißig Jahren zum künftigen Feldherrn bestimmt hatten. Diesem verließ er seine Länder in Deutschland / als welcher vorher schon das Reich der Qvaden und Pannonier erheyrathet hatte / seinem Sohne aber trat er die Britannischen Reiche mit denen Atlantischen Eylanden und andern entfernten Reichen mit grossem Gepränge ab /übergab ihm auch / wiewohl mit grösserer Großmüthigkeit / als der schon stumme Alexander dem Perdiccas / seinen Siegelring / mit der Ermahnung /daß er den ihm für diese frühzeitige Erbschafft und solche ungemeine Wohlthat schuldigen Danck (in dem andere Könige ihren Söhnen zwar das Leben /nicht das Reich zu geben / sondern nur zu verlassen pflegten) seinen Unterthanen durch väterliche Liebe abstatten solte. Durch den Ritter Nassau aber schickte er seinem Bruder Ingram den Stab und das[141] Schwerdt /als die Zeichen der deutschen Feldhauptmannschafft /mit dieser Erinnerung: Er überschicke ihm hiermit die Centner-Last / nach welcher alle Sterblichen seufzeten / die aber niemand / der sie recht kennete / aufheben würde. Es ist wahr / sagte Rhemetalces / die Bürde der Herrschafft darff Riesen-Achseln /und gleichwol wüntschet sie iedweder Zwerg auf seinen Nacken zu kriegen. Alle wollen lieber in diesen güldenen Ketten verschmachten / als bey mittelmässigem Glücke stoltzer Ruh und edler Freyheit genüssen. Gleichwol aber könte er obiger Meynung des Fürsten Marcomirs / daß der sechste Cheruskische Feldherr der erste wäre / welcher die Herrschafft abgetreten /entgegen setzen / daß vor wenigen Jahren eine Königin der Samojeden Thinacris / und ein König der Geten Rakimis / für langen Zeiten aber Hierulck und Nidotical zu aller Menschen Verwunderung Kron und Zepter von sich geworffen; welcher letztere doch den Nahmen eines Herrn und die Anbetung der Götter von seinem Volck vorhero angenommen / und seine Eitelkeit mit seinen gantz güldenen Kleidern und Diamantenen Schuhen an Tag gegeben / ja seine Herrschafft für ein Göttliches Geschencke zu achten gehabt hätte; weil sie ihm lange vorher von den wahrsagenden Druyden wäre angedeutet worden. Marcomir antwortete: Ob ich wol diese vier Begebenheiten für seltzamere Dinge achte / als die Araber ihre Phönixe / und die Indianer ihre Einhörner; so dünckt mich doch / es sey nirgend eine gantz freywillige Entäuserung gewesen. Denn Nidotical ward theils durch ungemeine Unpäßligkeit / durch Verwirrung seines Gemüthes und festeingebildete Zerrüttung seines Reichs zu dieser Entschlüssung bracht; Hierulk aber von ihm hierzu beredet / oder vielmehr übereilet. Die Königin Thinacris entschloß sich aus Zwange hierzu / weil sie entweder diß thun / oder sich einem ihrer angebohrnen Freyheit unerträglicherm Gesetze der Vermählung eines Königes unterwerffen solte / den nicht sie zu erkiesen / sondern die Unterthanen schon erwehlt hatten. Dahero hielt sie es für rathsamer / sich ehe der Herrschafft über viel tausend andere zu begeben / als sich eines andern Gewalt zu unterwerffen. Auch diß letztere halte ich für ein Wunderwerck / fing Rhemetalces an. Denn die Ehrsucht schämet sich nicht / umb ihre Herrschafft zu befestigen / alle knechtische Dienstbarkeit auf sich zu nehmen. Alle Larven der Welt wären ihr anständig / der Bettlers-Mantel nicht zu verschmählich / die Gestalt der Schlangen nicht zu abscheulich. Wenn man andere Regungen als Kinder mahlte / müste man die Begierde zu herrschen zwar als eine Riesin abbilden; gleichwol aber nehme sie wie Hercules die Spindel / wie Apollo den Hirten-Stab in die Hand. Sie verwandelte sich wie Jupiter in einen Ochsen / wenn sie dadurch einen Vortheil zu erlangen hoffte. König Rakimis aber / fuhr Marcomir fort / war zu einer so dienstbaren Herrschafft zu ungeduldig / welcher sie nicht so wol aus Verdruß über sein Unglücke / als über verkleinertem Ansehen bey seinen Unterthanen mit dem Rücken ansah. Ungeachtet dieses Reich ohne diß dieser Süssigkeit / nemlich der ungebundenen Gewalt / nicht gewohnet / sondern seine Könige mit vielen Grund-Gesetzen / und den Stimmen des fast unbändigen Adels umbschräncket sind. Rhemetalces fuhr heraus: Ich halte denselben /welcher nach frembder Richtschnur leben muß / für keinen König; Sintemal das Herrschen darinnen bestehet / daß alle einem / nicht einer allen von seinem Fürnehmen Rechenschafft giebet. Ich halte / sagte Malovend / den Rakimis auch nur für einen Schatten eines Herrschers / der Geten Herrschafft aber für eine unerträgliche Bürde / für keine Ergetzligkeit. Denn ob ich wol derselben Unart nicht billige / die Wollust und Uppigkeit für den Lohn ihrer Herrschafft[142] halten /sondern vielmehr den Purper für ein erinnerndes Sinnen-Bild ausdeute / daß ein Fürst sein Blut für sein Volck zu verspritzen schuldig / auch zwischen Bürgern und Knechten ein Unterscheid zu machen sey; so ist doch auch einem / der zum Steur-Ruder gesetzt ist / unerträglich / daß ein ieder Boots-Knecht an solches seinem Gutbedüncken nach die Hand anlegen / ein Unterthan seinem Könige ins Antlitz widersprechen /ein Unvernünftiger / ohne Anziehung einiger Ursache / als welches er schon für eine Dienstbarkeit hält / die Reichs-Schlüsse zernichten / ein Aufwiegler die Land-Tage zerreissen / ein Bettler die Königliche Hoheit mit Füssen treten möge. Gleichwol aber führen diese verderbliche Mißbräuche in dem Reiche der Geten / das hierdurch mehrmals in die äuserste Gefahr gäntzlichen Untergangs verfällt / den scheinbaren Titul der Freyheit / und man darff sich wol gar unterstehen fürzugeben / daß die Unordnung ein Ancker /und Uneinigkeit ein Reichs-Pfeiler der Geten sey. Am allermeisten aber war die Königliche Gewalt zur Zeit Rakimis verfallen / und des Adels ihm zu Kopfe gewachsen. Denn / als er nach seines Bruders Lissudaval Absterben das Reich überkam / hatten schon die Bastarnen ein Theil der Getischen Unterthanen den Kap-Zaum des Gehorsams abgeworffen / welche Seuche auch andere Treue leichter / als der schon in einem Gliede fressende Krebs den gesunden Leib vollends einnimmt. Sein Sta stand auf dem Falle /indem er aller Kinder / und hierdurch derselben Schutzwehren entblösset war / welche ein Reich und die Königliche Hoheit fester als Kriegsheere beschirmen / weil doch die besorgte Rache des Nachfolgers auch die Verwegensten schrecket. Der König muste dem Adel das Heft der Waffen in die Hände geben /wodurch ein König seine Gewalt schon mit dem Volcke theilet. Weil er wider die Bastarnen wegen übeler Anstalt seiner Befehlshaber etliche Treffen verlohr /die Scythen wegen Zwytracht der Reichs-Stände etliche Plätze eroberten / die von den Geten selbst ins Land beruffenen Samojeden das gantze Reich überschwemmeten / und ihn aus dem Königreiche jagten; legten sie die Schuld auf ihren König / und bürdeten ihm nicht allein die Zufälle des Glücks / wie der Pöfel sonst zu thun gewohnt ist / sondern ihre eigene Verbrechen auf. Ja sein eigner Unterthan Mulobir hielt ihn endlich so verächtlich / daß er auf ihn den Degen entblössete / und wider ihn nicht anders / als einen Feind des Vaterlandes / zu Felde zog. Zeno lächelte und sprach: So wolte ich lieber der Moßineken Fürst seyn / der nur einen Tag Hunger leiden muß / wenn seine Anschläge durch Zufall nicht zu gewüntschtem Zweck gelangen. Es ist erträglicher / antwortete Malovend / als zwantzig Jahr seiner unbesonnenen Unterthanen Sclave und Fluch seyn / wie es Rakimis gewest / gegen dem sie allererst ihre schuldige Ehrerbietung bezeugten / als er sich auch ihre Thränen nicht erweichen ließ / ihre so gefährliche Herrschafft zu behalten; welcher er / wiewol zu spät / ein sicher und ruhiges Leben vorziehen lernte. Es ist eine nicht ungemeine Begebenheit / daß die menschliche Boßheit des gegenwärtigen Guten leicht überdrüssig wird / also unbändige Unterthanen ihre gegenwärtige Fürsten verdammen / derer Verlust sie kurtz hernach bejammern / oder nach einem seufzen / den sie kurtz vorher verfluchet.

Ein fürtrefliches Beyspiel stellet solchen unvorsichtigen der oberwehnte siebende Feldherr / Hertzog Ingram / für Augen / fing Malovend an. Denn ob wohl dieser tapfere Held bey den Deutschen in grossem Ansehen / und neben dem grossen Marcomir Unterfeldherr war / sein Bruder ihm auch aus der väterlichen Erbschaft die Norichschen Länder abgetreten hatte; so schätzten ihn doch die Pannonier nicht würdig ihres Königs Lissudaval Tochter zu besitzen. Dieser Lissudaval hatte nicht mehr als einen Sohn den Fürsten Gudwil und die Fräulein[143] Hermildis / eine Fürstin von wunderwürdiger Schönheit / ungemeinem Verstande /und männlicher Tapferkeit. Diese Gaben zohen / nicht anders als der Agtstein die Spreu / unterschiedene tapfere Fürsten und Helden an ihres Herrn Vatern königlichen Hof / unter diesen auch den Hertzog Ingram / und den Dacischen Fürsten Decebal. Weil nun beyde Fürsten sahen / daß Hermildis die Eigenschafft des Magnets und der Sonnen Wende hatte / und wie diese nur den Gestirnen / also sie nur der Tugend ihre Gewogenheit zuneigete; So diente die Liebe beyden Fürsten zu einem Wetzsteine / ihre angebohrne Fürtreffligkeiten täglich durch ruhmwürdige Ubungen mehr zu schärffen; und nach dem Hermildis eine Sonne ihres Königreichs / ein Begriff aller Tugenden war /suchte ieder Fürst / welcher sie für seinen Leitstern erkieset hatte / mit tapfern Thaten ihre Gewogenheit zu erwerben / iedoch durch selbte stets einer des andern Vollkommenheit zu verdüstern. Denn die Flamme einer tugendhafften Liebe wecket die eingeschlaffensten Menschen auf / sie begeistert die kältesten Gemüther. Sie machet die Klötzer rege / die Cyclopen höflich / und die Niedergeschlagenen Ehrsüchtig. In denen aufgeweckten Seelen aber zündet sie eine so rühmliche Eyversucht an / daß selbte auch die Unmögligkeiten überwinden / und entweder Stern oder Asche werden wollen. Lissudaval war zwar über dem Besitzthume eines so edlen Kleinods an seiner Tochter hoch vergnügt / gleichwol aber bekümmert / daß er durch Erwehlung des einen Fürsten den andern erbittern / und also diese so schöne Helena mit seinem Königreiche ein ander Troja anzünden würde. Die Fürstin Hermildis selbst konte über diesen zweyen Hertzogen / welche alle andere wie zwey Sonnen die gemeinen Sterne verfinsterten / sich mit ihr selbst eines gewissen Urthels nicht vergleichen / sondern gab ihrem hierüber sorgfältigen Bruder / entweder aus wahrhafftem Zweifel / oder aus einer vernünfftigen Verstellung ihrer Zuneigung / zu verstehen: Sie wüste einen dem andern so wenig fürzuziehen / als eines unter ihren eignen Augen für dem andern zu erwehlen. Nach vielen seltzamen beyder Fürsten Ansehn in gleicher Wage haltenden Begebenheiten riß endlich beym Decebal die Gedult aus / und daher gerieth er entweder aus selbst eignem Mißtrauen zu sich selbst / oder / weil er die Tugenden zeither mehr angenommen / als eigenthümlich gehabt hatte / von dem Pfad der Ehren / auf den verzweiffelten Irrweg der Laster. Alle sein Nachsinnen war nun wie er diesen güldnen Apfel nicht mehr so wohl durch seine numehr selbst verdammte Verdienste als Arglist zu überkommen / oder auf dem eusersten Fall auch dem Ingram / dessen hohes Geschlechte das seine bey weitem überstralete /dieses Kleinods verlustig zu machen. Denn eine falsche Liebe fähret / wie die grimmige Medea / mit Drachen / sie verwandelt nicht nur / wie die zaubernde Circe / andere / sondern sich selbst in reissende Thiere. Ihre Ungedult wird zur Raserey / und ihre Mißgunst hält eines frembden Genüß für unerträglicher / als seinen eigenen Verlust. Diesemnach Decebal den Ingram zum minsten so unglücklich zu machen / als er selbst zu werden fürchtete / die drey hefftigen Gemüths-Regungen die Regiersucht / die Eyversucht / und Furcht wider ihn in Harnisch zu jagen bemüht war. Die Gelegenheit hierzu gab ihm ein grosses Feyer / welches König Lissudaval auf seiner Tochter der Fürstin Hermildis Geburts-Tag anstellte; darauf nicht allein alle an diesem grossen Hofe anwesenden Fürsten und Herren sich stattlich ausrüsteten / sondern sich auch viel frembde / um bey den Strahlen dieser Fürstin ihre Freyheit / wie die Mutten bey dem Lichte ihre Flügel zu verlieren / einfanden. Sintemahl es schwer oder unmöglich war die Hermildis zu kennen / und nicht verliebt zu seyn. Decebal / welcher des Hertzog Ingrams Beginnen aufs genaueste auszuforschen viel Kundschaffter[144] unterhielt / erfuhr endlich / daß er ihm bey einem Silberdrechsler einen künstlichen Schild ausarbeiten ließ / darauf eine schöne von der Sonnen bestrahlte Perlen-Muschel geetzt / auff der Schalen aber das schöne Antlitz der Hermildis abgebildet / und der gantze Schild mit dieser Uberschrifft bezeichnet war: Das Beste / und mein Abgott ist gleichwohl verborgen. Decebal konte aus dieser Nachricht unschwer errathen / daß Ingram hierdurch so viel sagen wolte: Wie in der Muschel die Perle das köstlichste wäre / also liebte er an der Hermildis mehr ihr tugendhafftes Gemüthe / als ihre euserliche Schönheit. Er mißbrauchte aber diese herrliche Gedancken nicht anders / als die Hirnse und Spinne die Rosen. Denn er ließ alsofort auf ein dünnes Blat das Bildnüß einer zur selben Zeit ihrer Schönheit wegen beschrienen Cimbrischen Fürstin Gondeberge mahlen / welche man insgemein die Mitternächtische Perle hieß; brachte es auch durch die dritte und vierdte Hand der über solchem Schilde arbeitenden Kunst-Meister so weit / daß nicht allein dis dünne Bildnüß / ohne Ingrams Wissen / unter das oberste Blat seines Schildes mit eingemacht / sondern auch das oberste Blat schwach und zerbrechlich eingeschraubt ward. Hingegen ließ Decebal ihm einen Harnisch / der über und über voller Feuer-Flammen loderte / und einen Schild fertigen / dessen Umkreiß sich gleichergestalt in eitel Feuer-Flammen endigte / in der mitten sich aber in drey Kleeblätter zertheilte / um hierdurch so wohl seine inbrünstige Liebe als die unverwelckliche Hoffnung fürzubilden. Auff iedem Kleeblatte war ein Hertz gemahlet. Das erste lag auf glüenden Kohlen /mit der Uberschrifft: O süsse Einäscherung! In das andere ließ eine Hand biß zur innersten Spitze ein Bleymaaß / mit der Uberschrifft: Liebe liebe nichts seichtes. Das dritte hing zerspaltet an einem durchgehenden Pfeile aneinander / mit der Uberschrifft: In- und auswendig. Auf den angestellten Tag erschienen beyde Hertzoge / nach vielen vorhergegangenen Ergetzligkeiten mit prächtigen Aufzügen / auf den zu den Ritterspielen bestimmten Schauplatz / mit nicht andern Gemüths-Regungen / als wenn dieser Tag ihrer Tapfferkeit die Fürstin Hermildis zu einem Siegs-Preiß aufgesetzt hätte. Im Ring- und Kopf-Rennen hielten beyde einander die Wage. Denn im ersten erhielt Decebal / im andern Ingram aus den Händen ihrer irrdischen Göttin den Preiß. Jederman war zu erwarten begierig / wer unter diesen zwey Löwen im Turnier die Oberhand behalten würde / darinnen sie einander als zwey geschworne Todfeinde anfielen. Ingram traf im zusammenrennen den Decebal auf den Helm / dieser jenen / und zwar mit sonderbarem Fleisse auf den Schild so hefftig / daß beyde Lantzey in Stücken sprangen. Hiermit griffen sie beyde nach selbiger Landsart zu ihren Streitkolben; und so sehr sich Ingram bemühete den Decebal am Leibe zu beleidigen / so sehr trachtete Decebal des Ingrams Schild zu zerschmettern. Bey solcher Beschaffenheit gaben die Zuschauer schon grösten theils dem Ingram gewonnen / als / nach einem heftigen Schlage des Decebals / von Ingrams Schilde das oberste Blat absprang. Das zusehende Volck hielt diß für seine eigene sinnreiche Erfindung / weil sie darauf alsofort ein so schönes Bild ins Gesichte bekamen; Hertzog Ingram aber ward hierüber allein so heftig bestürtzt / und nach dem er bey Herumdrehung des Schildes eines so frembden Bildnüsses gewahr ward / hielt er sich nicht so wol für betrogen als bezaubert. Decebal / an statt daß er sich solcher Bestürtzung zu seinem Vortheil und Beleidigung seines Neben-Buhlers / dem gemeinen Urthel nach / hätte bedienen sollen / maste sich einer befrembdenden Verwunderung an / und ritte unter dem Schein einer gegen den Ingram gebrauchten Höfligkeit aus dem Schrancken.[145] Wie nun Ingram dergestalt stille hielt / und sich mit sonderbarer Ehrerbietung gegen die königliche Schaubühne wendete /ward iederman und hiermit auch das Fräulein Hermildis gewahr / daß auf Ingrams Schilde die allenthalben mehr denn zu viel bekandte Cimbrische Hertzogin Gandeberge abgebildet war / und über selbter diese Ubertrifft stand: Meine und die Nordische Perle. Jeder Einfältiger / geschweige eine so verschmitzte Fürstin / konte über diese und Ingrams erste über die Perlen-Muschel gestellte Uberschrifft und Sinnenbild vernünftig keine andere Ausdeutung machen / als daß Ingram die Hermildis nur für die euserste Schale / die Cimbrische Hertzogin aber für die Perle und seinen Abgott hielt. Dahero ist leicht zu erachten / wie Hermildis diese eingebildete Beschimpffung ihr zu Gemüthe zoh. Rhemetalces fiel ein: Ich bin begierig ihre Empfindligkeit zu vernehmen. Denn man sagt / daß wenn eine erzürnte Taube ein Ey lege / werde eine Natter daraus gebrüttet / und ein erbostes Weib gewinne an Grausamkeit den höllischen Unholden ab. Ja / antwortete Malovend / aber gleichwol vermochte Hermildis ihren Gemüths-Regungen einen solchen Zaum anzulegen / daß die Zuschauer ihnen einbildeten / es müste Hermildis dieser Bildnüsse so genau nicht innen worden seyn. Der König nahm diese Begebenheiten zwar wol wahr / weil er aber aus dem Stegereiffen keine untadelhafte Entschlüssung zu erkiesen wuste / gebrauchte er sich des ungefähr fallenden Regens zu einem Vortheil seiner Klugheit / befahl also wegen unsteten Wetters vom Turnier abzublasen / und ließ durch den Herold dessen Fortstellung auf folgenden Morgen andeuten. Weder Hermildis noch Ingram wusten / wie sie vom Schauplatze kamen /also waren beyder Gemüther verwirret. Ingram verfluchte den schändlichen und unerforschlichen Betrug / Hermildis wütete über so schimpflicher Verschmähung. Decebal hingegen lachte in die Faust / und kitzelte sich über seiner so glücklichen Arglist. Fürst Gudwil dachte auf nichts als eine geschwinde / Lissudaval auff eine vorsichtige Rache. Denn die Beleidigten sind insgemein blutgieriger als die Aegeln / und ergetzen sich an abgeschlachteten Leichen mehr / als die Scharfrichter. Hertzog Ingram war in tiefsten Gedancken begriffen / so wol den Ursprung des Betrugs zu ergründen / als der Fürstin Hermildis seine Unschuld zu erhärten. Wegen des ersten argwohnte er auf Decebaln / theils aus seinen Sinnenbildern / theils aus denen auf den Schild fort für fort geführten Streichen. Wegen des andern aber zweifelte er / daß Hermildis von ihm einige Schutz-Schrifft annehmen würde. Als er sich nun mit diesen Gedancken schlug /brachte ihm der Ritter Bercka vom Fürsten Gudwil /und einen Augenblick darauf ein Norichischer Edelmann vom Decebal einen anzügerlichen Absag- und Ausfoderungs-Brief zu einem ernsten Kampffe auf folgenden Tag; darinnen sie die der ihm von niemandẽ feil gebotenẽ Fürstin zugefügte Beschimpfung mit nichts wenigerm / als seinem Blute / auszuleschen dräueten. Eine Viertelstunde darauf empfing er durch einen Edelknaben von ihr selbst einen Befehl / er solte bey Vermeidung grimmigster Rache ihr nicht mehr ins Antlitz zu kommen sich erkühnen. Ingram hätte bey so unübersehlichem Unglücke verzweifeln mögen. Er konte ohne Zagheit nicht vom Kampfplatze aussen bleiben / und gleichwol dorfte er ohne seiner andern Seele der holdseligen Hermildis noch grössere Beleidigung sich dahin / nemlich für ihre Augen / nicht gestellen. Die gantze Nacht ward ohne Schlaf und mit tausendfachen Abwechselungen der heftigsten Gemüths-Regungen aller Orts zubracht. Die freudige Sonne hatte allein ruhig ausgeschlaffen /und die anmuthige Morgenröthe grüste den Tag mit lachendem Munde. Ihr und allen aber war auf dem Schauplatze noch zuvor kommen ein Ritter in eben einem so[146] feurigen Harnische / wie den Tag vorher Decebal angehabt. Der Schild allein führte ein ander Sinnbild / nehmlich eine Taube die einen Adler zerriß / mit der Uberschrifft: Mächtige Ohnmacht der Rache. Die Trompeten hatten kaum das erste mahl ein Zeichen zur Versammlung der Ritterschafft gegeben / als selbte sich mit unglaublicher Menge um die Schrancken / wie auch bey dem dritten Ausblasen der schwermüthige König / iedoch ohne die Fürstin Hermildis / als welche sich bey ihrem Herrn Vater mit Unpäßligkeit hatte entschuldigen lassen / einfand. Hertzog Ingram kriegte von ihrem Aussenbleiben durch die seinigen bey Zeite Wind / und weil er es dahin andeutete: die Fürstin sey nach erfahrner Ausfoderung mit allem Fleiß aussenblieben / um / unbeschadet des Verbots ihres Angesichts / ihm den Schauplatz zu eröffnen / so erschien er alsofort in einem kohlschwartzen Harnische. Auff seinem Schilde schwebte ein Salamander in der Flamme / mit der Uberschrifft: Die unversehrliche Unschuld. Fürst Decebal erschien in blancken mit goldnen Blumen beworffenen Waffen; In dem Schilde war eine Sonne gemahlet / welche mit ihren Strahlen einen Nebel und darinnen sich befindende Neben-Sonne unter sich drückte / mit der Uberschrifft: Die obsiegende Wahrheit. Hertzog Gudwil hatte einen gantz vergüldeten Harnisch / in seinem Schilde stand der Qvadische Löw / und brach einen Hauffen Pfeile entzwey / mit der Uberschrifft: Verächtliche Waffen der