Erster Auftritt

[153] Baroninn, Babette.


BARONINN völlig angekleidet. Babette, wie findest du mich heute?

BABETTE. Sehr gefährlich, gnädige Frau.

BARONINN seufzt. Ohne Schmuck.

BABETTE. Schmuck ersetzen Reitze, das haben Euer Gnaden nicht nöthig. Dieses Federdiadem imponirt, Sie könnten damit eine Welt beherrschen.

BARONINN. Ach – ein Schmuckdiadem sagte mehr. Wie oft hab' ich mit dem blinkenden Gestein die Augen des gaffenden Parterrs auf mich gezogen. Die Leute mochten auf dem Theater brüllen, wie sie wollten, die Ohren standen ihnen offen, aber aller Augen hingen an mir. Wenn man dann noch zur rechten Zeit jemand grüßt, und mit dem Kopf nickt, daß alle Lichter im Schauspielhaus auf diesen einzigen Brennpunct hinwirken – dann – ach eine Dame ohne Schmuck ist ein trauriges Geschöpf.

BABETTE. Wenigstens kein glänzendes.[153]

BARONINN. Hier sind die Karten – lass' sie austragen, es wird spät.

BABETTE besteht sie. Viele neue Nahmen. Die Baroninn Giesbach war schon über ein Jahr nicht bey uns.

BARONINN. Sie hat drey Töchter, von denen die jüngste 28 Jahr zählt, und noch hat sich kein Freyer gemeldet; du begreifst, daß das Glück meiner Töchter, die noch wahre Kinder sind, sie piquiren wird.

BABETTE. Begreife. Frau von Sommer.

BARONINN. Ihr Mann ward übergangen. Der dumme Baron Dürrer erhielt die Stelle, die ihm gehörte; sie ist jetzt das Gespräch der ganzen Stadt, und man muß in allen guten Gesellschaften jemand haben, der das öffentliche Mitleid erregt, das gibt Stoff zu tuschanten Gesprächen.

BABETTE. Darum? Herr und Frau von Dorn.

BARONINN. Die kleiden sich gut, und sind daher in einer Gesellschaft das, was die Gypsfiguren auf Kamin und Ofen sind, sie putzen auf. Seit einigen Wochen befiel sie auch die Sucht zu declamiren, man läßt sie aber nur selten zu Worte kommen.

BABETTE. Fräulein Grinsberg.

BARONINN. Die setzt man an's Clavier.

BABETTE. Spielt sie gut?

BARONINN. O ja, aber kein Mensch gibt darauf Acht. Man hat daher jetzt Claviere mit türkischer Musik erfunden, die sich durch das Gespräch durchschreyt; aber die Menschenstimmen behalten doch die Oberhand.

BABETTE. Frau von Lichtberg.

BARONINN. Ein lebendiges Zeitungsblatt. Was von dem[154] Keller bis unter das Dach in den Häusern vorgeht, alles weiß sie. Sie ist die Vertraute von allen, und vertraut wieder, was man ihr vertraut.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 2, Wien 1817, S. 153-155.
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