Siebenundzwanzigster Auftritt


[57] Vorige. Quecksilber als Arzt mit einem goldenen Kästchen.


QUECKSILBER spricht schnell. Servus humilissimus. Sie sehen in mir den berühmten Arzt Barometrianus, der sich in allen Teilen der Welt berühmt gemacht hat. Von allen diesen Weltteilen werde ich hernach schon die Ehre haben, Ihnen verschiedene Geschichten zu erzählen. Jetzt sagen Sie mir nur, bin ich so glücklich, den mächtigen Tutu vor mir zu sehen?

TUTU. Bei mir können S' jetzt nicht mehr fehlen, Sie dürfen nur der Nasen nachgehn.

QUECKSILBER. Weil Sie gerade von der Nase sprechen, so lassen Sie mich nicht vergessen, daß ich Ihnen hernach eine Geschichte davon erzähle. Habe ich die hohe Ehre, meine Angebetete, in Ihnen die schöne Zoraide zu bewundern?[57]

ZORAIDE schluchzend. Ja, ich – bin – die schöne – Zoraide!

QUECKSILBER. Hm! Sie scheinen mir eine Gemütskrankheit zu haben. Das ist eine üble Krankheit; da könnt ich Ihnen eine Geschichte erzählen, welche sich in Nordamerika zugetragen hat. Da war einmal ein Mann, der hat siebenundzwanzig Töchter gehabt; jetzt will ich Ihnen nur in der Geschwindigkeit die Geschichten aller dieser siebenundzwanzig Töchter erzählen!

TUTU. Verzeihen Sie, wir werden ein andersmal darum bitten. Wir wünschen zuerst Ihren Rat zu hören.

QUECKSILBER. Hören Sie, weil Sie gerade vom Rat sprechen, erlauben Sie, da fällt mir auch eine prächtige Geschichte ein, an deren Erzählung mich aber die Bemerkung hindert, daß Ihre Nasen sich in einer etwas massiven Form produzieren. Darum entsteht die große Frage, ob Sie schon damit auf die Welt gekommen, oder ob sich das erst kürzlich ereignet hat.

ZORAIDE. Das ist ein langweiliger Mensch! Ja ja, erst vor kurzem –

TUTU. Wir haben s' so unter der Hand kriegt – helfen Sie uns nur.

QUECKSILBER. Gut also! Da kann ich Ihnen zum Troste sagen, daß Sie nicht die einzigen Menschen auf der Welt sind, welche große Nasen haben; es gibt Leute, welche sich auf der Nase herumtanzen lassen. Warten Sie, da werde ich Ihnen eine Geschichte erzählen –

TUTU. Können Sie uns kurieren, oder nicht? Nur das wollen wir wissen.

QUECKSILBER. Erlauben Sie! Wie können Sie sich unterstehen, daran zu zweifeln? Ich kuriere Sie, und wenn Ihre Nasen so groß wären wie der Chimborasso in Amerika; das ist der höchste Berg der Welt. Ihre Nasen müssen nach den Regeln des Aristoteles kuriert werden.

ZORAIDE. Das ist uns alles eins –

QUECKSILBER. Erlauben Sie, das ist nicht alles eins! darüber werd ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Hippokrates und Galenus haben darüber ganze Ries Papiere verschrieben,[58] weil auf der Universität die Streitfrage entstanden ist, ob der Mensch die Nase mitten im Gesichte hätte, oder nicht? –

TUTU. Aber wir kennen ja die Herren nicht.

QUECKSILBER. Erlauben Sie, Sie kennen Hippokrates und Galenus nicht? Da werd ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Hippokrates war ein berühmter Apotheker zu Straubing und Galenus ein großer Regimentsarzt bei den chinesischen Truppen. Nun haben Sie nur die Güte, mir Ihren Puls fühlen zu lassen.

TUTU. Aber was hat denn der Puls mit unsern Nasen zu tun?

