Vierter Auftritt.

[18] Die Vorigen. Orpheus.


ORPHEUS.

Monarch der Unter-Welt, den Erd' und Meer verehren,

Hier siehst du Jupiters und Tellus Sohn vor dir,

Den keine schnöde Raub-Begier,

Rein, bloß ein zärtliches und jüngst-gestör'tes Lieben

Hieher getrieben.[18]

Zu meiner grösten Qual

Hab' ich ein wehrtes Eh-Gemahl,

Das doch zu meiner Ruh geboren,

Im Frühling ihrer Zeit und unser Lust verloren.

Ach mögtest du, zum Trost von meinem Leben,

Mir nicht dieselbe wieder geben!

Es wird ja doch dereinst früh oder spät geschehn,

Daß wir uns beyde hier in deiner Herrschaft sehn.

PLUTO.

Was soll ich machen? wider Willen

Muß ich ihm seinen Wunsch erfüllen.

Geh, höchst – beglückter Mensch! dein Leid erweichet mich.

Zwar Eurydice findet sich

Nicht mehr bey mir:

Sie steht in Proserpinen Händen;

Doch denk' ich alles anzuwenden,

Damit sie dir

Alsbald zu Theile wird. Orpheus Wie würd' ich das erkennen!

Es sollte dein Altar

Zur Dankbarkeit von stetem Weyrauch brennen.

PLUTO.

Wolan denn! weil sich heut,

Bey diesem Zauber-Klang, mein ganzes Reich erfreut:

So will ich auch, daß der Verdammten Schar

Von ihrer Marter ruhig sey.

Drum geht, und macht sie gleich von ihren Banden frey!

Aria.


Ruhet / ihr Foltern gemarterter Seelen!

Reisset / ihr Fessel / die ihr sie drückt!

Alles soll sich heut' erfreu'n;

Nichts soll heute traurig seyn;

Keiner soll sich quälen.

Ruhet / ihr Foltern gemarterter Seelen!

Reisset / ihr Fessel / die ihr sie drückt!


Sie gehen alle ab ausser dem Orpheus.
[19]


Quelle:
Georg Philipp Telemann: Die wunderbare Beständigkeit der Liebe, [Hamburg] [1726], S. 18-20.
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