Mißgunst. Diese zwey Fürsten und iederman war bekümmert / wer der fremde Ritter wäre / Hertzog Ingram aber muthmassete aus der Gleichheit des Harnisches: es wäre Decebal. Daher rennte er nach gegebenen Zeichen wie ein Blitz auf ihn / und jener begegnete ihm mit nicht geringerer Fertigkeit / beyde traffen auch so wohl / daß die Splitter von beyden Lantzen in die Höh sprangen. Bey der Umwendung reichten ihre Waffenträger ihnen ein paar andere / welche sie ebensfalls ohne Beschädigung an einander in Stücken rennten. Im dritten Rennen ließ Ingram aus einer fast verzweiffelten Verbitterung die eingelegte Lantze kurtz für dem Antreffen sincken / umarmte seinen Feind / und riß ihn durch eine unglaubliche Geschwindigkeit mit sich vom Pferde / stieß ihm auch zwischen den Zusammenfügungen den Degen in Leib / daß er für todt liegen blieb. Alsofort fing sein vermu ter Waffenträger ein erbärmliches Mordgeschrey an: Ach! Hermildis! Hermildis! unglückselige Fürstin! Hertzog Ingram / der sich alsbald wieder zu Pferde gesetzt hatte / erstarrte über dieser Stimme wie ein Scheit; und der gantze Schauplatz gerieth in eine Raserey / als sie nach abgerissenem Helme Hermildens Antlitz erblickten / aber wenig Zeichen des Lebens an ihr verspürten. Ingram wäre in diesem Getümmel von dem wütenden Pöfel in Stücke zerrissen worden / wenn nicht der König bey diesem ihn am meisten bekümmernden Zufalle Vernunfft und Mäßigung seiner Regungen behalten / auch der Leibwache ihn zu beschirmen befohlen hätte. Nach gestilltem erstem Auffruhr / und als die Fürstin sich von der Ohnmacht erholte / die Wundärtzte gleichergestalt die Verletzung nicht für tödtlich hielten / kamen Hertzog Gudwil und Decebal und baten beym Könige aus /daß sie gegen den Ingram fechten und Rache ausüben möchten. Dieser ward hierdurch allererst von seiner Bestürtzung ein wenig ermuntert / redete damit den Lißudaval an: Ich wünsche durch mein Blut / großmüthiger Fürst / meinen Irthum zu büssen / wenn ich dardurch nur allein meine durch des Decebals Betrug oder Zauberey geschändete Unschuld ans Tagelicht bringen könte. Das Verhängniß wird es mir sicherlich / und dadurch dieses Glücke verleihen / daß der Erlauchte Fürst Gudwil Decebals offenbahrtes Laster verfluchen /[147] und mich gegen dem / welchem ich so hoch verbunden bin / zu kämpffen nicht nöthigen werde. Nach dem Königlichen Verlaub traffen Ingram und Decebal als zwey Felsen an einander / das Gefechte schien mehr als menschlich zu seyn / denn nach gebrochenen Lantzen und gefälleten Pferden führten sie zu Fuße mit ihren Schwerdtern auff einander ohne einiges Verblasen / gleich als wenn sie keines Athemholens bedürften / solche Streiche / welche auffzuhalten Stahl und Harnisch zu wenig waren. Endlich unterlieff Ingram dem Decebal sein Gewehr / und nach einem langen Ringen fielen sie mit einander zu Boden; weil aber Ingram das Glücke hatte oben zu kommen / nahm er seines Vortheils so wohl wahr /daß er dem Decebal den Helm vom Haupte riß / und ihm den Degen an die Gurgel setzte / mit Bedräuung: Er wolte ihm nun das Licht ausblasen / da er nicht die betrügerische Verfälschung seines Schildes eröffnen würde. In Decebals Gemüthe kämpfte Schande und Liebe des Lebens. Diese aber überwog jene / und er gestand / wie schwer es ihm ankam / mit Erzehlung aller Umstände zu / daß auff seine Anstifftung der Blattner der Eimbrischen Hertzogin Bildniß unter das oberste Blat eingeschraubet hätte; Welch Bekäntniß auch alsofort durch den herzu gefoderten Blattner bekräfftigt ward. Nicht nur des Königs und des Fürsten Gudwil / sondern aller anwesenden Gemüther wurden hierdurch gantz umgekehrt / und so viel Ingram Ansehen und Gewogenheit erwarb / so tieff verfiel Decebal in Haß und Verachtung / ja Lißudaval ließ ihm alsofort Stadt und Hoff verbieten. Ingrams gröste Bekümmerniß war die Fürstin ausser Gefahr / und sich bey ihr ausgesöhnt zu wissen. Alleine wenig Tage versetzten sie in eine versicherte Genesung / und ihres Brudern Erzehlung der völligen Begebenheiten den Ingram in so grosses Ansehen / daß sie ihn selbst zur Verhör beruffen ließ / ja / als er ihr seine Verletzung auff den Knien abbitten wolte / einiges sein Erkäntniß nicht annahm / sondern ihr selbst ein zweyfaches Verbrechen / so wohl eines übelgegründeten Argwohns /als einer ungerechten Antastung zueignete. Es ist wundernswerth / wie die zwey widrigsten Gemüths-Regungen Liebe und Rache in einer Seele so geschwind abwechseln können! Die zeither freye Hermildis ward durch die verbindlichen Liebes-Bezeugungen Hertzog Ingrams nunmehr tieffer im Gemüthe / als vorher mit seinem Degen verwundet. Den König Lißudaval verband er ihn zu einer innerlichen Zuneigung / den Fürsten Gudwil zu einer brüderlichen Vertrauligkeit; und hiermit schien er alle Hindernisse die Qvadische Hertzogin zu erlangen überstiegen zu haben / als Hertzog Decebal bey denen ihm benachbarten und befreundeten Pannoniern den Hertzog Ingram durch eine empfindliche Verläumdung vergällete. Denn er ließ durch einen Betrüger seine Hand nachmahlen / und sein Petschafft nachstechen /schrieb hiermit in seinem Nahmen einen Brieff an den Obersten Feldherrn Marcomir / darinnen er die Hoffnung seiner Vermählung mit der Hermildis Ihm vergewisserte / wordurch er das Pannonische Reich /welches für acht und sechtzig Jahren von ihrem Geschlechte durch angemaßtes unrechtes Wahl-Recht abkommen wäre / wiederum an sich zu ziehen anzielte. Diesen Brieff händigte er selbst einem Post-Reuter ein / solchen dem Marcomir zu überbringen / stellte aber etliche Pannonier an / daß sie einen solchen verdächtigen Brieff-Träger nicht allein anhalten / und ihm die Schreiben abnehmen / sondern selbten auch /wormit sein Betrug verschwiegen bliebe / todt schlagen solten. Keine Natter kan so vergifftet sich anstellen / wenn sie getreten wird / als der Adel / wenn man ihm das Wahl-Recht nehmen / und[148] ein freyes Volck /wenn man es zu Erb-Unterthanen / oder seiner Auslegung nach zu Sclaven machen will. Daher ist unschwer zu erachten / wie die Pannonier / die ohne diß nicht so viel Schatten einer Dienstbarkeit / als ein Auge Staub in sich vertragen können / wider den Hertzog Ingram erbittert worden. Die Furcht und Einbildung sind ausser dem gewohnt / eben wie die Fern-Gläser / alle Dinge zu vergrössern / und den Sachen eine andere Farbe anzustreichen / ja diß / was etwan geschehen kan / für etwas wesentliches zu verkauffen. Dahero war kein Herrschens-Joch so strenge zu ersinnen / das sie nicht schon unter dem Ingram auff ihren Achseln zu haben ihnen traumen liessen; und wormit sie ihrer Empfindligkeit so vielmehr Ansehen und Beypflichtung zu wege brächten / stellten sie dem Hertzog Gudwil nicht allein seine eigene Gefahr und die Verdringung von denen Väterlichen Reichen für /sondern sie erklärten ihn auch noch bey Lebzeiten Lißudavals zu ihrem künfftigen Beherrscher. Die Qvaden machten bey so scheinbarer Gefahr auch grosse Augen / und die eifersüchtige Herrschens-Sucht verwandelte Hertzog Gudwils Freundschafft wider den Ingram in einen hefftigen Argwohn. Ja es mangelte nicht an Leuten / die um sich beym Gudwil in Ansehen grosser Treu zu setzen ihm riethen: Er solte nicht allein Ingrams Heyrath mit seiner Schwester stören / sondern ihm auch das Licht ausblasen. Fürsten solten allezeit den verdächtig achten / der nach ihnen ihm Hoffnung zum Reiche machen könte. Es wäre diese Entschlüssung nicht zu verschieben / in welcher die Langsamkeit mehr als Verwegenheit Schaden brächte; auch dörffte man über dem / was zur Ruhe des Volcks / zur Befestigung des Throns / und zu dem gemeinen Heil angesehen wäre / ihm kein Gewissen machen / wenn es schon einen Schein der Grausamkeit an der Stirne führte. Die Sueßioner und Senoner hätten für hundert Jahren ihr von den Eubagen / welche sich wider die alten Druyden aufflehnten / und ihren Gottesdienst aus den Geheimnissen der Natur ergrübeln und befestigen wollen / zerrüttetes Reich nicht ehe in Ruhe setzen können / als biß König Colusar eines ihrer Häupter durch Verlobung seiner Schwester / das andere mit Verleihung grosser Würden gantz sicher gemacht / und auff der Königlichen Hochzeit über hundert tausend Eubagen unversehens nieder säbeln lassen / den Bräutigam auch selbst zu Abschwörung des Eubagischen Gottesdiensts genöthigt. Verzweiffelte Kranckheiten müste man mit Giffte heilen / und in allen grossen Beyspielen stecke ein Gran Ungerechtigkeit / welche Scharte aber durch den gemeinen Nutzen ausgewetzt würde. Hertzog Gudwil gerieth hierdurch in einen rechten Kampff seines Gewissens und der Regiersucht. Jenes redete dem Ingram als einem noch nie überwiesenen das Wort; diese aber sprach ihm das Leben ab / weil einem in Lastern / die die Herrschafft angehen / auch nur glaubhaffte Muthmassungen zu verurtheilen berechtigt wären. Hertzog Ingram / welchem diese Verleumdung lange Zeit verborgen blieb / erfuhr selbte durch vertrauliche Nachricht des Ritters Schlick / und zugleich / was man dem Gudwil wider sein Leben für blutige Rathschläge einbliesse. Gleichwohl behielt dieser Fürst ein der Gefahr gemässes Gemüthe / und weil er durch eine blosse Schutz-Rede den bereit so tieff eingewurtzelten Verdacht zu vertilgen nicht getrauete / noch durch eine heimliche Flucht zwar sein Leben zu retten / seine Unschuld aber in mehrern Verdacht einzusencken / und sich dadurch der unschätzbaren Hermildis verlustig zu machen nicht für rathsam hielt / ihn auch seine übermäßige Liebe alles eusserste zu versuchen veranlassete / so nahm er seine Zuflucht zu einer vermessenen Andacht. Denn den folgenden[149] Tag fiel der Neumond ein / an welchem die Pannonier und Qvaden der Gottin Kihala opferten. Diese Göttin war ein nacktes auff einem mit zwey Tauben bespannten Wagen stehendes Weib / in ihrer rechten Hand trug sie die Welt-Kugel / in der lincken drey Granat-Aepfel / auf dem Haupte einen Myrthen-Krantz / aus ihrer Brust ging eine brennende Fackel herfür. Auf ihrem Altare lag ein aus dichtem Golde auf dem einen Gebürge dieser Völcker gewachsener Stab / darauf die Könige nicht allein dem Reiche ihre Eydes-Pflicht zu leisten / sondern auch andere Grossen des Landes ihre Angelöbnüsse zu beschweren pflegten; und wird geglaubt / daß kein Meineydiger aus dem Tempel lebendig scheiden könte. Wie nun der König / Fürst Gudwil und Hermildis für diesem Bilde knieten / und der Priester ein Opfer nach dem andern anzündete / kam Hertzog Ingram unversehens in den Tempel / legte seine lincke Hand auf den güldenen Stab / und schwur mit heller Stimme: Ich ruffe euch Schutz-Götter dieses Königreichs zu Zeugen /daß ich das Erbrecht desselben meinem Stamme zuzuziehen / die Freyheit des Volcks zu unterdrücken /noch auch den Fürsten Gudwil darvon abzustossen niemals / sondern allein die unvergleichliche Hermildis zu besitzen gedacht. Da auch ich hierinnen meineydig bin / so werde ich und mein Sta vertilget / so verzehre mich augenblicks diese Flamme. Hiermit faßte er mit der rechten Hand den glüenden Rost /worauf die Opfer lagen. Alle Anwesenden erstarrten hierüber / und insonderheit / da sie ihn die Hand gantz unversehrt von dem umbfaßten brennenden Eisen wegziehen sahen. Weil nun kein Mensch an seiner durch dieses Wunderwerck bewehrten Unschuld zweifelte / muste sich Hertzog Gudwil schämen / daß er diese andere Verleumbdung sich so leichtgläubig hatte einnehmen lassen. Es ist sicher eine vermessene Zuversicht zu seiner Unschuld / oder ein ungemeines Vertrauen zu den Göttern gewest / fing Zeno an / da unter diesem Wunderwercke nicht ein Kunst-Stücke verdeckt gelegen. Was für ein Kunst-Stücke? versetzte Malovend. Zeno antwortete: Machet man aus dem Amianten-Steine Leinwand / die von der Flamme gereinigt / nicht verzehret wird; wächset auf dem Javischen Gebürge Holtz / das nicht verbrennet; leben in den Cyprischen Schmeltz-Oefen über dem zerflüssenden Ertzte gewisse Fliegen unversehrt; leschen die Salamandern mit ihrem Speichel das Feuer aus / so ist es auch wol möglich / daß der Mensch seine Glieder durch natürliche Mittel für dem Brande verwahre. Uberdis sollen nicht weit von Rom in dem Filiskischen Gebiete gewisse Geschlechter / die Hirpien genennt / gewesen seyn / welche am Berge Soractes /wenn daselbst jährlich dem Apollo geopfert worden /über die glüenden Brände ohne einigen Schaden baarfüssig gehen können / und deßwegen vieler Freyheiten genossen haben. Malovend begegnete ihm: Es mag wol seyn / daß unter derogleichen Begebenheiten zuweilen die Kunst oder die Natur spiele; Hertzog Ingrams Beginnen aber ward als ein unbegreiffliches Wunderwerck der sonderbaren Fürsorge seiner Schutz-Götter zugeschrieben; und daher ihm alsofort die Fürstin Hermildis im Tempel mit grossem Frolocken der Qvaden verlobet. Kurtz hierauf starb der König Lissudaval / und betrat Fürst Gudwil beyde Reichs-Stüle / wiewohl mit minderm Glücke / als Verdienst. Denn Decebal erregte wider ihn den mächtigen König der Scythen Salomin / daß er mit einem grossen Heere in Pannonien einfiel. König Gudwil begegnete ihm zwar mit Heeres-Krafft / ward aber bey Zoma geschlagen / und er selbst kam in einem Morast umb. Nach dessen Tode erkennten die Qvaden zwar alsobald die Fürstin Hermildis für eine Erbin des väterlichen Reichs / und den Hertzog Ingram für ihren König; die Pannonier aber wurden untereinander zwistig / und erwehlte ein Theil in Ansehung der Anverwandnüß[150] und seiner Tapferkeit den Ingram / das andere Theil aber / theils wegen ihrer Blutfreundschafft /theils aus Furcht für der Dacier und Scythen grosser Macht / theils weil ihnen das vom Decebal gegen den Ingram erregte Mißtrauen noch im Hertzen steckte /den Decebal / welcher inzwischen ein Sarmatisches Fräulein Lasabile geheyrathet hatte. Hiermit geriethen diese zwey Fürsten gegeneinander in Krieg / das Glücke aber stand auf Hertzog Ingrams Seiten; denn er bemächtigte sich der Haupt-Stadt / und ließ sich krönen / verfolgte hierauf mit seinen siegreichen Waffen den Decebal / und schlug ihn beym Flusse Pathißus aufs Haupt / also daß er zum Salomin zu flüchten genöthigt ward. Dieser führte ein Heer von 300000. Scythen wider den König Ingram auf / drang damit biß ins Hertze Pannoniens / und belägerte die Stadt Vindobon. Es beschützte aber selbte mit unglaublicher Gegenwehr Friedebald der Alemannier und Vangionen Hertzog so lange / biß König Ingram ein ansehnlich Heer zusammen zog. Welchem aber Salomin nicht Fuß halten wolte / sondern nach Verlust unzehlbarer Stürme und mehr als 60000. Mann ab- und in Scythien zurück ziehen muste. Insonderheit machte die Belägerten behertzt eine stählerne in einem alten Tempel aufgehenckte Krone / die der alte König Frison dahin gebracht / und mit seiner Indianischen Gemahlin Palibothra zum Braut-Schatze bekommen haben soll / als ihn Sandrocot aus dem Emodischen Gebürge vertrieben / und er anfangs in Egypten / hernach in Thracien / endlich in Deutschland sich niedergelassen. Denn sie glaubten / daß / so lange diese in ihren Ring-Mauren wäre / die Stadt nicht zu erobern sey. So gibt diese Stadt / fing Zeno an / Rom nichts nach / welches auf sein Bild der Pallas / das Eneas aus dem Trojanischen Brande / Metellus aus dem in voller Glut stehenden Tempel der Vesta errettet / oder auf den kurtzen Schild / der unter dem Numa vom Himmel gefallen seyn soll / so viel bauet. Es sind dergleichen Schutz-Bilder hin und wieder gar gemein / fiel Rhemetalces ein / und habe ich in der Africanischen Stadt Bockan Hemer auf einem sehr hohen Thurme vier güldene Kugeln angetroffen /die 700. Pfund wiegen / welche eines Mohrischen Königs Tochter aus ihren Geschmeiden unter einem besondern Zeichen des Gestirnes hat giessen / und statt ihres versprochenen Braut-Schatzes auf die 4. Thurm-Ecken setzen lassen / ja gewisse Geister zauberisch beschworen / daß sie verpflichtet wären / solche Aepfel und zugleich solches Reich ewig zu bewahren. Allein der Ausgang lehret nicht allein / daß hierunter viel Aberglauben und Eitelkeit stecke; wie denn diß Reich ietzt mit seinen Aepfeln unter frembdem Joche schmachtet / und Troja ist unbeschadet ihres Pallas-Bildes von den Griechen / Rom unbeschadet seines Ancils von Deutschen erobert worden; sondern der Ursprung und die Wahrheit dieser Schutz-Bilder ist auch meist zweifel- oder gar lügenhafft. Einige Römer wollen selbst nicht glauben / daß das Römische Palladium das rechte sey / weil Heraclea / Lavinium und Luceria das unverfälschte zu haben sich rühmen / und unter den zwölf Ancilen weiß niemand / welches das rechte sey. Viel mienẽ auch / daß Eneas das Palladium vom Diomedes nicht kriegt / weniger in Italien gebracht / sondern Fimbria es im Mithridatischen Krieg bekommen habe. Ich glaube selbst / versetzte Malovend / daß Friedebalds Tapferkeit das beste Schutzbild der Stadt Vindobon / und der Unglücks-Stein der Scythen gewesen sey. Durch derselben Verlust und Flucht ward Decebal gezwungen den König Ingram umb Frieden anzuflehen / und sich des Pannonischen Reiches zu entäusern; gleichwol aber blieb dem Decebal das vorhin zu Pannonien gehörige Dacien mit dem Königlichen Titul und beyderseitiger Bedingung: daß / wer unter ihnen den andern überlebte / das König reich Pannonien völlig[151] haben solte. Wenige Zeit hernach starb Decebal. Als nun König Ingram / vermöge ihres Bundes / das Pannonische Dacien wieder forderte / schützte die Königin Lasabile für: Decebals abgeredter Rückfall hätte den Verstand in sich gehabt / da einer unter ihnen ohne Kinder stürbe / und Salomin /dem Ingrams mehrere Vergrösserung Kummer machte / schickte des Decebals zweyjährichtem Sohne Festan eine Königliche Krone und andere kostbare Geschencke / versicherte die Königin seines Beystandes /brachte auch die Stände des Reichs theils durch Bedräuung / theils durch Verheissungen / darzu / daß sie diesem Kinde die väterliche Krone aufsetzten / sich auch überdis noch ein Theil Pannoniens / das die Jatzyger bewohnen / zu ihm schlug. Als nun König Ingram mit sieghaften Waffen die Abtrünnigen wieder eroberte / drang Salomin mit einer neuen Heeres-Macht wieder herfür / lägerte sich bey Bregetio /worinnen sich die Königin Lasabile und ihr Sohn aufhielt. Daselbst bekleidete er seine Arglist mit betrüglichen Liebkosungen gegen der Königin und die Landes-Herren / als dem schädlichsten Gifte rechtschaffener Freundschafft. Endlich ersuchte er die Königin ihm den König ins Läger zu schicken / wormit er ihm selbst die mitgebrachten Geschencke einliefern / und seiner Person Beschaffenheit in Augenschein nehmen könte. Lasabile erschrack über diesem Anmuthen überaus heftig / und ward nunmehr allzu langsam ihres Irrthums gewahr / und daß nichts gefährlichers sey / als einen mächtigern Nachbar zu Hülffe ruffen /derer Schutz-Flügelmeistentheils von Adlers-Federn sind / welche dieselben / so sie für Gewalt beschirmen sollen / selbst zerreiben; wie die benachbarten Griechen am Könige Philip empfunden / der den schwächsten halff / wormit er anfangs die Besiegten / hernach die Sieger ihm unterthänig machte. Gleichwohl dorfte sie ihr Mißtrauen gegen dem Salomin / als welcher mit seinem mächtigern Heere / als dem ihre äuserste Kräfften nicht gewachsen waren / im Hertzen ihres Reiches stund / nicht mercken lassen / sondern muste ihren Sohn mit lachendem Munde in den Rachen eines Wüterichs liefern / dessen Herrschsucht bereits hundertmal die Ketten der Bindnüsse / ja die Gesetze der Natur durch Hinrichtung seiner eigenen Söhne zerrissen hatte. So bald diß Kind in seiner Gewalt war / ließ er die Stadt Bregentio bespringen / zwang durch angedräuete Abschlachtung ihres Sohnes / und mit dem Vorwand / daß ihr Land für Zeiten zu dem von ihm durchs Recht oder Waffen eroberten Getischen Reiche gehöret hätte / die Königin / daß sie ihm das Schloß und andere Pannonische und Dacische Festungen einräumen / und für eine Gnade erkennen muste /daß sie mit ihrem Kinde in Sarmatien ziehen dorfte. Also erfuhr diese einfältige Königin allzu geschwinde / daß / da sie meynte unter dem Schatten mächtiger Schirm-Flügel zu stehen / und mit Lilien bedeckt zu seyn / sie in den Klauen eines Raub-Vogels war / und auf den biß ins Hertz stechenden Dornen lag; lernete aber allzu langsam / daß auch bey fast verzweifeltem Zustande man frembder Hülffe sich nicht bedienen solle von einem ungewissenhafften oder im Gottes-Dienste unterschiedenen Fürsten / oder der auf das Schutzdürftige Land einen Anspruch hat / oder es ihm vortheilhafftig gelegen ist; sonderlich da die Hülffe die eigene Macht überwieget / und die Hülffs-Völcker unter ihren eigenen Heer-Führern bleiben / in Festungen verlegt / und nicht bald wider den Feind geführet werden. Ob nun wol dieser Salomin viermal in Person mit dem unzehlbaren Schwarme der Scythen / Geten und Bastarnen Pannonien überschwemmete /Deutschland auch wegen eigener Trennung der Druyden / Barden und Eubagen dem Könige und endlich obersten Feldherrn Ingram wenige Hülffe leistete / so thät er doch diesem grausamen Feinde mit seinen Qvaden / insonderheit der Gothinischen / Osischen und Burischen Ritterschafft[152] so mannliche Gegenwehr / daß er nach überwältigtem Dacien über dem Flusse Pathissus und Arrabon sich nicht feste setzen konte. Und seine Verdienste waren so groß geschätzt / daß für seinem Absterben noch sein Sohn Clodomir zu der Deutschen obersten Feldherrn erwehlet ward.

