[229] Von der Anhöhe links herab, aus einem Waldwege, treten der Landgraf und die Sänger in Jägertracht einzeln auf. Im Verlaufe[229] der Szene findet sich der ganze Jagdtroß des Landgrafen nach und nach auf der Bühne ein
DER LANDGRAF auf halber Höhe, Tannhäuser erblickend.
Wer ist dort in brünstigem Gebete?
WALTHER.
Ein Büßer wohl.
BITEROLF.
Nach seiner Tracht ein Ritter.
Wolfram eilt zunächst auf Tannhäuser zu und erkennt ihn
WOLFRAM.
Er ist es!
DIE SÄNGER UND DER LANDGRAF.
Heinrich! Heinrich! Seh ich recht?
Tannhäuser, der überrascht schnell aufgefahren ist, faßt sich und verneigt sich stumm gegen den Landgrafen, nachdem er einen flüchtigen Blick auf ihn und die Sänger geworfen
LANDGRAF.
Du bist es wirklich? Kehrest in den Kreis zurück,
den du in Hochmut stolz verließest?
BITEROLF.
Sag, was uns deine Wiederkehr bedeutet?
Versöhnung? Oder gilt's erneutem Kampf?
WALTHER.
Nahst du als Freund uns oder Feind? Als Feind?
DIE ANDEREN SÄNGER AUSSER WOLFRAM.
Als Feind?
WOLFRAM.
Oh, fraget nicht! Ist dies des Hochmuts Miene?
Er geht freundlich auf Tannhäuser zu
Gegrüßt sei uns, du kühner Sänger,
der, ach, so lang in unsrer Mitte fehlt!
WALTHER.
Willkommen, wenn du friedlich nahst!
BITEROLF.
Gegrüßt, wenn du uns Freunde nennst!
ALLE SÄNGER.
Gegrüßt, gegrüßt, gegrüßt sei uns!
LANDGRAF.
So sei willkommen denn auch mir!
Sag an, wo weiltest du so lang?
TANNHÄUSER.
Ich wanderte in weiter, weiter Fern, –
da, wo ich nimmer Rast noch Ruhe fand.
Fragt nicht! Zum Kampf mit euch kam ich nicht her;
seid mir versöhnt – und laßt mich weiterziehn!
LANDGRAF.
Nicht doch! Der Unsre bist du neu geworden.
WALTHER.
Du darfst nicht ziehn!
BITEROLF.
Wir lassen dich nicht fort!
TANNHÄUSER.
Laßt mich! Mir frommet kein Verweilen,
und nimmer kann ich rastend stehn!
Mein Weg heißt mich nur vorwärts eilen,
und nimmer darf ich rückwärts sehn.
DER LANDGRAF UND DIE SÄNGER.
O bleib! Bei uns sollst du verweilen,
wir lassen dich nicht von uns gehn![230]
Du suchtest uns, warum enteilen
nach solchem kurzen Wiedersehn?
TANNHÄUSER sich losreißend.
Fort! Fort von hier! Laßt mich! Fort, fort!
DIE SÄNGER.
Bleib, bleib bei uns!
WOLFRAM mit erhobener Stimme.
Bleib bei Elisabeth!
TANNHÄUSER heftig und freudig erschüttert, bleibt wie festgebannt stehen.
Elisabeth! O Macht des Himmels,
rufst du den süßen Namen mir?
WOLFRAM.
Nicht sollst du Feind mich schelten, daß ich ihn genannt. –
Zu dem Landgrafen
Erlaubest du mir, Herr, daß ich
Verkünder seines Glücks ihm sei?
LANDGRAF.
Nenn ihm den Zauber, den er ausgeübt;
und Gott verleih ihm Tugend,
daß würdig er ihn löse!
WOLFRAM.
Als du in kühnem Sange uns bestrittest,
bald siegreich gegen unsre Lieder sangst,
durch unsre Kunst Besiegung bald erlittest,
ein Preis doch war's, den du allein errangst.
War's Zauber, war es reine Macht,
durch die solch Wunder du vollbracht,
an deinen Sang voll Wonn und Leid
gebannt die tugendreichste Maid?
Denn ach! als du uns stolz verlassen,
verschloß ihr Herz sich unsrem Lied;
wir sahen ihre Wang erblassen,
für immer unsren Kreis sie mied.
O kehr zurück, du kühner Sänger,
dem unsren sei dein Lied nicht fern!
Den Festen fehle sie nicht länger,
auf's Neue leuchte uns ihr Stern!
DIE SÄNGER.
Sei unser, Heinrich! Kehr uns wieder!
Zwietracht und Streit sei abgetan!
Vereint ertönen unsre Lieder,
und Brüder nenne uns fortan!
TANNHÄUSER innig gerührt, umarmt Wolfram und die Sänger mit Heftigkeit.
Zu ihr! Zu ihr! O führet mich zu ihr!
Ha, jetzt erkenne ich sie wieder,
die schöne Welt, der ich entrückt!
Der Himmel blickt auf mich hernieder,[231]
die Fluren prangen reich geschmückt!
Der Lenz mit tausend holden Klängen
zog jubelnd in die Seele mir!
In süßem, ungestümem Drängen
ruft laut mein Herz: Zu ihr! Zu ihr!
LANDGRAF UND DIE SÄNGER.
Er kehrt zurück, den wir verloren!
Ein Wunder hat ihn hergebracht!
Die ihm den Übermut beschworen,
gepriesen sei die holde Macht!
Nun lausche unsren Hochgesängen
von Neuem der Gepries'nen Ohr!
Es tön' in frohbelebten Klängen
das Lied aus jeder Brust hervor!
Während des Vorhergehenden hat sich nach und nach der ganze Jagdtraß des Landgrafen mit Falkenträgern usw. auf der Bühne versammelt. Die Jäger stoßen in die Hörner. – Das ganze Tal wimmelt jetzt vom immer noch stärker angewachsenen Jagdroß. – Der Landgraf und die Sänger wenden sich dem Jagdtroß zu; der Landgraf stößt in sein Horn: lautes Hornschmettern und Rüdengebell antwortet ihm. – Während der Landgraf und die Sänger die Pferde, die ihnen von der Wartburg zugeführt worden sind, besteigen, fällt der Vorhang
Buchempfehlung
Diese »Oden für das Herz« mögen erbaulich auf den Leser wirken und den »Geschmack an der Religion mehren« und die »Herzen in fromme Empfindung« versetzen, wünscht sich der Autor. Gellerts lyrisches Hauptwerk war 1757 ein beachtlicher Publikumserfolg.
88 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro