Zehente Begebenheit.

Ein Verstorbener, welcher wegen seinen Sünden hätte sollen verdammt werden, und aber täglich den Rosenkrantz gebettet, wird durch die Fürbitt der Mutter GOttes erhalten, daß er seine Sünden hat beichten können.

[432] Dieser, ob er schon in den Wollüsten der Welt gantz versoffen ware, so truge er doch gleichwohl grosse Andacht zu der Mutter GOttes, und bettete ihr zu Ehren täglich den Rosenkrantz. Mit der Zeit fallt er in eine schwere Kranckheit, daran er auch gestorben. Als er nun etliche Stund da gelegen, ist er gähling wiederum zu sich selbsten kommen, und zum Leben erwecket worden. Ruft also zu denen, so um ihn herum stunden, man solle ihm unverzüglich einen Priester kommen lassen, deme er beichten könne. Die Umstehende, so hierüber heftig erschrocken, willfahren dem Jüngling. So bald nun der Priester ankommen, sagte der Jüngling mit lauter Stimm vor allen Gegenwärtigen: Wisset, daß ich bin geführt worden für den Richterstuhl Christi, allwo mich die höllische Geister wegen 3. Sünden heftig angeklagt haben, um derentwillen auch das Urtheil der ewigen Verdammnuß über mich hat ergehen sollen. Weilen aber die Mutter GOttes entzwischen kommen, und ihren allerliebsten Sohn für mich gebetten, mir, weilen ich ihr zu Ehren täglich den Rosenkrantz gebettet, noch so viel Zeit zu lassen, damit ich meine Sünden hertzlich bereuen, und Buß darüber thun könnte: ist mir solche Gnad auch zugesagt worden. Meine Sünden waren diese; 1. daß ich den Zehenden meiner Gütern denen Priestern entzogen. 2. Daß ich mit meinen Gesellen erlichen armen Geistlichen Fisch entfremdet. 3. Daß ich mit meinen Jagd-Hunden den armen Leuten das Getreid verderbt hab. Als er dieses geredt, und den erlittenen Schaden aus seinen hinterlassenen Güteren zu erstatten ernstlich verordnet, ist er über ein kleine Zeit mit GOTT versöhnet, das andermahl verschieden, und mithin durch die Fürbitt der Mutter GOttes erhalten worden. Cantiprat. lib. 2. Apum. cap. 19. Part. 8.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 432.
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