Dieser Clodomir / der achte in den Gemählden /ward erzogen in dem Hofe und Läger des grossen Marcomirs. Denn sein Vater wuste wol / daß einem jungen Fürsten der Staub auf der Renne-Bahn und auf dem Kampf-Platze zuträglicher / als der Ambra-Geruch in dem wollüstigen und für iedem Schatten schichternden Frauenzimmer sey; ja daß die Jugend nichts minder als ein Gefässe den Geschmack dessen /was zum ersten darein gegossen wird / behalte. Dieser Marcomir leitete ihn mit seinem Beyspiele als der kräftigsten Richtschnure nicht anders zu allen Fürstlichen Tugenden an / als die Adler ihren Jungen an die Straalen der Sonnen zu schauen mit ihrem Vorfluge Unterricht geben. Sintemal in dem eingebisamten Gemache eines Sardanapals auch ein tapferes Gemüthe so wenig herrschen / als ein Adler von der Nacht-Eule die Augen an der Sonne schärffen / oder die Gipfel der Cedern überflügen lernt. Dieser muthige Held ließ seine Tapferkeit in den Kriegen wider den unruhigen König Usesuval uñ den Hertzog der Hermundurer blicken. Seine Beredsamkeit machte / daß Marcomir auf den Reichstagen sich seines Mundes und Vorträge bediente; seine Klugheit / daß er in seiner Abwesenheit ihm die Herrschafft gantz Britanniens anvertrauete. Daselbst bezwang ihn die unvergleichliche Schönheit der Fürstin Riama / daß er in heftiger Liebe gegen sie entzündet / und dardurch seinen Stand täglich mit neuen Helden-Thaten herrlicher zu machen verursacht ward / umb dardurch Marcomirs Einwilligung und der Fürstin Gewogenheit zu gewinnen. Diesem seinem Absehen aber wurden zwey heftige Hindernüsse in Weg geweltzet. Denn das Hertze dieser Fürstin hatte allbereit von frembdem Zunder / nemlich den Tugenden Friedebalds / des Hertzogs der Vangionen / der die Stadt Vindobon wider den Salomin so herrlich vertheidigt hatte / heimliches Feuer gefangen / und Marcomir bereuete / daß er die Ober-Feldherrschafft Deutschlandes in seines Brudern Ingrams Hände hatte kommen lassen / und selbte nicht vielmehr seinem Sohne Hippon zugeschantzt. Deßwegen verstellte er seine sonst zum Clodomir und seiner Vergnügung tragende Zuneigung / meynte auch durch seine Flammen einen grössern Schatz zu schmeltzen /nemlich: daß Ingram und Clodomir gegen den güldnen Apfel der Riama den deutschen Reichs-Stab verwechseln würden. Beyde diese Klippen aber waren Klodomirn verborgen / und darum desto gefährlicher. Sein hoher Stand / seine Anverwandnüß / welche doch bey dem Cheruskischen Hause im Heyrathen möglichst beobachtet ward / seine fürtrefflichen Leibes- und Gemüths-Gaben / die beweglichsten Ausdrückungen seiner brennenden Seelen waren zu ohnmächtig der Riama Hertze zu erweichen / ja es schien / daß / ie heisser er entzündet war / sie so vielmehr kaltsinnig und unerbittlich würde. Diese Fürstin war in der Aufsicht Olorenens Marcomirs Schwester / des Qvadischen König Gudwils Wittiben. Deshalben bemühte sich Klodomir dieser klugen Königin Gunst zu gewinnen / und meynte / wenn er nur diesen Stein ins Bret bekäme / das Spiel halb gewonnen zu haben. Denn er bildete ihm diesen süssen Traum ein / die Abneigung Marcomirs / als von dem er sonst in allem übrigen so hoch geschätzt ward / sey ein blosser Schatten / welcher von der Kaltsinnigkeit der Fürstin auf ihn fiele. Die Qvadische Königin war von Klodomirn ihm bey der Riama sein Wort zu reden leicht zu gewinnen / weil sie selbst auf den Vangionischen Hertzog ein Auge geworffen / ihre Eifersucht[153] aber / welche mehr als hundert Luchs-Augen hat / der Riama biß ins Hertze sah / und aus ihren Blicken /aus ihren öftern Färbungen des Antlitzes in Abwesenheit des Vangionischen Hertzogs / und etlichen andern Umbständen urtheilte / daß Riama ihre verliebte Neben-Buhlerin sey. Wie behutsam nun Olorene ihre Empfindligkeiten versteckte / so hatte doch auch ihre Liebe verbundene Augen / welche sich aus den strauchelnden Fehl-Tritten unschwer abmercken ließ / und daher ward Riama eben so geschwinde gewahr / daß Olorene in den Friedebald verliebt wäre. Also waren sie zwey gegeneinander die allergenauesten Aufseher /das Fräulein Riama aber darinnen unglücklich / daß Olorene ihr zuvor kommen war / und nicht allein ihm ihre Gewogenheit durch nachdrückliche Merckmale entdeckt / sondern auch sein Hertze völlig gewoñen hätte. Wie nun aber / daß es allbereit mit dem Friedebald und Olorenen so weit kommen wäre / Riama nicht wuste; also war sie bekümmert / wie sie Friedebalden die Wunde ihrer Seele ohne ihre Verkleinerung und Olorenens Wahrnehmung entdecken möchte. Denn sie wuste wol / daß sie hier zum ersten würde müssen die Larve vom Gesichte ziehen / weil Friedebald sonst gegen einer so grossen Fürstin seine heftigste Liebe mercken zu lassen sich nimmermehr unterwinden würde. Ja ihre Gedancken liebkoseten selbst ihrem Gemüths-Triebe / und legten die gegen ihr täglich bezeugte Ehrerbietungen nebst denen öftern Veränderungen des Fürsten Friedebalds / welche aber von Olorenens Regung herkamen / für Verräther seiner vermummeten Liebe aus. Und endlich bildete sie ihr ein / es wäre kein Fürst in der Welt / der gegen sie nicht solte entzündet werden / gegen welchen des grossen Marcomirs schöne Tochter einen Stral ihrer Gewogenheit würde schiessen lassen. Diesemnach entschloß sie sich / ihre bißherige zweydeutigen Gunstbezeugungen dem Friedebald durch ein deutlicher Merckmal klärer auszulegen. Hierzu ereignete sich Gelegenheit in dem Königlichen Lust-Garten / allwo Riama / Olorene / Klodomir und Friedebald einst ihre Zeit mit allerhand Ergetzligkeiten vertrieben. Als sichs nun traff / daß Olorene und Klodomir miteinander im Schach spielten / bediente sich die Princessin Riama solchen Vortheils / und veranlaste den Hertzog Friedebald mit ihr die Länge aus durch den auf beyden Seiten mit Palm-Bäumen besetzten Spatzier-Saal zu gehen / und / welches unter denen Gemählden ihm am besten gefiele / zu urtheilen. Als nun / nach derselben Betrachtung / Friedebald gepreßt ward seine Meynung zu sagen / lobte er für allen andern das Bild / da Nannus der Segobrigier König am Rhodan seiner Tochter Gyptes Hochzeit machte / und nach dem ihr vermöge der Landes-Art aus den eingeladenen Gästen einen Bräutigam zu erkiesen verstattet war / sie dem Protis / der nebst dem Simos aus Griechenland daselbsthin angelendet / zum Zeichen seiner Erwehlung Wasser reichte. Welcher denn hierauf aus einem Gaste des Königs Eydam ward / und die berühmte Stadt Massilien mit seinen Phocensern erbauete. Der Riama schoß bey dieser Erzehlung die Scham-Röthe mit vollem Strome ins Antlitz / ihr festiglich einbildend / daß Friedebald nicht allein das Geheimnüß ihrer zu ihm tragender Liebe ergründet habe / sondern er auch als ein Gast von ihr nichts anders / als was Gyptes dem Protis gewehret / aus Gegen-Liebe ersäufze. Nach weniger Erholung war ihre Antwort: Sie könne fein Urthel nicht schelten / und es wäre eine ungemeine Glückseligkeit / wo Liebe und Wahl auf der Wag-Schale zweyer Augen lägen. Wie aber die verdeckte Liebe eröffnet / die offenbare verdeckt zu seyn wüntschet; also wolte auch Riama sich nicht gantz und gar bloß geben / fing daher an: Ihrem Gutbedüncken schätzte sie noch höher / die darneben[154] gemahlte Geschichte / von der Qvadischen Königin Bulissa / welche ihren Reichs-Ständen / die sie entweder zu heyrathen oder Kron und Scepter niederzulegen nöthigen wolten / nach darüber gehaltener Berathschlagung antwortete: Sie wolte den ehlichen / zu welchem sie das Göttliche Verhängnüß versehen hätte. Diesen würde ihnen ihr wolaufgeputztes und ohne Zügel gelassenes schimmlichtes Pferd zeigen. Ihr Merckmal solte seyn / daß er auf einem eisernen Tische Mahlzeit hielte. Friedebald war lüstern den Ausschlag dieses Ebentheuers zu vernehmen; worauf ihm Riama meldete: Das Pferd wäre über Berg und Thal zehn Meilweges gelauffen / und zehn der fürnehmsten Landes-Herren selbtem mit den Königlichen Zierrathen nachgefolgt. Endlich wäre es wiehernde bey einem Ackersmanne Nahmens Sarpimil stehen blieben / der auf seiner umbgedreheten Pflugschar Brodt und Käse gespeiset. Die Abgeordneten hätten hieraus den Schluß des Himmels erlernet und den Sarpimil für ihren König verehret; Sarpimil aber diese Würde unbefrembdet angenommen / und seine Reute in die Erde gesteckt / worauf sie alsofort als eine Haselstaude aufgewachsen. Durch welche wunderliche Begebungen denn der Königin Bulissa Wahl so vielmehr Ansehens bekommen hätte. Mit welcher Erzehlung die Fürstin Riama zu verstehen geben wolte / daß die Heyrathen im Himmel geschlossen würden; gleichwohl aber auch durch dis Beyspiel die in ihren Kram dienende Meynung bestätigte / daß eine Fürstin keinen andern / als welchen sie selbst erwehlte / lieben solte. Und diese Erklärung begleitete sie mit einer so durchdringenden Annehmligkeit / daß selbte auch der Unempfindlichste / zu geschweigen der so tiefsinnige Hertzog Friedebald für eine Ausdrückung ihrer hertzlichen Zuneigung hätte annehmen müssen. Ich lasse euch nachdencken / fuhr Malovend erzehlende fort / ob Friedebald über dieser unvermutheten Liebes-Eröffnung nicht in äuserste Verwirrung gerathen solte. Die Glückseligkeit / daß er auf einmal von zweyen unvergleichlichen Fürstinnen geliebet ward / überschwemmte sein Gemüthe derogestalt /daß weder der Verstand hierüber einen Schluß zu fassen / noch die Zunge etwas auszusprechen mächtig war. Und die beschämte Riama wuste mit nichts / als einem tieffen Seufzer / ihr Hertze zu erleichtern. Gleichwol musten sie diese Regungen / so gut sie konten / verstellen / denn Klodomir und Olorene stunden gleich von ihrem geendigten Spiele auf / und kamen auf sie gerade zugegangen. Sie nahmen alsofort Friedebalds und der Riama Veränderungen wahr; beyden aber halff ihre Verwirrung ein Edel-Knabe verdecken / welcher von Marcomirn der Riama und Olorenen eingelauffene Schreiben brachte. Klodomir und Friedebald liessen deßhalben diese zwey Fürstinnen alleine / und verfügten sich miteinander an die den Garten durchschneidende / und zu Beschirmung für der Sonne mit eitel Cypreß-Bäumen besetzte Bach. Olorene erbrach das an sie lautende / und laß folgende Worte: Liebste Schwester. Unser Vertrauen /das sie stets zu Berathschlagung unserer grösten Reichs-Geheimnüsse gezogen / bewegt uns auch dißmal ihre vernünftige Einrichtung zu erbieten / daß sie Hertzog Klodomirn gegen Vermählung unser von ihm begehrten Tochter zu gutwilliger Abtretung der deutschen Feldhauptmannschafft an unsern Sohn Hippon bewege; als welche wir ihm nicht allein gutwillig entzogen und Klodomirs Vatern zueignen lassen / sondern auch unser Recht der Erst-Geburt ausser Augen gesetzt / als wir das von unserm Vater uns zugefallene Noricum ihm überlassen. Das Schreiben an die Princeßin Riama aber war folgenden Lauts: Liebste Tochter / Hertzog[155] Klodomirs gegen euch heraus gelassene Liebe rühret nicht allein vom göttlichen Verhängnüsse her / sondern dienet auch zum Heil unserer Länder / und zu Erhaltung unsers Hauses. Dahero zweifeln wir nicht / daß ihr so wohl an so viel Gutem / als seinen Tugenden und hohen Ankunfft eure Vergnügung finden werdet. Jedoch wird die Königin Olorene / an die wir euch deßhalben verwiesen / hierinnen euch eine treue Wegweiserin abgeben. Lebet also wol. Wie nun Olorene über ihrem Schreiben erfreuet war / nach dem sie ihre Neben-Buhlerin von ihrem Ziel abzuziehen Macht und Gelegenheit bekam; also gab Riamen iedes Wort einen Stich ins Hertze / und sie wuste ihr Elend nicht zu übersehen. Weil nun ieder Augenblick Verliebten in Tage sich verlängert / feyerte Olorene nicht / sondern fügte sich zu Klodomirn / von welchem Friedebald sich alsofort absonderte / weil allem Ansehen nach Olorene mit ihm alleine reden wolte. Diese fing alsofort an heraus zu streichen / daß sie für seine Vergnügung zeither mehr / als er selbst bekümmert gewest wäre. Dahero wäre sie nicht in den engen Schrancken geblieben ihm bey Riamen gut in Worten zu seyn / sondern / nach dem sie Riamens so grosse Kaltsinnigkeit verspüret / habe sie das Feuer in der Asche gesucht / und nunmehr einen Schlüssel gefunden Riamens Hertze und die Pforte seiner Glückseligkeit aufzuschlüssen. Klodomir ward über so frölicher Botschafft fast für Freuden entzückt; und nach dem er gegen der Königin seine Verbindligkeit aufs beweglichste ausgedrückt / war er begierig die Auslegung dieses angenehmen Rätzels zu vernehmen. Olorene fing hierauf an: Sie habe die ausdrückliche Einwilligung Marcomirs zu seiner Vermählung in ihren Händen / welcher sich Riame als eine vernünfftige Tochter ohne eufersten Ungehorsam nicht würde widersetzen können. Klodomir kam hierüber vollends auser sich / umarmte bückende Olorenens Knie / und rieff: Gütiger Himmel! soll ich am ersten für deine Güte /daß du mich mit so ungemeinem Glücke überschwemmest; oder dieser meiner Schutz-Göttin für ihre kluge Vorsorge danckbar seyn! Olorene bestillte ihn / und versetzte: Es wäre dieses Werck noch nicht ausgemacht / und hätte das Gewebe unsers Glücks keinen so gleichen Faden / daß nicht noch hin und wieder ein Knoten daran zu finden wäre. Jedoch stünde es vielleicht in seiner Gewalt / dem / was ihm noch am Wege stünde / selbst abzuhelffen. Klodomir fuhr alsofort heraus: da seine Gewalt sich dahin erstreckte /wäre nichts unter der Sonne / das ihn an der Vollziehung hindern solte. Olorene fiel ihm ein: Er solle sich nicht übereilen. Es habe in der Welt mehr als einen güldenen Apfel / und die Liebe erlange nicht allezeit unter den menschlichen Gemüths-Regungen den Obsieg. Was solte diß wol für ein Kleinod seyn / antwortete Klodomir / das ich oder iemand der unschätzbaren Riame fürziehen solte? Olorene versetzte: Wann die Liebe den Richterstul besitzt / Nichts; wenn aber Ehrsucht urtheilen soll / Herrschafft und Würden. Klodomir stockte hierauf / fing aber nach einem wenigen Nachdencken an: Ich traue ja wol dem grossen Marcomir zu / daß ich ihm für seine Tochter die väterliche Kron und Zepter nicht abtreten solle / welche er unmöglich ungekrönet wünschen kan / weil die Natur ihr einen Königs-Krantz aufs Haupt zu setzen die Welt verbinden würde / wenn das Glücke der Geburt ihr selbten gleich nicht zueignete. Solte mir aber Kron und Zepter am Wege stehen oder unfähig machen / könte ich mich noch wol überwinden / daß ich mich ihrer enteuserte. Nein / nein / mein lieber Klodomir / fing Olerene an: Es ist Marcomirn so wenig anständig einen ungekrönten Eydam zu haben / als ich dem Fürsten Klodomir eine so blödsinnige Liebe zutraue / daß er in etwas mehr / als in dem unschätzbarn[156] Purper / seine Vergnügung finden solte. Kron und Zepter lassen sich leichter schelten / als wegwerffen. Und es eckelt einem für diesen nicht so bald / als man eines schönen Antlitzes überdrüßig wird. Die übereilende Hitze der aufwallenden Begierde unterdrücket zwar zuweilen die Begierde zu herrschen; aber diese den Fürsten mehr natürliche Wärmde kommt mit der sich von solchen Dünsten auswickelnden Vernunfft bald wieder empor. Dahero wird Klodomir wol das Qvadische und Pannonische Reich mit der schönen Riama besitzen können. Diß aber / was Marcomir für seinen Sohn Hippon verlangt / rührt nicht allein ohne diß von seiner Freygebigkeit her / sondern ist an sich selbst eine Nuß / die güldene Schalen und ein grosses Gewichte / aber keinen Kern / und doch viel Uberlast hat. Es ist leicht zu errathen / daß ich die Feld-Hauptmannschafft Deutschlands meine; die Bürde nach der sich Fürsten nicht sehnen dörffen / welche einer unverschrenckten Gewalt gewohnt sind / und die ihre Freyheit nicht selbst denen Beherrschten dienstbar machen / ja ihre eigene Länder zu Unterhaltung der nöthigen Pracht / und zu Beschirmung dieses so vielköpfichten Leibes erschöpffen wollen. Ich begreiffe selbst nicht / was Marcomir für Ansehn habe / daß er diese eitele Ehre auf die Schultern seines Sohnes zu heben trachtet / die der Deutschen Fürsten Eigensinnigkeit ihm mehrmahls so sauer und verdrüßlich gemacht. Hingegen überkommst du mit der unschätzbaren Riama einen Königlichen Braut-Schatz / die Anwarthschafft zu so vielen Königreichen. Denn diese stehen auf den zweyen Augen seines einigen Sohnes Hippon / und also auf dem Falle. Die Fürsten sind nichts weniger sterblich als Unterthanen / ja es sterben mehr königliche / als gemeine Geschlechter ab. Dieses ist mein unvorgreiflicher Fürtrag / Klodomir; Klugheit wird vernünftig unterscheiden / welche Wageschale den Ausschlag zu haben verdiene. Dieser liebkosende Vortrag Olorenens fiel kaum so geschwinde in die Ohren Klodomirs / als sein Gemüthe ihren Bewegungs-Gründen Beyfall gab. Dahero schrieb er noch selbigen Tag an seinen Vater den König Ingram / und / weil die Buchstaben nicht so /wie ein redender Mund / schamroth wird / schüttete er für ihm sein gantzes Hertze und Absehn aus. Inzwischen lag Olorene der Princeßin Riama an / daß sie gegen den / welchen so wohl das Verhängnüß als ihr Vater schon zum Gemahl bestimmet hatte / anständigere Bezeugung machen solte. Ihre Landsart und die Schamhaftigkeit ihres Geschlechts nöthigte sie einen Bräutigam anzunehmen / nicht zu kiesen. Ihre Jugend bescheide sie der Eltern Urtheil / ihre Pflicht des Vatern Wahl sich zu unterwerffen / und die Erhaltung ihrer Hoheit ihrer unzeitigen Zuneigung fürzuziehen. Die Liebe der Jugend wäre insgemein blind / daher hätte sie einer fremden Leitung von nöthen / sie wäre ein Kind / also müste sie aus Mangel der Klugheit den Gehorsam zur Hoffemeisterin haben. Denn keine Fehltritte wären schädlicher als im Heyrathen / und wer hier irrete / käme nimmermehr wieder zu rechte. Riamen war dieser scharffe Einhalt ein täglich-nagender Wurm im Hertzen / und sie hätte für Unwillen mehrmals zerspringen mögen / daß ihre Neben-Buhlerin numehr auch ihre Aufseherin worden war. Gleichwohl zwang sie der väterliche Befehl diese Gewalt mit Gedult zu ertragen / und ihre Empfindligkeit nicht mercken zu lassen; wiewohl ihr Gemüthe auf Rache und Mittel / Olorenens Liebe auch einen Stein in Weg zu werffen / bedacht war. Massen sie denn eine ihrer Cammer-Jungfrauen gewann / die ihr von Olorenen alle nur erforschliche Heimligkeiten entdeckte. Hierüber kam Marcomir selbst in Britannien / und an den Königlichen Hoff Astinabes der glückseligen Inseln König / um Olorenen zu werben. Was hier für seltzame Verwickelungen in den Gemüthern sich zusammen[157] flochten / ist unschwer zu ermässen. Klodomir liebte Riamen / sie aber den Friedebald / der bereits durch Olorenens Liebe bemeistert war / und sonder Gefahr zwischen zweyen Stülen niederzusitzen / ihm keine Veränderung dorfte traumen lassen. Olorene liebte den Friedebald / und er zwar sie / aber ihre Flamme war ohne einige Hoffnung / die sich doch sonst mit der Liebe in die Wiege und in den Sarch leget. Sintemahl die Liebe ihr auch bey unmöglichen Dingen stets selbst heuchelt / und ihre Besitzer offtmahls den blossen schlagen läst. Astinabes war in Olorenen verliebt / sie aber seuftzete nach einer andern Seele. Und endlich verwirrete das Spiel noch mehr Ingrams Antwort auf Klodomirs Schreiben dieses Inhalts: Der Pöfel heyrathete nach Wollust / Fürsten aber zu ihrer Vergrösserung. Denn das Reich sey ihre rechte Gemahlin / die Gemahlin ihr ehrliches Kebs-Weib / dessen man sich auch so gar entschlagen müste / wenn es entweder ihre Unfruchtbarkeit und der Mangel der Stamm-Erben erforderte / oder der Fürst durch eine neue Heyrath dem Reiche ein stücke Land zuschantzen könte. Es hätte das Qvadische und Pannonische Reich der Urheber ihres Stammes / welcher nunmehr die andere Welt überschattete / gantz Noricum / sein Vater gantz Britannien und die Friesischen Landschafften / welche würdig wären Europens Indien genennet zu werden / nicht durchs Schwerdt /sondern durch Heyrathen erworben. Durch diesen untadelhafften Hamen traue ihm Hippon Marcomirs Sohn Hibernien zu fischen. Zu allem diesem Aufnehmen hätte dem Hermion und seinen Nachkommen die deutsche Feld-Hauptmannschafft geholffen / welche Würde so groß wäre / daß alle Europäischen Könige selbter unstriettig die Oberhand einräumten / und diese wäre darum so viel herrlicher / weil sie keine knechtische Herrschafft über Sclaven führte / sondern so mächtigen Fürsten vorstünde / welche Königen den Vorzug nicht enträumten. Weil die letztern Gedancken insgemein die besten wären / könte er unschwer urtheilen / daß Marcomir nunmehr seinen selbsteigenen Fehler erkennte / und mit ihrem Schaden die Scharte auswetzen wolte / wenn er diese vorhin aus den Händen gelassene Feld-Hauptmannschafft wieder an seinen Sohn ziehen wolte. Dahero beschwüre er ihn bey seiner kindlichen Liebe / er solte diß / was das Verhängniß und Glücke ihnen einmahl zugeworffen / ja dessen Abtretung ohne diß nicht in ihrer Gewalt / sondern in der unumschrenckten Wahlfreyheit der deutschen Fürsten bestünde / zu seiner eigenen Verkleinerung / zum Fluche ihrer Nachkommen / und zum Nachtheil der ihnen so wol wollenden Deutschen nicht von sich stossen. Bey diesem Ungewitter erfuhr Marcomir / daß Salomin in Deutschland einbrechen wolte / daher schickte er den Hertzog Friedebald / entweder weil er vorhin gegen ihm so grosse Ehre eingelegt / oder iemand Olorenens Gewogenheit ihm verrathen hatte / ihm aufs neue den Kopf zu bieten. Diese Entschlüssung kam so unverhofft und geschwinde /daß er von Olorenen nicht einst verträulichen Abschied zu nehmen Gelegenheit fand. Denn weil Liebe iederzeit von Furcht begleitet wird / und ihr einbildet /daß ihre selbsteigene Stirne die Verrätherin ihrer Gedancken sey / so wagten sie sich selbst nicht eine einsame Zusammenkunfft zu pflegen. Gleichwol verfiel Friedebalds Liebe / so furchtsam sie war / in eine unbedachtsame Verwegenheit. Denn als Marcomir und der gantze Hof ihn an den Hafen und biß aufs Schiff begleitete / drückte er Olorenen bey letzter Gesegnung einen Zettel in die Hand / welchen sie / weil