Eilftes Kapitel.

[43] Von des Gargantuä Jugend.


Gargantua ward vom dritten bis zum fünften Jahr in aller gebührlichen Zucht gepflegt und auferzogen nach dem[43] Willen seines Vaters, und bracht die Zeit zu, wie die kleinen Kinder des Landes pflegen: nämlich mit Trinken, Essen und Schlafen, mit Essen, Schlafen und Trinken, mit Schlafen, Trinken und Essen.

Allzeit wälz't er sich im Koth, vermaskerirt sich die Nas, bedreckt' sichs G'sicht, trat seine Schuh hinten über, gafft' gern nach den Mucken und lief den Millermahlern fleissig nach, über die sein Vater das Regiment hätt. Er seicht' in seine Schuh, macht' in sein Hemd, schneuzt' sich in Aermel, rotzt' in die Suppen und patscht' überall durch; trank aus seinem Pantoffel und kraut' ihm den Bauch für gewöhnlich an einem Päner. Stört' sich die Zähn mit einem Holzschuh, wusch seine Händ in Fleischbrüh', strählt sich mit einem Humpen, setzt sich ärschlings zwischen zween Stühl an die Erd, deckt sich mit einem nassen Sack, lief mit der Latten, trank unter die Suppen, aß seinen Wecken ohn Brod, biß lachend, lacht beissend, leckt' vorn, kratzt' hinten, spie oft in die Platten, pfercht' Fett, pißt' gegen die Sonnen, versteckt' sich ins Wasser vorm Regen, schmiedet' kalt, träumt hohl, lud blind, spielt' Stillwässerchens, band das Kalb an, betet' das Affenpaternoster, kehrt' öfters wieder zu seinen Hammeln, setzt' den Bock zum Gärtner, schoß die Katz fürn Hasen, spannt' die Ochsen hinter den Karren, zog die Würm aus der Nasen, kratzt' sich, wo's ihn nit biß, packt' viel an und hielt wenig fest, verzehrt' sein Weißbrod vorneweg, beschlug die Graspferd, füttert' die Wetzstein, kützelt' sich selbst zum Lachen, guckt' weidlich in die Töpf, behielt das Korn, gab Gott das Stroh, sang Magnificat zur Metten, und meint' es paßt' sich trefflich wohl, aß Kohl, schiß Mangolt, erkannt' die Mucken in der Milch, ließ keiner Muck ein Bein am Leib, zerhudelt das Papier, verschmiert' das Pergament, riß aus wie Schaafleder, zielt' nach der Geiß,[44] macht' seine Rechnung ohn den Wirth, schlug auf den Busch und fing nicht den Vogel, sah den Himmel für einen Dudelsack und Schlossen für Zuckererbsen an, schnitt zween Pfeifen aus einem Rohr, schlug auf den Sack und meint' den Esel, macht' aus seiner Faust einen Schlägel, fing die Krannich im ersten Sprung, wollt das Panzerhemd Masch für Maschen gestrickt han, sah dem geschenkten Gaul allzeit ins Maul, setzt' sich vom Pferd auf den Esel, gab zu zwey grünen eine reife, macht' die Gruben nach dem Erdreich, hüthet' den Mond vor den Wölfen, hofft' die Lerchen gebraten zu fahn wenn der Himmel einfiel, macht aus der Noth eine Tugend, macht' die Suppen nachdem ers Brod dazu hätt, frug weder nach Geschabt noch Geschoren. Alle Morgen band ers Kalb an. Seines Vaters kleine Hund aßen mit ihm aus einer Schüssel, er deßgleichen wieder mit ihnen, er biß sie in die Ohren, sie zerkrellten ihm die Nas, er bließ ihnen in den Arß, sie leckten ihm das Schnäuzel. Und sollt ihrs glauben, Buebli? daß euch das Uebel zur Pfeifen schlag! dieß kleine Hurenjägerlein betastet' seine Wärterinnen schon hinten und vornen, oben und unten harri hotto! in einem fort, und fing schon an sein Hosenlätzlein zu exerciren. Selbiges schmückten seine Wärterinnen alle Tag mit schönen Sträußlein, schönen Bändern, schönen Blumen, schönen Flunkern, schönen Quästlein, und hatten ihre Kurzweil dran wann er wie ein Roll-Pflästerlein ihnen unter die Händ gerieth. Dann kichertens wann er die Ohren spitzt', gleich als ob ihm das Spiel behagt'. Die Eine nannt ihn mein klein Hähnlein, die Andre mein Stiftel, die Dritte mein Korallenzinklein, die Viert mein Spündel, mein Stöpserl, mein Drillbohr, mein Stössel, mein Näberl, mein Bummel, mein recht Freudenfest so steif und fest, mein Ladstöckel, mein Rothwürstel, mein klein Hödengschnödel. Es ist mein, sagt' die Ein'. Es gehört mir, sagt' die Andr'. Und sollt Ich leer ausgehn? sagt' die Dritt, so schneid ichs ihm mein Treu gar ab. Was schneiden! sagt die Andre: ey,[45] ihr würdet ihm ja weh thun, Frau: schneid ihr den Kindern das Ding ab? So würd er ja Monsieur sans Queue. – Und damit er auch ein Spielzeug hätt, wie die andern kleinen Kinder des Landes, machten sie ihm ein schön Flinderstäblein mit einem Rädel vorn daran aus den Flügeln einer Windmühl von Mirebalays.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 43-46.
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