Nr. 152. Die drei Brüder vom Zellerfeld.

[138] Auf dem Zellerfeld waren drei Brüder, die waren Jäger und gingen miteinander nach der Schalk auf die Jagd. Da bekam der Jüngeste drei Rebhühner zu sehen, und schoß nach dem einen. Er glaubte es getroffen zu haben, es lief aber fort und er verfolgete es bis nach der Höhe des Berges an die Stelle, welche »beim Neunbrunn« heißet. Allda ist das Huhn verschwunden. Der Jäger nimmet die Stelle in nähern Augenschein und findet eine Öffnung, die bezeichnet er sich, geht zurück und pfeifet seinen Brüdern. Alle drei gehen nun zu der Öffnung hinein und kommen unter der Erde in ein geräumiges Zimmer, worinnen Tische und Stühle sind, der Tisch aber ist gedecket und voll allerhand guter Speisen. Die drei Brüder setzen sich da nieder, essen und trinken und lassen sich es wohlschmecken. Nach dem Essen kommen drei herrliche wohlgekleidete Damen, welche sie anreden um Standhaftigkeit und kund thun, daß sie hier verwünschet wären. Wenn sie drei Jahre hier verharreten, ohne das Tageslicht zu schauen, so wären sie befreit. Versprachen ihnen auch, während der Zeit für gutes Essen und Trinken zu sorgen. Auch luden sie die drei Jäger ein, um ihnen ihre Schätze zu zeigen. Da führeten die Damen die Jäger ins Nebenzimmer, zeigeten ihnen drei Fässer mit Gold und thaten ihnen kund, daß sie von nun an[138] wohl schwarz werden und sich nur alle Jahre einmal sehen lassen würden. Sobald das erste Jahr verflossen ist, kommen die drei wieder, da sind sie schon etwas weißlicher geworden. Sie vermahneten die drei Jäger aber noch einmal, nur standhaft zu bleiben. Das zweite Jahr kamen sie wieder, da waren sie schon wieder etwas weißlicher. Da vermahneten sie die drei Jäger nochmals, nun auch noch das letzte Jahr auszuharren. So verging denn auch das erste halbe Jahr glücklich, im dritten Vierteljahre aber wurde der älteste Bruder unzufrieden und sprach: »Wozu wollen wir hier länger weilen?« Der jüngeste vermahnete ihn aber mit ihm anszuharren. Auch der zweite Bruder wurde endlich wankelmütig, und so beschlossen die beiden endlich fortzugehen. Sie droheten den jüngesten zu ermorden, wenn er nicht mit wollte, und um sein Leben zu retten, gab der nach. Der Älteste sprach nun weiter: »Wir wissen ja das Geld, so nehmen wir mit, soviel wir schleppen können.« So thaten sie auch und gelangeten mit ihrem Gelde glücklich nach dem Zellerfeld, wo alle die drei schon verloren gehalten haben. Die haben sich unterwegs beredet, von der ganzen Sache nichts auszusagen, und sie gaben vor, daß sie auf Reisen gewesen seien und sich da durch Gelegenheit ein ansehnliches Geld verdienet hätten. Sie legten auch die Jägerei nie der und nun lebte der Älteste als ein Freiherr, der zweite kaufte sich eine Wirtschaft und der Jüngeste eine Mühle, alle drei aber nahmen Weiber und lebten als verheiratete Männer.

Nun hatte der Älteste in Saus und Braus gelebt und es dauert nicht wie lange, so ist sein Geld alle gewesen. Mit dem zweiten hat es etwas länger gedauert, und der Jüngeste hat in rechtem Wohlstande und guten Verhältnissen gelebt. Als nun die beiden Ältesten ihr Geld durchgebracht haben, halten sie miteinander Rat und befinden für das beste, wieder an die Stelle zu gehen, um sich noch mehr Geld zu holen. Der Jüngeste wollte nichts davon wissen, doch zwangen ihn die beiden älteren Brüder wieder mitzugehen. So gingen denn alle drei wieder dem verlassenen Orte zu, fanden ihn richtig auf, doch trafen sie das Zimmer nicht so wieder, wie sie es verlassen hatten, denn es war alles schwarz überzogen und auf dem Tische standen drei Trauerlampen. Sie dachten nun[139] gleich wieder nach dem Gelde zu greifen, konnten es aber nicht finden, kehrten in das Zimmer zurück und setzten sich voller Verwunderung dort nieder. Als sie in dem Zimmer waren, kamen die drei Damen ganz kohlschwarz wieder. Sie sprachen nichts, bald aber kamen drei Männer, gekleidet wie Fleischer und mit weißen Schürzen vor. Sie sprachen, auf den Ältesten blickend: »Ihr meineidigen Schurken!« Darauf ergriffen sie den Ältesten, vierteilten ihn und packten ihn in ein Faß. Also erging es auch dem zweiten, und so wurden beide getötet. Der Jüngeste hatte alles mit Zittern ansehen müssen, ihm aber riefen die Damen zu: »Du treuer Freund bist unschuldig! Dir soll dein Leben geschenket sein! Nimm was du willst und geh vergnügt zu Haus! Wir müssen so lange in Trauer verharren, bis sich drei Retter finden.«

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 138-140.
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