23.

Wie Wilibaldus seinem vatter zů fůßen falt, gnad an in begeret, und wie ihm der vatter sein mißhandlung verzeihet.

[78] ›O mein hertzallerliebster herr und vatter, verzeihet mir armen ungehorsamen son! Nempt mich durch gott zů gnaden auff, nit als einen son, sonder als den geringsten stalbůben! Ich wil mich aller arbeit, so niemans thůn will, underziehen, domit ich nur underschleiff in eüwerem hauß haben mag. In keinem beth beger ich nimmer zů schlaffen, allein vergünnet mir under dem tach bey den pferden in dem stall zů wonen! Dem wenigisten diener will ich als meinem herren gehorsamen.‹ Als Wilibaldus semlichs geredt, hat er sich gen den gesten gewendet, sie auff das hertzlichest gebetten und ermanet, im umb seinem vatter helffen gnad und verzihung zů erwerben. Das sie dann all mit höchstem fleiß vollbracht haben.

Also hat im der alt ritter gentzlichen verzeihen, doch das er nümmer wider ihn thůn solt, sunder Fridberten als seinen herren in allen gebotten gehorsamen. Des im Wilbaldus gar große freüd nam, diewyl er jetzund Fridberten und Felixen erkennet, die er dann vormals gar nit kennen mocht. Als nun alle sachen in das beste verwant, sind sie von news[78] zůsammen gesessen. Aldo hat Wilbaldus nach der leng sein außfart, wanderschafft unnd begangnus erzalen müssen, deß sie inen all groß kurtzweil namen.

Zületst sicht er Felixen, seinen schulmeister, mit einem großen unnd schweren seüfftzen an und sagt: ›O Felix, mein getrüwster ratgeb und schulmeister, wie hab ich die getrüwe warnung, so ir mir geton, so mit ungleichem bößem lon vergolten! Wie mag ich uch mit frölichen augen ymmer ansehen! Weh mir, das in die schantlich geselschafft deß Lottari je kummen bin! Dann er mich durch seine arglistigen vilfaltigen bösen anstifftungen zů aller ungehorsamme gebracht hat. Ich bin durch sein eingeben zů verdserbung und grossen spott kummen, meiner allerliebsten fraw můter beraubt worden. Ich, der dem vätterlichen gůten getrüwen raht nit volgen wolt, so mir mein liebster herr und vatter geben thet, müßt zůletst einem armen groben hirten in aller unsuberkeit volgen, in kaltem wind, regen und schne min zeit vertriben. Edler richer kostlicher speis wolt ich mich in mins vatters hauß nit settigen lassen, můßt mich aber an minem hirtendienst mit ungeschmaltzen kraut und růben benügen. Samat unnd siden waß mir zů gering zůr kleidung, der zůletst ein zwilchin sack über meine schultern gespannen zů grosser noturfft für gůt nam, domit ich mich vor dem frost erwören unnd behelffen mocht. Darumb dann billich alle knaben, edel und unedel, ein bispyl ab mir nemmen werden und solcher bösen gselschafft abston, sich in kein solche ungehorsamkeit begeben. – O Fridbert, min allerliebster brůder, nun erkenn ich, weyß auch durch erfarnüß, war sein alle früntlich und brüderliche warnungen, so mir in meinen jungen tagen von euch empfangen; do aber was kein volgens nicht. Deß můß ich jetzund knecht und ir herr sein, das auch recht und billich ist. Grott sey gedancket, der mich zů Vladißlavia zů uch gefüret und mir wider zů sollichem schwert geholffen, so das mich [mein] herr und vatter in gnaden auffgenummen und ich euch alsampt in solchen grossen wirdin und eren funden, das mich dann meines leyds nicht wenig ergetzet.‹

Mit solchen worten machet Wilibaldus in allen die augen übergohn. So best es sie mochten, in trösten würden. Als nun[79] das malzeit ein end hatt, die tisch auffgehaben wurden, jederman urlob nam, zů hauß giengen. Wilibaldus volget Fridberten unnd seinem vatter auff dem fůß nach wie ein gehorsammer undertheniger diener. Er waß in beiden gantz willig unnd gehorsam, stetigs in sorgen stund, das er seinen vatter, den ritter, nit erzürnet.

Bald ließ im Fridbert schöne kleider machen. Also ward das verloren kind zů einem emsigen diener; sein thůn und lassen ward aller welt gefellig, nam wider zů an vernunfft unnd weißheit, welche zůvor auß verruchter böser geselschafft gantz an im verlosschen waß. Also wirt manches adelichs gemüt, dem es doch von natur angeboren ist, durch nichtige böse geselschafft corrumpiert an gůt und ehren, und kummendt aber deren gar wenig wider zů solcher erkantniß. Dann deren sind gar vil, so ich erkant hab, welche ihr gůt durch böße gselschafft vertohn, volgens alle erbarkeit, zucht und straff gantz verlassen, die untugent und laster angenummen; zůletst haben sie ire zuchtmeister am galgen und köpfbühel suchen müssen, doselbs jemerlich gezüchtiget werden.

Das lond wir beliben und wend witer sagen, wie Wilbaldus sein überiges läben zů end brocht hab, domit danoch die gůthertzigen, so etwan sich übersehen hant, ein bispyl bey im nemmen unnd wider zůr tugendt keren.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 78-80.
Lizenz:
Kategorien: