Vierter Auftritt

[71] Acht Räthe haben sich unter den letzten Reden versammelt. Braske und Jöran.

Jöran gibt ein Zeichen, sie setzen sich an einen Tisch, der einen halben Mond bildet. Jöran sitzt an einem, Braske an dem andern Ende. Nach einer Pause fängt Jöran an zu reden.


JÖRAN Edle Schweden! ihr wißt, warum wir hier versammelt sind. – Ein Fall, der die Natur aus ihrem Gleise drängt, hat sich ergeben. Ein Bruder trachtet nach seines Bruders Thron und Leben; reitzt Fremde auf, sich seiner schlechten Sache anzunehmen, bewaffnet ihn aus seinem Kerker zu befreyen, indem ihn Sorge für des Reiches Wohl gefangen hält. Wenn nun nachbarliche Mächte seine Sache zu ihrer eignen machen, so werden bald des Reiches hoffnungsvolle Söhne dem Feind entgegen ziehen, der sich verheerend unsern Grenzen naht. Aufruhr und Zwietracht wird im Innern wüthen, und[71] bald wird Schweden nur ein großes Grab. Doch Gott, der Staaten schützt, steht an der Seite der Gesalbten, er hat dieß Unglück von uns abgewendet; die Briefe, die der Zwietracht Seuche in fremde Länder bringen sollten, sind in unsrer Hand. Gibt ihnen die Briefe. Les't –

BRASKE. Wahrlich – eure weise Einleitung macht diese edlen Herren nicht verlegen, was sie von dem allen denken, und wie sie darüber richten sollen. Laßt bey Gericht die simple Sache sprechen, gebt ihr nicht Farben, die euch wohlgefallen, vernehmt ob diesen Briefen den Beklagten.

EINIGE RÄTHE. Ja, man muß ihn hören.

EINER allein. Das ist Hochverrath –

EINIGE. Was kann er noch dagegen sagen?

BRASKE. VIEL. für den Richter, der nicht unbedingt verdammen will; der sein Gewissen erst zu Rathe zieht. Herr Reichskanzler – laßt ihn kommen.

JÖRAN gibt dem an der Thüre stehenden Rathsdiener einen Wink. Er komme.

RATHSDIENER ab.

BRASKE steht feyerlich auf. Laßt uns in dieser Zwischenzeit das Herz zu Gott erheben, laßt uns ihn bitten, daß er uns, frey von Haß, von niedriger Leidenschaft, nur Recht und Unrecht sehen lasse. Laßt uns wie Männer richten, die jeden Augenblick vor Gott erscheinen können, keine weltliche Furcht lenke unser Urtheil; Gottesfurcht bestimme es.

JÖRAN hat, gleich den andern, andächtig da gestanden, doch muß man seine Ungeduld dabey, aber nicht zu auffallend, bemerken. Die Räthe setzen sich.[72]


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 1, Wien 1817, S. 71-73.
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