König Astinabes ihr so fort die Hand bot / mit nicht geringerer Unvorsichtigkeit in Busem steckte / also / daß es Marcomir gewahr ward. Astinabes begleitete[158] sie biß an ihr Zimmer / Marcomir aber wolte ihr / um diese Heimligkeit / worvon er aus Eyversucht Riamens schon Wind hatte / zu ergründen keine Luft lassen; daher führte er sie an ein Fenster gegen dem Meere /und fing an Astinabes Person und Liebe ihr nachdrücklich einzuloben. So sehr nun Olorene Zeit und Aufschub zu gewinnen trachtete / so sehr vermehrte ihre Kaltsinnigkeit Marcomirs Verdacht / also / daß er endlich unter dem Scheine / als wolte er ihr die vom Winde verwickelten Haarlocken zu rechte machen /ihr Friedebalds Brief zwischen den Brüsten herfür zog / und was sie dahin für Heimligkeit verborgen hätte /lächelnde fragte. Olorene wuste für Bestürtzung über dieser unvermutheten Begebenheit kein Wort aufzubringen; Marcomir aber bereuete alsofort seine allzugrosse Freyheit / und / wormit er seine Schwester nicht allzusehr beschämen möchte / wolte er ihr den Zettel wieder einhändigen / und seine Sorgfalt mit einem kurtzweiligen Vorwitze beschönigen. Olorene aber / welche sich entweder für verrathen hielt / oder doch endlich ihre Gewogenheit lieber durch einen solchen Zufall / als durch ihr eigenbewegliches Bekäntnüß zu entdecken verlangte / weigerte solchen anzunehmen / und meldete / sie wüste zwar nicht den Inhalt dieses ihr unvermuthet zugekommenen Papieres /doch läge in ihrem Hertzen keine Heimligkeit verborgen / welche ihre schwesterliche Liebe für einem solchen Bruder geheim zu halten Ursache hätte. Diese Vertrauligkeit nahm Marcomir mit einer schertzhafften Freyheit an / und laß daraus folgende Zeilen: Ich bejammere / ewige Beherrscherin meiner Seele / daß das Band unserer Gemüther / welches das Verhängnüß zusammen gebunden / Menschen zerreissen. Wie aber? soll die mir abgenöthigte Abwesenheit unser Bündnüß auflösen / welches die Tochter des grossen Marcomirs zu trennen nicht vermocht hat? Nein sicher! die Riegel so grosser Gebürge / die Tieffen des grossen Meeres werden zwar meinen Leib von seiner Sonne entfernen / mein Gedächtnüß aber wird mir ewig das Bild der unvergleichlichen Olorene fürhalten / und meine Seele sich ihr / wenn das Tacht meiner Hoffnung und ihrer Beständigkeit verglimmt / auf dem Holtzstosse der Verzweifelung aufopfern. Nach Ablesung dieses Schreibens / geriethen sie beyde in ein langes Stillschweigen / biß endlich Olorene ihre Tiefsinnigkeit mit folgender Rede ausdrückte: Sie könte nicht läugnen / daß sie den Hertzog Friedebald so sehr liebte / als einer Frauen Gemüthe zu thun fähig wäre. Marcomir aber habe selbst das Wasser auf das Rad ihrer Gewogenheit geleitet / da er ihr aufgetragen seine Tochter mit dem Hertzog Klodomir zu verknüpfen. Denn weil diese zu Friedebalden eine Zuneigung bezeigt / habe sie für rathsam befunden / anfangs durch angenommene Liebes-Bezeugungen beym Friedebald ihr den Vortheil abzurennen / und sich seiner zu versichern; Sie habe aber im Ausgange erfahren / daß kein Feuer sich gefährlicher anrühren lasse /als die Liebe. Ihre blosse Anstellung habe sich in kurtzer Zeit in Warheit / ihr Schertz in Ernst verwandelt. Jedoch hoffte sie / daß nicht allein dieses Hertzogs ungemeine Vollkommenheit eine Entschuldigung ihrer Schwachheit seyn / sondern ihre Bestrickung Friedebalds die Fürstin Riama von einer härteren Gefängnüß befreyet haben würde. Marcomir ward über so offenhertzigem Bekäntnüß fürnehmlich aber seiner Tochter Riama ausbrechender Vergehung überaus bekümmert / also daß er aus dem Stegereiffen nichts gewisses zu entschlüssen wuste / sondern stillschweigend / iedoch nicht ohne Kennzeichen einigen Unwillens von Olorenen Abschied nahm. Der Morgen war kaum angebrochen / als Marcomir Riamen und Olorenen in sein Gemach beruffen ließ.[159]

Diese leisteten solchem Befehl unverzügliche Folge / fanden aber zu ihrer grösten Bestürtzung Klodomirn und den Astinabes schon in dem Königlichen Zimmer / woraus sie ihnen selbst alsofort ein seltzames Abentheur wahrsagten. Bey ihrer Erscheinung eröffnete Marcomir alsofort dieses Urtheil: Gott hätte ihn mit einer Schwester und Tochter / die Reichs-Gesetze Britanniens aber mit dieser Gewalt begabt / daß er selbte nach seinem Gutbedüncken durch Verehligung nicht allein versorgen / sondern auch die Wohlfarth selbten Reichs hierdurch befördern möchte: Weil nun zwey so vortreffliche Fürsten bey ihm um sie Werbung thäten /könte er dem Verhängnüsse nicht widerstreben. Dahero erklärte er hiermit aus unverschrenckter Gewalt /daß in dreyen Tagen Riame Klodomirn / und zwar mit Enthengung aller vorigen Bedingungen / Olorene Astinaben offentlich solte vermählet werden. Klodomir und Astinabes bezeugten mit tieffster Ehrerbiettung ihre hierüber geschöpffte Vergnügung. Riame und Olorene hörten iedes Wort als einen absondern Donnerschlag an / iedoch mit einem stillschweigenden Schrecken / theils weil die Schamhafftigkeit auch denselben Schmertz auszulassen hindert / zu dem man gleich Ursache hat / theils weil sie besorgten / daß sie durch ihre Ungeberdung die / mit welchen sie in ein unaufflößliches Bündniß treten solten / nicht zu sehr erherbeten / und daß Marcomir ihre Thränen nicht für eine Hartnäckigkeit auffnehme. Wie nun der Schmertz / den man nicht mercken lassen darff / und der Eyfer /den man in sich fressen muß / sich in sich selbst vergrössert / also konten sie sich nach genommenem Abritte Klodomirs und Astinabens gleichwohl nicht enthalten / daß sie Marcomirn mit Vergiessung vieler Thränen zu Füssen fielen und baten: da man ihnen ja die Freyheit in der Angelegenheit / welche sich an sich selbst nicht zwingen liesse / verschrencken wolte / solte man doch ihre Gemüther nicht derogestalt übereilen / sondern zu deren Beruhigung einige Zeit enträumen. Marcomir aber antwortete ihnen mit ernsthaffter Geberdung: Sie solten entwerffen / was sie der Vollkommenheit zweyer so grossen Fürsten für Mängel auszustellen hätten. Sie könten beyde des Hertzog Friedebalds nicht fähig werden / der einen Zuneigung aber müste nicht zu der andern Unvergnügen ausschlagen. Gemeinen Leuten müste man das Joch ihrer Unterthänigkeit dadurch verzuckern / daß sie nach wohlgestalter Bildung / nach gleichgesitteter Art und ihrem Triebe heyrathen möchten; Königen aber würde es so gut nicht / und Fürstinnen müsten nach dieser Süßigkeit nicht lüstern werden / sondern sich diesen Kützel vergehen lassen. Die Wohlfarth des Reichs erforderte mehrmahls einer Helena einen ungestalten Zwerg / einer klugen Penelope einen albern Träumer durch dieses heilige Band anzutrauen. Der wäre der schönste Bräutigam / welcher der Staats-Klugheit gefällt / und die festeste Schwägerschafft / die das Reich befestigt. Olorene begegnete Marcomirn mit einer hertzhafften Bescheidenheit: Es wäre nicht ohne / daß Könige ihren Töchtern und Schwestern insgemein niemahls gesehene / weniger beliebte Männer auffzudringen pflegten / und sie zu Pfeilern und Riegeln ihres Staats / oder auch zu Hamen fremde Länder zu fischen / ja zuweilen wohl zu Larven ihrer verborgenen Feindschafft brauchten. Alleine sie erlangten dar durch selten ihren Zweck / stürtzten aber hierdurch ihr eigenes Blut in ein ewiges Qval-Feuer. Sintemahl das Band der Anverwandniß viel zu schwach sey / die Auffblehungen der Regiersucht zu dämpffen / und die Schwägerschafften / welche nur wenig Personen verknüpffen / den Staats-Regeln zu unterwerffen / daran so viel tausenden gelegen ist. Sie verhüllten zwar auf eine kurtze Zeit die Abneigungen / wären aber viel zu schwach / den zwischen ein und anderm[160] Fürstlichen Hause eingewurtzelten Haß auszurotten. Wie vielmahl hätten die Cheruster und Catten zusammen geheyrathet / die hierdurch zugeheilten Wunden wären aber alsofort wieder auffgebrochen / und der Ausgang hätte gewiesen / daß nur ein Haus auff des andern Länder Erb-Ansprüche / und dadurch Ursachen zu neuen Kriegen zu überkommen gesucht / also Gifft für Artzney verkaufft hätte. Rhemetalces brach hier ein und agte: Olorene hätte sicherlich wahr und vernünfftig geurtheilet / und ihre Meinung bestätigte die Vorwelt mit vielen Beyspielen. Seine Nachbarn die Melossen beklagten noch / daß Philip König in Macedonien ihrem Könige Arrybas seiner Gemahlin Olympias Schwester nur zu dem Ende verheyrathet habe /wormit er ihn einschläffte / und seines Reichs beraubete. Und wie lange ist es / daß Antonius dem Käyser Augustus mit Vermählung seiner Schwester Octavie ein Bein untergeschlagen / seine betrügliche Schwägerschafft ihm mit seinem Leben bezahlen müssen? Malovend fuhr hierauff fort in der Rede Olorenens: die Staats-Klugheit hätte zwar unterschiedene mahl das verborgene Gesetze des Verhängnisses meistern /und eine Vormünderin über die göttliche Versehung abgeben wollen / wenn Könige ihre Töchter für ihrer Verlobung angehalten aller Erb- und Reichs-Ansprüche sich endlich zu begeben. Allein der Ehrgeitz habe hernach aus einer so heiligen Betheurung einen Schertz oder Gelächter gemacht / die erkaufften Rechts-Gelehrten aber sich nicht geschämet durch offentliche Schrifften zu behaupten / daß solche Enteusserung für eine ungültige Nichtigkeit zu halten sey. Und es stünde so denn nicht in der Gewalt einer Fürstin / die Farbe und Liebe ihres Geschlechts und Vaterlands zu behalten. Denn es glückte selten einer Fürstin / wie jener tieffsinnigen Spartanerin / welche ihren zusammen kriegenden Vater und Ehmann dadurch zur Versöhnung gezwungen / daß sie sich allezeit zum schwächsten Theile geschlagen. Ich wil aus unserm eigenen Hause / fuhr Olorene fort ein einiges Beyspiel zum Beweiß / daß das Verhängniß mit den menschlichen Rathschlägen und Staatsklugen Heyrathen nur ihr Gespötte treibe / anführen. Keiner unsers Geschlechts hat mehr durch seine Eh / als Hunnus mit des Königs Dinfareds Tochter gewonnen. Ihr Vater meinte seine Britannische Reiche seinem einigen Sohne Nojanes hierdurch zu befestigen / seine Tochter aber auff den Stul der Glückseligkeit zu setzen. Das Rad aber schlug in beyden Absehen gantz um. Britannien sahe diesen Fürsten kaum anfangen zu leuchten / als er in Staub und Asche verfiel. Hiermit wuchs dem Hunnus nicht allein der Muth seiner Gemahlin ältere Schwester / die dem Könige der glückseligen Eylande vermählet war / von dem Erbtheile Britanniens abzuschippen; sondern solches auch noch dem lebenden Dinfared auszuwinden. Er zwang seine Gemahlin / daß sie nebst ihm zu Kränckung ihres Vaters sich eine Fürstin über Britannien ausruffen ließ /er schloß seinen Schwehervater von dem Frieden aus /den er mit den Galliern einging / er kam wider seinen Willen in Britannien / machte von ihm seine Räthe und Unterthanen / welche von der untergehenden Sonne meist die Augen gegen die auffgehende richten / abtrünnig; Er forderte von ihm mit Ungestüm die Abtretung Caledoniens / das ihm seine Gemahlin Betisale zugebracht hatte / er verstattete mit genauer Noth und mit schimpflichen Bedingungen seinem Schwehervater eine einstündige Zusammenkunfft; und wie sehr diesem gelüstete einmahl seine Tochter zu schauen / durffte er sich doch nicht erkühnen nur nach ihr zu fragen. Ob wohl auch dieser grosse König für der Zeit und Noth die Segel strich / und seiner Tochter Caledonien abtrat / war Hunnus doch hierdurch weder gesättigt noch besänfftigt. Seine Gemahlin /[161] die alles / was sie ihm an Augen ansahe / thät / die gleichsam von seinem Anschauen lebte / und aus seinen Neigungen ihr eitel Abgötter bildete / gerieth wegen seiner blossen Abwesenheit aus übermäßiger Liebe in eine wenige Gemüths-Schwachheit. An statt dessen nun Hunnus mit ihr Mitleiden haben solte /rieff er diese Blödigkeit für eine gäntzliche Unvernunfft aus / verschloß sie in ein Zimmer / und verdamte sie zu einer traurigen Einsamkeit; ja er ließ sie nicht allein seine Reichs-Stände in öffentlicher Versammlung für blödsinnig und zur Herrschafft untüchtig erkennen / sondern zwang auch ihren Vater / daß er diese schimpffliche Erklärung selbst unterzeichnen / und dem Hunnus das Hefft alleine in den Händen lassen muste. Diese seine Grausamkeit ward nach seinem Tode vollkommentlich offenbar. Denn als er in der Blüte seines Alters durch Gifft umkam / und seine Gemahlin sich in der Freyheit befand / erwieß sie nicht allein ihren vollkommenen Verstand / sondern auch ein Muster einer unvergleichlichen Liebe. Denn sie führte seine eingebalsamte Leiche allenthalben mit ihr herum / um selbte alle Tage in dem Sarge zu betrachten / und mit Seuffzern und Thränen seine von ihr so brünstig geliebte Asche anzufeuchten machte auch hierdurch vom Hunnus wahr / dieselbe Weissagung / daß er länger nach / als bey seinem Leben reisen würde. So verwirret ging es diesem Staatsklugen Könige / und so elende dieser vollkommenen Fürstin. Nicht besser traff es der oberste Feldherr Alemann /der durch Vermählung seiner Tochter an den mächtigen König der Gallier Lucosar sich nicht wenig zu vergrössern dachte. Denn diese Verknüpffung ward zu einem Zanck-Apfel / und Lucosar verstieß sie aus keiner andern Ursache / als daß er mit der Fürstin Nana die Amorichschen Länder erheyrathen könte. Ja sein Nachfolger Gudwil verstieß aus gleichem Absehen Lucosars Schwester / um nicht so wohl der verwittibten Nana / als ihres Heyraths-Guts fähig zu werden. Diß sind die traurigen Ausgänge der Ehen / die die Ehrsucht stifftet / und die Eigennutz / nicht auffrichtige Liebe zum Grundsteine haben. Marcomir hörte Olorenen mit höchster Gedult an / antwortete aber: Er hätte alles reifflich überlegt / und nicht ohne wichtige Ursachen diesen Schluß gefast. Oefftere Zusammen-Heyrathungen unterhielten gute Verständniß der anverwandten Häuser. Man versiegelte mit ihnen die Friedens-Schlüsse / man zertrennte dadurch gefährliche Bündniße. Da sie nicht selbst den Knoten der Eintracht machten / so befestigten sie ihn doch. Er habe durch diese Entschlüssung nicht allein auff die Vorträgligkeit seines Reichs / sondern zugleich auff ihre Vergnügung gezielet. Sie meinten zwar beyde solche mehr in dem Besitz des Fürsten Friedebalds zu finden. Wie aber diß an sich selbst unmöglich wäre /also solten sie erwegen / daß Klodomir und Astinabes an Tugenden dem Friedebald gleich / an Macht und Ankunfft aber ihm weit überlegen wären. Nun hätte das Cherustische Haus ja allezeit von solcher Art Pflantzen gehabt / welche für niedriger Vermählung Abscheu getragen / und ihr Antlitz keinem andern Gestirne / als Sonnen nachgekehret hätten. Die Palm-Bäume würdigten keine unedlere Staude ihrer Nachbarschafft und Verknüpffung / und die Magnet-Nadel liesse sich keine andere himmlische Stralen von dem so herrlichen Nord- und Angelsterne abwendig machen. Wie möchten sie sich denn durch Erwehlung eines ungekrönten Hauptes so tieff erniedrigen / die aus einem Geschlechte entsprossen / das so wenig gewohnt wäre Kinder / als der Granat-Apffelbaum Früchte ohne Purpur und Kronen zu haben? Alles dieses solten sie behertzigen / und nachdencken: ob sie dem / der Zeither für sie mehr als ein schlechter Vater und Bruder gesorgt / etwas übels zutrauen könten /und ob[162] sein für beyden Fürsten eröffneter Schluß sich ohne seine höchste Ehren-Verletzung / für welcher ehe alles müste zu drümmern gehen / verändern liesse. Mit diesen Worten entbrach er sich ihrer / und ließ Riamen und Olorenen in höchster Gemüths-Bestürtzung. Beyde mischten allhier ihre Thränen zusammen / welche kurtz vorher einander mit so scheelen Augen angesehen hatten. Also hat die Gemeinschafft des Jammers diese seltzame Krafft / daß selbte zertrennte Gemüther vereinbart. Und diese Eintracht erhärtete / daß die Hände des Unglücks stärcker / als die Klauen der Eifersucht sind. Klodomir und Astinabes waren hingegen bemüht durch Ausübung allerhand ergetzender Ritterspiele und Kurtzweilen so wohl sich sehen zu lassen / als ihnen die Zeit zu verkürtzen / wormit sie hierüber ihnen ihren Kummer und Gedancken aus dem Gemüthe schlagen möchten /und durch hunderterley Arten annehmlicher Bedienungen suchten sie ihr Hertze zu gewinnen. Wiewohl nun Riame und Olorene die grossen Tugenden dieser zweyen ausbündigen Herren nicht allein erkennen /sondern auch darüber sich öffters verwundern musten / so sprachen sie doch in Gedancken allemahl Friedebalden den Preiß zu / entweder weil ihr Hertze von ihm schon vorher besessen war / oder weil die Liebe an sich einen Zug zu einer gewissen Hartnäckigkeit hat / daß sie auch etwas köstlichers verschmähet /welches man ihr einnöthigen will. Welches so vielweniger zu verwundern / weil die hefftige Liebe einen Menschen völlig entzücket / und ausser dem / was sie liebet / gegen alle andere Reitzungen unempfindlich macht / auch ein liebender selbst diß / was er vorhin gewest / zu seyn auffhöret / und durch eine gleichsam zauberische Vereinbarung zu seiner Buhlschafft wird. Nach zweyen Tagen führte Marcomir sie insgesamt auff ein von dem Hofe sechs Meil Weges entlegenes Lust-Haus. Nach unterschiedenen Ergetzligkeiten verfügten sie sich mit einander aus Gestade des Meeres /und sahen denen Fischern / wie sie daselbst die Fische berückten / zu. Kurtz hierauff wurden sie inne / daß die Wellen etliche Breter und Stücke von zerbrochenen Schiffen an die Klippen trieben. Die Fischer waren darum sorgfältig / in Hoffnung grössern Gewinn aus fremdem Unglücke / als durch ihren Fischzug zu erlangen. Massen sie denn auch kurtz hierauff etliche Menschen / so dem Ansehen nach Boots-Leute waren / aus dem Wasser fischten und auff ihre Kähne legten. Unter andern brachte die Fluth eine mit köstlichen Kleidern angethane Leiche getrieben / welchen die Fischer alsofort auff Königlichen Befehl ans Ufer tragen musten. Das Wasser aber hatte sein Antlitz /und der anklebende Schlamm und Schilff seine Kleider gantz unkentbar gemacht. Nachdem sie ihn nun absauberten / und Olorene einen an dem Finger sich befindenden Ring wahrnahm; hob sie unvermuthet einen hellen Gall an zuschreyen. Hierauff verblaßte sie nicht anders / als die für ihr liegende Leiche / und sanck hiermit in eine tieffe Ohnmacht. Die bestürtzten Umstehenden wusten nicht / ob sie vor die wahre Beschaffenheit dieser Leiche erkundigen / oder der Ohnmächtigen beyspringen solten. Als diese sich nur ein wenig erholete / und man sie um die Ursache ihrer Bestürtzung befragte / seuffzete sie und sprach mit gebrochener Zunge: Ach! Friedebald! Worüber die Fürstin Riama alsofort als ein Stein erstarrete / alle Empfindligkeit und Bewegung verlohr / ausser: daß aus ihren Augen häuffige Thränen schossen / und sie also einem Marmel-Bilde in den Wasser-Künsten wahrhafftig ähnlich ward. Die übrigen Anwesenden aber befunden leider! nur nach eigendlicher Beschauung des todten Leichnams / daß es dieser fürtreffliche Held war. Sie kehrten diesem nach mit der Leiche höchst bestürtzt auff das Königliche[163] Hauß / allwo man die gantze Nacht so wol an Riamen / als Olorenen genung zu reiben und kühlen hatte / derer Bestürtzung sich in eine völlige Kranckheit verwandelte. Diese aber und die so hefftige Empfindligkeit Riamens / welche Klodomirn fast aller Hoffnung seinen Zweck zu erlangen beraubte / verursachte / daß er sich des Hoffes / und zugleich seine hierüber sich etwan ereignende Gemüths-Schwachheit zu verbergen / entschlug / und in denen tiefsten Wildnüssen des Jagens bediente. Hierüber aber gerieth er in euserste Lebens-Gefahr. Denn als er einst sich von den Seinigen verirrete / und des Nachts in der Rauchhütte eines Kohlbrenners herbergen muste / ward er von diesem Busiris und zwey andern Mord-Gesellen unverhofft angefallen / derer sich doch seine Tapfferkeit durch ihre Hinrichtung mit seiner einigen Hand erledigte. Dieser Zufall und die Unruh seines Gemüthes trieb ihn hierauf wieder an Hof / allwo Riamens und Olorenens sich täglich vergrössernde Kranckheit die Kunst aller Aertzte und die Kräfften aller Artzneyen zernichtete. Diese euserste Gefahr bewegte den Königlichen Artzt Marcomirn offenhertzig zu entdecken: Es wären mehr Kranckheiten des Gemüthes / als des Leibes. Dahero er und alle Aertzte denen Krancken keine Genesung /ihnen selbst aber nichts als Schande zuziehen würde. Marcomir / welcher ohne diß besser als iemand den Ursprung ihres Ubels wuste / fragte bekümmert: ob denn diese Schwachheiten des Gemüthes auch zuweilen tödtlich wären? In allewege / antwortete der Artzt / weil die heftigen Gemüths-Regungen der Ausfarth der verwirrten Lebens-Geister nichts minder eine Pforte öfneten / als eine Verwundung dem ausschüssenden Geblüte / dadurch die Seele nach und nach verschwinde. Also wäre zu Rom eine Mutter über der unverhofften Erblickung ihres für todt gehaltenen Sohnes für Freuden erblichen. Und der dem Sophocles aufgesetzte Lorber-Krantz / weil eines seiner Trauerspiele für andern den Preiß behalten / wäre ihm so tödtlich / als das Gifft dem Socrates gewest. Bey so gestalten Sachen / da keine Kräuter-Artzneyen des Gemüthes wären / würde am rathsamsten seyn / an statt der Menschen himmlische Hülffe zu suchen. Auf der Druyden hierüber eingeholtes Gutachten / ließ Marcomir beyde Krancken in einen uhralten Tempel des Esculapius / welcher in einem Jahr mit dem zu Carthago soll gebaut seyn / bringen / selbigem durch die dem Heiligthum vorstehende Daunische und Calabrische Priester auf dem Grabe des Podalir sieben Widder opffern / und auf derselben Felle beyde Fürstinnen legen. Es ist wunderns werth / daß die / welche so viel Zeit kein Auge zugemacht / diese gantze Nacht in einen sanften Schlaf verfielen. Olorene erwachte zum ersten / iedoch erst mit der aufgehenden Sonne / und kurtz nach ihr auch Riame. Beyde wusten nicht / wie sie dahin kommen / ob sie noch in der Welt oder unter irrdischen Grüften bey den abgelebten Geistern schwebeten. Nach gegeneinander erfolgter Befragung erzehlte Olorene / sie wüste nicht / obs ihr