QUECKSILBER. Erlauben Sie! Alles in der Natur steht miteinander in Verbindung. So hat Ihre Gurgel Einfluß auf Ihren Magen, Ihre Hände auf die Backen, der Mund auf die Füße. Ich will Ihnen gleich einen Beweis geben, daß Ihr Mund Ihre Füße in Bewegung setzen kann. Sie haben zum Beispiel über einen ein loses Maul, und er nimmt einen Stock und prügelt Sie tüchtig durch, so bleibt Ihnen nichts übrig, als davonzulaufen. Also war Ihr Mund daran schuld, daß sich Ihre Füße in Bewegung gesetzt haben.

TUTU. Aber wir reden ja von keine Prügel!

QUECKSILBER. Erlauben Sie! Ich rede aber sehr gerne von Prügeln. Da werde ich Ihnen nur geschwinde eine kleine Geschichte erzählen.

ZORAIDE. Nein, das ist nicht mehr zum Aushalten! Jetzt hören S' einmal mit Ihren Gschichten auf! Wir wollen aber keine Gschichten hören; unsere Nase ist die unglücklichste Gschicht, die man erleben kann.

QUECKSILBER. Sie wollen also Ihre Nase verlieren? Warum haben Sie denn das nicht gleich gesagt? Einen Becher! Man reicht ihm einen, er nimmt ein Fläschchen aus seinem Kästchen und gießt daraus in den Becher. Zu Tutu. Trinken Sie hier!

ZORAIDE. Nun endlich bringt er einmal was heraus.

TUTU. Da bin ich kurios! Er trinkt, die Nase bleibt im Becher.[59]

QUECKSILBER. Nun, was sagen Sie jetzt? die große Nase ist fort.

TUTU. Meiner Seel, da schwimmt s' –

ALLE. Wunder über Wunder!

TUTU. O Sie goldner Doktor! Das ist die schönste Gschicht, die Sie mir noch erzählt haben.

ZORAIDE. Ists möglich! O Sie liebs Mannerl! mir auch, nur gschwind, nur gschwind.

QUECKSILBER. Da sollt ich Ihnen doch vorher noch eine Geschich –

ZORAIDE hält ihm den Mund zu. Nicht! – nicht! – guts Mannerl sein – kein Gschichterl erzählerl – trinkerl lassen.

QUECKSILBER für sich. Der gib ich nur ein Brunnwasser, das hilft nicht! – Laut. Einen Becher! Man reicht ihm einen kleinern als vorhin. Da trinken Sie auf die Gesundheit Ihrer Nase.

ZORAIDE. Es lebe die Schönheit!

HASSAR verbeugt sich. Gratias!

ZORAIDE trinkt. Nu? – – Es hilft ja nicht? –

QUECKSILBER. Trinken Sie noch einmal!

ZORAIDE trinkt. Es hilft nicht, es ist umsonst!

TUTU. Sie laßt nicht nach, die Nasen.

QUECKSILBER. Ich begreife nicht, diese Nase muß eine besondere Anhänglichkeit an Sie haben. Ich bin so betroffen, daß mir nicht einmal eine Geschichte einfällt, womit ich Sie trösten könnte.

ZORAIDE. Und ich muß meine Schönheit wieder haben. Sie müssen mir helfen.

QUECKSILBER. Ja, wenn ich nur wüßte, wie? – Das ist das einzige Mittel – Erlauben Sie! Besitzen Sie vielleicht einen Talisman, der durch die Macht seines Besitzes meinen magischen Kräften entgegenstrebt? – den müssen Sie von sich werfen!

ZORAIDE. Wie? Meine Zaubergaben?

QUECKSILBER. Die müssen Sie verschenken.

ZORAIDE. Das ist unmöglich!

QUECKSILBER. So kann Ihnen auch nicht geholfen werden.

ZORAIDE. Was soll ich machen?[60]

TUTU. Geh, wirf s' weg –

ZORAIDE sieht von ohngefähr in den Spiegel, den Linda hält. Ha! – Entschlossen. Wohlan! Ich will meinen Reizen auch dieses Opfer bringen.


Geht ab.


TUTU. Das ist eine verwickelte Sache!

QUECKSILBER. Sie wird schon klar werden; ich werde Ihnen heute noch kuriose Geschichten erzählen.

ZORAIDE bringt die Gaben. Wohlan! Hier, hier liegen sie, wenn du mir meine vorige Gestalt wieder verschaffst, so gehören sie dir.

