Eingang.

[5] Teutschland hatte nunmehr den dreissig-jährigen Krieg beygeleget, und der angenehme Friede fieng allbereit an seine Früchte außzustreuen, als ein grosser Herr, dem das Leben in den verschlossenen Festungen bißher gar verdrießlich gefallen war, sich wiederumb auf seine Herrschafft begab und daselbst sein zerstörtes Schloß auf eine neue und schönere Manier anlegen ließ. Das Werck gieng wohl von statten, die Mauern wurden aus dem äussersten Grunde wohl auffgeführt, die Dächer fügten sich zierlich zusammen, die Losamenter hatten ihre ordentliche Abtheilung, und die Sache kurtz zu geben, ein ieder freuete sich schon, den Pallast in würcklicher Vollkommenheit anzuschauen. Doch wie es in den Menschlichen Sachen pflegt herzugehen, daß sich die Hoffnung allzeit weiter erstreckt, als die That selber: also befunden sich die Leute in ihrer Freude, wo nicht betrogen, doch sehr lange auffgehalten. Denn obgedachter Herr fiel in eine plötzliche Kranckheit, ward auch von dem hereinbrechenden Tode übereilet, daß er kaum Zeit hatte seinen letzten Willen zu erklären, und in Ermangelung eigener Leibes-Erben, die nächsten Freunde im Testament ordentlich zu bedencken. Was geschach? Die Leiche wurde prächtig beygesetzt, und weinten dieselben am trotzigsten, die sich der Erbschafft wegen am meisten freueten, daß man also wol in die Trauer-Fahne hätte schreiben mögen: NULLI JACTANTIUS MOERENT, QUAM QUI MAXIME LÆTANTUR. Endlich bey Eröffnung des Testaments fand sichs, daß dem jenigen, der des Hauses Besitzer seyn würde, die Beschwerung, doch ohne seinen Schaden aufferleget war, den angefangenen Bau nicht allein zu vollenden, sondern auch[6] in allen Stücken so wohl in grossen als in kleinen dem auffgesetzten Verzeichniß zu folgen. Nun war gedachtes Verzeichniß so accurat eingerichtet, daß fast nicht ein Balcken vergessen war, wo er solte eingeschoben, wie er solte bekleidet oder gemahlet, wie er solte behobelt und beschnitzet werden. Was solte der Erbe thun? wolte er den Pallast haben, muste er die beygefügte Condition eingehen. Und also ließ er in dem Bau gar sorgfältig fortfahren, vergaß auch nichts in Obacht zu nehmen, wie es vorgeschrieben war. Nach langer Müh kam er auf die Gemächer, die er mit allerhand Schildereyen außputzen solte, wie denn alle Inventiones schon vorgeschrieben waren. Und da war ein Saal, bey dem die Verordnung geschehen, es solten in den drey grossen Feldern der Thüre gegen über die drey ärgsten Narren auf der Welt abgemahlet werden. In diesem Stück ereigneten sich nun grosse Scrupel, indem niemand gewiß sagen konte, welches denn eben in der grossen und weitläufftigen Narrenschule der Welt, die 3. grösten und vornehmsten Narren seyn müsten, und ob nicht auf allen Fall, wenn ein Schluß solte getroffen werden, man einen præcedentz Streit um die Narren-Kappe, oder wohl gar einen injurien-process möchte an den Hals bekommen, nach dem bekanten Sprichwort: Quo stultior, eò superbior. Es fiel auch dieses inconveniens mit ein, daß einer, der ietzund ein kleiner Narr wäre, in kurtzer Zeit mit einer höhern Charge möchte versehen, und vielleicht über die Obersten gesetzet werden. Denn weil heute zu Tage die Ehre nichts ist als ein blosser Titel, so könte man leicht verstehen was das heist, Seniores ludunt titulis, ut pueri astragulis. Zwar der Sache muste endlich abgeholffen werden, und kamen zu dem Ende die klügsten desselbigen Orts zusammen, ob sie nicht in der zweifelhafftigen Frage könten einen richtigen Schluß treffen. Einer machte den Handel sehr schwer, vorgebende, er hätte auf seiner Reise durch Ober-Sachsen, in einem vornehmen Adelichen Hause einen Saal gesehn, da neun und neuntzig Narren wären abgemahlt gewesen, und wäre noch ein ledig Feld gelassen worden, wann sich unversehns irgend[7] einer angegeben, den der Mahler vergessen hätte. Dannenhero würde die Wahl unter so vielen nicht gar zu leicht seyn. Ein ander gab vor, der wäre der gröste Narr, welcher die grösten Schellen hätte: Aber er muste sich berichten lassen, daß die meisten Schellen heimlich getragen würden, sonderlich nach der Zeit, da man unter den Baruquen und breiten Hüten viel verbergen könte. Nach langem Berathschlagen, fing ein alter Grüllenfänger, der bißhero gantz still geschwiegen, also an: Ihr Herren, was wolt ihr in dieser Stube die grösten Narren der gantzen Welt außsuchen, ihr kommt mir vor als wie Peter Sqventz, der meinte, weil er im Dorffe keinen Pfarherr hätte und derowegen als Schulmeister der oberste zu Rumpels-Kirche wäre, so müste er unfehlbar der Höchste in der gantzen Welt seyn. Magnum & parva sunt relata. Will einer nun wissen, was in diesem oder jenem Stücke das Gröste in der gantzen Welt sey, der muß auch einen Blick in die gantze Welt thun. Und ich halte, der selige Herr habe einen klugen Besitzer seines Hauses dadurch bestätigen wollen, indem solcher Krafft der Bedingung, sich in der Welt zuvor versuchen, und also in Betrachtung vielfältiger Narren, desto verständiger werden müste. Diese Rede wolte dem jungen Fäntgen nicht zu Sinne, daß er sich so viel Meilen hinter den Backofen verlauffen solte: absonderlich war ihm dieß zuwider, daß er seine Liebste so lange verlassen müste, mit welcher er sich, nach der Gewonheit aller reichen Erben, verplempert hatte. Aber es halff nichts, wolte er nicht, so war schon ein ander da, der es umb dieß Geld thun wolte. Derhalben weil wider den Tod kein Kraut gewachsen war, so ward unverzüglich zu der Reise geschickt, und freueten sich die andern, wenn dieser auf dem langen Wege umbkäme, in seinen Gütern zu bleiben. Es machte ihm auch einer ein Propempticum, und setzte diese Worte mit dazu:


I decus i nostrum, melioribus utere fatis.


Er meinte aber, das wären die meliora fata, wenn er bald stürbe und in den Himmel käme. Sit divus modo non vivus. Nun wäre viel zu gedencken, mit was vor nassen Augen der Abschied genommen worden, und[8] was ihm die Liebste vor Lehren mit auf den Weg gegeben, wenn es nicht das Ansehen gewinnen möchte, als wäre dieser Narren Außkoster der erste in dem Register gewesen. Darumb sey nur kürtzlich diß gesagt, er reisete fort und nahm niemand mit sich als drey Diener, einen Hofmeister, einen alten Verwalter, der die Quartiermeister-Stelle vertreten solte, und einen Mahler, daß man das Ebenbild alsobald haben könte, wenn sich der gröste Narr sehen liesse. Lichter und Laternen bedurfften sie nicht, denn sie meinten, sie wolten die Narren eher im Finstern finden, als Diogenes die Menschen am hellen Mittage. Nun wir wollen die andern zu Hause, und absonderlich die Ubelauffseher, bey ihrer administration lassen, und wollen der schönen Compagnie zu allen wunderlichen und närrischen Begebenheiten das Geleite geben.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 5-9.
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