Dritter Auftritt

[32] Baptist, die Vorigen.


MUTTER.

O sprich Baptist – wie geht es meinem Mann?

BAPTIST.

Ich denke gut.

MUTTER.

Du denkst? Du weißt es nicht?

HORTENSIA.

Du warst nicht bey ihm?

MARIE.

Hast ihn nicht gesehen?[32]

BAPTIST.

Was sollt' ich nicht? ich stand ihm nah zur Seite,

und drängte mich hinzu daß er mich sah.

MUTTER.

Wie geht es ihm? Wie sah er aus, o sprich –

BAPTIST.

Ganz anders sah er aus, als vor sechs Monden,

wo er mir drohend meinen Abschied gab.

Da trug er hoch das Haupt; jetzt tief gesenkt.

Da funkelte sein Aug'; – jetzt war es matt,

und lag erschlafft in seiner weiten Höhle.

Ha, ha, ha, ha! – Es wechselt wunderlich!

MUTTER.

Mensch! Du bist wild, Du bist mir fürchterlich!

BAPTIST.

Ihr Weißen wollt nur weiche Töne hören,

ein lieblich Lied, das in den Schlaf Euch lullt.

Verzärtelt Volk, das auf uns nieder blickt,

als würd' es nicht aus Mutterleib geboren,

als ließ es von dem Himmel sich herab:

nun wartet nur, wir senden Euch zurück,

zu schlecht ist für Euch Weißen diese Erde,

bald sollt Ihr alle dort versammelt sein.

MUTTER.

Fort – fort von hier – ich will nichts weiter hören,

denn nimmer bringst Du gute Bothschaft mir.

BAPTIST.

Doch, doch – ich bring euch ja des Gatten Gruß.

MUTTER.

So lass' mich schnell auch seine Worte hören,

o bittet Kinder, flehet, daß er spricht.[33]

HORTENSIA.

Siehst Du nicht unsre Angst?

MARIE.

Erbarme Dich!

BAPTIST.

Ihr armen Täubchen, ja – Ihr dauert mich,

so wisset denn –

MUTTER.

Sprich, mich verzehrt die Angst.

BAPTIST.

Ihr kennt Baptist – er löscht nicht wo es brennt,

nein, er schirrt zu, und freut der Flamme sich.

So kam ich nach St. Marc, und hörte dort

von einem großen Fest, das Dessalines

dem freien Volk, und seinen Truppen gäbe.

Aus weiter Ferne holte man die Gäste,

mit Sonnenuntergang sollt' es beginnen.

Sie neigte sich – erwartend stand das Volk,

da brachte man, – doch Ihr müßt nicht erschrecken,

die weißen Geißeln, eine schöne Zahl:

und unter Trommelschlag, und wildem Jubel

gab man dem Volk sie preiß –

BEYDE MÄDCHEN.

Gerechter Gott!

MUTTER bebend.

Seyd stille, stille –

HORTENSIA.

Mutter – Gott sie stirbt!

BAPTIST.

Zu früh, zu früh, erst muß sie alles hören.[34]

MARIE.

Du halfst dem Vater doch, nicht wahr Baptist?

BAPTIST.

Das will ich meinen; hundert stürzten hin,

und wollten ihn mit so viel Dolchen worden,

da rief ich, – mein ist er, und er war mein!

Mit einem Stoß lag er vor mir im Staube.

BEYDE MÄDCHEN.

Barmherzigkeit!


Fallen auf die Knie.


MUTTER sinkt.

Ha Mörder!


Die Mädchen werfen sich auf sie.


Mutter, Mutter!

O Gott sie stirbt! o unsre gute Mutter!

BAPTIST nach einer Pause.

Jetzt jammert! ras't! gekühlt ist meine Rache,

umsonst beleidigt man den Schwarzen nicht.

Fort müßt ihr alle, uns gehört dies Land.

Euch hat das Meer im Sturme ausgespien,

wie es die Ungeheuer seiner Tiefe

mit grimm'ger Wuth an unsre Küsten wirft.

Gewühlt habt Ihr in unsern Eingeweiden,

habt Fesseln für die freie Hand geschmiedet,

und Kraft und Blut aus unserm Volk gesaugt.

Die Rache winkt, die Freiheitsstunde schlägt,

Fluch, Fluch der Hand, die Eure Fesseln trägt.


Schnell ab.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neueste Schauspiele. Band 9, Berlin 1821, S. 32-35.
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