geträumet / oder ob der Geist des ertrunckenen Hertzog Friedebalds ihr wahrhaftig erschienen wäre. Dieser hätte ihr mit kläglicher Gebärdung erzehlet /daß sein Schiff durch Unvorsichtigkeit der Bootsleute an einen Felsen gelauffen und zerborsten / er aber ertruncken wäre. Er dulde aber nunmehr unerträgliche Schmertzen / weil ihre und Riamens Seufftzer seine Ruh störten / und ihre Thränen ihm eitel bittere Wermuth einschenckten. Dahero bete er sie mit gefaltenen Händen / sie solte mit so unbesonnener Traurigkeit nicht ihren verstorbenen Liebhaber peinigen / nicht ihrem lebenden Marck und Bein aussaugen / nicht das gemeine Heil hindern / noch aus übermäßigem Hertzeleide unzeitigen Ruhm / und ihren vom Verhängnüsse noch nicht ausgesteckten Tod suchen. Riame antwortete ihr / diß könte kein Traum /[164] oder es müste gewiß ein solcher / welchen die Weisen Gottes Botschafften hiessen / gewesen seyn. Denn / was sie erzehlte / wäre ihr gleichsam bey offenen Augen eben so begegnet; sie könte kaum sagen / wie ihr Gemüthe so erleichtert wäre / wie so wol von ihrem Hertzen ein grosser Stein geweltzet / als die zum Hertzog Friedebald so tief eingewurtzelte Liebe gantz erloschen zu seyn schiene. Uberdiß hätte ihr ihr Lebetage / wie man vom Cleon aus Daunia / Thrasimedes und dem Atlantischen Volcke schriebe / nie geträumet. Olorene versetzte / auch sie wäre gleichsam neugebohren / und sie nehme an ihr wahr eine absondere Schickung der Götter. Diesemnach denn auch die Fürstin Riama nicht Ursache hätte / diesen ihren erstern Traum für ein Sterbens-Zeichen auszulegen / und dörfte sie dahero / um seine Würckung zu hindern / ihn weder der Sonne erzehlen / noch im Bade abwaschen. Bey diesen Worten trat der Priester in den Tempel / wünschte ihnen nicht allein zu ihrem bessern Zustande tausend Glück / sondern unterrichtete sie auch von allen Begebenheiten / derer Gedächtnüß ihnen durch ihr Leid und Kranckheit gantz entfallen war. Die Fürstinnen erzeigten ihm grosse Ehrerbietung / fielen für dem Altare / als dem Ursprunge ihrer Genesung / fußfällig und danckbar nieder. Nach geendigter Andacht führte sie der Priester im Tempel herum / und zeigte ihnen alle sehenswürdige Seltzamkeiten. Unter andern wieß er ihnen eine Jaspis-Taffel / welche von Carthago in diesen Tempel solle gebracht worden seyn. Auf dieser war die Liebe an einem Myrthen-Baume gecreutzigt zu schauen / und überdiß standen drey Frauen / unter denen des Priesters Auslegung nach Medea und Dido seyn solten / welche aus für sich habenden Körben die angebundene Liebe mit Rosen-Ballen steinigten. Olorene lachte über diesem in Stein gewachsenen Gemälde / und fing zu Riamen an: Es müsten diese Frauen von der Liebe so sehr / als sie / nicht gepeinigt seyn worden. Denn hätten jene so viel als sie erduldet /würden sie die Hände und Füsse der Liebe nicht angebunden / sondern durchnagelt / weniger ihn mit Rosen / sondern vielmehr mit Dornen zu tode geworffen haben. Gegen über stand eine helffenbeinerne Taffel /auf welcher abgebildet war / wie der in die Pyrrha verliebte Deucalion sich von dem Leucadischen Felsen ins Meer stürtzte / und dadurch den unerträglichen Brand seiner Liebe ausleschte. Riame sahe Olorenen an / und sagte: Ich traue numehr dem gütigem Esculapius in dieser Kranckheit mehr zu / als dieser Meer-Klippe und dem Flusse Silemnus / oder auch dem Kraute / das von seiner Würckung die vergessene Liebe genennet wird. Ich nichts minder / versetzte Olorene / als Marcomir / der mit Klodomirn und Astinaben unvermerckt in Tempel kommen war / ihr in die Rede fiel / und den Priester fragte / ob Esculapius nur wider / nicht aber auch zu der Liebe helffen könte? In allewege / antwortete der Priester. Der die schöne Epione so sehr geliebt / kan der Liebe nicht so sehr feind seyn / und der dem so sehr geliebten und von Pferden zerrissenen Hippolytus / hiermit wieß er auf das darneben stehende Bild / das Leben wieder geben / vermag auch wohl eine todte Liebe lebhafft zu machen. Klodomir und Astinabes lagen hiermit dem Priester zugleich an / sie beym Esculapius zu verbitten / daß da er Riamen und Olorenen von einer Liebe / welche stärcker als der Tod gewest wäre / entbürdet hätte / solte er nunmehro den Balsam einer lebendigen Liebe in ihre Hertzen flössen. Sintemahl die unsterblichen Götter zwar wohl die muthwillige Liebe aus dem Himmel / niemahls aber die vernünfftige aus ihren Hertzen verstossen hätten. Der Priester trat hierauf für das Altar / warf auf die daselbst glimmenden Kolen etliche Handvoll Weyrauch / worvon ein annehmlicher Rauch das gantze Gewölbe gleich einer Wolcken verhüllete. Hierauf tröpfelte[165] ein so erqvickender Thau über den gantzen Tempel herab / gleich als die Morgenländer darzu allen ihren Ambra und Balsam verliehen hätten. Alle Anwesende und selbst Riame und Olorene hielten dieses für ein absonderes Wunderwerck / und / nach dem der Aberglaube die Menschen alles zu überreden mächtig ist / liessen sie sich bedeuchten / als wenn die anwesende Gottheit ihre Gemüther gleichsam durch eine Magnetische Krafft zu einer Zuneigung gegen Klodomirn und Astinaben züge. Hiermit fiel Rhemetalces ein: Wie aber? war denn dieser wohlriechende Thau kein Wunderwerck des Esculapius? Malovend antwortete / das leichtgläubige Frauenzimmer hielt es freylich dafür / ungeachtet die Deutschen sonst des Esculapius kaum für einen Halb-Gott erkennen. Ich bilde mir aber ein / es sey allhier nichts minder mit Künsten zugegangen als es in den Egyptischen Tempeln geschiehet / allwo /wenn das Feuer auf dem Altare angezündet wird / die vielbrüstige Mutter der Götter häuffig Milch in einen Marmelnen Kessel spritzet / und zu Sal Isis und Osiris Milch und Wein rinnen lassen / oder auch / wenn in dem Lybischen am Crocodilen-Ufer gebauten Tempel des Esculapius einer hinein trat / und nur die ertztenen Räder anrührte / selbter alsofort mit Weyhwasser bespritzt ward. Rhemetalces begegnete ihm: Solten die klugen Egyptier wol so alber gewesen seyn / daß sie ihnen einen blauen Dunst für die Augen machen lassen? Sicherlich / versetzte Malovend / sind dieses alles Kunst-Streiche der verschlagenen Priester gewest / welche hierdurch den einfältigen Pöfel nach ihrem Willen geleitet / sich zu Halb-Göttern / Egypten aber zum Ebenbilde des Himmels und zu einem Tempel der Welt gemacht. Nach dem Käyser Augustus alldort ihren abergläubischen Gottesdienst abgeschafft / habe ich mir selbst in den Altären die heimlichen Röhren und Werckzeuge weisen lassen / welche von der Hitze des anzündeten Feuers / oder durch einen andern Trieb die verborgene Feuchtigkeit auszuschütten sind gereget worden. Dem sey aber / wie ihm wolle / so gebrauchte sich Marcomir allhier des Aberglaubens gegen Riamen und Olorenen / ihnen die Liebe zu benehmen und sie wieder verliebt zu machen. Zeno konte sich des Lachens nicht enthalten /und fing an: Ich weiß wol / daß die Staats-Klugen ihre Herschsucht mit dem Mantel der Gottesfurcht verhüllen / und durch Aberglauben das Volck ihnen verbindlich machen. Ich erinnere mich / daß Numa durch die ertichteten Gespräche mit seiner Egeria /Scipio mit seinen Träumen in dem Hause des Capitolinischen Jupiters / Sulla mit dem fürgetragenen Bildnüsse des Apollo / Sertorius mit den Warsagungen seiner weissen Hinde / Minos mit denen vom Jupiter ihm eröfneten Gesetzen / Pisistratus mit seiner vermummten Minerva ihre Herrschafft befestigt / daß die Spartaner ihre Regiersucht und den Krieg wider Athen / Philippus den Uberfall der Phocenser mit ihrem Kirchenraube beschönet / ja daß auch der Britannische König Dinafer alle seine Begierden mit der Andacht bekleidet; Daß man aber den Aberglauben zum Werckzeuge der Liebe gebraucht habe / erinnere ich mich nicht. In allewege / sagte Rhemetalces. Nectabis überredete des grossen Philippus Gemahlin Olympias / es wůrde sie der Hammonische Jupiter schwängern / und sie von ihm einen Sohn / der die gantze Welt beherrschen solte / gebähren; brachte es auch durch abergläubische Bethörung oder zauberische Verblendung zu wege / daß sie diesen Betrüger oftmahls in Gestalt einer Schlangen / und in Einbildung eines göttlichen Beyschlaffs umhalsete. Ja ich halte dafür / daß so wohl des Scipio als des Augustus Mutter von der Olympias eben diesen Fürwand ihre frembde Buhlerey zu verblümen gelernt / und nebst ihren Männern[166] auch die einfältige Nachwelt zu glauben beredet / daß beyde von Schlangen gezeugt wären / Scipions Geist auch deshalben in der Linterninischen Höle von einem Drachen bewacht würde. Wem ist nicht das Unthier / ich mag nicht sagen / der Unmensch bekant / der sich für den Jupiter ausgab / ja sich des Beyschlafs mit dem Monden rühmte / und deßwegen seine Schwestern zur Blutschande verleitete? Wer weiß nicht / daß ein ander die Heyrath einer Vestalischen Jungfrauen mit seinem Priesterthum und einer Wahrsagung / daß von ihnen göttliche Kinder würden gezeuget werden / bemäntelt? Ich wil geschweigen / daß ihrer viel den Bund ihrer Liebe unter dem Scheine der Andacht zerreissen / das Band der Eh unter dem Schein zu naher Anverwandnüß zertrennen / andere ihre Abneigung oder auch frembden Zunder mit der Gelobung ewiger Keuschheit verdecken. Malovend fiel ihm ein: Es wären so schlimme Mißbräuche der Gottes-Furcht auch in Liebes-Sachen verda lich; wie er aber für zuläßlich hielte / sich ihres Scheins zu Nutz des gemeinen Wesens zu bedienen; also hätte er es Marcomirn nicht für übel / daß er Riamens und Olorenens Aberglauben zu einem so guten Zwecke ihrer so löblichen Verehligung gemißbraucht habe. Es ging sein Anschlag auch so glücklich von statten / daß beyde alsofort gleich also auf Göttlichen Befehl sich mit Klodomirn und Astinaben zu verknüpfen begierig waren. Die Vermählung ward noch selbigen Tag im Tempel mit grossem Frolocken vollzogen / und unter dieser Freude das Trauren umb den umgekommenen Friedebald nach und nach vergessen. Also quellen aus keinem Hertzeleide so viel Thränen /welche nicht der Schwader Zeit austrockne / und es ist keine Liebe in einem Hertzen so beraaset / daß selbte nicht verwelcken / oder von einer andern überwachsen werden könte. Wiewol er hierbey die seltzame Begebenheit nicht verschweigen könte / daß unter denen Hochzeit-Fackeln / welche zwölf Edel-Knaben der zum Altar geführten Olorene fürtrugen / sich eine selbst-bewegende Fla e eingemischt / die alles andere Licht verdüsterte. Und ob schon kein Mensch sonst etwas mehrers sahe / so betheuerte doch so wol Riame als Olorene / daß selbte der Geist Hertzog Friedebalds in seinen Händen trüge / und derogestalt seine so liebe Buhlschafft so wol nach seinem Tode bediente / als ihre neue Vermählung billigte. Eben dieser Geist ist ihr zum andern und dritten mal erschienen /und hat ihr gerathen / alle mögliche Verhinderungs-Mittel fürzukehren: daß ihr Gemahl Astinabes nicht den Zug wider die Mohren fürnehmen solte / darinnen er hernach entweder erschlagen oder zum minsten verlohren worden. Weßwegen Olorene auch / als dieser Geist die traurige Nachricht brachte / daß sie ihren Astinabes nicht mehr sehen würde / sich gestorben zu seyn anstellte / und zum Scheine begraben ließ / sich aber / umb ihrem Betrübnüsse desto freyer nachzuhängen / in einer bergichten Einsamkeit so wol ihr Leben als ihre zu den Todten tragende Liebe endigte; wo anders die Geister der Verstorbenen nicht noch diese süsse Empfindligkeit behalten / wie fast der Schatten des erblasten Friedebalds zu behaupten scheinet. Rhemetalces fing hierüber an: Ich muß gestehen / daß das erzehlte eines der merckwürdigsten Ebentheuer sey. Denn ob ich wol weiß / und die Welt insgemein glaubet / daß ieder Mann absonderlich 2. Geister zu unabtrennlichen Geferten habe / derer einer entweder mit ihm gebohren wird / oder zum minsten sich ihm bald bey der Geburt zugesellet / und ihn /wie vom Socrates genung bekant ist / zu allem Guten reitzet / und durch Träume oder andere Wege für Unglück warne / der Böse aber ihn zum Verderben reitzet / und / wie dem Brutus geschehen / erschrecket;[167] Bey welchen erstern Geistes Regung Socrates auf der rechten / bey des andern auf der lincken Seiten genieset haben soll; so scheinet doch diß / was Olorenen begegnet / keine weder ihrem noch des Friedebalds Geiste anständige Verrichtung zu seyn; zumal das weibliche Geschlechte nur die Juno zu seiner allgemeinen Beschirmerin / nicht aber / wie ieder Mann /absondere Schutz-Geister haben soll / und Friedebalds erschienener Geist nicht ihm selbst / sondern andern Menschen / nemlich Olorenen und Riamen seine Dienste abgeliefert / da doch die Geister sonst Fremden / ja auch Freunden ehe aufsätzig zu seyn scheinen. Massen Augustens Geist des Antonius zu unterdrücken auch damals bemüht gewest / als beyde gleich noch in grosser Verträuligkeit lebten. Zeno begegnete Rhemetalcen: Er wäre der gänzlichen Meynung / wüste auch keinen Grund einer bessern aufzufinden / daß Hertzog Friedebalds Schutz-Geist und kein anderer Olorenen diesen Liebes-Dienst erzeiget habe. Sintemal unzweifelbar wäre / daß die getreuen Schutz-Geister nicht / wie insgemein die Menschen /ihr Freundschaffts-Band mit dem Lebens-Fadem zerreissen / sondern auch ihren Verstorbenen / ja den faulen Leichen wolzuthun beämsigt wären / wie der Geist zu Athen / der den Athenodor umb die Beerdigung der gefesselten Glieder ersuchet / und derselbe Geist / der aus dem abgehauenen Kopfe des Priesters Cercidas redete / und seine Mörder zu Ausübung der Rache offenbarte. Ob auch schon zwischen Augustens und des Antonius Geiste einige Gramschafft sich ereignet haben soll; so werden selbte Zweifels-frey die hernach ausgebrochene Tod-Feindschafft Augustens und des Antonius vorgesehen haben. Sintemal die Götter diese Geister nicht nur mit der Wissenschafft künftiger Dinge begabten / sondern sie auch zu Werckzeugen ihrer Offenbarungen brauchten. Diese hätten in Thessalien durch die Tauben / in Lybien durch den Widder / zu Delphis aus dem Drey-Fusse geweissagt / und wären der sonst stummen Dinge redende Zunge gewest. Massen denn die Griechen festiglich geglaubt / daß / als die Pythia so viel für dem König Philipp wahrsagte / sein Schutz-Geist durch ihren Mund geredet habe. Ja dieser Werck wäre noch / die geopferten Thiere derogestalt zuzubereiten / daß sie mit den künftigen Begebenheiten übereinstimmeten / so gar / daß die Eingeweide auf den Altären mehrmals ohne Lungen und Hertzen gefunden würden / ohne welche doch ein Thier unmöglich leben könte. Endlich wäre dieses Geistes der Olorene erwiesene Gewogenheit für einen dem Friedebald selbst geleisteten Dienst zu achten; weil ein eifriger Liebhaber seiner Buhlschafft mehr / als ihm selbst / wol wil / und die Liebe der von denen irrdischen Leibern entladenen Seelen alles eitlen Rauches befreyet / und reiner / als der Lebenden / seyn soll. Also hätte die Liebe des Vaterlandes / die Theseus zu Griechenland trug / so viel gewürcket / daß sein Schutz-Geist in der Marathonischen Schlacht wider die Persen gestritten / ob schon Griechenland / wie Rom die Vesta / und Persien einen feurigen Engel / und andere Länder andere allgemeine Schutz-Geister gehabt / welche / der gemeinen Meynung nach von dẽ 2. grossen Welt-Lichtern und den 12. hi lischen Zeichen ihre Bewegung haben sollen. Welcher Meynung denn zum Behelf dienet / daß Malovends Erzehlung nach dieser Geist beständig Hertzog Friedebalds Gestalt behalten habe; zumal solche Geister wegen ihrer grossen Zuneigung nicht leicht eine frembde Gestalt anzunehmen würdigen /und ihren dünnen Luft-Leib darmit gegen den sterblichen Augen sichtbar machen. Malovend brach ein: Ich solte dieser letzt-angezogenen Gestalt halber meynen / daß kein Schutz-Geist / welche an Bewahrung der nicht nur von bösen Geistern / sondern auch abergläubischen Zauberern mehrmals angefochtenen Leichen und Todten-Gebeine genung zu thun haben /sondern vielmehr Hertzog[168] Friedebalds eigener Geist oder Seele Olorenen wohlgethan habe. Sintemahl wir von den Indischen und Chaldeischen Weisen diese gründliche Lehre angenommen / daß alle Geister / insonderheit aber die Seelen der Menschen unsterblich sind / und daß diese alles dis / was bey ihrem irrdischen Leben fürgegangen / im Gedächtnisse behalten. Massen die Seele auch nur alleine der gantze Mensch / sein Leib aber nur der Seele Kercker und Grab ist /durch welchen als ein düsternes Wesen sie das Licht der Warheit zu erkiesen nur verhindert wird. Bey so gestalten Sachen ist kein Wunder / daß der erledigte Geist nach dem Tode des Leibes so viel thätiger sey; und bezeuget die öfftere Erfahrung / wie unruhig der Entleibten Geister um ihre Gräber zu schwärmen / der Gottlosen Gespenster ihre Wohnungen zubeunruhigen / der frommen Seelen die betrübten zu trösten mehrmahls bemüht sind. Weßwegen nicht nur die Griechen die Erstlinge ihrer Früchte / und die Römer der verstorbenen Seelen täglich Wein und Weyrauch opffern / von ihrem Tische ihnen Brosamen lieffern / sondern auch andere Völcker ihnen Kräntze winden und Altäre bauen. Ja da die Zauberer durch vergossenes Blut und Galle die Erscheinung der Seelen zu wege bringen; Wie vielmehr soll nicht eine so hefftige Regung /als die festeste Verknüpffung der Seelen / nehmlich die Liebe ist / so viel zu würcken mächtig seyn? Zeno antwortete: Es wäre die Beruffung der Geister eine Blendung oder Betrug / sintemal weder Steine / Kräuter noch Beschwerungen einigen Zwang über die Geister hätten / wiewol die Bösen zuweilen die Abergläubigen mit ihrer gehorsamen Erscheinung bethörten /und aus denen von Menschen geschnitzten Bildern redeten / gleich als wenn sie von ihnen in irrdische Behältnisse eingesperret werden könten. Daher ging es mit selbter insgemein wie mit denen zweyen Gottesschändern her / derer einer sich in Saturn / der andere in Anubis verstellet hätte / um mit denen in die Tempel kommenden Frauen ihre geile Lust zu büssen /und die schändliche Unzucht noch mit dem Scheine der Andacht zu überfirnßen. Uberdiß hätte zwar der Geist des Delphischen Apollo nicht für gar langer Zeit aus seinem Dreyfuße geruffen: Er wäre nur ein Sonnenstaub und das geringste Theil des grossen Gottes / dessen Nahme unaussprechlich / dessen ewiges Wesen ein unerschaffenes Feuer / und doch das Band der gantzen Welt wäre. Er Apollo wäre sterblich / ja er stürbe gleich / weil das Licht der göttlichen Flamme ihn ausleschte. Auch hätte ein Geist bey dem Eylande Paxi dem Thamus offenbahret / daß der grosse Pan ein Fürst unter den Geistern gestorben wäre. Gleichwohl aber gebe er willig nach / daß die Seelen der Verstorbenen allerdings unsterblich wären / ob er zwar der Egyptier Meinung dem Buchstaben nach nicht beypflichtete / daß die Seele schon für dem Leibe ein absonderes himmlisches Wesen wäre / und durch den gestirnten Krebs / als die eine Pforte der stockenden Sonne sich in den menschlichen Leib herab lasse / weil sie sonst von Gott und dem himmlischen Wesen ihre gehabte Wissenschafft nicht so gar verlieren würden; also auch hinfällt / daß sie beym Tode durch die andere Pforte nehmlich den Steinbock wieder empor klimmen / und sich feste in Himmel versperren. Inzwischen scheint es doch eben so wohl ein ungereimter Aberglaube zu seyn / daß die Menschen sich in umschwermende Geister verwandeln /als daß der Verstorbenen Seelen / nach Vergessung des leiblichen Ungemachs / wieder in die Bande ihrer verweseten Leiber kehren sollen. Und lasse ich mich nicht bereden / daß die Seelen der Tugendhafften sich viel mehr um unsere Eitelkeiten / daran so viel sündliches klebet / bekümmern solten. Deñ ob selbten freylich zwar die Schwachheit der Vergeßligkeit / und die Entäuserung aller Liebe nicht beyzumessen ist / so sind selbte doch mit was[169] wichtigern beschäfftiget /weil sie durch einen hefftigern Trieb zu Anschau- und Betrachtung des grossen Gottes / als die Flamme zu der Emporglimmung / und der Magnet zum Eisen gezogen werden. Die verdammten Seelen aber sind mit so viel Angst und Schmertzen überschüttet daß sie der gewesenen Dinge gerne vergessen / und in ein solch Gefängniß eingesperret / daß sie die Welt zu beunruhigen ihnen nicht dörffen traumen lassen. Wie aber /versetzte Rhemetalces / wenn die Geister / wormit /nach des Plato / und fast aller Weltweisen Meinung /Lufft / Erde / Feuer und Wasser angefüllet / und dieser Elemente Thiere / ja so gar die Britannischen Eylande Sporades von eitel Geistern bewohnet seyn sollen / welche die Anlendung der Menschen mit Sturm und Feuer-Fluthen verhindern / und zu nichts mehr /als aus Bildern und durch Träume wahrzusagen einen Zug haben / oder auch die höllischen / so wie der zauberische Proteus / der Verstorbenen Gestalt annehmen? Oder wie wenn in dem Menschen die Seele und der Geist zwey absondere Wesen wären? Massen die Griechen von ihrem Hercules beständig erzehlen / daß seine Seele im Himmel / sein Geist in die Hölle / sein Leib in die Erde versetzt worden sey. Zeno antwortete: Er verneinte nicht die Vielheit der Geister in der Welt / noch auch daß ein Theil derselben dem Menschen wohlzuthun geneigt / wiewohl ihm ihr Dienst wegen Vielheit der bösen allezeit verdächtig wäre. Dieses die Olorene bedienenden Geistes Gewogenheit bedüncke ihn auch von all zu zarter Regung für einen Geist / und / weil von geraumer Zeit schier alle Wahrsager-Geister zu verstummen angefangen / eine zu seltzame Begebenheit zu seyn. Daß aber des Men schen Seele und Geist zweyerley seyn solte / wäre ein Irrthum / und die Meinung vom Hercules ein blosser Aberglaube. Sintemahl der erstere Nahme die Eigenschafft des Wesens / der andere die lebhaffte Regung der Seelen ausdrückte. Nachdem sie aber unter den Lebenden in dieser Sache keinen unverwerfflichen Schiedsmann finden würden / müsten sie einmahl sich der Geister und Gespenster entschlagen / wenn Malovend nicht des tapffern Hertzog Klodomirs vergessen solte.

