In das Stammbuch der Frau von der Reck

1784.


Eingeschrieben in Dresden.


Sahst du, Freundinn, wie gestern, am Morgen des herrlichen Tages,

Als der Fels und der Strom Zeuge des Bundes uns war,

Sahst du die Nebelschleier, die uns umwallten? sie hüllten

Gold und Purpur uns ein, löschten den östlichen Strahl.

Lange schwebte die Wolke, sie sank und jegliches Gräschen

Neigte sich, von der Last weinender Tropfen beschwert.

Da erschien die Sonne, da blühte mit leuchtenden Sternen

Halm und Blum' und Gebüsch, jegliches Gräschen ein Stern![416]

Freundinn, so enthüllen sich uns die Nebel, es wandelt

So sich in Perlen die Saat unserer Thränen dereinst.

Viele weintest du, Edle, der bittersten Thränen, wie strahlend

Flammet, o Siegerinn, einst deiner Belohnungen Kranz!

Quelle:
Gesammelte Werke der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg, Band 1, Hamburg 1820, S. 342-343,416-417.
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