Dreizehnter Auftritt


[666] Vorige, ohne Ultra, später Frau von Frankenfrei.


WILLIBALD. Wenn den der Bürgermeister umstimmt –

SIGMUND. Oh! gar kein Zweifel –

WILLIBALD. Dann sag' ich zum Frohsinn, fahre hin, du Flattersinn, und zum Servilismus – Es wird geklopft. – herein.

FRAU VON FRANKENFREI zur Mitte eintretend. Meine Herren –

SIGMUND. Meine Gnädige –

WILLIBALD. Wie lange wurde uns das Glück nicht zuteil, die interessanteste, eigentlich die einzige interessante Frau von ganz Krähwinkel zu sehen, die Frau, der man's auf den ersten Blick gleich ansieht, daß sie eine Fremde, und nur durch Zufall in unser Nest hereingeschleudert ist.

FRAU VON FRANKENFREI. Und durch welch traurigen Zufall – durch den Tod meines Gemahls.

SIGMUND. Auf der Reise sterben ist gar etwas Unangenehmes.

WILLIBALD. Dafür ist er in Krähwinkel gestorben. Und an einem Orte, wo das Leben nichts bietet, kann der Tod nicht besonders schwer sein.[666]

FRAU VON FRANKENFREI. Ich muß alsogleich mit dem Bürgermeister sprechen.

SIGMUND. In der Testamentssache? –

WILLIBALD. Das ist eine üble Geschichte. Hätte wirklich was Besseres tun können in seinen letzten Stunden, der Herr Gemahl, als sich den Ligurianern in die Arme zu werfen, und dem Prior das Testament in die Hände zu geben.

FRAU VON FRANKENFREI. Ich habe aber den Inhalt genau gelesen, das Kloster erhält nur ein Legat, und nur für den Fall, daß ich mich nicht mehr verehlichte, fällt nach meinem Tode das andere höchst bedeutende Vermögen den frommen Herren zu, und nun verweigert der Prior, das Testament meinem Advokaten einzusenden –

SIGMUND. Ein Glück, daß der Herr Bürgermeister als Zeuge unterschrieben ist.

WILLIBALD. Das Glück ist nicht so groß, denn wenn es auch jeden von den beiden Herren einzeln verhindert, die gnädige Frau um das ganze Vermögen zu prellen, so werden sie ihr um so sicherer in brüderlicher Halbpartschaft jeder die Hälfte stehlen, und daß der Herr Bürgermeister noch auf eine Hälfte, nämlich auf die reizende Witwe selbst als Eh'hälfte spekuliert, das is ja eine bekannte Sache.

FRAU VON FRANKENFREI. Eher den Tod, als diesen gemeinen vandalistischen Finsterling.

WILLIBALD. Und ihr hört es, ihr Mauern dieser Staatskanzlei, und stürzt nicht zusammen ob diesen Frevelworten?

SIGMUND der an der Türe rechts gelauscht. Täusch' ich mich nicht, ein Wortwechsel im Kabinette Sr. Herrlichkeit.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 666-667.
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Freiheit in Krähwinkel: Posse mit Gesang in 2 Abtheilungen und 3 Akten / von J. Nestroy (German Edition)