Einzelhaft

[139] Menschen, die heiße Herzen nicht kennen,

wittern Gefahr von ihrem Schlag

und sinnen, ihr Sehnen auszubrennen,

auf neue Qualen an jedem Tag.

Die Tür mit Schlössern und Bolzen verriegelt,

ein Spähloch darin, durch das Haß mich bewacht,

die Füße gehemmt, die Stimme versiegelt,

Stickluft und Fliegen bei Tag und Nacht.

Und draußen ein Rasseln und Klirren und Poltern:

Das mahnt, daß des Feindes Trachten nicht ruht.

Ein Froschhirn bastelt an Seelenfoltern

und dringt mit keiner doch bis ans Blut ...

Strengt euch nicht an, ihr armen Beamten!

Niemals schlägt mir ins Herz euer Blitz.

Vergeudet ihr doch mit euern gesamten

Peinigungen nur Tintenwitz.

Glaubt ihr, ihr könntet die Liebe verwunden,

trennt ihr mit List die Frau vom Mann?

Herzen bleiben immer verbunden,

auch wenn die Lippe nicht küssen kann.

Glaubt ihr, umschlossen von kalkigen Mauern

dorre mir Geist und Seele ein?

Ach, ihr wißt nichts von heiligen Schauern;

der sie kennt, ist niemals allein.

Kommt nur heran mit Martern und Plagen!

Nehmt mir das Lager und kürzt mir die Kost!

Heißes Herz kann Hunger ertragen,

heißes Herz erfriert nicht im Frost.

Arme Teufel, ihr Bürokraten,

tötet mich doch, befiehlt's eure Pflicht!

Ihr könnt den Leib des Rebellen braten,

das Herz und die Seele versengt ihr ihm nicht!


Quelle:
Erich Mühsam: Ausgewählte Werke, Bd.1: Gedichte. Prosa. Stücke, Berlin 1978, S. 139-140.
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