Dritte Szene

[619] Ebendaselbst. Ein Gerichtssaal.


Trompeten. König Heinrich, Königin Margareta, Gloster, York, Suffolk und Salisbury treten auf; die Herzogin von Gloster, Grete Jordan, Southwell, Hume und Bolingbroke werden von der Wache herein geführt.


KÖNIG HEINRICH.

Kommt vor, Frau Leonore Cobham, Glosters Weib.

Vor Gott und uns ist Eu'r Vergehen groß:

Empfanget des Gesetzes Spruch für Sünden,

Die Gottes Schrift zum Tod verurteilt hat. –

Ihr vier von hier zurück in das Gefängnis,

Von dannen an den Platz der Hinrichtung.

Die Hexe brenn' in Smithfield man zu Asche,

Und ihr drei sollt erwürgt am Galgen werden. –

Ihr, Herzogin, als edler von Geburt,

Sollt, Eurer Ehre lebenslang beraubt,

Nach dreien Tagen öffentlicher Buße

Im Banne hier in Eurem Lande leben,

Mit Sir John Stanley in der Insel Man.

HERZOGIN.

Willkommen Bann, willkommen wäre Tod.

GLOSTER.

Das Recht hat, Leonore, dich gerichtet;

Rechtfert'gen kann ich nicht, wen es verdammt.


Die Herzogin und die übrigen Gefangnen werden mit Wache abgeführt.


Mein Auge schwimmt, mein Herz ist voller Gram.

Ach, Humphrey, diese Schand' in deinem Alter

Bringt noch dein Haupt mit Jammer in die Grube! –

Ich bitt' Eu'r Majestät, weggehn zu dürfen:

Das Leid will Tröstung, und mein Alter Ruh'.

KÖNIG HEINRICH.

Halt, Humphrey, Herzog Gloster! Eh' du gehst,[619]

Gib deinen Stab mir: Heinrich will sich selbst

Protektor sein; und Gott sei meine Hoffnung,

Mein Schutz, mein Hort und meiner Füße Leuchte!

Und geh in Frieden, Humphrey: noch so wert,

Als da du warst Protektor deinem König.

KÖNIGIN.

Ich sehe nicht, warum ein münd'ger König

Beschützt zu werden brauchte wie ein Kind.

Mit Gott soll Heinrich Englands Steuer führen:

Herr, gebt den Stab und laßt ihn selbst regieren.

GLOSTER.

Den Stab? Hier, edler Heinrich, ist mein Stab.

So willig mag ich selbigem entsagen,

Als mich dein Vater Heinrich hieß ihn tragen;

So willig lass' ich ihn zu deinen Füßen,

Als andre dran den Ehrgeiz würden büßen.

Leb wohl, mein König! Wenn ich hingeschieden,

Umgebe deinen Thron ruhmvoller Frieden!


Ab.


KÖNIGIN.

Ja, nun ist Heinrich Herr, Margreta Königin,

Und Humphrey, Herzog Gloster, kaum er selbst;

So arg verstümmelt, auf einmal zwei Stöße,

Sein Weib verbannt, und abgehaun ein Glied,

Der überreichte Stab: – hier sei sein Stand,

Wo er sich hingeziemt, in Heinrichs Hand.

SUFFOLK.

So hängt der hohe Fichtenbaum die Zweige,

So geht Lenorens Stolz, noch jung, zur Neige.

YORK.

Lords, laßt ihn ziehn. – Beliebt's Eu'r Majestät,

Dies ist der Tag, zum Zweikampf anberaumt,

Und Kläger und Beklagter stehn bereit,

Der Waffenschmied und sein Lehrbursch' an den Schranken

Geruht Eu'r Hoheit das Gefecht zu sehn.

KÖNIGIN.

Ja, mein Gemahl; denn dazu eben kam ich

Vom Hof, um ausgemacht den Streit zu sehn.

KÖNIG HEINRICH.

