Vierter Auftritt


[138] Don Carlos und Graf Lerma.


CARLOS.

Hier sind wir ungestört. Was haben Sie

Mir zu entdecken?

LERMA.

Eure Hoheit hatten

An diesem Hofe einen Freund.

CARLOS stutzt.

Den ich

Nicht wüßte! – Wie? Was wollen Sie damit?

LERMA.

So muß ich um Vergebung bitten, daß

Ich mehr erfuhr, als ich erfahren durfte.

Doch, Eurer Hoheit zur Beruhigung,

Ich hab es wenigstens von treuer Hand,

Denn, kurz, ich hab es von mir selbst.

CARLOS.

Von wem

Ist denn die Rede?

LERMA.

Marquis Posa –

CARLOS.

Nun?

LERMA.

Wenn etwa mehr, als jemand wissen darf,

Von Eurer Hoheit ihm bewußt sein sollte,

Wie ich beinahe fürchte –

CARLOS.

Wie Sie fürchten?

LERMA.

– Er war beim König.

CARLOS.

So?

LERMA.

Zwo volle Stunden,

Und in sehr heimlichem Gespräch.

CARLOS.

Wahrhaftig?[138]

LERMA.

Es war von keiner Kleinigkeit die Rede.

CARLOS.

Das will ich glauben.

LERMA.

Ihren Namen, Prinz,

Hört ich zu öftern Malen.

CARLOS.

Hoffentlich

Kein schlimmes Zeichen.

LERMA.

Auch ward heute morgen

Im Schlafgemache seiner Majestät

Der Königin sehr rätselhaft erwähnt.

CARLOS tritt bestürzt zurück.

Graf Lerma?

LERMA.

Als der Marquis weggegangen,

Empfing ich den Befehl, ihn künftighin

Unangemeldet vorzulassen.

CARLOS.

Das

Ist wirklich viel.

LERMA.

Ganz ohne Beispiel, Prinz,

Solang mir denkt, daß ich dem König diene.

CARLOS.

Viel! Wahrlich viel! – Und wie? wie, sagten Sie,

Wie ward der Königin erwähnt?

LERMA tritt zurück.

Nein, Prinz,

Nein! Das ist wider meine Pflicht.

CARLOS.

Wie seltsam!

Sie sagen mir das eine und verhehlen

Das andre mir.

LERMA

Das erste war ich Ihnen,

Das zweite bin ich dem Monarchen schuldig.

CARLOS.

– Sie haben recht.

LERMA.

Den Marquis hab ich zwar

Als Mann von Ehre stets gekannt.

CARLOS.

Dann haben

Sie ihn sehr gut gekannt.

LERMA.

Jedwede Tugend

Ist fleckenfrei – bis auf den Augenblick

Der Probe.

CARLOS.

Auch wohl hier und da noch drüber.[139]

LERMA.

Und eines großen Königs Gunst dünkt mir

Der Frage wert. An diesem goldnen Angel

Hat manche starke Tugend sich verblutet.

CARLOS.

O ja.

LERMA.

Oft sogar ist es weise, zu entdecken,

Was nicht verschwiegen bleiben kann.

CARLOS.

Ja, weise!

Doch, wie Sie sagen, haben Sie den Marquis

Als Mann von Ehre nur gekannt?

LERMA.

Ist er

Es noch, so macht mein Zweifel ihn nicht schlechter,

Und Sie, mein Prinz, gewinnen doppelt.


Er will gehen.


CARLOS folgt ihm gerührt und drückt ihm die Hand.

Dreifach

Gewinn ich, edler, würdger Mann – ich sehe

Um einen Freund mich reicher, und es kostet

Mir den nicht, den ich schon besaß.


Lerma geht ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 138-140.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Don Carlos, Infant von Spanien
Schillers sämtliche Werke: Band III. Metrische Übersetzungen. Don Carlos, Infant von Spanien
Don Carlos. Infant von Spanien: Textausgabe mit Materialien
Don Carlos, Infant von Spanien. (Mit Erläuterungen)
Don Carlos, Infant von Spanien
Schillers Don Carlos, Infant von Spanien : ein dramatisches Gedicht

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Fantasiestücke in Callots Manier

Fantasiestücke in Callots Manier

Als E.T.A. Hoffmann 1813 in Bamberg Arbeiten des französischen Kupferstechers Jacques Callot sieht, fühlt er sich unmittelbar hingezogen zu diesen »sonderbaren, fantastischen Blättern« und widmet ihrem Schöpfer die einleitende Hommage seiner ersten Buchveröffentlichung, mit der ihm 1814 der Durchbruch als Dichter gelingt. Enthalten sind u.a. diese Erzählungen: Ritter Gluck, Don Juan, Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza, Der Magnetiseur, Der goldne Topf, Die Abenteuer der Silvester-Nacht

282 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon