Achter Auftritt

[100] Marktplatz. Festlich geschmückt. In der Mitte eine Art Thron, reich mit Teppichen behängt. Man hört in der Ferne Trommeln und Musik von blasenden Instrumenten. Diakue marschirt mit seinen Truppen auf, und ordnet sie um den Thron. Er spricht mit den Offizieren heimlich, sie stecken die Köpfe zusammen. Erst wenn Dessalines erscheint, geht jeder auf seinen Posten. Dessalines wird von Offizieren getragen, er stüzt sich auf seinen Degen. Hinter ihm Julia festlich geschmückt mit zwölf weiß gekleideten Sklavinnen. Wie Dessalines auf dem Throne steht, schweigt die Musik. Julia bleibt rechts im Vordergrunde[100] mit ihren Frauen. Unter den Offizieren sind Goffier und Opku. Im Hintergrunde Volk.


DESSALINES.

So weit hat es mein Geist, mein Muth gebracht,

daß ich nur farb'ge Menschen hier erblicke.

Der Weißen Leichen liegen aufgethürmt,

noch heute soll die Flamme sie verzehren.

Wenn dann der Wind nach Frankreichs Küften weht,

soll er die Asche der Verruchten tragen.

Ja, farb'ge Brüder, es fängt an zu tagen,

die Sonne geht nun für Domingo auf,

und Dessalines gebietet ihren Lauf.

Geist, Glück und Kraft hat mich empor gehoben,

wer ist's, der sich an Größe mir vergleicht?

Frei seid Ihr, doch der Körper braucht ein Haupt,

daß kühn mit Adlerblick Euch überschaut,

und jedem Glied die eig'ne Richtung gebe.

Ich trage diesen Kopf, mit Lorbeer hat

der kräft'ge, tapf're Arm ihn längst geschmückt.

Die Krone fehlt – ich setz' sie auf mein Haupt,

und trete jetzt als Kaiser unter Euch.


Trommelschlag – wenn die Trommel schweigt, Thrompeten – Stoß.


GOFFIER tritt wenn alles schweigt in die Mitte der Bühne.

Hör' es Volk von Haiti! Soldaten hört!

Ich rufe Dessalines als Kaiser aus.


Neuer Trommelschlag und Trompeten – Stoß.


DAS VOLK ruft.

Heil Haitis Kaiser, Heil.[101]

DIE OFFIZIERE VON SEINEM GEFOLG.

Er lebe hoch!

DESSALINES.

Ich lade Euch zu meinem Krönungsfest.

Nicht in der engen Stadt, auf freiem Feld

baut mir bis in die Wolken einen Thron,

daß ich das Volk von Haiti überschaue.

Zu meinen Füßen schimmern die Geschmeide,

die Schätze, die die Weißen hinterlassen,

die ganze Erbschaft die ich heut gemacht.

Musik und Jubelsang erfreu' das Ohr,

der leere Becher fülle schäumend sich;

Der Freude Taumel reiß' zum Wahnsinn hin,

so zeig' ich, daß ich groß und mächtig bin.

VOLK.

Ja, Du bist groß – es lebe Dessalines.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neueste Schauspiele. Band 9, Berlin 1821, S. 100-102.
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