I. Die Liebe des Zyklopen Polyphemus zu der Nereide Galatea.

Doris, Galatea.


DORIS. Dein schöner Liebhaber, Galatea, der feine sizilianische Schäfer, soll ja zum Rasen in dich verliebt sein, sagt man.

GALATEA. Spotte nicht, Doris; er mag sein, wie er will, so ist er doch ein Sohn Neptuns.

DORIS. Ei was! Und wenn er Jupiters Sohn wäre, so wild und struppicht, wie er aussieht, und, was noch das häßlichste ist, mit dem einzigen Aug über der Nase, was würde ihm seine hohe Abkunft zur Schönheit helfen!

GALATEA. Das Struppichte und Wilde, das du so häßlich findest, läßt ihm gar nicht übel: es gibt ihm ein männliches, majestätisches Ansehen. Auch das einzige Auge macht einen schönen Effekt auf seiner Stirne, und er sieht nicht weniger damit als mit zweien.

DORIS. Ach, wie ich höre, bin ich falsch berichtet: anstatt daß Polyphem dein Liebhaber wäre, bist du selbst in ihn verliebt.

GALATEA. Das nun eben nicht; ich kann nur das spöttische, tadelsüchtige Wesen nicht an euch leiden. Aber der bloße Neid, wie ich merke, spricht aus euch. Daß er neulich, da er von seinem Felsen herab unsern Spielen am Fuße des Ätna zusah, euch keines Anblicks würdigte, ich hingegen unter allen ihm die schönste deuchte, kurz, daß er für mich allein ein Auge hatte, das ärgert euch! denn es ist ein Beweis, daß ich liebenswürdiger bin als ihr und daß er, sobald er mich sah, euch übrigen nicht einmal bemerkte.

DORIS. Du glaubst also, sehr beneidenswürdig zu sein, weil dich ein halbblinder Schafhirt hübsch gefunden hat? und[321] was hat er denn am Ende an dir loben können als deine Weiße? Vermutlich weil es die Farbe seiner Milch und seiner Käse ist und er alles, was diesen gleicht, für schön hält. Wenn du aber wissen willst, wie wenig du dir auf alles übrige einzubilden hast, so bücke dich nur von irgendeiner Uferspitze aufs Wasser herab, wenn das Meer vollkommen windstill ist: so wirst du sehen, daß diese fade Milchfarbe deine ganze Schönheit ausmacht; aber wer wird denn diese loben, wenn sie nicht durch eine angenehme Röte belebt wird?

GALATEA. Mit aller meiner Weiße hab ich doch wenigstens einen Liebhaber gefunden! Von euch ist keine einzige, die sich rühmen kann, jemals von einem Hirten, Schiffer oder Fährmann besungen worden zu sein. Mein Polyphemus hingegen ist, außer seinen übrigen Vorzügen, auch musikalisch.

DORIS. O sage mir nichts von seiner Musik! Wir haben ihn singen gehört, wie er neulich zu dir schmausen ging. So wahr mir Venus hold sei, wir glaubten, einen Esel schreien zu hören. Und seine Fiedel, die war nun vollends ein schönes Stück! Der nackte Schädel von einem Hirsche; das Geweih stellte die beiden Seitenhölzer vor; oben hatte er einen Steg angebracht, woran die Saiten ohne Stimmnägel aufgespannt waren; und nun zwickte er aufs Geratewohl eine häßliche Art von Mißtönen heraus, unbekümmert, daß sie gar nicht zu seinem Geplärr stimmten und daß seine sogenannte Leier ganz was anders nachschnarrte, als was er brüllte. Es war uns unmöglich, das Lachen zu lassen; es klang so schön, daß sogar die Echo, wie geschwätzig sie auch sonst ist, keinen Laut von sich gab, weil sie sich geschämt hätte, einen so rauhen und lächerlichen Singsang nachzusingen. Aber das war noch nicht alles. Der holde Schatz trug einen kleinen Bären in den Armen, der beinahe so zottig war als er selbst und womit er dir vermutlich statt eines Schoßhündchens eine Galanterie machen wollte. Wer sollte dich um einen solchen Liebhaber nicht beneiden, Galatea?

GALATEA. Gut! So zeige mir denn den deinigen, Doris, der[322] ohne Zweifel schöner ist und schöner singt und besser auf der Zither spielt!

DORIS. Ich habe keinen Liebhaber und gebe mich auch nicht für so schön, daß sich alles in mich verlieben müßte. Behalte du immer deinen Zyklopen, der einen so angenehmen Bocksgeruch um sich her duftet und die Fremden, die sein Revier betreten, ungekocht aufißt! Ich wünsche dir Glück zu ihm, und möchtest du ihn ebenso zärtlich wieder lieben, als du von ihm geliebt wirst!

Quelle:
Lukian: Werke in drei Bänden. Berlin, Weimar 21981, Band 1, S. 321-323.
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