Rhemetalces nahm alsofort das Wort vom Zeno an / meldende / daß er zwar für seine Meinung und der Geister zu den Menschen tragender Liebe anzuführen hätte / wie selbte sich so gar mit ihnen zu vermischen lüstern wären; massen Plato / welchen man von einer Jungfrau gebohren zu seyn rühmte / der grosse Alexander / Scipio und andere / von eitel Geistern / insonderheit aber Zoroaster von dem berühmten Geiste gezeuget worden / welche ihre Mütter in Gestalt der Schlangen oder der Götter geschwängert hätten. Sintemahl eine Gotteslästerung zu seyn schiene / daß ein wahrer Gott eine sterbliche Frau beschlaffen solle /und / daß Schlangen Weiber schwängern könten /eben so lächerlich wäre / als daß die Könige der Gothen einen Bär / und ein Volck am Ganges einen Hund zu ihren ersten Geschlechts-Ahnen haben solten. Alleine er bescheidete sich selbst / daß seine un gewisse Gedancken Malovends annehmlicher Erzehlung billich den Platz räumeten.

Malovend gehorsamte ihrem Verlangen / und fing an: Astinabes und Klodomir heyratheten zwar einen Tag und unter einerley Stande des Gestirns; Olorene und Riame waren eines Geschlechtes / und sie sämmtlich Liebhaber der Tugend; Aber / wie auff einerley Zweigen Rosen und Dornen / Datteln und Schwämme wachsen / ein Theil eines Baums zu einem angebeteten Götzen-Bilde / das andere zu einem verfluchten Creutze gemacht wird; also waren jene Verwürfflinge / diese aber Schoos-Kinder des Glückes. Denn der hertzhaffte Astinabes brach mit einem mächtigen Heere in Africa ein / um den verdrungenen König der Mauritanier wieder[170] einzusetzen; Diese beyde Könige aber nicht allein / sondern auch der / welcher solch Reich behauptete / büßten dem gemeinen Ruffe nach ihr Leben in der Schlacht ein / welche von dem Falle dreyer gekrönten Häupter einen ewigen Nahmen behalten wird / und deßhalben noch so viel merckwürdiger ist / daß sich nach etlichen Jahren einer fand / der sich nicht allein für den König Astinabes ausgab /sondern auch durch so viel Merckmahle und Anzeigungen sein Vorgeben bescheinigte / daß alle Unpartheyische urtheilten / er müste entweder der rechte Astinabes / oder sein Geist in einem andern Leibe seyn. Wiewohl sein Reich inzwischen vom Hippon behauptet / und dieser als ein Betrüger aus dem Wege geräumet ward.


Klodomir hingegen lebte mit seiner Gemahlin Riama in höchster Vergnügung / und stand etliche Jahr mit ungemeiner Klugheit Britannien für. Nach seines Vaters Ingrams Tode aber ward er in einem Jahre dreymahl gekrönet. Sein friedliebendes Gemüthe brachte die durch die Meinungen der Druyden /Eubagen und Barden in Deutschland erwachsene Zwytracht so fern zu einem Vertrage / daß sie sich nebst einander ohne Verdammung eines oder des andern Irrthums zu dulden gelobten. Seine Herrschafft erreichte noch den Sturm des grossen Salomins / welcher wie er unter dem grösten Gethöne der Waffen gebohren / also auch unter derselben Krachen seine Seele auszublasen versehen war. Er war auffs neue mit einer ungläublichen Macht in das Pannonische Reich eingefallen / und belagerte Siegestadt. Selbige aber verthäidigte Nezir ein Norichischer Ritter mit einer unerhörten Tapfferkeit / welche diesen unersättlichen Wüterich lehrte / daß ein unerschrockenes Helden-Hertz mehr als ein eisernes Bollwerck sey / und hierdurch verursachte / daß er für Ungedult im Lager seine Blutdürstige Seele ausblies / und der / dessen Ehrsucht Meer und Gebürge nicht hemmeten / alhier in einer Pfütze Schiffbruch leiden muste. Es richtete aber Salomins arglistiger Heerführer den Leib-Artzt eigenhändig hin / um seinen Tod so lange zu verbergen / biß sein Sohn Miles das Hefft der Herrschafft in Händen hatte / die Belägerten aber / denen das eingeworffene Feuer numehr allen Auffenthalt und Lebensmittel gefressen / und derogestalt dem Feinde ein schlechtes Sieges-Mahl übrig gelassen hatte / sich in den unzehlbaren Hauffen der Belägerer zu stürtzen /und ihr Leben noch um viel Feindes-Blut zu verkauffen gezwungen worden. Also wird zuweilen auch die Tugend übermannet / und die Hertzhafftesten fallen mehrmahls von dem Geschoß eines Verzagten; als welche bey zuhangendem Siege nichts weniger als die Tapffern / wagen. Wiewohl in solchen Fällen der Sieg so wenig für Ehre / als der Untergang für Schande / ja die / welche derogestalt umkommen / wohl für erschlagen / nicht aber für überwunden zu halten sind. Massen denn dieser blutige Gewinn die Scythen also entkräfftet hatte / und Klodomirs kluge Herrschens-Anstalten dem Miles so sehr unter Augen leuchteten /daß er es rathsamer hielt / mit einem so fürsichtigen Feinde Friede zu schliessen / als den ungewissen Ausschlag eines längern Krieges zu erwarten. Dieses Ansehen brachte auch zu wege / daß Klodomir von den meisten Ständen Sarmatiens zu ihrem Könige erwehlet ward / wiewohl Miles / der ohne seine euserste Gefahr seinen Nachbar nicht konte sehen so groß werden / theils durch Bedräuungen / theils durch Verheissungen ein Theil der Sarmater zu Erwehlung Tiabors der Dacier Fürstens beredete. Als nun Klodomir so wohl sein durch rechtmäßige Wahl erlangtes Recht mit dem Degen zu behaupten / als die durch Tiabors Eindringung ihm zuwachsende Schande mit der Verursacher Blute auszutilgen beemsigt war / setzte das[171] Verhängniß unvermuthet seinem Leben und Gebiete / nicht aber seinem noch herrlichen Nachruhme einen Grentzstein.

Die Sonne fing nun an zu Golde zu gehen / und es trat des Feldherrn Jägermeister zugleich in den Saal mit Erinnerung: es wäre hohe Zeit zur Rückkehr / im Fall sie daselbst nicht übernachten wolten. Weil aber diese Fürsten diß letztere bey ihrem erstern Ausritte zu thun Bedencken hatten / befahlen sie ihre Pferde zur Stelle zu bringen. Malovend aber fing an: Ich habe meine versprochene Erzehlung übel eingetheilt /und ich bleibe noch die Geschicht dieser vier letztern Feldherren schuldig. Zu der letztern zweyen / nehmlich Aembrichs und Segimers ungemeinen Zufällen bedinge ich mir einen besondern Tag aus / von dem neundten und zehenden aber / nehmlich dem Roderich und Malorich wil ich zu Pferde noch etwas weniges erwehnen.

Als sie nun auff dem Rückwege begriffen waren /fuhr Malovend fort: Beyde diese Feldherren sind Klodomirs Söhne / und betrat Roderich nach seines Vaters Tode alle väterliche Throne; diese befestigte er mit Gerechtigkeit / Deutschland erhielt er durch Vereinbarung seiner Glieder in einer herrlichen Eintracht / und beseligte es mit dem güldnen Frieden. In Pannonien und Dacien aber führte er wider drey Scythische Könige / nehmlich dem Turama / der nach des Miles seines Vaters Tode auff seinem Grabe fünff Brüder abschlachtete / dem Mehdum / welcher seinen Thron auf siebenzehn erwürgte Leichen seiner Brüder gründete / und dem Techma / der seinem eigenen Bruder die Augen ausstach / mit grosser Hertzhafftigkeit Krieg. Er gewann unterschiedene Schlachten / eroberte etliche verlohrne Festungen / und insonderheit durch eine besondere Kriegs-List des Ritters Schwartzenburg die durch Zagheit eines Pannonischen Edelmanns den Scythen ohne Noth übergebene Stadt Arabo. Er bemächtigte sich eines Theils Daciens über dem Flusse Pathisus / allwo ein Marsingischer Ritter Reder in der Festung Nidavar die gantze Scythische Macht mit unglaublichem Heldenmuthe auffhielt /und nach Verlust unzehlbarer Stürme abzuweichen zwang. Er zwang den König der Dacier Gundimes zu einem Vergleiche / krafft dessen nach seinem Absterben ihm seine Länder heimfallen solten / und als dieser seiner Zusage wider kam / in dem er seinem Vetter Nasared seine Herrschafft einräumte / wurden die Dacier und Scythen auffs Haupt geschlagen / und Nasared selbst muste seine Untreu mit seinem Halse bezahlen. Ob sich nun wohl hierauff Tabisock zum Oberhaupte der Dacier auffwarff / und vom Könige Techma beschirmet ward / so zwang doch Roderich jenen / daß er ihn für seinen Lehns-Herrn erkennen /dieser aber einen billichen Frieden eingehen muste. Sintemahl der grosse Mithridates der Parthen König um den Tod seines Vaters Artabans / welchen die Thocharischen Scythen in einer Schlacht erschlagen hatten / wie auch seines Groß-Vaters Phraates / der eben so umkommen war / zu rächen / nicht allein ihnen die vorhin verlohrnen Städte Tauris und Artzirum wieder abgenommen / sondern auch den Scythischen Bund-Genossen Artavasden geschlagen / sich seines Armeniens bemächtiget / und in das Hertze des Scythischen Reiches mit Feuer und Schwerdt gedrungen war. Dieser Mithridates schickte eine prächtige Gesandtschafft an den Roderich mit kostbaren Geschencken / worunter merckwürdig waren ein blauer Topaß so groß / daß man daraus ein Trinck-Geschirr machen konte / ein weißer Topaß und ein reiner Amethist / beyde so groß als ein Ganß-Ey / ein Persianischer Bogen von Spañadern eines Camels mit grossen Diamanten / zwey Parthische Sebeln mit Damascener Klingen und Rubinen versetzt / ein gelber Topaß so groß als ein Tauben Ey / eine Schnure wundergrosse[172] Perlen / drey Carfunckel / eine Krone von einer Schlange / und eine grosse Kugel Ambra. Das Absehen dieser Botschafft war den Feldherrn Roderich zu bewegen / daß er mit dem Techma den Frieden zerreissen / und mit den Parthen zugleich die Scythen bekriegen solte. Alleine Roderich hielt es Fürstlicher zu seyn / sein Wort und den gemachten Frieden auch eydbrüchigen Feinden zu halten / als mit Verminderung Treu und Glaubens seine Reichs-Gräntzen zu erweitern; zumal auch sich zwischen ihm und seinem Bruder Malorich gleich Zwistigkeiten ereigneten /welchem er lieber Pannonien abtreten / als durch brüderliche Zwytracht das gemeine Heil in Gefahr setzen wolte. Rhemetalces fing an zu seufzen und zu ruffen: O ein ungemeines Beyspiel / daß die Regiersucht nicht alle andere Gemüths-Regungen unterdrücke! Wie viel hat diese Begierde nicht nur Brüder in meinem Thracien geschlachtet! Und wem ist unbekant /daß nicht wol ehe Unmenschen für ihren Bruder-Mord belohnet zu werden verlanget? Malovend fing hierauf wieder an zu erzehlen: Roderichs friedliebendes Gemüthe ist deswegen noch mehr Wunderns werth / weil noch bey Anwesenheit der Parthischen Botschafft die Scythen in Pannonien die Festung Decebalia durch Verrätherey einzunehmen versuchten / und er also mit ihnen zu brechen einen guten Schein überkam. Warumb nicht Fug und Recht? fiel Rhemetalces ein. Und ich weiß bey solcher Beschaffenheit nicht / ob ich Roderichs Beginnen mehr für eine Verabsäumung bequemer Gelegenheit sich in mehr Ansehn und Sicherheit zu setzen / als eine Gemüths-Mässigung halten soll? Friede und Ruh hätten freylich wol scheinbare Nahmen; aber man gebe solche zuweilen auch einer schädlichen Trägheit. Solche rauhe Völcker pflegten den Frieden fast iedesmals aus angewohnter Lust zum Kriege zu stören; also wäre leicht zu muthmassen /daß sie den Krieg aus Liebe eines beständigen Friedens nicht aufgehoben. Ihr Absehen wäre allein / daß sie ihren Feind durch Ruh und Müssiggang faul und unbewehrt machen; und weil zu Friedens-Zeit der Adel / welcher im Kriege mehr Gelegenheit hat sich durch grosse Dienste in Ansehen zu setzen / mehr den Rücken unter das Joch der Herrschafft beugen muß /selbtem die Waffen und die Kriegs-Ubungen aus den Händen winden möge. Hingegen legten die Scythen /die ohnedis von guten Künsten / derer man beym Frieden bedörfte / nichts hielten / den Sebel niemals aus der Hand / sondern / wie sie keinmal leichte mit zweyen Feinden anbinden / also behielten sie auch meist einen übrig / umb niemals aus der Ubung zu kommen. Dahero wäre auch ein zweifelhafter Krieg besser / als ein unsicherer oder verdächtiger Friede /und für einem schimpflichen Müssiggange eine behertzte Gegenwehre zu erwehlen. Zeno antwortete: Es wäre diß ein zu scharffes Urthel wider einen so lobwürdigen Fürsten / als Roderich gewest. Der Krieg komme denen / die ihn noch nicht versucht / so süsse für und bey dessen Ungewitter ergetzten sich nur die Kinder über so schönen Schlossen / die Klugen aber beweinten den durch seinen Hagel verursachten Schaden. Der Sieg sey allezeit ungewiß / und habe das Glück darmit seine Kurtzweil / daß es allen Kriegen stets einen gantz andern Ausschlag gibt / als die klügsten Rathschläge vermuthet / und menschliche Vernunft hat vorsehen können. Uberdiß höre der Krieg niemals auf eine Straffe der Götter / und auch denen Siegenden verderblich zu seyn. Die Frömsten müsten wider Willen darinnen sündigen / der schärffste und wachsamste Feldherr habe das Kriegs-Volck nicht dergestalt an einem Faden / daß keine Todschläge /keine Nothzucht / kein Kirchen-Raub begangen werde. Im Friede allein blüheten Recht und Verdienste / im Kriege würden unschuldige so wol als schuldige zu Bodem getreten. So hätte auch manches Reich offtmals viel heimliche[173] Schwächen und Blössen / die sein eigenes Volck nicht wüste / und der Purpur verdeckte viel gefährliche Wunden. Man habe sich für den Hülffs-Völckern zuweilen mehr / als für offentlichen Feinden fürzuschauen. Roderich hätte etliche 30. Jahr die Klauen mit den Scythen vermengt / ihre Kräften ergründet / die Leichtsinnigkeit der Dacier und Pannonier behertzigt / die innerliche Unruh für Augen / sein Bergabgehendes Alter im Gedächtnüsse / der Herrschens-Kunst Schwerigkeit in Erwegung gehabt; in dem ein Fürst nichts minder als ein Weber zu seinem Gewebe Augen / Hände / Armen / Füsse / und alle seine Kräfte / welche doch durch Zeit und Sorgen abnehmen / anwenden / das Verwirrete verrichten /das zerrissene ergäntzen müste. Diesemnach solte ein Fürst / mit dem es auf die Neige seiner Jahre kommen / in seinen Entschlüssungen ein gantz anderes Augenwerck haben / als der / welcher im blühenden Alter / bey wachsenden Kräfften / mit feurigen Regungen auf dem Stul sitzt; da er anders sein Reich / welches durch so viel Tugend und Klugheit kaum in tausend Jahren zu Stande kommen / nicht durch eine augenblickliche Ubereilung in Verderben stürtzen / und für dem Richter-Stule der Nachwelt / welche ohne Heucheley urtheilet / und denen prächtigsten Ehren-Säulen ihre Larve vom Gesichte zieht / den durch viel Schweiß und Blut kaum erworbenen Ruhm verspielen wil. Die Kette / welche einen Herrscher mit den Unterthanen verknüpfet / nützet sich von Tag zu Tage ab. Denn ich mag nicht sagen / daß die Begierde des Ruhms / die Beysorge des Verlusts einen jungen Herrn lebhafter und wachsamer mache / hingegen bey einem bejahrten Fürsten der Zunder der Ehre verglimme; sintemal das Gemüthe nichts minder als der Leib veraltert und schwach wird / also daß ihn weder das Glücke aufmuntert / noch bey seinem ohnedis für Augen schwebenden Abschiede das Unglücke zu Hertzen geht / und ein Reich bey so gestalten Sachen /das anfangs einen göldnen Kopf gehabt / hernach auf thönernen Füssen stehet; sondern ich ziehe mich allein auf den wanckelmüthigen Pöfel / der das gegenwärtige hasset / die Veränderungen verlanget / ja sich mit der Neuerung über seiner eignen Gefahr belustigt; also die vieljährige Herrschafft eines Hauptes ohne Verdruß nicht ertragen kan. Du hast es in allewege getroffen / pflichtete ihm Malovend bey. Denn Roderich sahe wol / daß seine greise Haare nicht bey allen Unterthanen beliebt waren / daß die meisten die aufgehende Sonne anbeteten / und seine Herrschafft mehr auf den Ruff / als auf beständige Kräfften geanckert war; ungeachtet er sich der dem Alter meist anklebenden und einen Fürsten verhasst machenden Fehler /nemlich des Geitzes / der Verschrenckung zuläßlicher Ergetzligkeiten / der fahrlässigen Hinlassung der Regirung in frembde Hände vernünftig entäuserte / und unter andern Zeitvertrieben seine Vergnügung aus Umbarmung des Reichs und Beobachtung des gemeinen Wesens schöpfte. Zu dem mangelten ihm die rechten Pfeiler seiner Herrschafft / nemlich Kinder /welche mehr als Kriegs-Heere / besser als alle ihrem Eigennutz dienende / und den Mantel stets nach dem Winde des Glücks hängende Freunde einen Fürsten beschirmen. Hingegen hatte Malorich schon so viel Jahre nach dem Hefte des Reichs / und hiermit auch nach seines Bruders Tode gelechset; weßwegen seine Siege ihn mehrmals weniger / als das Geräusche der feindlichen Waffen schlaffen liessen / ungeachtet Roderich ihn zwar zum Haupte seiner Heere gemacht /einem niedrigern aber stets die eigentliche Gewalt anvertrauet hatte. Endlich hat Roderich behertzigt / daß wie ein Schiff von Herumbwerffung der Segel auch bey gutem Winde sich erschüttert / und / wo zwey Ströme zusammen[174] fallen, es Wellen gibt; also wenn ein neuer Fürst zum Steuer-Ruder tritt / und die neue Regierungs-Art sich mit der alten vermenget / es nicht sonder Gefahr ist / und dahero ein absinckender Fürst alle Kriege und Beleidigungen vermeiden / neue Bindnüsse stifften / die alten verneuern solle / wie die in den Hafen einfahrende Schiffleute die Ruder empor heben. Bey so gestalten Sachen lasse ich mir nicht ausreden / daß Roderich eine besondere Klugheit begangen habe / da er mit den Parthen nicht in den verlangten Bund und Krieg schlechterdings eintrat; gleichwohl aber den Botschaffter aufs herrlichste und mit allen ersinnlichen Freuden-Spielen unterhielt /dem Mithridates hingegen kostbare Geschencke schickte / worunter die in den Sudetischen Gebürgen gefundene Granaten / die denen Morgenländischen fürzuziehen / etliche in den Pannonischen Bergwercken aus dichtem Golde gewachsene Corallen-Zincken / und in den Wein-Gärten an dem Flusse Pathissus aus den Stöcken hervorgesproßte güldene Reben / in dem Iser gefischte Perlen / und zwey vom Roderich aus Kupfer in Gold verwandelte Platten waren. Wie er denn auch sein Bindnüß nicht gäntzlich ausschlug /sondern ihn auf Veränderung der Zeit / und Wegräumung einiger dem verlangten Kriege im Wege stehender Hindernüsse vertröstete. Ich höre wol / fing Zeno an / du bist auch in dem Glauben / daß man die Metalle verwandeln und das Quecksilber in Silber / oder gar zu einem Saamen oder Werckzeuge des Goldes machen könne. Malovend begegnete ihm: Ich bin sonst nicht so leichtgläubig / auch in diesem Stücke so zweifelhaft / als vielleicht niemand vor mir gewest; endlich aber haben meinen Unglauben meine Augen überwunden / nach dem ich selbst gesehen / wie durch einen kaum sichtbaren Staub ein gantzer Tiegel voll Bley zu Golde worden. Zeno lächelte hierzu / und sagte: Es wären in dieser berühmten Betrügerey freylich wol auch Leute / die in der Scheide-Kunst des Ertztes ziemlich erfahren gewest / hinters Licht geführet / und wol ehe Fürsten zerstäubtes Gold für Bley umb ein schnödes Geld geliefert worden / wormit selbte hernach ihre Leichtgläubigkeit solchen Verfälschern so viel theurer bezahlen müssen. Malovend versetzte etlicher massen mit einem Eifer: Er könte leicht gläuben / daß viel Einfältige durch Arglist hierinnen bethöret worden / auch daß viel Aufschneider sich dieser Kunst rühmeten / die das allergeringste darvon nicht verstünden; alleine er habe bey dem von ihm erwehnten Goldmachen das Bley selbst zur Stelle geschafft / und mehr als Luchs-Augen wider allen Unterschleiff dabey gebraucht. Zu dem wäre Hertzog Herrmans Vatern dem Fürsten Segimer eben diß begegnet / daß ihm ein unbekandter Mensch ein gar weniges von diesem Gold-Staube eingeschoben / wormit er hernach selbst acht Untzen Quecksilber zu dem besten Golde gemacht. Als für viertzig Jahren der Svionen König Gotart den so berühmten Krieg angefangen / solte ein dieses Geheimnüß wissender Kauffmann in der Stadt Treva an dem Flusse Chalusus ihm hundert Pfund des derogestalt gemachten Goldes geschenckt haben / worvon man noch Müntze findete /darauf das Zeichen des Schwefels und Quecksilbers gepregt wäre. Zeno brach ein: Das letztere wäre ein denckwürdiges Beyspiel / nachdem sonst meistentheils die Goldmacher Gold-arme Bettler gewest / viel Fürsten das Marck ihrer Länder hierüber verschmeltzet / und nach dem ihre betrügerische Lehrmeister das in holen Werckzeugen verborgene Gold unvermerckt in den Tiegel geschüttet / und darinnen es dem Brutus / der dem Apollo zu Delphis sein güldenes Opfer in einem Stabe überbrachte / wiewohl gar betrüglich nachgethan / und also einfältige Fürsten zu hochschädlichem Nachschmeltzen verleitet hätten.