Funfzehnter Auftritt


[162] Prinzessin von Eboli. Gleich darauf Carlos.


EBOLI.

So ist sie wahr, die außerordentliche Zeitung,

Die schon den ganzen Hof erfüllt?

CARLOS tritt herein.

Erschrecken Sie

Nicht, Fürstin! Ich will sanft sein, wie ein Kind.

EBOLI.

Prinz – diese Überraschung.

CARLOS.

Sind Sie noch

Beleidigt? Noch?

EBOLI.

Prinz!

CARLOS dringender.

Sind Sie noch beleidigt?

Ich bitte, sagen Sie es mir.

EBOLI.

Was soll das?

Sie scheinen zu vergessen, Prinz – Was suchen

Sie bei mir?

CARLOS ihre Hand mit Heftigkeit fassend.

Mädchen, kannst du ewig hassen?

Verzeiht gekränkte Liebe nie?

EBOLI will sich losmachen.

Woran

Erinnern Sie mich, Prinz?[162]

CARLOS.

An deine Güte

Und meinen Undank – Ach! ich weiß es wohl!

Schwer hab ich dich beleidigt, Mädchen, habe

Dein sanftes Herz zerrissen, habe Tränen

Gepreßt aus diesen Engelblicken – ach!

Und bin auch jetzt nicht hier, es zu bereuen.

EBOLI.

Prinz, lassen Sie mich – ich –

CARLOS.

Ich bin gekommen,

Weil du ein sanftes Mädchen bist, weil ich

Auf deine gute, schöne Seele baue.

Sieh, Mädchen, sieh, ich habe keinen Freund mehr

Auf dieser Welt als dich allein. Einst warst

Du mir so gut – du wirst nicht ewig hassen

Und wirst nicht unversöhnlich sein.

EBOLI wendet das Gesicht ab.

O stille!

Nichts mehr, um Gottes willen, Prinz –

CARLOS.

Laß mich

An jene goldne Zeiten dich erinnern –

An deine Liebe laß mich dich erinnern,

An deine Liebe, Mädchen, gegen die

Ich so unwürdig mich verging. Laß mich

Jetzt geltenmachen, was ich dir gewesen,

Was deines Herzens Träume mir gegeben –

Noch einmal – nur noch einmal stelle mich

So, wie ich damals war, vor deine Seele

Und diesem Schatten opfre, was du mir,

Mir ewig nie mehr opfern kannst!

EBOLI.

O Karl!

Wie grausam spielen Sie mit mir!

CARLOS.

Sei größer

Als dein Geschlecht. Vergiß Beleidigungen,

Tu, was vor dir kein Weib getan – nach dir

Kein Weib mehr tun wird. Etwas Unerhörtes

Fordr ich von dir – Laß mich – auf meinen Knien

Beschwör ich dich – laß mich, zwei Worte laß mich

Mit meiner Mutter sprechen.


Er wirft sich vor ihr nieder.[163]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 162-164.
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