11. Auf Cleantes den Seemann

[176] Dass man ein Fräulein preisst, indem man sie betrüget,

Und sie durch Umschweiff' offt zu überreden strebt,

Dass man die Händ' ihr küsst, und ihr zun Füssen lieget,

Indem man sie empor biss an die Sterne hebt,

Das steht Cleant nicht an, der nicht beredsam ist,

Der was er ohne Müh' und in dem ersten Griff

Nicht haben kan verschmäht: Er ist ein Krieges-Schif,

Das nur mit dem Geschütz',1 und nicht der Flagge grüsst.


Fußnoten

1 Das nur mit dem Geschütz. Gleich wie es den See-Erfahrnen bekant, dass ein grosser Unterscheid sey zwischen einem Gruss der mit dem Geschütz, und demjenigen der mit der Flagge oder dem Wimpel geschiehet, indem das erste nur ein Zeichen der Freundschafft, das andere aber eine Erkäntnüss der Hoheit ist, also wär es vergebens hier anzudeuten, wie füglich sich eine mit dem Wind spielende Flagge mit eitlen Complimenten, hergegen das Geschütz mit dem hier verblümten Wercke vergleichen lässet; denn wer dergleichen Sachen nicht von sich selbst begreiffet, der ist der Mühe nicht wehrt, dass man ihm viel Erklärungen darüber mache.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 176.
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