3. Verwirrung zu Hofe

[410] Es sind die Sachen stets zu Hofe so verwirret,

Dass mancher hier aus Noht, und mit Bedencken irret:1

Dass man aus Armuht hier offt treibet grosse Pracht,2[410]

Und sein Unwissenheit selbst sich zu Nutzen macht;3

Offt thut allhier ein kluger Mann,4

Was ihm ein Jeck' und Thor giebt an;

Offt hat der Narren ihre Thaten

Allhier ein kluger Mann gerahten.


Fußnoten

1 Und mit Bedencken irret. Dale der Königin Elizabeth Abgesandter in Flandern schickte einst in einem Bündel an den geheimen Staats-Schreiber zwey Briefe, einen an die Königin, und den andern an seine Frau; hatte aber auf der Königin Brief die Aufschrifft an seine Frau, und hergegen auf seiner Frauen ihren, der Königin Aufschrifft gesetzet: so dass als die Königin ihren Brief öfnete, sich nicht wenig verwunderte, als sie so gleich im Anfang, mein Schatz, und hernach an unterschiedenen Orten, mein Engel, mein liebstes Kind, mit dem Zustand seines Leibes, und dass es ihm nunmehro an Geld zu ermangeln beginne, zu lesen bekam. Man kan sich leicht einbilden, wie sehr sich die Königin über dieses ihres Abgesandten vermeintes Versehen ergetzet habe; das beste aber von dieser Geschichte ist, dass ihm die Königin, die sonst nicht gerne nach dem Beutel griff, so gleich darauf einen ansehnlichen Wechsel übermachen liess.


2 Dass man aus Armuht hier offt treibet grosse Pracht. Damit man den Glaubnern die Augen verblende, und auf gute Borgschaft loss leben könne.


3 Und sein' Unwissenheit selbst sich zu Nutzen macht. Die Königin Maria de Medicis gab einsten ein öffentliches Gehör an einige Bohtschaffter aus der Schweitz. Als nun der jenige der das Wort führete, seine Anrede beschlossen, so fragte die Königin, Melson ihren Dolmetscher, was der Bohtschafter ihr Anbringen gewesen sey, damit sie darnach ihre Antwort einrichten könte. Die Herrn Bohtschaffter, antwortete Melson mit grosser Freymühtigkeit, ohngeachtet er kein Wort von ihrer Sprache verstand, haben gesaget; dass Ihre Königl. Majestät die Schönste, Tugendhaffste, und grösste Printzessin der Welt sey', und fuhr weiter fort die Königin hoch herauszustreichen. Als aber einige die zugegen waren, und der Schweitzer ihre Sprache verstanden, sagten, dass die Bohtschaffter von allem diesen nicht die geringste Meldung gethan; so antwortete Melson in grossem Eifer und Zorn: Haben sie es nicht gesagt, so hätten sie es sollen sagen. Nun kan man urteilen, ob ihm diese seine Unwissenheit zum Schaden oder Vorteil bey der Königin gediehen sey.


4 Offt thut allhier ein kluger Mann etc. Es ist unstreitig, dass wie an einer Seite kluge Leute aus eines unbesonnenen Menschen Rede unterweilen eine unverhofte Unterrichtung nehmen, und dieselbe hernachmahls sich zu Nutz zu machen wissen; also an der andern einfältige Leute sich durch dasjenige, was ihnen ein kluger Mann gerahten, vor der Welt nur lächerlicher machen, weil sie es entweder zu unrechter Zeit, oder auf eine ungeschickte Weise bewerckstelligen.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 410-411.
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