Eilftes Kapitel.

[371] Wie Pantagruel das Loos der Würfel für unerlaubt erklärt.


Mit drey blanken Würfeln, sprach Panurg, wäre es geschwinder abgethan. – Mit nichten, antwort Pantagruel, dieß Loos ist trüglich, unerlaubt und höchst anstössig. Baut darauf nie. Das verdammliche Buch der Würfel-Trost, vom Geist der Lügen vor alten Zeiten schon in Achaia bey Bura erfunden, hat weiland dort vor des Buraischen Herkules Bildsäul, wie noch bis heut an manchen Orten viel arme Seelen zum Irrthum verleitet und in sein trüglich Netz verlockt. Ihr wißt wie es mein Vater Gargantua in allen seinen Staaten verboten, mit Schriften, Formen und Figuren verbrannt, vom Grund der Erden vertilgt, und als ein höchst gefährlich Gift erstickt und ausgeräutet hat. Was ich euch von den Würfeln sag, das gilt auch von den Talis und Knöchlein: ist gleichfalls ein betrüglich Loos. Und führt mir nicht etwann dagegen den Glückswurf des Tiberius an, den er mit Knöchlein im Brunn Aponi bey dem Orakel Geryons thät. Das sind nur Hamen des Lügengeistes, womit er den Einfältigen Seelen zu ewiger Verdamniß reißt. Gleichwohl, euch euern Willen zu thun, erlaub ich gern daß ihr drey Würf auf diesen Tisch thut.[371] Nach der Zahl der Augen, die da fallen werden, wolln wir die Vers des Blattes wählen, so ihr dann aufschlagt. Ihr führt doch Würfel in euerm Sack da? – Die schwere Huck voll, antwort Panurg, die sind des Teufels Mayen, wie Merlin Coccajus schreibt libro secundo de patria diabolorum: der Teufel fing mich ja ohn Mayen, wenn er mich ohn Würfel fänd, – Nahm sie heraus und warf; und fielen die Würfel auf Fünf, Sechs, Fünf. – Thut Sechzehn, rief Panurg, wir wolln Vers Sechzehn des Blattes nehmen; die Zahl gefällt mir, ich mein wir treffens gut. Ich schieß mich zu allen Teufeln querfeldein wie ein Boßel in ein Spiel Kegel, wie ein Kanonball in ein Glied Fußvolk, – dem Teufel entlauf wer kann – wenn ich mein junges Weiblein nicht die erste Nacht just so viel Mal versohlen will. – Ich hab keinen Zweifel dran, antwortet Pantagruel, ihr braucht euch nicht so erschrecklich drum zu verschwören. Das erste Mal wird ein Method seyn, die gilt Funfzehn: früh beym Aufstehn bringt ihrs dann ein, so werdens Sechzehn. – Ja, sprach Panurg wie ihr halt meint! Mein wackrer Schütz am Unterleib da drunten, der für mich Schildwach steht, der weiß von keinen Solöcismen. Habt ihr mich je in der Fehlschützen Orden mit laufen sehn? Nun und nimmermehr, beym grossen Nimmermehrstag, niemals! Ich stech en Papa und Schwärpapa ohn Fehl. Die Spieler können zeugen. –

Auf diese Wort bracht man die Werk Vergilii herbeygetragen. Eh sie annoch eröffnet wurden, sprach Panurg zum Pantagruel: das Herz pocht mir im Leib wie ein Bläuel: fühlt nur mal her an meinen Puls, am linken Arm die Ader hie! er geht so jach und hoch, man dächt die Sorbonn zeckirt' mich im Tentamen. Wärs nicht gut eh wir weiter gehn, wenn wir zuvor zum Herkules und den Tenitischen[372] Göttinen flehten, die, wie man sagt, im Loos-Gericht den Vorsitz führen? – Weder zum einen noch den andern, sprach Pantagruel: schlagt nur das Buch auf mit dem Nagel.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 371-373.
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