[175] Wegen gleichmäßiger Verleitung hätten Segimers acht Untzen Gold wol hundert gekostet. Mit einem Worte /diese Ertztwandler hätten seines Wissens viel Reiche arm / keinen Armen aber noch reich gemacht / insonderheit aber etliche Fürsten durch abgeheischene Geschencke hinters Licht geführt. Sintemahl diese Betrügerey wie das Haupt der Medusen gleichsam alle Menschen in Steine verwandelte / und ihrer sonst gewohnten Vorsichtigkeit beraubete. Daher Fürst Inguiomer einen solchen Schmeltzer gar klüglich mit eben dieser Antwort abgefertigt / welche Ennius etlichen Wahrsagern gab / die von ihm gegen Offenbahrung eines Schatzes Geld foderten / daß sie nehmlich vor dem gefundenen Reichthume ihren Lohn haben solten. Eben so wenig wüsten sie etwas gewisses und einstimmiges von dieser Kunst ans Tagelicht zubringen / sondern sie verdeckten ihren Betrug mit lächerlichen Rätzeln und Träumen / durch Errichtung seltzamer Mißgeburthen / als des grünen Löwen / des flüchtigen Hirschen / des Drachen der seinen Schwantz verschlingt / der aufgeblasenen Kröte / des Raben-Haupts / und derogleichen / selbtem eine Farbe anzustreichen / und daraus ein heiliges Geheimnüß zu machen. Uberdiß laufft wider die Vernunfft /daß itzige unachtsame Zeit die Wissenschafft der so tiefsinnigen Vorwelt / der sterblichen und in dem Nebel der Unwissenheit verwickelten Menschen Kunst die unerforschliche Weißheit der Natur übertreffen solle / welche so viel Jahre über dem in den Ertzt-Adern so sparsam wachsenden Golde zu kochen / und die Metalle ihrem Wesen / Eigenschafft und Würckung nach so ferne von einander unterschieden hat; da hingegen diese Schmeltzer sich rühmen / daß sie in weniger Zeit grosse güldne Berge machen / ja wenn das grosse Welt-Meer eitel Qvecksilber wäre /solches alsofort in Gold verwandeln / und mit diesem gesegneten Weisensteine alte runtzlichte schön und jung / und bey nahe unsterblich machen / ein unverbrennliches Oel daraus ziehen / oder wol gar in einem Brennglase einen lebendigen Menschen / so wie er in Mutterleibe wächst / zubereiten könten / und dahero so wol das Gedichte wegen des Jupiters güldenem Regen und der Ruthe des Midas / als die Kräfften und Tugenden des von der Sonnen ausgearbeiteten Goldes weit überstiegen. Dahero hat diß Goldmachen auch bey mir nicht mehrern Glauben / und ist zweifelsfrey so wahr als diß / daß die Ameissen in dem Mitternächtischen Indien grosse Goldhauffen zusammen tragen sollen. Malovend antwortete: Er gebe gerne nach / daß unter diesem Golde viel Schlacke stecke / und dieser herrlichen Kunst viel Betrug und Mißbrauch /welcher aber die Sache an sich selbst / und dessen nützlichen Gebrauch nicht verwerflich machen könne / beygemischt sey / ja ihrer viel sich hierinnen für Halb-Götter rühmten / die kaum den Nahmen eines Qvecksalbers verdienten. Viel Unwissende opfferten auch nicht geringe Schätze dem Rauch vergebens auf; wie denn auch Roderich nicht wenig Gold in Nichts verschmeltzt haben soll / ehe er hinter diß Geheimnüß kommen. Sonst aber wäre diese Wissenschafft wegen ihrer vermeinten Neuigkeit nicht verdächtig zu machen; sintemahl sie vielleicht mit den meisten ums Alterthum striette / weil die ersten Weltweisen / nehmlich die Tichter / solche unter den Schalen der vom Vulcan / vom Proteus / von dem wiedergebohrnen Fenix / von der Pandora Büchse / denen güldnen Apfeln der Atalanta und der Hesperiden / von des Orfeus Höllenfarth beschrieben hätten; und insgemein geglaubet würde / daß das güldene Flüß / wornach die Argonauten geschiffet / nichts anders / als ein in ein Widder-Fell gehülletes Buch gewesen sey / worinnen die Kunst / den so geneñten Stein der Weisen zu machen / beschrieben gewest wäre. Massen die ältesten Egyptischen Priester / in ihrer geheimen Bilder-Schrifft / hiervon gantze Bücher geschrieben / derselben Uhrsprung ihrem[176] dreymal-grossen Hermes / den Gebrauch alleine den Königen zugeeignet / die Art der Zubereitung hinter die Gedichte vom Osiris /Horus / Typhon und der Isis versteckt hätten. Uberdiß gestünden auch die Verneiner dieser Kunst / daß keine natürliche Ursache verhanden wäre / daraus man nothschlüßlich die Unmögligkeit / aus geringerm Ertzte Gold zu machen / erzwingen könte. Am wenigsten aber thäte diese Wissenschafft der Natur und ihrem Ansehn einigen Abbruch. Denn wie die Kunst der Natur in vielen Sachen zu hülffe käme / durch Propffungen die Baum-Früchte verbesserte / durch Versetzung des Zwiebelwercks das Geblüme voll und schöner / durch gewisse Gläser Melonen / und andere Gewächse für der Zeit reif machte; also vertrete in vielen andern Fällen unser irrdisches Feuer die Stelle der Sonnenwärmbde / ja die Künstler kämen mit jenem / welches sie nach Nothdurfft der Sachen erhöhen oder mindern könten / in Schmeltz- und Ausziehung des Ertzts und der Kråuter weiter / als es die Sonne damit zubringen wüste. Unlaugbar wäre es /daß Qvecksilber und Alaun das Gold gar geschwinde von geringerm Zusatze reinigen / das irrdische Feuer das Gold reiffer und vollkommener machen / und derogestalt es der Sonne zuvor thun könte. Die Mögligkeit geringer Ertzt in Gold zu verwandeln wäre denen Grund-Gesetzen der Naturkündiger auch gemäß /nach dem Anaxagoras und Democritus schon für längst ausgeführet hätten: Es wären in der Welt alle Dinge so vermischt / daß nichts wäre / was man nicht in iedem andern antreffe. Insonderheit wären die Metalle in ihrem selbstständigen Wesen nicht von einander unterschieden. Saltz / Schwefel und Qvecksilber sey aller ihr Talg / die Vermischung unterscheidete sie allein / und daß ein oder das andere von diesen Dingen in einem mehr / als in dem andern / reif worden sey. Dahero wäre dieses keine gantz wesentliche Verwandelung zweyer in dem Selbststande gantz unterschiedene Dinge / sondern nur eine Auskoch- oder Ausbrütung des Unvollkommenen. Wie denn in Pannonien durch Güte desselben Erdreichs das gesäete Rocken-Korn im dritten Jahre zu Weitzen würde. Oder / da auch das Wesen selbst verwandelt würde /wäre solche der Natur nicht unbekand. Der Augenschein würde ieden überzeugen / daß in Pannonien /unferne von dem Flusse Granua / in einem Wasser das darein geworffene Eisen zu vollkommenem Kupfer werde. An einem andern Orte werde das Holtz zum Steine. Wie auch die irrdischen Dinge theils durch einen natürlichen / theils durch einen gewaltsamen Tod vergingen / nicht anders wäre es mit ihrer Zeugung beschaffen / und gebe die Kunst mehrmals eine Schöpfferin ab / wenn sie an statt des Brütens /durch gewisse Wärmbde aus den Eyern Geflügel brächte / und aus todten Dingen Mäuse / Kefer / Frösche / Schlangen und andere lebhafte Thiere machte /welche ihrer fühlenden Seele halber edler / als das Gold / wären. Daß diese Wissenschafft aber so seltzam wäre / könte ihrem warhaften Wesen nichts benehmen. Weil die Menschen alle Dinge nicht nach ihrer eigentlichen Köstligkeit / sondern nach dem ein oder anders ungemein wäre / schätzten / hätte die gütige Natur selbst Belieben getragen / ihre Köstligkeiten sparsamer wachsen zu lassen. Die Edelgesteine finde man nur in wenigen Ländern; der Ambra würde mit kleinen Körnern aus dem Meere / und die Perlen aus wenigen Flüssen zusammen geklaubt. Es wüchse tausend mal mehr Unkraut / als Jasmin und Rhabarber. Warum solten denn die warhafften Weisen mit dieser Wissenschafft so verschwenderisch umgehen? Wenn sie dieses Geheimnüß dem alberen Pöfel so gemein machten / würden sie nicht allein wider den der Natur geleisteten Eyd / der den Affen perlene Halsbänder umzumachen verbiete / sondern auch wider den Zweck dieser himmlischen Wissenschafft / welche keine[177] Magd des unersättlichen Geitzes / sondern eine Aertztin der menschlichen Schwachheiten / eine Handlangerin der Natur / und eine Lobsprecherin der göttlichen Allmacht seyn soll / ja wider das gemeine Heil sündigen / da sie den Kern alles Ertzts / den Nothpfennig aller Dürfftigkeit / das Mittel aller menschlichen Geschäffte und Umwechselungen / so gemein als die Steine auf den Gassen machen / und gleichsam dadurch des Ackermanns Hand vom Pfluge / des Kaufmanns Schiffe vom Meere abziehen / und die emßige Welt in Müßiggang einschläffen / oder diesem unschätzbaren Ertzte / welches nicht so wol die eigene Güte / als desselben Seltzamkeit schätzbar macht / seinen Werth entziehen würde. Ferner sey es auch iedem Künstler so wenig verboten seinen Handgriffen ungemeine Nahmen zu geben / so wenig es den Sternsehern übel zu deuten ist / daß sie die Gestirne in so seltzame Thiere eingetheilet / und die Egyptier ihre Geheimnüsse durch Hunde / Katzen /Eulen und Schlangen abgemahlet. Noch weniger mache diese Kunst verdächtig / daß selbte das Gold geschwinder bereitet / als es in den Berg-Adern und in seiner Mutter gezeuget wird. Denn / wie die Gestirne in die so tieffen Schachte nicht ohne ein und andere Hindernüsse / derogleichen diese Wissenschafft alle auf die Seite zu thun weiß / würcken könte; also wäre ungewiß / ob das Gold in Flüssen / welches doch das beste ist / so langen kochens dürffe. Wie wenig Zeit dörffe auch die Natur zu Zeugung der Goldkörner /die am Flusse Pathissus in den Wein-Trauben und also der das Gold in die Ertzt-Adern allein verdammenden Meinung nach auser ihrer Mutter wachsen /und ich selbst in meinen Händen gehabt habe. Uberdiß mache er die Natur Goldärmer als sie sey. Wie viel Flüsse führten häuffiges Gold? Aus wie viel Bergen haue man grosse Klumpen gediegenen Goldes? Welchen Uberfluß habe nicht nur Pannonien? In der oben erwehnten neuen Welt wäre ein grosser Berg Topiso so voller Gold und Silber / gleich als wenn er durch diesen Stein der Weisen darein wäre verwandelt worden; Und der gröste Reichthum liege zweiffelsfrey noch unter den Klippen oder in Wildnüssen verborgen. Endlich habe dieser gesegnete Stein der Weisen die Eigenschafft des Blitzes an sich / wie aus dem blitzenden Golde zu sehen / so insgemein zubereitet werden kan / und alles unter sich zerdrü ert. Wie nun der Blitz mit einem einigen Strahl die grössesten Cörper in einem Augenblicke durchdringet / also wäre es keine Unmögligkeit / daß wenn eine See voll sich zu dieser Verwandelung schickenden Talgs beysammen wäre / solche hierdurch zu Golde würde. Wenn eine Schlange einen Riesen / der Berge feil tragen und den Himmel unterstützen könte / an die kleine Zehe stäche / würde dieser Gran gleichwol den gantzen Leib einnehmen. Wann die gantze Welt von Schwefel und Salpeter zusammen gesetzt wäre / würde ein einiger Funcken solche in Brand stecken. Nach dem auch im Ertzte kräfftigere Artzneyen als in Kräutern stecken /das Gold aber das vollkommenste Ertzt / ja nach der alten Egyptier Urthel die Sonne und derogestalt auch das Hertze des Erdbodens ist / muß die daraus gezogene Artzney alle andere übertreffen / und da ein allgemeines Mittel wider alle Kranckheiten zu finden /solches nichts minder in dem Golde oder vielmehr diesem gesegneten Steine gesucht / als der Ursprung des natürlichen Lebens nach Gott / der Sonne zugeeignet werden. Ferner könne kein unverzehrliches Brenn-Oel füglicher aus was anderm / als aus dem in ein Oel verwandelten Golde / weil diß ja in dem feurigsten Schmeltz-Ofen keinen Gran einbüsset / sondern sich vielmehr durchs Feuer köstlicher auswürcket / zubereitet werden. Zeno fiel hier ein: Es liesse sich alles wohl hören / er würde aber auch seinem eigenen Auge hierinnen schwerlich glauben / also sie wol diesen Tag keinen sie entscheidenden Richter finden. Die[178] angezogenen Zeugnüsse der Alten wären ihm so verdächtig / als die neuen Ruhmsprüche etlicher Betrüger. Denn Betrug und Lügen hätten mit der Warheit einerley Alter. Fürnehmlich wären die Priester in Egypten Meister im Aufschneiden gewest / da sonst die glaubwürdigsten Lehrer des Alterthums kein Wort dieser Wissenschafft gedächten. Die gelehrten Gedichte hätten in sich den Kern der Sitten-Lehre / zu dieser geträumten Kunst aber würde sie mit den Haaren und gantz ungereimt gezogen. Hingegen liesse sich aus dem Gedichte / samb Vulcan die Minerva hätte nothzüchtigen wollen / und aus seinem Samen der Halb-Drache Erichtonius gezeugt worden wäre /gar artlich schlüssen: daß wenn diese Gold-Schmeltzer der Natur Gewalt anthun wolten / sie nichts als eine nur zu Verfälschung der Müntze dienende Mißgeburt zuwege brächten. Da aber auch diese Wissenschafft irgendswo anzutreffen wäre / solte man allen Goldmachern / weil dieses Ertzt mehr Menschen als das Eisen tödtete / einen Stein in Hals hencken und ins tiefste Meer werffen / dem gesegneten Steine aber es nicht besser mitspielen / als die Einwohner der Stadt Babytace an dem Flusse Tygris / welche alles Gold um es aus den Augen und dem Mißbrauche der Menschen zu reissen / tief verscharreten. Am allermeisten aber müste man diesen Stein des Aergernüsses Fürsten aus dem Wege räumen. Denn / weil weder Weißheit noch Herrschafft die gemeinen Begierden in uns ausrottet / und daher wenig Welt-Herrscher jenes Mohren-Königs Meinung sind / daß güldene Fessel nur Sclaven anstünden / insonderheit die denen Königen obliegende schwere Ausgaben das Verlangen nach diesem so angenehmen Ertzte vergrösserten /wären sie weniger als andere zu verdencken / wenn sie alle scheinbare Mittel / dessen fähig zu werden /untersuchten. Rhemetalces fing an: Ich aber bin der unvorgreiflichen Gedancken / daß ein Fürst so grosse Ursachen nicht habe viel Schätze zu sammlen. Zwar bescheide ich mich wol / daß ein Reich ohne Vorrath nicht bestehen könne. Daher die gemeinen Schatzkammern von den Serern gar klüglich Landwehren des Reichs / der Beschluß / darinnen von den Scythen das unversehrliche Blut des Volcks genennet wird. Und also Crates / der sein Vermögen ins Meer warf /eben so wenig als jener Verschwender zu einem Fürsten getaugt hätte / der mit vielem Reichthum angefüllte Schiffe zu Verwahrung eines Hafens in die See senckte / um seinem Bau den Ruhm der Kostbarkeit zu erwerben. Alleine die Sicherheit einer Herrschafft auf Reichthum bauen / halte ich vor eine grosse Eitelkeit / weil dieses so vieler mächtigen Reiche Fallbret /Armuth aber des so grossen Römischen Grundfeste gewesen ist. Lycurgus verbot denen Spartanischen Bürgern allen Gebrauch des Goldes und Silbers /wormit dieses schädliche Ertz weder ihre gute Sitten verderben / noch solch Uberfluß dem Vaterlande die mißgünstigen Nachbarn zu Feinden machen möchte. Sintemal doch Reichthum und die Hofnung der Beute des Krieges fürnehmste Ursachen wären. Hier frischte mit denen herausgestrichenen Schätzen seine Kriegsleute wider die Sicilischen Wüteriche auf / derer Raub ihnen mehr / als ihr Kriegs-Sold / eintragen würde. Den König in Cypern Ptolomeus hätten seine zusammen gescharrete Schätze ums Königreich gebracht. Käyser Julius wäre durch der Einwohner Vermögen in Gallien und Britannien gelockt worden. Zu was für einem grossen Wachsthume aber stieg Rom empor /als das Capitol noch mit Schindeln gedeckt war? Die Tugend war niemals in vollkommener Blüte / und die Siegs-Kräntze niemals gemeiner / als da Rom seine Kriegs-Häupter vom Pfluge holete. Crassus und Lucullus verdienen zwar mit ihrer grossen Pracht / Curius und Fabricius aber mit ihren nützlichen Helden-Thaten den Vorzug. Rom[179] hatte bey seinem Unvermögen keinen Mangel / da gleich ihre Feldherren nicht so viel verliessen / daß sie konten begraben werden /sondern der gemeine Kasten in die Lücke treten muste; da Tubero aus thönernen Geschirren speisete /und drey Gewende Ackers eines edlen Bürgers auskommentliches Vermögen war; Als Fabricius Lucinus den zwey mal gewesenen Bürgermeister Cornelius Ruffinus als einen Verschwender aus dem Rathe stieß / weil er zehn Pfund schweres Silbergeschirre gekaufft hatte; da Catus Elius / welchem die Etolischen Gesandten silbern Taffel-Gefässe schickten / als sie ihn hatten aus irrdenem speisen sehen / solch Geschencke verschmähete / und sich mit zweyen Bechern vergnügte / die ihm seiner Tugend halber aus des überwundenen Perseus Schatze waren verehret worden; ja als noch die Römischen Rathsherren der Carthaginensischen Botschafft ein Gelächter waren / weil sie alle zusammen mehr nicht als für eine Taffel zu besetzen Silberwerck hatten. Hingegen ist zu Rom die Tugend mercklich verfallen / nach dem die Asiatischen Schätze die Römer zu besitzen und zu überwinden angefangen / also gar / daß das Armuth eine Hindernüß in Rath zu kommen abgab. Welches Unheil Cato vorgesehen / und wider die Einfuhre des zu Athen und Corinth gewonnenen Raubes so nachdrücklich geredet hat. Bey welcher Bewandnüß sich nicht zu verwundern ist / warum die Stadt Gades der Armuth ein Altar zu bauen / und sie darauf als eine Göttin zu verehren gewürdigt haben.

