Dreyzehntes Kapitel.

[237] Wie Pantagruel in dem Prozeß der beyden Junker das Urthel sprach.


Darauf erhub sich Pantagruel, rief alle Präsidenten, Räth und Doctores die da versamelt waren herbey und sprach zu ihnen: Wohlan, ihr Herren, ihr habt nun vivae vocis oraculo den Handel gehört, davon die Red ist; was dünkt euch dazu? Und sie antworteten: Freylich han wirs ja wohl gehört, allein verstanden, für'n Teufel auch nicht ein Wörtlein davon. Bitten euch demnach una voce unterthänigst um die Gunst, daß ihr nach Eurer Einsicht wollt das Urthel sprechen: wir ratihabiren's ex nunc prout ex tunc, und werdens einmüthiglich genehmigen. – Nun wohl, ihr Herren, sprach Pantagruel, weil es euch denn also geliebt, so wills ichs thun, find aber das Ding nicht gar so schwierig als ihrs macht. Euer Paragraphus Cato, Lex Frater, Lex Gallus, Lex Quinque pedum, Lex Vinum, Lex Si Dominus, Lex Mater, Lex Mulier bona, Lex Si quis, Lex Pomponius, Lex Fundi, Lex Emptor, Lex Praetor, Lex Venditor und noch viele andre mehr, sind meines Bedünkens weit schwieriger. – Und auf diese Wort schritt er im Saale ein bis zweymal auf und nieder, wie man sah, in tiefen Gedanken, denn er stöhnt' wie ein Esel wann ihn der Gurt druckt, willens einem Jeden unwandelbar und ohn[237] Ansehn der Person sein Recht zu thun; setzt' sich drauf wieder an seinen Ort und hub das Urthel zu sprechen an wie folget: Auf Vernehmen, Anhörung und reifliches Erwägen des Streites der Herren von Leckarß und Saugefist erkennt das Gericht daß: In Betracht des Staubhaars der vom Sommersolstizio kühnlich abnutirenden Kahlmaus um die Schaumbläslein zu naschen, welche der Bauer durch bösen Plack der lichtscheuen Nachtraben schachmatt macht', die in dem Diarhomer-Clima eines Pavians zu Roß welcher die Armbrust in der Hüft spannt, inquiliniret sind, der Kläger des Gallion so die brave Frau, ein Bein beschuhet, das andre barfuß aufbließ, zu kalfatern wohl befugt gewesen, dafern sie ihm auf ihr Gewissen steif und fest so viel Lapalien wieder erstattet, als Haar an achtzehn Kühen sind, und eben so viel faule Fisch. Desselbengleichen wird er auch des Casus privilegiati derer Norbeln für los und ledig gezählt, darein man ihn verfallen wähnet', weil er nicht fröhlig zu Stuhle gehen konnt, auf Decision des am Nuß-Licht, wie es in seinem Land Mirebalays gebrannt wird, furzparfumirten Handschuhpaares; da man die Bolein los läßt nebst den ehernen Ballen, womit die Rußbartel ihr Gemüs kontestabiliter buken, gesattelt mit Loir in dem auf Ungarisch gestickten Sperberschellengeläut das ihr Schwager memorialiter in einem limitrophischen Korbe trug roth vorgestossen, zu dreyen Sparren in Muckenseicherey verlendlahmt, mit der Eck-Ent aus welcher man nach dem wurmförmigen Papageyen mit Plackholz schießt. Wasmaasen er aber Beklagtem vorwirft daß er ein Käsfraß, ein Aliflicker und Mumien-Pechsalber wär, welches, wie Kläger zu Recht erwiesen, bumbaumlich für unwahr erfunden ist, als condemniret ihn das Gericht in drey Glas Molken, landesüblich verschmiert, zirmirlimanzulirt und justimundiret, Beklagtem zahlbar auf nächsten May in Mitt Augusten. Doch ist Beklagter das Heu und Werg zur Stopfung der Guttural-Beinschellen eingemummelt in die am Rädlein so fein gedrechselten Regenröck, zu leisten schuldig: und Freund' wie vor, ohn Kosten, aus Ursach.

Nach Fällung dieses Urthels gingen beyde Theil mit dem Bescheid zufrieden von dannen, welches schier ein unglaublich[238] Ding war: denn seit dem grossen Regen hätt man noch nicht erlebt und wirds auch schwerlich in dreyzehn Jubeljahren erleben, daß zwo uneinige Parteyen in einem Rechtsstreit ebenmässig das Endurtheil gut heissen sollten. Die übrigen anwesenden Räth und Doctoren aber sassen dort wohl noch an drey Stunden steif und starr in stummer Verzückung ausser sich für Staunen ob des Pantagruels übermenschlicher Weisheit, welche sie aus Entscheidung dieses so schweren und kitzlichen Handels klar er kannten. Und sässen noch allda, wenn man nicht Essig und Rosenwasser die Füll gebracht hätt zu Erweckung ihrer fünf Sinnen und Lebensgeister, da dann Gott ewig Lob für sey.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 237-239.
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