In Gottes Namen, richtet alles ein:

Hier laßt sie's enden, und schütze Gott das Recht!

YORK.

Nie sah ich schlechter einen Kerl gemutet,

Noch mehr in Angst zu fechten, als den Kläger,

Den Burschen dieses Waffenschmieds, Mylords.


Von der einen Seite kommt Horner mit seinen Nachbarn, die ihm so viel zutrinken, daß er betrunken ist; er trägt eine Stange mit einem daran[620] befestigten Sandbeutel, und eine Trommel geht vor ihm her; von der andern Seite Peter mit einer Trommel und eben solcher Stange, begleitet von Lehrburschen, die ihm zutrinken.


ERSTER NACHBAR. Hier, Nachbar Horner, trinke ich Euch zu mit einem Glase Sekt; und seid nicht bange, Nachbar, es wird schon gut gehen.

ZWEITER NACHBAR. Und hier, Nachbar, habt Ihr ein Glas Scharneco.

DRITTER NACHBAR. Und hier ist eine Kanne gutes Doppelbier, Nachbar: trinkt, und fürchtet Euch nicht vor Eurem Burschen.

HORNER. Nur her damit, meiner Treu, und ich will euch allen Bescheid tun, und ich frage den Kuckuck nach Peter.

ERSTER LEHRBURSCHE. Hier, Peter, ich trinke dir zu, und sei nicht bange.

ZWEITER LEHRBURSCHE. Lustig, Peter, und fürchte dich nicht vor deinem Meister; schlage dich für die Reputation von uns Lehrburschen.

PETER. Ich danke euch allen; trinkt und betet für mich, ich bitte euch: denn ich denke, ich habe meinen letzten Trunk in dieser Welt zu mir genommen. – Da, Ruprecht, wenn ich sterbe, so gebe ich dir mein Schurzfell, und Fritz, du sollst meinen Hammer haben; und da, Thoms, nimm alles Geld, das ich habe. – O Herr, sei mir gnädig und barmherzig! Ich kann es nimmermehr mit meinem Meister aufnehmen, er hat schon so viel Fechten gelernt.

SALISBURY. Kommt, laßt das Trinken sein und kommt zu den Streichen. Wie ist dein Name, Bursch?

PETER. Je nun, Peter.

SALISBURY. Peter! Wie weiter?

PETER. Puff.

SALISBURY. Puff! Nun, so sieh zu, daß du deinen Meister tüchtig puffst.

HORNER. Leute, ich bin so zu sagen auf Verlangen meines Gesellen hergekommen, um zu beweisen, daß er ein Hundsfott ist und ich ein ehrlicher Mann; und was den Herzog von York anbetrifft, so will ich darauf sterben, daß ich niemals was wider ihn im Sinne gehabt habe, und gegen den König und[621] die Königin auch nicht. Und also sieh dich vor, Peter, ich will tüchtig ausholen.

YORK.

Macht fort, schon lallt die Zunge diesem Schelm.

Trompeten blast, den Kämpfern zum Signal!


Signal von Trompeten. Sie fechten, und Peter schlägt seinen Meister zu Boden.


HORNER. Halt, Peter, halt! Ich bekenne, ich bekenne meine Verräterei. Stirbt.

YORK. Nehmt seine Waffe weg. – Danke Gott, Gesell, und dem guten Wein in deines Meisters Kopf.

PETER. O Gott! Habe ich meinen Feinden in dieser hohen Versammlung obgesiegt? O Peter, du hast deine gute Sache behauptet!

KÖNIG HEINRICH.

Schafft den Verräter weg aus unsern Augen,

Denn seine Schuld beweiset uns sein Tod,

Und offenbart hat der gerechte Gott

Die Treu' und Unschuld dieses armen Menschen,

Den widerrechtlich er zu morden dachte. –

Komm mit, Gesell, empfange deinen Lohn!


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 619-622.
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