QUECKSILBER hebt schnell die Gaben von der Erde auf. Sie gehören auch mein! Er stoßt ins Horn und wirft die Maske ab. Ideale Krieger er scheinen unter der Musik. Schützt mich! Kennen Sie mich? – Aus dem Quacksalber ist der Quecksilber geworden. Ich nehme zurück, um was Sie mich betrogen haben, und Ihnen laß ich Ihr falsches Herz und Ihre große Nase.

TUTU. Da hast es, jetzt sind wir im klaren.

ZORAIDE. Also so wär ich betrogen? und von Ihnen, von einem Menschen, von dem man nicht weiß, ob er einen Kopf oder eine Wassermelone zwischen den Schultern hat? Hoffen Sie Ihren Namen auch einmal im Buche der Menschheit zu lesen? Nein! Nein! ein eingebogenes Eselsohr wird statt dessen zu sehen sein. Diese bescheidene Nase so zu multiplizieren. Oh, wendet euch weg, ihr Elemente, Auf ihre Nase deutend. von dieser ausgearteten Tochter der Natur. Tyrannisch soll sie in dem Reiche der Schönheit herrschen. Alle Spiegel müssen ihr zum Opfer fallen. Zu einem Maskenball will ich diese Insel umgestalten, und alle Schönen müssen falsche Nasen tragen, nur ich will mich in eine Camera obscura verschließen und Rache brüten, Rache! über dich, du Nasenfabrikant! Stürzt ab.

QUECKSILBER. Linderl, du hast dein Sachen gscheit gemacht, wir sind ein Paar.

LINDA. Nun, das ist dein Glück, daß du Wort hältst.

QUECKSILBER. Jetzt, wie steht es mit uns, junger Herr?

TUTU. Sein wir wieder gut. Seit Sie das Staberl wieder haben,[61] hab ich eine ordentliche Lieb zu Ihnen gefaßt. Vielleicht ist die Kur für meine Tochter just gut.

HASSAR kniet nieder. Euer Gnaden! Ich bin auch noch eine Partei, die im schmeckenden Wurmhof loschiert.

QUECKSILBER wirft ihm das Kästchen zu. Na, da nimm das Wasser und trink dir einen Rausch.

HASSAR. Gratias! Meine Schönheit ist gerettet.


Eilt ab.


QUECKSILBER. Vivat! Jetzt zeigt mein Barometer auf schön Wetter. Morgen verlassen wir Ihre Insel, aber heute will ich meine Verlobung noch hier auf goldenen Hügeln feiern. Linderl, du hast dir bei mir goldene Berge versprochen, du sollst sie haben.


Er winkt. Das Theater verwandelt sich in goldene Hügel mit silbernen Quellen. Auf dem mittern größten erhebt sich ein silberner Tempel mit einem Opferaltar, wobei Hymen mit der Fackel steht. Genien gruppieren sich auf den Hügeln. Die Kulissen sind Bäume mit goldenen Früchten. Das Ganze bildet ein imposantes Tableau.

Schlußgesang


Man muß stets lustig sein

Und sich des Lebens freun.

Außer man hat kein Geld,

Nachher ists freilich gfehlt.

Hab ich nicht recht?

Nu, wenn S' erlaubn.


D' Madeln sind freundlich gern,

Bsonders mit jungen Herrn;

Liebt eine nur nicht zwei,

Bleibt ihr Herz einem treu.

Hab ich nicht recht?

Nu, wenn S' erlaubn.


D' Weiber sind manchmal bös,

Machen oft viel Getös,

Und wenn man widerspricht,

Weiß man schon, was oft gschieht.

Hab ich nicht recht?

Nu, wenn S' erlaubn.[62]


D' Männer sind gar superb,

Die habn schon s' schönste Gwerb,

Wie s' wo ein Madel sehn,

Bleibn s' auf kein Fleck mehr stehn.

Hab ich nicht recht?

Nu, wenn S' erlaubn.


Zur Benefiz.


Mir gehts heut gar nicht schlecht,

Alle Tag wärs so recht,

's wird doch was Schönes sein,

Wenn man brav Geld nimmt ein.

Hab ich nicht recht?

Nu, wenn S' erlaubn.


Ende.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 57-63.
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