Zeno begegnete Rhemetalcen: Es wäre leicht nachzugeben / daß grosses Reichthum eben so wol als die Fruchtbarkeit eines Landes arme und dürftige Nachbarn zu Ergreiffung der Waffen um sich in einen bessern Stand zu setzen zuweilen angereitzt hätte. Nichts desto weniger hätte das Armuth der Scythen den Cyrus und Alexandern / das ziemliche rauhe und von Golde wenig reiche Deutschland die Herrschsucht der Römer von dem Einfalle nicht zurück gehalten. Jenes aber hätte sich nur alsdenn ereignet / wenn die Einwohner eines Landes zugleich weibisch / und ihr Fürst von weniger Klugheit und Tapfferkeit gewest. Denn an sich selbst ist Reichthum eine Krone der Weisen / weil es sie bey der Welt in Ansehn setzt / ihr offt niedriges Geschlechte in Adel erhebt / ja in des gemeinen Volckes Augen sie allererst zu weisen /schönen / tugendhafften und edlen Leuten macht. Denn wie der Schall des Meßings die durch Zauberey beruffenen Geister vertreiben / die schwermenden Bienen aber vereinbarn soll: Also zeucht hingegen das Vermögen die besten Gemüther an sich / und machet auch die Gehässigsten uns zu Freunden. Aus welchem Absehen vielleicht das Getichte den Ursprung genommen / daß der freygebige Midas / welcher aus dem Berge Bermius so viel Gold graben ließ / alles in Gold zu verwandeln vermocht hätte. Daher etliche Weisen dem Golde die oberste Herrschafft der Welt zueignen / welcher alle eigenbeweglich den Eyd der Treue leisteten / und deswegen des Scythischen Königs Gesandter / als er von einem Goldmacher sagen gehört / nicht ungereimt gesagt hat: wenn er warhafftig diß könte / würde sein König nothwendig sein Knecht werden müssen. Insonderheit erhärtete die Erfahrung / daß das Gold die Spann-Ader einer Herrschafft und im Kriege die Seene der Bogen / die Schneide der Schwerdter / und der Schlüssel aller Festungen wäre. Tantalus håtte mit diesem Marcke der Erden / welches er aus dem Phrygischen Berge Sipilus gegraben / seine Herrschafft in seinem Hause der Pelopiden befestigt. Die Gold-Adern des Pangeischen Gebürges in Thracien hätten den Phönicischen König Cadmus zum Meister seiner Zeit / und das Bergwerck bey Abidus den Priamus zu Asiens Oberherrn gemacht. Carthago hätte nicht mit seiner Bürger Waffen / sondern mit dem aus der Handlung[180] gezogenen Gelde / damit es die zum Kriege geworbenen Ausländer besolden können / sein Gebiete in drey Theile der Welt ausgebreitet. Durch das vom Chrisitis empfangene Gold habe König Philipp den Grundstein zum Macedonischen Reiche gelegt. Weßwegen er seines Orts für eine der grösten Klugheiten eines Fürsten hielte /daß er als ein kluger Hausvater auf einen guten Vorrath desselbten Ertztes bey Zeiten sinnete / welches auch die Ameisen / als die Fürbilder eines wohlbestellten gemeinen Wesens / zusammen trügen / und für den Menschen zu verstecken bemüht wären / ja dessen Gewalt gleichsam eine Gleichheit mit der göttlichen hätte / weil niemand wäre / der sich nicht der Botmäßigkeit des Goldes unterwürffe.

Rhemetalces gab bey diesem gemachten Unterschiede dem Fürsten Zeno leicht Beyfall / und setzte bey: Er hielte es zwar nicht mit dem Glauben der Stadt Rhadata / daß er eine güldene Katze anbeten solte; Die Vertilgung des Goldes wolte er aber gleichwohl auch nicht gerne sehen / weil die Persen solches nicht umsonst der Sonne / die Lacedemonier dem Delphischen Apollo / als ein mehr den Göttern als Menschen gehöriges Kleinod gewiedmet / die weise Natur es aber gantz unversehrlich gezeiget hätte / daß ihm das sonst alles verzehrende Feuer keinen Abbruch thun könte; welch Vorrecht kein ander irrdisches Ding in der Welt hätte. Malovend brach Rhemetalcen ein /und fragte: Ob denn das unverbrennliche Oel / welches das ewige Feuer unterhielte / nicht auch / wie das Gold / unversehrlich / und dem Feuer zu widerstehen mächtig wäre. Rhemetalces antwortete: Er hätte grössern Zweiffel / ob das unverbrennliche Oel und das ewige Feuer iemahls in der Welt gewest / und von Menschen zu bereiten wäre / als man aus geringerm ErtzteGold machen könte? Zeno fing an: es wäre an jenem keinesweges zu zweiffeln. Sintemal gantz Rom zu erzehlen wüste / daß der Bürgermeister Cicero in das Grab seiner Tochter Tullia ewiges Feuer gesetzt /und daß an der Tiber in einer Höle / worein der vom Turnus erlegte Riese Pallas gelegt worden / noch immer eine Lampe brenne. So habe er auch in den Egyptischen Grüfften mit seinen Augen solche unausleschliche Lichter gesehen. Malovend begegnete ihm lächelnde: Zeno möchte ihm verzeihen / daß er seinem Unglauben einen andern nunmehr entgegen setzte. Denn ihm wäre zwar nicht verborgen / daß ihrer viel ewige Lichter zu machen sich bemühet / auch darauff gekommen zu seyn vermeinet hätten; es habe aber gleichwohl damit nicht Bestand gehabt. So sey auch hin und wieder bey Eröffnung der Todten-Grüffte und Hölen eine unvermuthete Flamme oder lichter Strahl einem ins Gesichte gefallen; allein es wäre diß nichts anders / als die von langer Zeit verschlossene Lufft und fette Dünste gewest / welche von der neu eindringenden Lufft gleich wie die Irrlichter an sumpfichten Oertern / angezündet worden; wie denn auch ohne diß dergleichen Irrwische gar gemein um die Grabstädte gefunden würden. In Egypten wäre das Erdreich voll Peches und rinnenden Hartztes / welches die Priester durch heimliche Röhrlein in ihre derogestalt leicht ewige Ampeln leiteten / darinnen sie unverbrennliche Tachter hätten. Derogleichen Tacht habe auch Callimachus in Athen zu seiner Ampel gebraucht / welche ein gantz Jahr gebrennet / und weder vom Winde noch Platz-Regen auszuleschen gewest. Und würden solche aus dem bekandten Flachse / der in Arcadien /fürnehmlich aber in dem heissesten Indien wachse /allwo man daraus / wiewohl / weil er kurtz / gar schwerlich Leinwand macht / darinnen der Könige Leichname verbrennet werden / um ihre von der Holz-Asche abzusondern / zubereitet. In dem Scythischen Reiche Tanyu wachse ein Kraut auff Steinen / welches im Wasser zwar in Koth zerfleust / im Feuer aber nur glüend /[181] doch im wenigsten versehret wird. So lasse sich auch der Amiantenstein / der in Arabien / Cypern und auff dem Berge Carystus / ja auch in unserm Deutschlande gefunden wird / in Fädeme zerspinnen /die im Feuer nicht versehret / sondern darinnen gereiniget werden. Ja man habe so gar Papier davon / darauff man schreibt / und wenn man die Schrifft ausleschen wil / solches ohne Versehrung ins Feuer wirfft. Weil nun diese Tachte ein Oel oder Nahrung der Flammen haben müssen / und ohne diesen Beysatz beyde vor sich selbst nicht brenneten / nichts unverzehrliches und nicht verrauchendes noch zur Zeit nicht gefunden worden wäre / ob schon ihrer viel selbtes aus erzehltem Flachse und Steine zu ziehen vergebens sich bemühet / werde ihm niemand ausreden / daß so wenig ein ewiges Feuer / als eine ewige alleine von der Kunst herrührende Bewegung iemahls gewest oder zu machen sey.

Rhemetalces brach hiermit ein: Ich besorge / wir werden über dem ewigen Lichte auch den Schein des an sich selbst zwar unvergänglichen Tagelichts verlieren. Dahero haben wir uns hier länger nicht auffzuhalten / sondern den Fürsten Malovend zu bitten / daß er sich seines Versprechens entbinde / und uns den Rückstand vom Feldherrn Malorich melde.


Dieser / fing Malovend an / gelangte zwar nach seines Brudern Roderichs Absterben bey schon ziemlich hohem Alter vollends zu dem Qvadischen Zepter und der Deutschen Feld-Hauptmannschafft; allein er hatte schon lange vorher als ein Heerführer in den Pannonischen Kriegen seine Klugheit und Tapfferkeit / welche ihn dieser Würden würdig erklärten / dargethan. Er gerieth mit der Scythen Könige Techma / weil er in Dacien einen ihm nicht beliebigen Fürsten eingedrungen hatte / in Zwist / war auch wohl entschlossen dieses Unrecht mit dem Degen auszuführen / allein die deutschen Fürsten waren durch keine bewegliche Ausführung zu bewegen / daß sie zu dem so gerechten Kriege gestimmet hätten. Daher verneuerte er den vom Roderich gemachten Frieden; zumahl die Zwytracht zwischen den Druyden / Barden und Eubagen auffs neue anzuglimmen anfing / welche hernach unter dem Fürsten Aembrich gantz Deutschland in eine grausame Flamme versetzte. Ob nun wohl derogestalt seine Herrschafft ohne Krieg war / war er doch niemahls ohne Waffen / als die gewissesten Siegel einer sichern Ruh. Er verbarg bey seinem hohen Alter das Abnehmen seiner Kräfte / indem er nicht allein der kräncklichen Blässe seines Antlitzes mit Salben halff / und seine Schwäche mit prächtigen Kleidern verstellte / sondern auch offtmahls Ritterspiele übte /den Rathschlägen stets persönlich beywohnte / neue Städte zu bauen anfing / und allerhand fremde Thiere kommen ließ. Er machte ihm selbst nichts schwer / er beschwerte mit nichts die Brust / was auff die Achsel gehörte / und verabsäumte nichts was dem Volcke seinen lebhafften Zustand einreden konte. Endlich deuchtete ihn / er könte seinem Ansehen keine bessere Stütze untersetzen / als wegen ermangelnder Kinder seine Nachfolge nicht in Ungewißheit lassen. Daher nahm er in voller Reichs-Versammlung seines Vaters Brudern Sohn Hertzog Aembrichen zu seinem Sohne an / und erklärte ihn auff seinen Todesfall zum Könige der Marckmänner / Qvaden / Pannonier und Noricher. Es ist sicher / sagte Rhemetalces / diß eine kräfftige Grund-Säule eines verlebten Fürsten. Auff diese lehnte sich auch Käyser Augustus / als er anfänglich seinen Schwester-Sohn Marcellus / hernach seinen Eydam Agrippa / bald hierauf seine Enckel den Cajus und Lucius / und endlich den Tiberius an Kindesstatt annahm. Ja auch Fürsten / die Kinder haben / thun klüglich / wenn[182] sie noch bey Lebzeiten ihnen die Krone auffsetzen / und die Völcker vereyden. Bey den Persen darff kein König einen wichtigen Zug vornehmen / er benenne denn vor seinen Nachfolger. Hingegen hat der grosse Alexander einen nicht kleinen Fehler begangen / sein Reich zergliedert / Krieg und Blutstürtzung angerichtet / als seine Ehrsucht oder Mißgunst den Zanck-Apffel unter seine Grosse geworffen / daß der Würdigste nach ihm herrschen solte. Freylich wohl that Malorich klüger / und seine Entschlüssung bekleidete er mit diesem Vortrage / fuhr Malovend fort / GOtt hätte ihm zwar Zeither mehr Kräfften verliehen / als ein solches Alter auch bey denen / die fürs gemeine Heil ihnen nie keinen Schlaff verstört / nicht insgemein zu haben pflegte; Gleichwohl hiesse ihn seine Sterbligkeit behertzigen / daß der Purper so wohl als ein härin Kleid Asche würde /die Liebe des Vaterlandes aber ihm einen Sohn erkiesen / der ein Vater des Reichs werde. Hierzu habe er den Fürsten Aembrich für tauglich erachtet / nicht /weil er seines Geblütes / sondern zeither ein redlicher Bürger gewesen. Er sey in einem solchen Alter / das die Reitzungen der schlüpffrigen Jugend überstanden / und die Schwachheiten des Alters noch so bald nicht zu gewarten habe. Er sey von Ankunfft kein Fremder /dessen Sitten die väterlichen Gesetze verderben / dessen Anhang die Einheimischen drücken / die Verdienten verdringen könte; sondern aus einem Stamme / der zu herrschen gewohnt wäre / und sich sonder einige Uberhebung über der nicht neuen Würde in Schrancken zu halten wüste. In seinem Leben finde er nichts zu entschuldigen / und weil er dem Glücke schon auff beyden Achseln gesessen / wäre nicht zu besorgen /daß er im Widrigen den Reichs-Stab würde lassen aus der Hand fallen / im Guten aber sich versteigen / und zu der Länder Verderb Schlösser in die Lufft bauen. Würden die Unterthanen zu ihm so viel Liebe tragen /als er Klugheit und Tugend mit auff den Königlichen Stul brächte / so würde das Volck sich über ihrem Fürsten / und der Fürst über seinem Volcke zu erfreuen haben. Das Volck begleitete diesen Schluß mit wiederholten Glücks-Rüffen. Als es aber durch ein Zeichen wieder gestillet war / kehrte sich Malorich zu Aembrichen und hielt ihm ein: Es wäre nun an dem /daß / weil der grosse Leib des Reiches und so viel Glieder des Volckes nicht ohne Haupt seyn / und ohne einen / der den Ausschlag gebe / nicht in gleichem Gewichte gehen könte / sein fallendes Alter dem gemeinen Wesen nicht mehr zu dienen vermöchte / als wenn es dem Reiche einen tapffern Nachfolger liesse /sein blühendes aber / wenn es einen guten Fürsten abgäbe. Er solte sich angelegen seyn lassen / daß er nicht allein besser sey / als er gewest / und sein Wohlverhalten auch die Hoffnung übertreffe dessen / der ihn erwehlet / und den Wunsch derer / die ihn für ihr Oberhaupt angenommen. Der setze eine Natter in die Schoos seiner Unterthanen / und einen Phaeton über sein Reich / der einen ungerathenen Sohn zum Nachfolger liesse. Diß Laster aber finde keinen genugsam schlimmen Nahmen / wenn ein Fürst mit seinem Nachfolger eifert / und einen Wüterich darzu bestimmt / wormit er seine Gebrechen hierdurch verkleinere / und das Volck erst / wann er todt / nach ihm seufftzen lerne. Zeno brach hierzwischen ein: Dieses gibt man dem Augustus schuld / daß er an dem ehrsüchtigen und grimmigen Tiberius eine aus Blut und Kalck zusammen geronnene Mißgeburt nach sich zu lassen entschlossen sey; Wormit aus ihrer beyder schlimmen Gegeneinanderhaltung ihm ein Nachruhm erwachse. Malovend fuhr in Malorichs Rede gegen den Fürsten Aembrich fort: Ein Fürst gebohren seyn /ist ein blosser Zufall / erwehlt darzu werden / eines andern Willkühr / den Unterthanen aber wohl fürstehen / ein[183] recht eigner Ruhm. Diesen wirstu ohnfehlbar erlangen / wenn du es so machen wirst / wie du es wünschetest / daß es ein Fürst / der über dich herrschte / anstellen solte. Das Volck beschloß diese Rede mit abermahligem Jauchtzen und Freuden-Feuern. Der Himmel aber steckte kurtz hierauff der Welt eine Trauer-Fackel durch einen abscheulichen Schwantz-Stern an; von welchem man alsbald die Auslegung machte / daß er nicht allein den Tod des Feldherrn /sondern auch / weil er dreißig Nächte mit seiner feurigen Ruthe den Kreiß des Himmels durchstrich / und den Erdkreiß erschreckte / so vieljährigen Kriegs-Brand bedeutete. Ich höre wohl / fing Rhemetalces an: du seyest des Pöfels Meinung / daß die Schwantz-Sterne allezeit was böses wahrsagen; welches ob es einen Grund habe / mir sehr zweiffelhafft scheinet. Ich trauete mir ihrer fast mehr auffzubringen die meiner Meinung sind / daß sie so wohl in natürlichen Dingen nützlich / als in ihren Anzeigungen erfreulich sind. Sintemal sie nichts minder / als der Donner / die Lufft von schädlichen Dünsten reinigen. Als der grosse König Mithridates Eupater gebohren war / und den Syrischen Thron betrat / ward seine Grösse durch einen Schwantz-Stern angedeutet / welcher mit seinem Schwantze das vierdte Theil des Himmels einnahm / die Sonne verdüsterte / und siebtzig Tage und Nächte so grosse Feuer-Stralen von sich warff / daß es schien / er würde den Himmel einäschern. Des itzigen Käysers glückliche Heyrath ward auch hierdurch bezeichnet / ja nicht nur Augustus gab für / daß des ersten Käysers Seele in selbigen Schwantz-Stern /weil er gleich in denen ihm zu Ehren angestellten Schauspielen erschien / verwandelt worden wäre; sondern eine grosse Anzahl der tiefsinnigsten Weltweisen hat stets dafür gehalten / daß die Schwantz-Sterne Seelen wohlverdienter und noch unter den Gestirnen siegprangender Helden wären. Andere hätten sie gar für Götter gehalten und angebetet. Malovend antwortete: Anderer Aberglaube wird mich nicht bereden /diß für ein Glücks-Zeichen zu halten / für dessen blutigen Stralen / welche meist eine Straff-Ruthe / zuweilen Schwerdter und Spieße abbilden / das Auge Abscheu hat / und das menschliche Gemüthe durch einen geheimen Trieb alsofort in Schrecken versetzt wird. Die tausendfache Erfahrung hat es fürlängst erhärtet /daß kein Schwantz Stern iemahls erschienen / der nicht Veränderung der Reiche und Blutstürtzungen nach sich gezogen. Weßwegen auch unterschiedene ihren Untergang besorgende Fürsten selbte mit edlem Blute zu versöhnen gemeint; gleich als wenn sie so grimmige Götter wären / welche nicht gemeines Menschen-Blut zu ihrem Opffer verlangten. Die traurigen Ausschläge wären auch weder zu Mithridatens / noch zu Augustens Zeit aussen blieben. Hätte er diesen zweyen Ehrsüchtigen Menschen gleich Sieg und Freude mitbracht / so hätten hingegen so viel tausend ins Graß beissen oder weinen müssen. Die Boßheit der Welt wäre ein solcher Schadenfroh / daß sie insgemein über andern Thränen lachte. Wenn einer gewinnt / müste der ander verspielen. Des einen Verlust wäre des andern Vortheil; des einen Schiffbruch des andern Beute. Als das Erdbeben die Stadt Rhodus eingeworffen / und andere in Asien verschlungen / wäre zwischen der Insel Thenamene und Therasia eine neue ans Licht kommen. Welches die Warsager alsofort ausgelegt: das Römische Reich würde das Griechische verschlingen. Des einen Ergetzung aber nehme fremden Unglücke nicht sein Ubel. Der erwehnte blutige Schwantz-Stern habe leider! nicht nur den Feldherrn Malorich ins Grab / sondern die halbe Welt in ein jämmerliches Blut-Bad gestürtzet. Und diesen Unstern habe ein kläglicher Einfall eines Rhetischen Berges begleitet / dessen[184] zerberstende Klippen im Augenblicke eine gantze Stadt begraben; also auff die bald folgende Zerrüttung vieler Königreiche gleichsam mit dem Finger gewiesen. Zeno verjahete dem Fürsten Malovend / daß zwar Schwantz-Sterne und Erdbeben aus natürlichen Ursachen / und zwar jene aus den feurigen Ausdampffungen der Gestirne / diese vom Ausbrechen der unterirrdischen Lufft ihren Ursprung hätten; gleichwohl aber pflegte die göttliche Versehung iederzeit darmit grosses Unheil anzudeuten. Auff das Versincken der Stadt Lysimachia wäre alsofort der Stamm und die Herrschafft dessen / der sie in Grund gelegt hätte / untergegangen / und er selbst hätte durch der Stieff-Mutter Arsinoe Gifft seinen so tapffern Sohn Agathocles unmenschlicher Weise hingerichtet. Als in Syrien hundert und siebentzig tausend Menschen verfallen wären / hätten die Zeichendeuter die Veränderung des Reichs angekündigt / und Pompejus die Königliche Herrschafft in Syrien auffgehoben. Wie bey Mutina zwey Berge gegeneinander gerennet / und Feuer und Rauch gegen einander ausgespyen / wäre gantz Italien wider Rom auffgestanden / und für der Römer Niederlage an der Thrasymener See hätte die Erde sieben und viertzig mahl gebebet. Malovend setzte bey; Und ihr werdet mit der Zeit von mir vernehmen / daß nach dem Rhetischen Felsenbruche Deutschland dreißig Jahr erzittert sey.

Unter diesem Gespräche näherten sich diese Fürsten an Deutschburg / welche sie von einer unzehlbaren Menge brennender Fackeln erleuchtet sahen / und ein hefftiges Gethöne von Trompeten und Kessel-Paucken höreten. Als sie hinein kamen / ward ihnen vermeldet / daß Melo der Sicambrer Hertzog mit seinem Bruder Beroris und dessen Sohne Dietrich seinen Einzug gehalten / und eine grosse Menge gefangener Römer und Gallier mitgebracht hätten. Diese Fürsten / welche wider die Römer vermöge der mit dem Hertzog Herrmann gepflogener Verständniß den ersten Auffstand gemacht hatten / brachten diese den Deutschen erfreuliche Zeitung mit / daß weil Qvintilius Varus alhier geschlagen / habe Melo die von dem Drusus auff dem Gebürge Taunus gebauete Festung Tranburg mit stürmender Hand eingenommen / seinem Bruder habe sich Mattium und Segodun /und in ihrem Rückwege auch die Cattenburg an der Aeder ergeben; Hertzog Dietrich habe mit seiner leichten Reuterey noch den abgematteten Cäditius ereilet / selbten geschlagen / also / daß er mit einer geringen Uberbleibung mit Noth über den Rhein gediegen / allwo die Menapier und Eburoner des Römischen Jochs überdrüßig wären / und / da die Deutschen mit einer mittelmäßigen Macht über den Rhein setzen würden / wider die Römer zugleich auffzustehen und ihre Waffen mit den ihrigen zu vereinigen sich anerboten hätten. Derogestalt hätten die Römer disseit des Rheins keine Besatzung mehr / und hätte nunmehr ihre Tapfferkeit ihre Reichs-Grentze dahin wieder erweitert / wohin sie die Natur durch diesen grossen Fluß verleget hatte. Die unbeschreibliche Freude über diesem neuen Siege verstattete den Siegern / die Bekümmerniß aber denen Uberwundenen keine Ruh; sondern die gantze Nacht ward von jenen mit Gastereyen und ruhmräthigen Erzehlungen ihrer Heldenthaten / welche sie so wie der Römer Verlust nicht groß genug zu machen wusten / von diesen aber mit Seufftzen / dem Schlaffe aus den Händen gewunden. Denn der Ruhm und das Geschrey sind Geschwister der Riesen / die von keinem Mittel wissen / sondern eitel Wunderwercke oder Mißgeburten gebähren / nehmlich des Lobes oder der Verachtung. Biß endlich die schläffrige Morgenröthe ihre Augenbranen der Welt eröffnete / diesen von zweyen so widrigen Gemüths-Regungen aber ermunterten Leuten endlich zufallen ließ.

Quelle:
Daniel Caspar von Lohenstein: Großmütiger Feldherr Arminius, Erster Theil, Leipzig 1689, S. 84-185.
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