[113] Der König kommt angekleidet heraus. Die Vorigen.
Alle nehmen die Hüte ab und weichen zu beiden Seiten aus, indem sie einen halben Kreis um ihn bilden. Stillschweigen.
KÖNIG den ganzen Kreis flüchtig durchschauend.
Bedeckt Euch!
Don Carlos und der Prinz von Parma nähern sich zuerst und küssen dem König die Hand. Er wendet sich mit einiger Freundlichkeit zu dem letztern, ohne seinen Sohn bemerken zu wollen.
Eure Mutter, Neffe,
Will wissen, wie man in Madrid mit Euch
Zufrieden sei.[113]
PARMA.
Das frage sie nicht eher
Als nach dem Ausgang meiner ersten Schlacht.
KÖNIG.
Gebt Euch zufrieden. Auch an Euch wird einst
Die Reihe sein, wenn diese Stämme brechen.
Zum Herzog von Feria.
Was bringt Ihr mir?
FERIA ein Knie vor dem König beugend.
Der Großkomtur des Ordens
Von Calatrava starb an diesem Morgen.
Hier folgt sein Ritterkreuz zurück.
KÖNIG nimmt den Orden und sieht im ganzen Zirkel herum.
Wer wird
Nach ihm am würdigsten es tragen?
Er winkt Alba zu sich, welcher sich vor ihm auf ein Knie niederläßt, und hängt ihm den Orden um.
Herzog,
Ihr seid mein erster Feldherr – seid nie mehr,
So wird Euch meine Gnade niemals fehlen.
Er wird den Herzog von Medina Sidonia gewahr.
Sieh da, mein Admiral!
MEDINA SIDONIA nähert sich wankend und kniet vor dem Könige nieder, mit gesenktem Haupt.
Das, großer König,
Ist alles, was ich von der spanschen Jugend
Und der Armada wiederbringe.
KÖNIG nach einem langen Stillschweigen.
Gott
Ist über mir. – Ich habe gegen Menschen,
Nicht gegen Sturm und Klippen sie gesendet –
Seid mir willkommen in Madrid.
Er reicht ihm die Hand zum Kusse.
Und Dank,
Daß Ihr in Euch mir einen würdgen Diener
Erhalten habt! – Für diesen, meine Granden,
Erkenn ich ihn, will ich erkannt ihn wissen.
Er gibt ihm einen Wink, aufzustehen und sich zu bedecken – dann wendet er sich gegen die andern.
Was gibt es noch?
Zu Don Carlos und dem Prinzen von Parma.
Ich dank Euch, meine Prinzen.
Diese treten ab. Die noch übrigen Granden nähern sich und überreichen dem König kniend ihre Papiere. Er durchsieht sie flüchtig und reicht sie dem Herzog von Alba.
Legt das im Kabinett mir vor – Bin ich zu Ende?
[114] Niemand antwortet.
Wie kommt es denn, daß unter meinen Granden
Sich nie ein Marquis Posa zeigt? Ich weiß
Recht gut, daß dieser Marquis Posa mir
Mit Ruhm gedient. Er lebt vielleicht nicht mehr?
Warum erscheint er nicht?
LERMA.
Der Chevalier
Ist kürzlich erst von Reisen angelangt,
Die er durch ganz Europa unternommen.
Soeben ist er in Madrid und wartet
Nur auf den öffentlichen Tag, sich zu
Den Füßen seines Oberherrn zu werfen.
ALBA.
Marquis von Posa? – Recht! Das ist der kühne
Malteser, Ihre Majestät, von dem
Der Ruf die schwärmerische Tat erzählte.
Als auf des Ordensmeisters Aufgebot
Die Ritter sich auf ihrer Insel stellten,
Die Soliman belagern ließ, verschwand
Auf einmal von Alkalas hoher Schule
Der achtzehnjährge Jüngling. Ungerufen
Stand er vor La Valette. »Man kaufte mir
Das Kreuz«, sagt' er, »ich will es jetzt verdienen.«
Von jenen vierzig Rittern war er einer,
Die gegen Piali, Ulucciali
Und Mustafa und Hassem das Kastell
Sankt Elmo in drei wiederholten Stürmen
Am hohen Mittag hielten. Als es endlich
Erstiegen wird und um ihn alle Ritter
Gefallen, wirft er sich ins Meer und kommt
Allein erhalten an bei La Valette.
Zwei Monate darauf verläßt der Feind
Die Insel, und der Ritter kommt zurück,
Die angefangnen Studien zu enden.
FERIA.
Und dieser Marquis Posa war es auch,
Der nachher die berüchtigte Verschwörung
In Katalonien entdeckt und bloß[115]
Durch seine Fertigkeit allein der Krone
Die wichtigste Provinz erhielt.
KÖNIG.
Ich bin
Erstaunt – Was ist das für ein Mensch, der das
Getan und unter dreien, die ich frage,
Nicht einen einzgen Neider hat? – Gewiß!
Der Mensch besitzt den ungewöhnlichsten
Charakter oder keinen – Wunders wegen
Muß ich ihn sprechen.
Zum Herzog Alba.
Nach gehörter Messe
Bringt ihn ins Kabinett zu mir.
Der Herzog geht ab. Der König ruft Feria.
Und Ihr
Nehmt meine Stelle im geheimen Rate.
Er geht ab.
FERIA.
Der Herr ist heut sehr gnädig.
MEDINA SIDONIA.
Sagen Sie:
Er ist ein Gott! – Er ist es mir gewesen.
FERIA.
Wie sehr verdienen Sie Ihr Glück! Ich nehme
Den wärmsten Anteil, Admiral.
EINER VON DEN GRANDEN.
Auch ich.
EIN ZWEITER.
Ich wahrlich auch.
EIN DRITTER.
Das Herz hat mir geschlagen.
Ein so verdienter General!
DER ERSTE.
Der König
War gegen Sie nicht gnädig – nur gerecht.
LERMA im Abgehen zu Medina Sidonia.
Wie reich sind Sie auf einmal durch zwei Worte!
Alle gehen ab.
Das Kabinett des Königs.
Ausgewählte Ausgaben von
Don Carlos, Infant von Spanien
|
Buchempfehlung
Im Alter von 13 Jahren begann Annette von Droste-Hülshoff die Arbeit an dieser zarten, sinnlichen Novelle. Mit 28 legt sie sie zur Seite und lässt die Geschichte um Krankheit, Versehrung und Sterblichkeit unvollendet.
48 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro