Prolog zu einer gesellschaftlichen, dramatischen Vorstellung in Emkendorff, dem Landsitze des Grafen Friedrich und der Gräfinn Julia von Reventlow, am Neujahrstage,1798, gesprochen von ihrer Pflegetochter, der jungen Gräfinn Ina Holk

[164] 1798.


Zum guten neuen Jahr, wo nehm' ich her

Den Blumenkranz, den ich, mit frommen Wunsch,

Zum Weihgeschenk den Eltern wind'? Es starrt

Der Winter, jedes Sprößlings Haupt ist welk,

Und eisern ist der Erde Mutterschooß –

Doch warm glüht dieses Herz! ach, ihm entsprießt

Der Blümlein manches, doch verborgen blüht's

Und duftet's hier – ich ging und sann und sann,

Da öffnete mein Blick sich und ich sah

Der Musen Gärten, reich im schönsten Schmuck

Des unverblühten Lenzes – Freundlich ist

Und leicht geschürzt Thalia, eilend trat

Sie vor, ergriff die Hand mir, lispelte

Mir leise zu: »Du gutes Mädchen schweig',[165]

Ich weiß schon dein Begehren; sehn sie dich,

Die Schwestern, o dann dränget sich hervor

Calliope, ja Melpomene zuckt

Wol gar auf mich den Dolch, Urania

Schwebt dann herzu, und geltend ist ihr Recht,

Sie, die verschwisterte mit Ihr, mit Ihr,

Auf der in Lieb' und Wünschen immer ruht

Ach, unser Aller Auge – Ina nimm

Des ganzen Körbchens Fülle, winde Strauß

Und flechte Kränze; jedes Blümchen blüh'

Ein schöner Segen! Deiner Eltern Heerd

Ist unser Heiligthum. Geh' – doch noch Eins:

Verkennt mich dort nicht! Meine Larve birgt

Der Rührung Zähren oft und im Gewand

Des Lächelns bebt, der wahren Freude Freund,

Der Ernst, auf meiner Lippe. – Schallet nicht

Mit heller Saite, wie mit tiefem Ton

Apollons Leyer? Einer, Einer nur

Ist unser Musenreigen! – Hüpfe du

Nun heim, und opfre töchterlich Gelübd'

Und Wünsche; wäre nicht den Sterblichen

Das Ohr verschlossen, o so hörtet ihr

Auch unsers Chores Stimme sich in Wunsch

Erheben für das beste Menschenpaar.« –

So sprach die Muse, ach, mir schlägt das Herz,

Die Stimm' entfliehet, deutet was mein Blick

Und was mein klopfend Herz euch sagt, und nicht

Euch sagen kann. Nehmt Willen statt der That!

Quelle:
Gesammelte Werke der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg, Band 2, Hamburg 1820, S. 164-166.
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