Fünf und Dreyssigstes Kapitel.

[114] Wie Gymnastes den Hauptmann Kuttler nebst anderm Volk Pikrocholi säuberlich abfing.


Wie sie dergleichen Reden hörten, kam Etlich unter ihnen der Schreck an und kreuzten sich mit allen Händen, vermeinend[114] es wär ein verkappter Teufel. Und einer davon, Traut-Hänsel mit Namen, der Freymauser Hauptmann, zog alsbald sein Horasbüchel aus dem Latz und schrie laut: Hagios ho theos! Bist du von Gott, so rede: bist du des Andern, hebe dich hinweg! Er hub sich aber drum nit. Dieß hörten etliche von der Rott, und stahlen sich ab aus der Gemein; Gymnast sah alles wohl und merkt' sichs. Thät demnach als wenn er itzt vom Pferde wollt herunter steigen und während er so von der Steigseit hing, macht er behend die Bügel-Tour mit seiner Bastardkling an der Hüft, schlupft' unten durch, schnellt' in die Luft und stand mit gleichen Beinen im Sattel, den Steiß dem Pferdskopf zugekehrt. Sprach dann: Mein Casus geht den Krebsgang. Drauf macht' er in selbiger Position wie er stund, die Gambada auf einem Fuß, schwenkt sich links um, und traf genau seinen vorigen Stand bei einem Haar. – Ha! sagt' Kuttler, den thu ich euch für heut nicht nach, und das aus Ursach. – Quark! sprach Gymnast, ich hab gefehlt: der Sprung soll nicht gelten. – Itzt macht' er mit großer Kraft und Geschmeidigkeit die Gambad wie vor, zur Rechten, setzt' dann den Daumen der rechten Hand auf den Sattelbogen, und schwang sich mit dem ganzen Leib in Luft, daß er mit voller Last auf dem Muskel und Nerven des Daumens schwebt', und dreht' sich also dreymal um. Beym vierten Mal überschlug er sich mit ganzem Leib ohn anzustossen, hupft' zwischen des Pferdes Ohren, steift den ganzen Leib auf dem linken Daumen in Luft, und schlug in solchem Stand ein Mühlrad: klatscht mit der flachen Hand itzt mitten auf den Sattel, und gab sich dabey einen solchen Schwung, daß er aufs Kreuz zu sitzen kam wie die Jungfern.

Als dieß gethan war, schob er den rechten Fuß über den Sattel und setzt' sich in Reiter-Positur aufs Kreuz. Doch, sprach er, es ist besser ich setz mich zwischen die Sattelbogen; stemmt sich also mit beyden Daumen vor sich aufs Kreuz,[115] überschlug sich kopfüber in Luft und saß ganz strack in den Sattelbogen. Drauf mit einem Schneller erhob er sich wieder ganzen Leibes in die Luft, und stand so mit geschlossenen Beinen zwischen den Bogen: da rädelt' er wohl hundertmal herum, die Händ kreuzweis ausstreckend, und schrie dazu mit heller Stimm: Ich ras, hui Teufel! ich ras, ich ras, hui Teufel halt mich, halt Teufel halt!

Während er also voltigirt', sprachen die Lümmel in grosser Bestürzung einer zum andern: Beym heiligen Kindsdreck: Es ist ein Kobolt oder so ein verkappter Teufel. Ab hoste maligno libera nos, domine! und nahmen querfeldein Reiß aus und blickten immer hinter sich, wie der Hund mit dem Flederwisch.

Wie ist Gymnast seinen Vortheil ersah, springt er vom Pferd ab, zieht vom Leder und fegt mit schweren Lungenhieben unter die aller Flottesten drein, streckt sie zu ganzen Haufen, wund, zerbläut, zerfetzt, zerschroten darnieder; es setzt sich ihm nicht einer zur Wehr, vermeinten all es wär ein ausgehungerter Teufel, theils wegen der erschrecklichen Sprüng die er thät, theils auch der Reden halber, die Kuttler mit ihm führt', als er ihn einen armen Teufel hieß. Gleichwohl versuchts der Kuttler von hinten, mit seinem Landsknechtsdegen ihm den Schedel zu spalten; er war aber so wohl bestahlhauptet, daß er von dem Streich nichts als den Prall spürt'; kehrt sich also flugs herum, schoß einen Springstock auf ihn ab, und während sich Kuttler von oben wollt decken, zerschlitzt' er ihm mit einem Hieb den Magen, Grimmdarm und halbe Leber, daß er zur Erd fiel, und im Fallen mehr denn vier Häfen voll Supp, und unter der Suppen die Seel mit von sich gab.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 114-116.
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