34. Nix.

[38] Mündlich.


Der Nix erscheint gewöhnlich als ein kleiner, freundlicher Knabe in grünem oder rothem Röckchen, mit hellfunkelnden Augen und oft mit langem grünen Haar und grünen Zähnen. Bisweilen aber gleicht er einem erwachsenen Manne, hat ein altes, tückisches Gesicht und Krallen an den Händen. Er wohnt mit[38] Frau und Kindern auf dem Grunde der Flüsse und Seen: einzelne Nixe hausen auch in Brunnen. Wo ganze Familien zusammen sind, führen sie Wirthschaft wie die Menschen; in den benachbarten Dörfern und Städten kaufen sie ein was sie bedürfen, und in der dölauer Heide sieht man die Nixe von Lettin oft Holz lesen. An den Weiden, die in verschiedenen Gegenden an der Saale und Elster stehen, trocknen die Nixen bei heiterm Wetter ihre Wäsche: sie setzen sich dann in den Wipfel der Weide, breiten die Hemden und Röcke an den Zweigen rings um sich aus, und wenn Alles trocken ist, nehmen sie es ab und steigen wieder damit ins Wasser.

In ganz Sachsen weiß man daß die Nixe Kinder vertauschen; doch meint man gewöhnlich daß sie nur in den ersten sechs Wochen Gewalt über sie haben. Nixkinder sind sehr häßlich, oft über und über behaart und lernen sehr spät oder gar nicht sprechen und gehen: doch als man einst in Gutenberg solch einen »Kielkropf«, der nie aus der Wiege gekommen war, allein in der Stube ließ, sprang er auf und zerschlug Alles, was er fand.

Am Johannistage fordern die Nixe der Elbe, Saale, Unstrut und Elster ihr Opfer: darum gehen viele Schiffer zu Johanni nicht aufs Wasser, wenn sie nicht müssen. Den Namen dessen, welchen der Nix als Opfer verlangt, pflegt er dreimal zu rufen; und dann treibt es den Menschen unwiderstehlich zum Flusse, und er wird vom Nix hineingezogen. Auch[39] zu andern Zeiten aber verlocken Nixe die Menschen. Zu Passendorf in dem Teiche hinter der Kirche wohnt ein Nix, der, wenn Jemand Abends vorbei geht, oft mit klagender Stimme ruft »Komm, komm, komm; ich habe lang auf dich gewartet: wo bleibst du denn? komm, komm, komm.« Geht ein Mann vorbei, so ruft er mit feinem und weichem Tone wie ein Mädchen; kommt aber ein Mädchen, so ist die Stimme wie die eines jungen Burschen.

Am Zörnitzberge bei Wettin halten die Nixe bisweilen bei Nacht einen Tanz. Da hört man eine helle, fröhliche Musik und sieht viele kleine Männer und Frauen aus der Saale steigen, die sich bei den Händen fassen und mit zierlichen kleinen Schritten und Sprüngen ihren Reigen aufführen: und von Zeit zu Zeit springen einige ins Wasser und andre kehren an ihrer Stelle zurück.

Quelle:
Emil Sommer: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen 1. Halle 1846, S. 38-40.
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