528. Die schwarze Greet am Dannewerk.

[358] Gott straft die alte Königin Margret so für ihr ruchloses Leben, daß sie keine Ruhe im Grabe hat und in jeder Nacht über den alten Wall, den sie mit Hilfe des Teufels gebaut hat, hinreiten muß. Das haben viele Leute gesehen. Oft kommt sie auch Mittags zwischen zwölf und ein. Sie trägt stets ein schwarzes Kleid, reitet auf einem weißen Rosse, das Dampf und Feuer aushaucht; ihr nach folgen zwei andere Geister in schneeweißem Gewande. So macht sie jedesmal die Runde in vollem Rennen von Hollingstede bis Haddeby. – Einmal war eine Magd ausgeschickt, an dem Walle Kartoffeln auszugraben; es war Mittags um zwölf. Da kam sie plötzlich nach Hause gesprungen und schrie, die schwarze Greet sei ihr vorbeigesaust und ihre Begleiter seien auf sie losgekommen. Da habe sie den Kartoffelsack im Stich gelassen und sei davongelaufen. Als man nun hinging und nachsah, fand man die Kartoffeln umhergestreut und zertreten. Das hatte aber die schwarze Greet getan, weil sie nicht will, daß auf ihrem Wall gebaut werden soll.

Noch in der Neujahrsnacht des Jahres 1844 geschah es, daß die Kinder der Leute, die bei Kurburg am alten Walle wohnen, Abends spät nach elf von der Nachbarschaft nach Hause gingen. Da kam ihnen auf dem Walle das weiße Pferd entgegen, mit einem weißen Laken behangen, große Klunker an den Ohren, mit einer Laterne vor dem Kopf, es gab Dampf von sich, und darauf saß eine hohe schwarze Gestalt. Das war die Greet. Zwei andere weiße Gestalten folgten ihr zu Fuß. Die Mädchen liefen eilig ins Feld, da sauste das Pferd weiter den Wall entlang, aber die weißen Gestalten verfolgten sie. Die Mädchen waren in großer Not. Die kleinste fiel und fing an zu beten, die andern kamen davon. Als nun die Eltern die Kleine nach Hause holten, konnte sie kein Wort reden, als: »Das Pferd! das weiße Pferd!« Noch mehrere Tage redete sie irre, und als der Vater diese Geschichte erzählte, ward ihr wieder ganz angst und sie hielt die Hände vors Gesicht, war auch auf keine Weise zu bewegen, etwas davon zu erzählen.


Durch Kandidat Arndt. – Auch in den Niederlanden kennt man eine schwarze Margret. Wolf, Deutsche Sagen Nr. 86.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 358-359.
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Plattdeutsche Legenden und Märchen: aus: Karl Müllenhoffs Sammlung (1845): Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
Legenden und Märchen von Ostsee und Schlei: aus: Karl Müllenhoffs Sammlung (1845): Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
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