Das Schiffchen meines Lebens

[218] Auf ruhigen Wogen

Und silberner Bahn

Bestieg ich einst muthig

Den flüchtigen Kahn;

Kühn lenkt' ich das Ruder

Mit liebendem Sinn,

Und flog auf den tanzenden Wellen dahin.


Der Scherz und die Freude

– So nahe verwandt –

Umfassen mich beide

Mit traulicher Hand.

Mir nahte die Freundschaft

So hold und so warm,

Ich lag ihr vertrauend und selig im Arm.
[219]

Mir winkte der Schimmer

Mit liebendem Blick,

Da floh ich verschüchtert

Und ängstlich zurück,

Und lebte den Freuden

Der blühenden Flur,

Im heiligen Tempel der grossen Natur.


Bald rauschten Zypressen,

Es strömten herab

Die bittersten Thränen

Auf's theuerste Grab;

Da stürzt' ich dem Tode

Vertrauend an's Herz,

Versunken in Gram und unendlichem Schmerz!


Und immer ward's trüber,

Es zogen daher

Die schrecklichsten Wetter,

So dunkel und schwer;

Nun sank ich ermattet,

Das Ruder entschwand,

Da reichte mir freundlich die Hoffnung die Hand!
[220]

Ich blickte vertrauend

Zum Himmel empor;

Harmonische Töne

Bewegten mein Ohr;

Es eilten die Geister

Des Friedens mir zu,

Mein Schiffchen schwand stiller in friedlicher Ruh.


Noch sah' ich den Glauben

Auf sonnigem Thron,

Im reinen Bewustseyn

Den seligsten Lohn;

Noch hielt ich für Wahrheit

Den trügenden Schein:

Von oben kommt Stärke, der Wille ist rein!


So träumt' ich mich täuschend

Mit kindlichem Sinn,

Doch bald schwand Vertrauen

Und Glaube dahin.

Ich sah nun die Wahrheit

Entkleidet vom Schein,

Und floh' in der Einsamkeit ödesten Hain.
[221]

Da wehte der Athem

Der Gottheit, Vertrau'n,

Von himmlischen Höhen

Und blühenden Au'n;

Da wandelt die Ruhe,

Im säuselnden Weh'n

Von kosenden Lüften, um schattige Höh'n!


Da ruh' ich am Herzen

Der grossen Natur,

Und liebend umfängt mich

Der Heiligen Spur;

Die Thräne der Wehmuth,

Ihr klagender Laut,

Sey ihr, meiner Göttin, allein nur vertraut!


Zum Wiegenlied wird mir

Der Nachtigall Schlag,

Zur Andacht erhebt mich

Der steigende Tag;

Da jauchzet die Seele,

In's Jubelgetön,

Die Hymne des Morgens von blühenden Höhn.
[222]

Des Sternen – Gewölbes

Erhabene Pracht

Verscheuchet den heiligen

Schauer der Nacht;

So streuet die Hoffnung

Mit tröstendem Sinn

Elysiums Blüthen dem Pilger dahin!


O wanke nicht wieder,

Von Stürmen bewegt,

Mein Schiffchen, das friedlich

Zum Hafen mich trägt,

Wo kindliche Liebe

Mich ewig umschliesst,

Die Zähre der Freude dem Auge entfliesst!

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 218-223.
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