11.

[517] An den Werktagen betrieb von Cappeln als Nebenbeschäftigung das Handwerk eines Stellmachers (andere sagen eines Holzschuhmachers). Jeder Tag mußte ein fertiges Rad bringen (oder ein Paar Holzschuhe). Das waren in der Woche 6 Räder (oder 6 Paar Holzschuhe), die am Samstag abend mit Behagen gezählt wurden. Einst hatten Schäfer, um dem Pastor einen Streich zu spielen, ein Rad (oder ein Paar Holzschuhe) entwendet und versteckt, ohne daß der Verfertiger den[517] Verlust wahrgenommen. Der Samstag kommt, der Pastor zählt am Abende, wie hergebracht, was er geleistet in der Woche, und kommt über die Zahl fünf nicht hinaus. »Ei!« denkt er, »nur fünf. Das ist doch sonderbar, ich glaubte, es wäre Samstag, und nun sehe ich, daß es erst Freitag ist. Ja, irren ist menschlich,« und so findet ihn der Sonntagmorgen wieder in der Werkstatt. Da wird plötzlich die Türe aufgerissen, der Küster stürzt herein und ruft: »Pastor, de Lüe sind all lange in de Karke und Se koamet nich.« Man kann sich das verdutzte Gesicht von Cappelns vorstellen. Er will erst noch Einwendungen machen, besinnt sich aber, reißt seinen Talar vom Nagel und eilt, hinter dem Küster her, in die Kirche.[518]

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 517-519.
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