8.

[735] Nur im Raum der Rühmung darf die Klage

gehn, die Nymphe des geweinten Quells,

wachend über unserm Niederschlage,

daß er klar sei an demselben Fels,


der die Tore trägt und die Altäre. –

Sieh, um ihre stillen Schultern früht

das Gefühl, daß sie die jüngste wäre

unter den Geschwistern im Gemüt.
[735]

Jubel weiß, und Sehnsucht ist geständig, –

nur die Klage lernt noch; mädchenhändig

zählt sie nächtelang das alte Schlimme.


Aber plötzlich, schräg und ungeübt,

hält sie doch ein Sternbild unsrer Stimme

in den Himmel, den ihr Hauch nicht trübt.

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 735-736.
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