[152] Der König und Marquis von Posa.
MARQUIS.
Sire!
Dem alten Manne, der in zwanzig Schlachten
Dem Tod für Sie entgegenging, fällt es
Doch hart, sich so entfernt zu sehn!
KÖNIG.
Euch ziemt
Es, so zu denken, so zu handeln mir.
Was Ihr in wenig Stunden mir gewesen,
War er in einem Menschenalter nicht.
Ich will nicht heimlichtun mit meinem Wohlgefallen;
Das Siegel meiner königlichen Gunst
Soll hell und weit auf Eurer Stirne leuchten.
Ich will den Mann, den ich zum Freund gewählt,
Beneidet sehn.
MARQUIS.
Und dann auch, wenn die Hülle
Der Dunkelheit allein ihn fähig machte,
Des Namens wertzusein?
KÖNIG.
Was bringt
Ihr mir?
MARQUIS.
Als ich das Vorgemach durchgehe,
Hör ich von einem schrecklichen Gerüchte,[152]
Das mir unglaublich deucht – Ein heftiger
Wortwechsel – Blut – die Königin –
KÖNIG.
Ihr kommt von dort?
MARQUIS.
Entsetzen sollt es mich,
Wenn das Gerücht nicht unrecht hätte, wenn
Von Eurer Majestät indes vielleicht
Etwas geschehen wäre – Wichtige
Entdeckungen, die ich gemacht, verändern
Der Sache ganze Lage.
KÖNIG.
Nun?
MARQUIS.
Ich fand
Gelegenheit, des Prinzen Portefeuille
Mit einigen Papieren wegzunehmen,
Die, wie ich hoffe, einges Licht –
Er gibt Carlos' Brieftasche dem König.
KÖNIG durchsucht sie begierig.
Ein Schreiben
Vom Kaiser, meinem Vater – – Wie? Von dem
Ich nie gehört zu haben mich entsinne?
Er liest es durch, legt es beiseite und eilt zu den andern Papieren.
Der Plan zu einer Festung – Abgerißne
Gedanken aus dem Tacitus – Und was
Denn hier? – Die Hand sollt ich doch kennen!
Es ist von einer Dame.
Er liest aufmerksam, bald laut, bald leise.
»Dieser Schlüssel – –
Die hintern Zimmer im Pavillon
Der Königin« – – Ha! Was wird das? – »Hier darf
Die Liebe frei – Erhörung – schöner Lohn« –
Satanische Verräterei! Jetzt kenn ichs,
Sie ist es. Es ist ihre Hand!
MARQUIS.
Die Hand
Der Königin? Unmöglich –
KÖNIG.
Der Prinzessin
Von Eboli –
MARQUIS.
So wär es wahr, was mir
Unlängst der Page Henarez gestanden,[153]
Der Brief und Schlüssel überbrachte.
KÖNIG des Marquis Hand fassend, in heftiger Bewegung.
Marquis!
Ich sehe mich in fürchterlichen Händen!
Dies Weib – Ich will es nur gestehen – Marquis,
Dies Weib erbrach der Königin Schatulle,
Die erste Warnung kam von ihr – Wer weiß,
Wieviel der Mönch drum wissen mag – Ich bin
Durch ein verruchtes Bubenstück betrogen.
MARQUIS.
Dann wär es ja noch glücklich –
KÖNIG.
Marquis! Marquis!
Ich fange an zu fürchten, daß ich meiner
Gemahlin doch zuviel getan –
MARQUIS.
Wenn zwischen
Dem Prinzen und der Königin geheime
Verständnisse gewesen sind, so waren
Sie sicherlich von weit – weit anderm Inhalt,
Als dessen man sie angeklagt. Ich habe
Gewisse Nachricht, daß des Prinzen Wunsch,
Nach Flandern abzureisen, in dem Kopfe
Der Königin entsprang.
KÖNIG.
Ich glaubt es immer.
MARQUIS.
Die Königin hat Ehrgeiz – Darf ich mehr
Noch sagen? – Mit Empfindlichkeit sieht sie
In ihrer stolzen Hoffnung sich getäuscht
Und von des Thrones Anteil ausgeschlossen.
Des Prinzen rasche Jugend bot sich ihren
Weitblickenden Entwürfen dar – ihr Herz –
Ich zweifle, ob sie lieben kann.
KÖNIG.
Vor ihren
Staatsklugen Planen zittr ich nicht.
MARQUIS.
Ob sie geliebt wird? – Ob von dem Infanten
Nichts Schlimmeres zu fürchten? Diese Frage
Scheint mir der Untersuchung wert. Hier, glaub ich,
Ist eine strengre Wachsamkeit vonnöten –
KÖNIG.
Ihr haftet mir für ihn. –[154]
MARQUIS nach einigem Bedenken.
Wenn Eure Majestät
Mich fähig halten, dieses Amt zu führen,
So muß ich bitten, es uneingeschränkt
Und ganz in meine Hand zu übergeben.
KÖNIG.
Das soll geschehen.
MARQUIS.
Wenigstens durch keinen
Gehülfen, welchen Namen er auch habe,
In Unternehmungen, die ich etwa
Für nötig finden könnte, mich zu stören –
KÖNIG.
Durch keinen. Ich versprech es Euch. Ihr wart
Mein guter Engel. Wieviel Dank bin ich
Für diesen Wink Euch schuldig!
Zu Lerma, der bei den letzten Worten hereintritt.
Wie verließt Ihr
Die Königin?
LERMA.
Noch sehr erschöpft von ihrer Ohnmacht.
Er sieht den Marquis mit zweideutigen Blicken an und geht.
MARQUIS nach einer Pause zum König.
Noch eine Vorsicht scheint mir nötig.
Der Prinz, fürcht ich, kann Warnungen erhalten.
Er hat der guten Freunde viel – vielleicht
Verbindungen in Gent mit den Rebellen.
Die Furcht kann zu verzweifelten Entschlüssen
Ihn führen – Darum riet' ich an, gleich jetzt
Vorkehrungen zu treffen, diesem Fall
Durch ein geschwindes Mittel zu begegnen.
KÖNIG.
Ihr habt ganz recht. Wie aber –
MARQUIS.
Ein geheimer
Verhaftsbefehl, den Eure Majestät
In meine Hände niederlegen, mich
Im Augenblicke der Gefahr sogleich
Desselben zu bedienen – und –
Wie sich der König zu bedenken scheint.
Es bliebe
Fürs erste Staatsgeheimnis, bis –[155]
KÖNIG zum Schreibpult gehend und den Verhaftsbefehl niederschreibend.
Das Reich
Ist auf dem Spiele – Außerordentliche Mittel
Erlaubt die dringende Gefahr – Hier, Marquis –
Euch brauch ich keine Schonung zu empfehlen –
MARQUIS empfängt den Verhaftsbefehl.
Es ist aufs Äußerste, mein König.
KÖNIG legt die Hand auf seine Schulter.
Geht,
Geht, lieber Marquis – Ruhe meinem Herzen
Und meinen Nächten Schlaf zurückzubringen.
Beide gehen ab zu verschiedenen Seiten.
Galerie.
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